08.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130360
Oberlandesgericht Bremen: Beschluss vom 15.11.2012 – 2 Ss Bs 82/11
1. Zumindest bei der Verhängung einer Geldbuße von mehr als 250,00 EUR besteht eine Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Setzt das Gericht eine in der BKatV vorgesehene Regelgeldbuße fest, ist eine genaue Aufklärung der finanziellen Verhältnisse entbehrlich, wenn sie erkennbar nicht vom Durchschnitt abweichen. Mit der Angabe des ausgeübten Berufes des Betroffenen in dem Urteil hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse bereits erkennbar in Betracht gezogen. Ergeben sich keine entgegenstehenden Anhaltspunkte, kann von dieser Feststellung auf durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse geschlossen werden.
2. Der Tatrichter muss sich bei Verhängung eines Regelfahrverbots der Möglichkeit, von der Verhängung des Fahrverbots absehen zu können, bewusst gewesen sein und dies in den Entscheidungsgründen erkennen lassen. Dagegen kann von dem Tatrichter nicht verlangt werden, er müsse in den Urteilsgründen zu erkennen geben, sich der Möglichkeit bewusst gewesen zu sein, von Verhängung eines Fahrverbotes (allein) gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen
Geschäftszeichen: 2 Ss Bs 82/11
BESCHLUSS
vom 15.11.2012
83 OWi 650 Js 13101/11 (243/11)
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Ordnungswidrigkeit
hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr., den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht am 15. November 2012 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bremen hat den Betroffenen am 09.08.2011 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von über 0,25 mg/l oder mehr zu einer Geldbuße von 500,00 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht u. a. ausgeführt:
„(…) Außerdem hat das Gericht ein Fahrverbot festgesetzt, § 25 Abs. 1 Satz 2StVG. Von einem Fahrverbot konnte auch nicht abgesehen werden. Bei einer Verurteilung nach § 24a StVG rechtfertigen nach allgemeiner Meinung nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots (OLG Hamm, NZV 1995, 496). Derartige Umstände sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Gegebenenfalls eintretende wirtschaftliche und berufliche Folgen muss ein Betroffener als selbstverschuldet hinnehmen (OLG Hamm, NZV 2001, 486). “
Gegen das Urteil hat der Betroffene am 16.08.2011 Rechtsbeschwerde eingelegt, die er nach Zustellung der Urteilsgründe am 19.09.2011 mit am 19.10.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Er rügt mit der Rechtsbeschwerde die Verletzung materiellen Rechts und vertritt die Ansicht, dass das Amtsgericht für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Messung einen Sachverständigen hätte hinzuziehen müssen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen an das Amtsgericht zurückzuverweisen sowie die Rechtsbeschwerde des Betroffenen im Übrigen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 StPO) und begründete (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Amtsgericht Bremen hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 09.08.2011 zu Recht eine Geldbuße von 500,00 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen der am 17.11.2010 begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss festgesetzt.
Der Betroffene hat mit seiner Rechtsbeschwerde allein die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund dieser Sachrüge hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 und 3 StPO).
1. Die Darlegungen des Amtsgerichts zur gemessenen Atemalkoholkonzentration halten materiell-rechtlicher Überprüfung stand. Wenn diese durch ein standardisiertes Messverfahren unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung f ür die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ermittelt worden ist, genügt der Tatrichter seiner sachlich-rechtlichen Darlegungspflicht, wenn er im Urteil den konkret verwendeten Gerätetyp (hier: Dräger Alcotest 7110 Evidential) und das gewonnene Messergebnis mitteilt (OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2006, Az.: 3 Ss OWi 308/06 - zitiert nach juris; vgl. auch BGHSt 46, 358). Das ist im angefochtenen Urteil geschehen. Zu weiteren Darlegungen in den Urteilsgründen ist der Tatrichter allerdings verpflichtet, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die für den Einsatz des standarisierten Messverfahrens geforderten Verfahrensbestimmungen nicht eingehalten sind. In diesen Fällen muss der Tatrichter die Einhaltung der Verfahrensbestimmungen überprüfen und das Ergebnis der Überprüfung in den Urteilsgründen mitteilen (OLG Hamm, a. a. O.; OLG Brandenburg, VRS 112, 280, 282; OLG Hamburg, NJW 2004, 1813, 1814). Insoweit hat sich das Amtsgericht in den Urteilsgründen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit den Einwendungen des Betroffenen gegen den Messvorgang und das Messergebnis auseinandergesetzt. Auf die zu diesem Punkt auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Betroffenen zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft wird in diesem Zusammenhang verwiesen.
2. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft weist auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Das Amtsgericht hat die in Nr. 241 des Bußgeldkatalogs zur Verordnung über Regelsätze für Geldbußen und über die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung - BKatV) festgelegte Regelgeldbuße von 500,00 € und das dort festgelegte Regelfahrverbot von einem Monat verhängt und rechtsfehlerfrei dargelegt, dass kein Grund besteht, von diesen Regelfolgen abzuweichen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bedarf es bei Geldbußen über 250,00 € näherer Angaben im Urteil über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (vgl. Hans. OLG Bremen, NZV 2010, 42, 44 sowie Beschluss vom 31.03.2006, Az.: Ss (B) 42/05 - nicht veröffentlicht; vgl. auch KG, DAR 2012, 395, 396). Setzt das Gericht eine in der Bußgeldkatalog-Verordnung vorgesehene Regelgeldbuße fest, ist aber eine genaue Aufklärung der finanziellen Verhältnisse entbehrlich, wenn sie erkennbar nicht vom „Durchschnitt“ abweichen (vgl. KK-OWiG-Mitsch, 3. Auflage, 2006, § 17, Rn. 92 m. w. N.), denn den Regelsätzen der BKatV liegen durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde (Gürtler in: Göhler, OWiG, 16. Auflage, 2012, § 17, Rn. 29). Die Feststellungen des Amtsgerichts sind insoweit noch ausreichend. Mit der Angabe, dass der Betroffene Rechtsanwalt von Beruf ist, hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, sondern vielmehr erkennbar in Betracht gezogen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann von dieser Feststellung auf durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse geschlossen werden.
b) Weiterhin tragen die tatsächlichen Feststellungen auch die Anordnung des Fahrverbotes von einem Monat.
Soweit die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zur Begründung ihres Aufhebungsantrages darauf hinweist, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit bewusst gewesen sei, von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen eine höhere Geldbuße absehen zu können, greift dies die ständige Rechtsprechung des Senats auf. Danach müssen die Urteilsgründe bei der Verhängung des Regelfahrverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i. V. m. § 4 Abs. 3 BKatV hinreichend deutlich erkennen lassen, dass der Tatrichter sich der ihm durch § 4 Abs. 4 BKatV eingeräumten Möglichkeit bewusst war, das Fahrverbot gegen eine angemessene Erhöhung der Geldbuße entfallen zu lassen (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 20.02.2012, Az.: 2 SsBs 75/11 und Beschluss vom 28.09.2011, Az.: 2 SsBs 35/11 - jeweils nicht veröffentlicht).
Den Ausführungen des Amtsgerichts zum Rechtsfolgenausspruch in den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass sich die Tatrichterin der Möglichkeit bewusst war, von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können. Mit keinem Wort wird allerdings zu erkennen gegeben, dass das auch (allein) gegen Erhöhung der Geldbuße möglich wäre. Derartige Ausführungen sind nach der Auffassung des Senats aber auch nicht erforderlich. § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 4 BKatV stellen keine derart weitreichende Anforderungen hinsichtlich der Ausübung des sich aus diesen Vorschriften ergebenden Rechtsfolgeermessens.
aa) Ist der Tatbestand eines Regelfalles nach § 4 Abs. 1 bis 3 BKatV erfüllt, so wird hierdurch die Erforderlichkeit des Fahrverbotes zur Einwirkung auf den Betroffenen indiziert. Ein Absehen vom Fahrverbot verlangt in allen Fällen des § 25 Abs. 1 StVG das Vorliegen von Umständen, die dies rechtfertigen. Dabei besteht der Unterschied zwischen dem Regelfahrverbot in den Anwendungsfällen des § 24a StVG i. V. m. § 4 Abs. 3 BKatV einerseits und des § 24 StVG i. V. m. § 4 Abs. 1 und 2 BKatV andererseits darin, dass in den Fällen des § 24a StVG nur „Härten ganz außergewöhnlicher Art“ oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen rechtfertigen, während in den Fällen des § 24 StVG i. V. m. § 4 Abs. 1 bzw. 2 BKatV möglicherweise schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände ausreichen, um eine Ausnahme zu begründen (BGHSt 38, 125, 134; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, 2011, § 25 StVG, Rn. 24 m. w. N.). Bereits beim Regelfahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, erst Recht beim Regelfahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG hat der Tatrichter daher nur dann Veranlassung, im Rahmen seines Rechtsfolgeermessens ein Absehen vom Fahrverbot in Betracht zu ziehen, wenn objektive oder subjektive Umstände von einigem Gewicht oder in einem Ausmaß vorliegen, die dies rechtfertigen könnten. Nach § 4 Abs. 4 BKatV soll dann, wenn von der Anordnung eines Fahrverbotes ausnahmsweise abgesehen wird, das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden.
Weder aus dem Regelungszusammenhang von § 4 Abs. 1 bis 4 BKatV noch aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 4 BKatV ergibt sich damit, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes alleine deshalb möglich sein soll, weil die Geldbuße erhöht werden kann. Vielmehr wird schon aus der Formulierung von § 4 Abs. 4 BKatV deutlich, dass die Entscheidung, ob von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen wird, von anderen Umständen abhängt. Nur wenn solche Umstände vorliegen, zu denen der Tatrichter im Einzelnen eine auf Tatsachen gestützte Begründung zu geben hat, kommt dies überhaupt in Betracht (vgl. Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 22. Auflage, 2012, § 25 StVG, Rn. 20; Ternig in: Lütkes, Straßenverkehr, Stand: April 2012, § 25 StVG, Rn. 5; vgl. auch OLG Zweibrücken, DAR 2003, 531, 532). Dies wird auch in der Begründung zur BKatV sehr deutlich, in der es zu § 2 Abs. 4 a. F. (entspricht § 4 Abs. 4 BKatV n. F.) heißt (BR-Drs. 140/89, S. 31):
„Liegen besondere Gründe vor, die es vertretbar erscheinen lassen, ausnahmsweise von der Anordnung eines Fahrverbotes, dessen Voraussetzungen an sich vorliegen, abzusehen, so wurde es schon bisher in bestimmten Fällen für richtig gehalten, die damit verbundene Besserstellung durch eine angemessene Erhöhung des Regelsatzes ganz oder teilweise auszugleichen (z. B. BGH, NJW 1971, 105).“
Eine Prüfung, ob der durch das Fahrverbot als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme angestrebte Erfolg, nämlich erzieherisch zu wirken und bei dem Betroffenen in Zukunft ein ordnungsgemäßes Verhalten im Straßenverkehr zu erreichen, alleine durch die Erhöhung der Geldbuße zu erreichen ist, ist damit nach der Konzeption des § 4 BKatV gerade nicht vorgesehen. Vielmehr ist dies lediglich die mit einem Absehen aus anderen Gründen verbundene regelmäßige Folge (vgl. OLG Celle, NZV 1991, 199, 200). Indem er diese Folge als Soll-Vorschrift formuliert hat, hat der Verordnungsgeber im Übrigen zu erkennen gegeben, dass eine Erhöhung der Geldbuße nicht einmal in jedem Fall erfolgen muss (so anscheinend auch König, a. a. O., Rn. 19: „Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot, etwa bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße“). Der Tatrichter hat mithin auch insoweit einen - allerdings durch die Sollvorschrift eingeschränkten - Ermessensspielraum dahingehend, allein aufgrund besonderer objektiver oder subjektiver Umstände auch ohne eine Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen. Ein Absehen ohne derartige Umstände kommt dagegen nicht in Betracht. Dementsprechend finden sich zwar in der obergerichtlichen Rechtsprechung zahlreiche Entscheidungen, die die Anforderungen an ein Absehen vom Fahrverbot und die tatrichterliche Begründung hierfür mehr oder weniger streng ausformen (vgl. die zahlreichen Nachweise bei König, a. a. O., Rn. 24 ff. sowie bei Burmann, a. a. O., Rn. 20 ff. insbes. Rn. 22 und Ternig, a. a. O.). In keiner veröffentlichten Entscheidung wird allerdings auf das Vorliegen von das Absehen rechtfertigenden Umständen verzichtet und alleine die Erhöhung der Geldbuße für ausreichend erachtet.
bb) Etwas Anderes folgt entgegen verbreiteter Ansicht auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs. Soweit eine Vielzahl von Oberlandesgerichten - einschließlich des erkennenden Senats - insbesondere an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 16.07.1969 und des Bundesgerichtshofs vom 28.11.1991 (BGHSt 38, 125) und vom 17.03.1992 (BGHSt 38, 231) anknüpfen und meinen, hieraus seien Anforderungen an die Urteilsgründe zu stellen, die von dem Tatrichter verlangen, er müsse dort zu erkennen geben, dass er sich der Möglichkeit bewusst war, alleine gegen Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot absehen zu können, beruht diese Interpretation nach Ansicht des Senats auf einem Missverständnis. Auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgen aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine derart engen Anforderungen an die Darlegungspflichten des Tatrichters.
(1) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.07.1969 (BVerfGE 27, 36 = NJW 1969, 1623 = VRS 37, 161) klargestellt, dass es sich bei dem Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG nicht um eine Kriminalstrafe handele, weil es nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion habe und als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt sei. Dem geringen Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeit entspreche nach dem System des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten als angemessene Reaktion die Geldbuße. Wenn § 25 StVG daneben ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen bei Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften die Möglichkeit der Anordnung eines befristeten Fahrverbotes eröffne, so sei daraus weiter zu folgern, dass von dieser Möglichkeit jedenfalls erst Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn feststehe, dass der angestrebte Erfolg im Einzelfall auch mit einer empfindlichen und im Wiederholungsfall auch mit einer verschärften Geldbuße nicht erreicht werden könne.
(2) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zu einer zum Teil sehr restriktiven Handhabung des § 25 StVG durch die obergerichtliche Rechtsprechung geführt. Von den Amtsgerichten verhängte Fahrverbote wurden auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen hin in vielen Fällen wieder aufgehoben, weil das Fahrverbot in seiner Wechselwirkung mit der Geldbuße ultima ratio zu bleiben habe und nur unter spezialpräventiven Gesichtspunkten, nämlich dem Nichtausreichen einer empfindlichen oder verschärften Geldbuße zur Besinnung des Betroffenen, angeordnet werden dürfe (vgl. BayObLG, NZV 1990, 401; OLG Köln, VRS 61, 282, 283; OLG Hamm, DAR 1988, 280, 281; vgl. auch Janiszewski, DAR 1992, 90).
Der Verordnungsgeber hat in dem Bestreben, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und eine gewisse Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zu bewirken, damit das Fahrverbot die ihm angemessene Breitenwirkung entfalten kann (BR-Drs. 140/89, S. 29 f.), am 04.07.1989 die BKatV erlassen, die am 01.01.1990 in Kraft getreten ist (BGBl I, S. 1305 ff.). Ermächtigungsgrundlage hierfür war der durch das Gesetz zur Änderung des StVG vom 28.12.1982 neu eingeführte § 26a StVG (BGBl I, S. 2090). Auch nach Erlass der BKatV haben allerdings einige Gerichte unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1969 die Ansicht vertreten, es müsse weiterhin in jedem Einzelfall zusätzlich geprüft werden, ob der erforderliche Warneffekt auch durch eine Erhöhung der Regelgeldbuße zu erreichen sei. Nur wenn dies zu verneinen sei, sei regelmäßig ein Fahrverbot anzuordnen (vgl. OLG Oldenburg, VM 1990, 70; BayObLG, DAR 1991 109; OLG Hamm, DAR 1991, 153). Auf Vorlage des OLG Düsseldorf hat der BGH in seinen Entscheidungen vom 28.11.1991 und vom 17.03.1992 klargestellt, dass die Gerichte bei Vorliegen eines Regelfalls von der Verpflichtung, die Angemessenheit der Verhängung des Fahrverbotes zu prüfen und besonders zu begründen, enthoben sind. Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidung des BGH gebilligt (BVerfG, NJW 1996, 1809). Der BGH hat in beiden Entscheidungen folgenden (nur hinsichtlich der angeführten Normen unterschiedlichen) Leitsatz formuliert:
„In den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 [und Absatz 2 Satz 2] BKatV ist die Anordnung eines Fahrverbots zulässig, ohne dass es näherer Feststellung bedarf, der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg könne auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht erreicht werden. Der Tatrichter muss sich dessen aber ausweislich der Gründe seiner Entscheidung bewusst gewesen sein.“
Dieser Leitsatz ist in der Folgezeit in dem bereits zitierten Sinn interpretiert worden, wonach die Entscheidungsgründe sich zu dem Bewusstsein des Tatrichters vom Absehen des Fahrverbotes gegen Erhöhung der Geldbuße verhalten müssten (OLG Naumburg, VRS 100, 201, 203; OLG Hamm, DAR 2000, 129, 130; NZV 2004, 156; VRS 106, 474, 475 f.; OLG Köln, NZV 2001, 391, 392; OLG Rostock, DAR 2001, 421, 422; OLG Düsseldorf, DAR 2011, 408, 409). Der Leitsatz ist indes in erster Linie vor dem Hintergrund der erwähnten Rechtsansicht einiger Gerichte und deren Auffassung vom Regel-Ausnahme-Verhältnis zu sehen. Vor allem hierzu verhalten sich auch die Gründe in den beiden BGH-Entscheidungen. Dort wird an keiner Stelle explizit die Forderung aufgestellt, der Tatrichter müsse in den Urteilsgründen sein Bewusstsein von der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot (allein) gegen Erhöhung der Geldbuße zu erkennen geben. Dem BGH ging es vielmehr ersichtlich darum, gestützt auf die Regelungen in § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BKatV a. F. (entspricht § 4 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BKatV n. F.) herauszustellen, dass die Gerichte gerade keine Verpflichtung trifft, „die Angemessenheit der verhängten Rechtfolge besonders zu begründen, wenn keine Anhaltspunkte für ein Abweichen ersichtlich sind“ (BGHSt 38, 125, 136; 231, 236). Weiter heißt es dazu in beiden Beschlüssen: „Der Tatrichter muss sich aber einer solchen Möglichkeit - nicht anders als die Verwaltungsbehörde - bewusst sein und dies in den Entscheidungsgründen zu erkennen geben.“ Insbesondere die weiteren Ausführungen in dem Beschluss vom 17.03.1992 machen deutlich, dass auch nach Ansicht des BGH alleine die Erhöhung der Geldbuße nie ausreicht, um ein Absehen vom Fahrverbot zu begründen: „Weist der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten auf, die nicht schon die Beharrlichkeit des Verstoßes als solche ausnahmsweise in Frage stellen, so kann der Tatrichter die Überzeugung gewinnen, dass trotz eines Regelfalls die Verhängung eines Fahrverbots unangemessen ist und der notwendige Warneffekt unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße erreicht werden kann“ (BGHSt 38, 231, 237). Bei richtigem Verständnis der Entscheidungsgründe des BGH kann der Tatrichter daher zwar nur dann vom Fahrverbot absehen, wenn die gewünschte Denkzettel- und Besinnungswirkung mit einer erhöhten Geldbuße erreicht werden kann. Diese Frage stellt sich aber auch nach Ansicht des BGH erst dann, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten aufweist.
Die in der Folgezeit von der Rechtsprechung aus den Leitsätzen jener Entscheidungen gezogene Schlussfolgerung, der Tatrichter müsse sich damit auseinandergesetzt haben, ob von der Verhängung des Fahrverbotes nicht allein deshalb abgesehen werden könne, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt schon durch eine Erhöhung der Geldbuße zu erreichen sei und dies müsse auch den Urteilsgründen zu entnehmen sei (OLG Naumburg, VRS 100, 201, 203; OLG Hamm, DAR 2000, 129, 130; NZV 2004, 156; VRS 106, 474, 475 f.; OLG Köln, NZV 2001, 391, 392; OLG Rostock, DAR 2001, 421, 422; OLG Düsseldorf, DAR 2011, 408, 409), verkennt dieses Stufenverhältnis der Voraussetzungen. Erkennt der Tatrichter schon keine Umstände für ein Absehen, ist ihm auch kein Rechtsfolgeermessen dahingehend eingeräumt, alleine wegen der möglichen Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen. In dem Fall kann von ihm aber auch nicht gefordert werden, dass er sich in den Gründen zu dieser Frage verhält. Auch vor dem Hintergrund dessen, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts dient, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung und daher gerade in Bußgeldsachen keine übertrieben hohen Anforderungen an die Urteilsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BGHSt 39, 291, 299; Hans. OLG Bremen, NZV 2010, 42, 43; OLG Rostock, DAR 2001, 421; Seitz in: Göhler, a. a. O., § 71, Rn. 42), ist es ausreichend, wenn der Tatrichter zu erkennen gibt, dass ihm überhaupt bewusst war, aufgrund der Regelungen in § 25 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 bis 3 BKatV über Rechtsfolgeermessen zu verfügen (im Ergebnis wie hier: OLG Hamm - 3. Bußgeldsenat -, JMBl. NW 1996, 248; a. A. OLG Hamm - 2. Bußgeldsenat -, DAR 2000, 129, 130).
cc) Die Prüfung der Urteilsgründe durch das Rechtsbeschwerdegericht ist hierauf zu beschränken. Den genannten Anforderungen werden die Ausführungen des Amtsgerichts im vorliegenden Fall - wie dargelegt - gerecht. Soweit der Senat in den Beschlüssen vom 20.02.2012 (Az.: 2 SsBs 75/11 - nicht veröffentlicht) und vom 28.09.2011 (Az.: 2 SsBs 35/11 - nicht veröffentlicht) strengere Anforderungen an die Begründungspflicht formuliert hat, wird daran nicht festgehalten.
3. Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG ist nicht veranlasst.
a) Eine Abweichung von einer Entscheidung des BGH ist nicht gegeben. Zum einen hat der BGH keinesfalls mit der notwendigen Eindeutigkeit das nunmehr vom Senat abgelehnte „qualifizierte“ Begründungserfordernis aufgestellt. Zum anderen betrafen beide Beschlüsse des BGH die sich aus §§ 25 Abs. 1 Satz 1, 24 StVG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BKatV ergebenden Regelfahrverbote. In dem zur Entscheidung anstehenden Fall geht es hingegen um ein Regelfahrverbot, welches aus §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG i. V. m. § 4 Abs. 3 BKatV folgt. Soweit der BGH in der Entscheidung vom 28.11.1991 Ausführungen hierzu macht, spricht er selbst die Unterschiede zu den Anwendungsfällen des § 24 StVG an und erklärt, diese besagten zwar nichts darüber, wann ein Regelfall vorliege und welche Rechtsfolgen sich daran knüpften. Sie wirkten sich aber bei der Entscheidung über ein Absehen von der Anordnung aus.
b) Die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist auch nicht etwa deshalb erforderlich, weil der erkennende Senat von den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (etwa OLG Naumburg, VRS 100, 201, 203; OLG Hamm, DAR 2000, 129, 130; NZV 2004, 156; VRS 106, 474, 475 f.; OLG Köln, NZV 2001, 391, 392; OLG Rostock, DAR 2001, 421, 422; OLG Düsseldorf, DAR 2011, 408, 409) abweicht. Eine Vorlage ist dann nicht erforderlich, wenn das entscheidende Gericht nur in der Begründung seiner Rechtsansicht, nicht aber im Ergebnis von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, 2012, § 121 GVG, Rn. 10; OLG Celle, NZV 1991, 199, 200). Das ist hier der Fall. Dem Senat ist keine veröffentlichte Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts bekannt, in der für den hier zu entscheidenden Fall eines Verstoßes gegen § 24a StVG mit der Folge eines Fahrverbotes nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG gefordert wird, der Tatrichter müsse in den Urteilsgründen sein Bewusstsein von der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße zu erkennen geben. Soweit ersichtlich verhalten sich sämtliche Entscheidungen zu dieser Frage alleine zu den Regelfahrverboten des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BKatV bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG (vgl. OLG Köln, NZV 2001, 391; OLG Schleswig, NZV 2011, 410; OLG Düsseldorf, DAR 2011, 408; weitere Nachweise bei König a. a. O., Rn. 19). Dementsprechend hat es etwa auch das OLG Hamm ohne Vorlage nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG an den BGH in Fällen, in denen die Amtsgerichte Betroffene wegen Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG verurteilt und gegen sie Fahrverbote verhängt hatten, abgelehnt, die Urteile deswegen aufzuheben, weil das jeweilige amtsgerichtliche Urteil nicht erkennen ließ, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit bewusst war, gegen eine Erhöhung der Geldbuße von einem Fahrverbot absehen zu können (OLG Hamm, VRS 101, 297 und NZV 1996, 246; NZV 1995, 496). Der Senat teilt die vom OLG Hamm vertretene Auffassung, dass in diesen Fällen derartige Anforderungen nicht zu stellen sind. Der erkennende Senat stützt seine Auffassung aber auf eine weiterreichende Begründung, die - hier nicht entscheidungserheblich - auch die Fälle des Fahrverbotes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG umfasst. Auf der anderen Seite teilt der Senat nicht die - offenbar vom OLG Hamm vertretene - Ansicht, dass der Tatrichter in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG nicht einmal zu erkennen geben müsse, sich der Möglichkeit überhaupt vom Fahrverbot absehen zu können, bewusst gewesen zu sein (vgl. auch König, a. a. O., Rn. 18). Dem steht - wie gezeigt - die Systematik von § 4 BKatV in der durch den Bundesgerichtshof im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfahrenen Deutung entgegen. Im Ergebnis weicht der Senat im konkreten Fall damit von keinem anderen Oberlandesgericht ab. Die Frage der Vorlagepflicht wird sich neu stellen, wenn für den Senat in einem Rechtsbeschwerdeverfahren, in dem ein Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG wegen Verstoßes gegen § 24 StVG verhängt worden ist, die gleichen Rechtsfragen zur Entscheidung anstehen sollten.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.