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  • 15.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130505

    Landgericht Stade: Urteil vom 30.11.2012 – 1 S 41/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Stade Verkündet am:
    Geschäfts-Nr.: 30.11.2012
    1 S 41/12
    61 C 236/12 Amtsgericht Stade
    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In dem Rechtsstreit
    xxx
    hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 26.11.2012 durch xxx
    für R e c h t erkannt:
    Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Juli 2012 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Stade – 61 C 236/12 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 761,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2012 zu zahlen.
    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
    Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 761,00 €.
    Gründe
    I.
    Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen.
    Der Kläger beantragt,
    das Urteil des Amtsgerichts Stade – 61 C 236/12 – vom 25.07.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 761,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    Die Beklagte beantragt
    die Berufung zurückzuweisen.
    II.
    Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
    Das Urteil des Amtsgerichts beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513, 546 ZPO), nämlich auf einer fehlerhaften Anwendung von § 249 BGB.
    Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten für die unfallbedingt entstandenen Schäden des Klägers ist unstreitig.
    Der Kläger hat gegen die Beklagte aus Anlass des Unfallereignisses vom xx.xx.2012 auf der B 495 in Wischhafen-Neuenlande einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 761,00 € (Differenz von 1.361,00 € abzüglich 600,00 €).
    Der Kläger als Geschädigter war berechtigt sein totalbeschädigtes Fahrzeug nach Vorliegen des Gutachtens der Sachverständigen …. vom 21.02.2012 am 23.02.2012 zu dem in dem Gutachten aufgeführten höchsten Restwertangebot in Höhe von 600,00 € zu verkaufen. Er war nicht verpflichtet, zuvor der Beklagten im Hinblick auf ihr Schreiben vom 15.02.2012 oder aber unabhängig von diesem Schreiben überhaupt Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot zu unterbreiten.
    Der BGH hat zu dazu in einer Entscheidung, NJW 2010, 605, 606 u.a. ausgeführt:
    „Im Veräußerungsfall genügt der Geschädigte im Allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und seiner Darlegungs- und Beweislast und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, BGHZ 143, 189,193 = NJW 2000, 800; BGHZ 163, 362, 366 = NJW 2005, 3134; BGHZ 171, 287, 290 f = NJW 2007, 1674; NJW 1992, 903; NJW 1993, 1849; NJW 2005, 357; BGHZ 163, 362 = NJW 2005, 3134; NJW 2007, 2918). Dem Geschädigten verbleibt im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 Absatz 2 BGB regelmäßig nur dann ein Risiko, wenn er den Restwert ohne hinreichende Absicherung durch ein eigenes Gutachten realisiert und der Erlös sich später im Prozess als zu niedrig erweist. Will er dieses Risiko vermeiden, muss er sich vor dem Verkauf des beschädigten Fahrzeugs mit dem Haftpflichtversicherer abstimmen oder aber ein eigenes Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholen, auf dessen Grundlage er die Schadensberechnung vornehmen kann (vgl. BGH, NJW 1992, 903; NJW 1993, 1849; NJW 2005, 3134).

    Beauftragt der Geschädigte – wie im Streitfall – einen Gutachter mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung, hat der Sachverständige das Gutachten unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Kfz-Unfallen zu erstellen (vgl. BGH, NJW 2009, 1265).

    Dabei hat der Sachverständige als ausreichende Schätzgrundlage entsprechend der Empfehlung des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstags im Regelfall drei Angebote einzuholen (vgl. BGH, NJW 2009, 1265).”
    Diesen Anforderungen genügt das vom Kläger eingeholte Gutachten der Sachverständigen … vom 21.02.2012. Dieses lässt erkennen, wie viele Angebote der Sachverständige eingeholt hat, nämlich insgesamt drei, und von wem diese stammen. Die dort genannten Firmen haben ihren Sitz im relevanten örtlichen Markt, nämlich in Oederquart, Lintig bei Bederkesa und in Cadenberge. Dabei stellte das Angebot der Firma … mit 600,00 € das höchste Angebot dar.
    In einer weiteren Entscheidung hat der BGH, NJW 2010, 2724 ausgeführt:
    “1.Der Geschädigte, der sein beschädigtes Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern es veräußern und ein Ersatzfahrzeug anschaffen will, darf seiner Schadensabrechnung im Allgemeinen denjenigen Restwert zu Grunde legen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
    2. Anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte für das Unfallfahrzeug ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt.”
    Der Kläger hat für das Unfallfahrzeug keinen Erlös erzielt, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt.
    Darüber hinaus ist der Geschädigte nicht verpflichtet, das Gutachten zwecks Überprüfung dem Versicherungsunternehmen zur Kenntnis zu bringen (BGH, VersR 1993, 769; OLG Köln, VersR 1999, 332; OLG München, VerR 1999, 407, Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 12 StVG, Rn. 8) oder ihm Gelegenheit zur Abgabe eines Restwertangebots zu geben (BGH, NJW 2005, 3134; OLG Köln, DAR 1993, 262; OLG Hamm, NZV 1993, 432; OLG Düsseldorf VersR 2006, 1657; a.A. : OLG Köln; OLG Hamm; LG Köln, Trost, s. Nachweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 12 StVG, Rn. 8.).
    Im Ausnahmefall muss der Geschädigte eine rechtzeitig nachgewiesene günstigere Verwertungsmöglichkeit nutzen, BGH, NJW 2000, 800; BGH NJW 2005, 3134; BGH NJW 2007, 1674; OLG Celle, VerR 1993, 987; OLG Oldenburg, NZV 1993, 233; OLG Hamm NZV 1993, 432; OLG Düsseldorf, NZV 2004, 584; OLG Köln, VersR 1999, 332.
    Eine derartige günstigere Verwertungsmöglichkeit hat die Beklagte dem Kläger aber vor dem Verkauf seines Fahrzeugs am 23.02.2012 nicht nachgewiesen.
    Der allgemein gehaltene Hinweis der Beklagten im Schreiben vom 15.02.2012 enthält kein verbindliches konkretes Ankaufangebot. Das Angebot im Schreiben vom 27.02.2102 kam zu spät, denn der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt sein Fahrzeug bereits veräußert. Abwarten musste der Kläger mit dem Verkauf seines Fahrzeugs nicht und sich vorher auch nicht mit der Beklagten abstimmen, s.o.
    Zudem stammt das Kaufangebot vom 27.02.2012 nicht aus dem örtlichen Bereich des Klägers.
    Dazu der BGH, NJW 2005, 3134, 3135:
    „In einer solchen Situation braucht der Geschädigte kein weiteres Sachverständigengutachten zum Restwert einzuholen und muss grundsätzlich auch nicht den Haftpflichtversicherer über den beabsichtigten Verkauf seines beschädigten Fahrzeugs informieren, weil anderenfalls die ihm nach § 249 Absatz 1 S. 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und deshalb auf seine individuelle Situation und die konkreten Gegebenheiten des Schadensfalls abstellt (Senat, BGHZ 143, 189,195 = NJW 2000, 800; NJW 1992, 903 = VersR 1992, 457; NJW 1993, 1849 = VersR 1993, 769). Dies entspricht dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes, nach dem der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (vgl. Senat, BGHZ 66, 239, 246 = NJW 1976, 1396; BGHZ 143, 189, 194f. = NJW 2000, 800). Will also der Geschädigte sein Fahrzeug der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler beim Erwerb eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung geben, kann ihn der Schädiger – wie oben dargelegt – nicht auf einen Sondermarkt spezialisierter Restwertaufkäufer verweisen (Senat, NJW 1993, 1849 = VersR 1993, 769). Vielmehr kann der Geschädigte, der wie im Streitfall nicht einen fiktiven Restwert abrechnet, sondern denjenigen, den er durch den Verkauf des Fahrzeugs tatsächlich realisiert hat, seiner Schadensberechnung grundsätzlich den erzielten Restwertbetrag zu Grunde legen (vgl. Senat, NJW 2005, 2541).
    Freilich gelten auch bei einer solchen konkreten Schadensberechnung das Wirtschaftlichkeitsgebot und die sich aus § 254 II BGB ergebende Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens, so dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer nicht an dem Vorbringen gehindert ist, auf dem regionalen Markt hätte ein höherer Restwert erzielt werden müssen. Wie der Senat bereits in dem in BGHZ 143, 189, 194 = NJW 2000, 800, abgedruckten Urteil dargelegt hat, ist es nämlich nicht ausgeschlossen, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot und seiner sich aus § 254 Absatz 2 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Unter diesem Blickpunkt kann er gehalten sein, von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung der beschädigten Sache Abstand zu. nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen. Derartige Ausnahmen stehen nach allgemeinen Grundsätzen zur Beweislast des Schädigers (vgl. Senat, BGHZ 143, 189, 194 = NJW 2000, 800; BGH VersR 1978, 182, 183). Auch müssen sie in engen Grenzen gehalten werden und dürfen insbesondere nicht dazu führen, dass dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden (vgl. Senat, BGHZ 143, 189, 194 = NJW 2000, 800).”
    Darüber hinaus hatte die Kammer des erkennenden Gerichtes in einem Urteil vom 06.04.2009 – 1 S 51/08 – Folgendes ausgeführt:
    „Der Geschädigte muss sich auf seinen Ersatzanspruch ein im Vergleich zum regionalen Markt wesentlich höheres Internet-Restwertangebot allenfalls dann schadensmindernd anrechnen lassen, wenn es ihm sofort risikolos zugrifffähig vorliegt, vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2009, 320?.
    Unabhängig davon, dass das mit Schreiben der Beklagten vom 27.02.2012 dem Kläger unterbreitete Angebot der … dem Kläger nicht bereits vor dem Verkauf seines Fahrzeugs am 23.02.2012 vorlag, handelt es sich auch nicht um ein risikolos sofort zugriffsfähiges Angebot. Der Kläger hatte bereits erstinstanzlich – unwidersprochen und damit unstreitig – mit Schriftsatz vom 11.04.2012 vorgetragen, dass die genannte Firma … nicht selbst Käufer sei sondern nur die Abwicklung eines Verkaufs übernehme. Wer tatsächlich Käufer sei, ergebe sich nicht. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten und hat auch keinen Beweis dafür angetreten, dass die Firma … selbst Käuferin ist und das genannte höhere Restwertangebot in Höhe von 1.361,00 € abgegeben hat. Auf einen höheren Restwert als 600,00 € für das total beschädigte Fahrzeug des Klägers musste sich dem Kläger nach alledem nicht verweisen lassen.
    Der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Zinsen folgt aus §§ 288, 291, 87 Abs. 1 (analog) BGB.
    Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 543, 708 Nr. 10, 713 ZPO.