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  • · Fachbeitrag · Bußgeldbescheid

    Diese allgemeinen Fragen zum Erlass des Bußgeldbescheids müssen Sie beantworten können

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

    | In der Praxis spielen in den OWi-Verfahren Verjährungsfragen eine erhebliche Rolle. Besondere Bedeutung hat dabei die Problematik, ob ggf. durch einen der in § 33 OWiG genannten Umstände die Verjährung unterbrochen worden ist. Hier wiederum sind die Fragen, die mit dem Erlass des Bußgeldbescheids (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG) zusammenhängen, von besonderer praktischer Bedeutung. Wir zeigen Ihnen in unseren Checklisten, worauf der Verteidiger dabei achten muss. |

     

    Checkliste /  Allgemeine Fragen

    1. Wie lang sind die Verjährungsfristen im straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren?

    Die Länge der Verjährungsfrist richtet sich in Verkehrssachen nicht nach § 31 Abs. 2 OWiG, sondern nach § 26 Abs. 3 StVG. Danach gilt grundsätzlich eine Verjährungsfrist von drei Monaten. Ist allerdings ein ‒ wirksamer ‒ Bußgeldbescheid ergangen, wird diese Frist gem. § 26 Abs. 3 StVG auf sechs Monate verlängert.

     

    Hinweis | Eine Besonderheit gilt für die Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG (0,5-Promille-Grenze). Für diese ist die Regelung des OWiG anwendbar. Da für diesen Verstoß die Verhängung einer Geldbuße bis zu 1.500 EUR möglich ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 OWiG ein Jahr. Entsprechendes gilt für das Fahren von Kraftfahrzeugen unter bestimmten Drogen (§ 24a Abs. 2 StVG).

    2. Ist die Unterbrechung der Verjährung durch Erlass eines Bußgeldbescheids im Gesetz geregelt?

    Ja, die Regelung befindet sich in § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG. Danach wird die Verjährung durch den Erlass eines Bußgeldbescheids unterbrochen, wenn dieser binnen zwei Wochen zugestellt wird.

    3. Was gilt, wenn der Bußgeldbescheid nicht binnen zwei Wochen nach seinem Erlass zugestellt worden ist?

    Die Verjährung tritt dann nicht bereits durch den Erlass des Bußgeldbescheids ein, sondern wird erst durch dessen (spätere) Zustellung unterbrochen.

    4. Welche Voraussetzungen müssen für den Erlass eines Bußgeldbescheids erfüllt sein?

    Voraussetzung für den Erlass des Bußgeldbescheids ist u. a., dass die Verwaltungsbehörde eine OWi für erwiesen ansieht. Außerdem dürfen keine Verfolgungshindernisse bestehen und die Behörde muss die Ahndung des dem Betroffenen zur Last gelegten Verhaltens mit einer Geldbuße und ggf. Nebenfolgen für geboten erachten.

     

    Hinweis | Hat also die Verwaltungsbehörde Zweifel, ob der Betroffene die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat, darf kein Bußgeldbescheid ergehen. Anders als zur Anklageerhebung genügt ein hinreichender Tatverdacht zum Erlass des Bußgeldbescheids nicht (KK-OWiG/Kurz, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 11 m. w. N.). Die Verwaltungsbehörde muss vielmehr von der Schuld des Betroffenen überzeugt sein (OLG Hamm VRS 41, 52; a. A. offenbar Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2022, vor § 65 Rn. 1 für „Massenverfahren“, wenn aufgrund von schriftlichen Unterlagen entschieden wird).

    5. Wann ist ein Bußgeldbescheid im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG erlassen?

    Die Unterbrechungshandlung durch Erlass des Bußgeldbescheids ist eine sogenannte schriftliche Unterbrechungshandlung im Sinne von § 33 Abs. 2 OWiG. Entscheidend ist daher die Unterzeichnung des Bußgeldbescheids durch den Beamten der Bußgeldbehörde (zum Erlass des Bußgeldbescheids auch Burhoff in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2021, Rn. 634 ff. m. w. N.).

     

    Hinweis | Die Verjährung wird nicht unterbrochen, wenn nur der Entwurf des Bußgeldbescheids (OLG Zweibrücken VRS 53, 446) oder ein unvollständiger Bescheid unterzeichnet wird (OLG Düsseldorf VRS 57, 434; OLG Saarbrücken zfs 96, 195). Nicht erforderlich ist die eigenhändige Unterschrift, sofern man den eindeutigen „Unterbrechungswillen“ feststellen kann (OLG Saarbrücken zfs 09, 532 für Gewährung von Akteneinsicht an den Verteidiger).

    6. Bestehen für den Erlass eines Bußgeldbescheids besondere Formvorschriften?

    Im OWiG ist eine besondere Form, wie etwa die Schriftform, nicht vorgesehen.

    7. Ist die eigenhändige Unterschrift des Sachbearbeiters erforderlich?

    Die eigenhändige Unterschrift ist kein sog. konstitutives Element für die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids (BGHSt 42, 380 = NJW 06, 2338; OLG Hamm 30.4.08, 2 Ss OWi 223/08). I. d. R. ergeht der Bußgeldbescheid aber schriftlich.

     

    Ausreichend ist nach h. M. aber auch die Paraphe des Sachbearbeiters (z. B. OLG Düsseldorf wistra 94, 39) oder ein Faksimilestempel. Kann das Namenszeichen aus sich selbst heraus nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden, ist das so lange für die Wirksamkeit der Unterzeichnung ohne Belang, wie sich auch aus sonstigen Umständen die Urheberschaft ermitteln lässt (BayObLG VRS 57, 49).

    8. Gelten für im EDV-Verfahren erlassene Bußgeldbescheide andere Regeln?

    Entscheidend ist hier grds. der Zeitpunkt des Ausdrucks (so schon OLG Celle MDR 89, 287; OLG Saarbrücken zfs 96, 195; OLG Frankfurt a. M. zfs 91, 322; zum elektronischen Erlass bei elektronischer Aktenführung OLG Koblenz 12.12.17, 2 OWi 4 SsRs 122/17, zfs 18, 170; 17.7.18, 1 OWi 6 SsBs 19/18; OLG Zweibrücken 8.1.20, 1 OWi 2 SsBs 117/19).

     

    Hinweis | Das gilt aber nur für solche Bußgeldbescheide, die im Rahmen eines vorprogrammierten Ablaufs eines Computerprogramms erstellt werden. Auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung des Bußgeldbescheids bzw. den Zeitpunkt seiner Verfügung kommt es an, wenn

    • der Beamte einen Computer lediglich als Schreibmaschine benutzt (OLG Köln NZV 01, 314),
    • der Sachbearbeiter in den Programmablauf eingreift und eine selbstständige Anordnung trifft (OLG Stuttgart VRS 94, 456; Göhler, a. a. O., § 33 Rn. 46 m. w. N.),
    • der Sachbearbeiter den Bußgeldbescheid nach dem Ausdruck überprüft und ergänzt (OLG Celle MDR 89, 287).

    9. Unterbricht ggf. auch die Verfügung der Verwaltungsbehörde, mit der der Ausdruck des Bußgeldbescheids im EDV-Verfahren angeordnet wird?

    Das ist nur der Fall, wenn die Verfügung inhaltlich den Anforderungen eines Bußgeldbescheids nach § 66 Abs. 1 OWiG genügt (vgl. nur OLG Zweibrücken NStZ 87, 30; Göhler, a. a. O., vor § 65 Rn. 4, m. w. N.). Andererseits werden an die Verfügung gerade nicht die inhaltlichen Anforderungen wie an einen Bußgeldbescheid gestellt. Vielmehr muss mit der Verfügung des Sachbearbeiters nur der Wille zum Ausdruck kommen, dass der Erlass des Bußgeldbescheids, der im Übrigen durch die EDV technisch hergestellt wird, von der Behörde gewollt ist (OLG Dresden 26.3.15, OLG 21 Ss 122/15 [B], VA 16/17). Ob das auch für den Fall gilt, dass sich Inhalt der Verfügung und der Inhalt des Bußgeldbescheids bezogen auf die Rechtsfolgen inhaltlich nicht voll decken (so OLG Dresden a. a. O.; vgl. auch OLG Stuttgart DAR 98, 29), ist umstritten (a. A. AG Grimma VA 2016, 16). Eine andere Frage ist dann in diesen Fällen die der Wirksamkeit der Zustellung (Burhoff, a. a. O., Rn. 726 und Rn. 4455).

    10. Muss der Bußgeldbescheid unmittelbar nach seinem Erlass zur Zustellung gegeben werden?

    Nach § 33 Abs. 2 S. 2 OWiG ist entscheidend, dass der Bußgeldbescheid „alsbald“ in den Geschäftsgang gegeben wird. In den Geschäftsgang gegeben ist der Bußgeldbescheid / ein Schriftstück, wenn er/es in den Auslauf gegeben ist, damit er/es abgetragen werden kann (BGHSt 29, 43).

    11. Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn der Bußgeldbescheid nicht „alsbald“ in den Geschäftsgang gegeben worden ist?

    Ist der Bußgeldbescheid nicht alsbald nach der Unterzeichnung in den Geschäftsgang gelangt, bestimmt § 33 Abs. 2 S. 2 OWiG einen anderen Zeitpunkt für die Unterbrechung der Verjährung. Entscheidend ist dann der Zeitpunkt, in dem der Bescheid tatsächlich in den Geschäftsgang gekommen ist.

     

    Hinweis | Die Verspätung muss aber positiv feststehen. Die „Beweislast“ trägt insoweit der Betroffene (Göhler, a. a. O., § 33 Rn. 47 unter Hinweis auf die Begründung der gesetzlichen Regelung).

    12. Haben Verzögerungen im Geschäftsgang Auswirkungen auf die verjährungsunterbrechende Wirkung?

    Nein, solche Verzögerungen sind grundsätzlich unerheblich. Beachtlich sind nur solche Verzögerungen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob sich der Sachbearbeiter bereits endgültig zum Erlass des Bußgeldbescheids entschlossen hat (vgl. u. a. OLG Düsseldorf NZV 93, 204; Göhler, a. a. O., § 33 Rn. 47a m. w. N.).

    13. Welche Anforderungen muss der Bußgeldbescheid erfüllen, damit die Verjährung unterbrochen wird?

    Der Bußgeldbescheid muss wirksam sein (vgl. z. B. OLG Düsseldorf VRS 80, 219). Ein unwirksamer Bußgeldbescheid führt auch dann nicht zur Unterbrechung, wenn er rechtzeitig zugestellt wird. Etwas anderes gilt, wenn der Bußgeldbescheid mit so schwerwiegenden Mängeln behaftet ist, dass er nichtig ist.

     

    Hinweis | Mit der Frage der Wirksamkeit des Bußgeldbescheids befassen wir uns in einem Folgebeitrag.

    14. Entfällt die verjährungsunterbrechende Wirkung des Erlasses des Bußgeldbescheids, wenn dieser später zurückgenommen wird?

    Nein (OLG Frankfurt a. M. NJW 79, 2161). Ein daraufhin erlassener neuer Bußgeldbescheid unterbricht die Verjährung erneut (OLG Frankfurt a. M. a. a. O.; OLG Hamm 6.2.03, 4 Ss OWi 56/03), wenn der zurückgenommene Bußgeldbescheid wirksam war (BayObLG NJW 70, 1697). Auch müssen sachliche Gründe für die Rücknahme des ursprünglichen Bußgeldbescheids gegeben gewesen sein; es reicht nicht, dass dieser nur wegen eines Zustellungsmangels zurückgenommen worden ist (OLG Stuttgart NZV 02, 579 = VRS 104, 58 = NStZ-RR 02, 372; AG Landstuhl 26.7.22, 2 OWi 4211 Js 8465/22, VA 22, 199).

    15. Ist die verjährungsunterbrechende Wirkung personengebunden?

    Ja. Der Erlass eines Bußgeldbescheids gegen den Fahrzeughalter unterbricht nicht die Verjährung wegen derselben Verkehrs-OWi gegen den Fahrzeugführer (OLG Schleswig VRS 88, 214).

    16. Erfasst die Unterbrechungswirkung bei mehreren Taten alle Taten?

    Ja. Erfasst wird die Tat im prozessualen Sinn, sofern nicht nur der Verfolgungswille der Behörde erkennbar nur auf eine oder mehrere Taten beschränkt ist (BGH NJW 00, 2829). Entscheidend ist neben dem Wortlaut auch der Sach- und Verfahrenszusammenhang, wobei der Akteninhalt herangezogen werden kann (BGH NStZ 00, 427).

     

     

    Weiterführender Hinweis