· Fachbeitrag · Geschwindigkeitsüberschreitung
„Vier-Augen-Prinzip“ bei der Lasermessung
Ein „Vier-Augen-Prinzip“, nach dem eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P nur zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden kann, wenn der vom Gerät angezeigte Messwert und die Übertragung dieses Messwerts in das Messprotokoll von einem zweiten Polizeibeamten kontrolliert worden sind, existiert nicht (OLG Düsseldorf 13.9.12, IV-2 RBs 129/12, Abruf-Nr. 122971). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt und außerdem ein Fahrverbot verhängt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und geltend macht, die Geschwindigkeitsmessung sei nicht verwertbar, weil das „Vier-Augen-Prinzip“ nicht eingehalten worden sei. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Es existiert keine verfahrensrechtliche Vorschrift, die die Verwertung eines Messwerts untersagt, der am Lasermessgerät allein vom Polizeibeamten abgelesen und nach dessen mündlicher Angabe vom Protokollführer in das Messprotokoll eingetragen worden ist. Vielmehr steht der Verwertung des so festgestellten Messwerts kein Beweisverwertungsverbot (weder ein Beweismittel- noch ein Beweismethodenverbot) entgegen. Gleiches gilt mangels Verfahrensverstoßes, wenn der Messbeamte die Eintragung des Protokollführers nicht auf ihre Richtigkeit überprüft hat. Die Zuverlässigkeit der Beweismittel (hier: Zeugenaussagen von Messbeamten und Protokollführer, Messprotokoll) ist im Einzelfall im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu prüfen und von der verfahrensrechtlichen Verwertbarkeit der Beweismittel zu unterscheiden. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht existiert keine Regelung, aus der sich ein „Vier-Augen-Prinzip“ ableiten lässt. Gemäß § 261 StPO entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Im Widerspruch zu diesen Grundsätzen enthält das vom AG Sigmaringen (vgl. zfs 10, 530) in freier Rechtsschöpfung statuierte „Vier-Augen-Prinzip“ eine unzulässige Vorgabe, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter eine Tatsache, nämlich ein bestimmtes Messergebnis, für bewiesen halten darf.
Praxishinweis
Die Entscheidung entspricht zum „Vier-Augen-Prinzip“ der Rechtsprechung des OLG Hamm, das ebenfalls gerade das sog. „Vier-Augen-Prinzip“ verneint hat (19.7.12, III 3 RBs 66/12 und 21.6.12, III 3 RBs 35/12). Letztlich wird man gegen diese Auffassung nichts einwenden können, da die Bedienungsanleitung kein „Vier-Augen-Prinzip“ vorsieht. Damit ist es freie richterliche Beweiswürdigung, ob und wie das Messergebnis verwendet wird. Soweit das OLG dem AG Sigmaringen „freie Rechtsschöpfung“ vorwirft, wenn es ein „Vier-Augen-Prinzip“ statuiert, schießt es m.E. über das Ziel hinaus. Denn die Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung sehen für Baden-Württemberg das Vier-Augen-Prinzip vor. Daran hat sich das AG gehalten.
Die Bedeutung der Entscheidung liegt aber nicht so sehr beim verneinten „Vier-Augen-Prinzip“, sondern an anderer Stelle. Das OLG ist nämlich davon ausgegangen, dass der Einwand, die Geschwindigkeitsmessung sei wegen des nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzips“ nicht verwertbar, inhaltlich jedenfalls auch auf ein Beweisverwertungsverbot abzielt. Die insoweit erforderliche Verfahrensrüge war nach Ansicht des OLG aber nicht wirksam erhoben. Es war nicht dargelegt worden, dass der Beweisverwertung in der Hauptverhandlung bis zu dem durch § 71 Abs. 1 OWiG, § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt widersprochen wurde. Das ist wirklich neu. Denn bisher ist die Rechtsprechung noch nicht davon ausgegangen, dass zur Geltendmachung der Unverwertbarkeit der Messung mit der Rechtsbeschwerde Voraussetzung ist, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung der Verwertung ausdrücklich widersprochen hat (zur Widerspruchslösung Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 7. Aufl., 2012, Rn. 3491 ff.). Diese Auffassung des OLG führt dazu, dem Verteidiger zu raten, nun in Zukunft in der Hauptverhandlung beim AG in allen Fällen, in denen die Unverwertbarkeit der Messung geltend gemacht wird, vorsorglich ausdrücklich zu widersprechen. Die Amtsrichter werden sich freuen.