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  • · Fachbeitrag · Pflichtverteidigung

    Pflichtverteidigung in straßenverkehrsrechtlichen Mandaten

    von RiOLG a.D. und RA Detlef Burhoff, Münster/Augsburg

    | Auch in Verkehrsstrafsachen und in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren kann, obwohl es sich häufig um „Allerweltsfälle“ handelt, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt werden. Wir stellen nachfolgend die Besonderheiten und die dazu vorliegende Rechtsprechung vor. |

     

    Arbeitshilfe I / Anzuwendendes Recht

    Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers richtet sich auch in Verkehrsstrafsachen nach § 140 StPO. Damit kommt die Beiordnung insbesondere in den in § 140 Abs. 2 S. 1 StPO bestimmten Fällen in Betracht (allgemein zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers und zu den mit der Pflichtverteidigung zusammenhängenden Fragen Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1187 ff., vgl. auch Meyer DAR 10, 421, 424, der aus amtsrichterlicher Sicht zu teilweise anderen Ergebnissen kommt). Aufgrund der Verweisung des § 46 Abs. 1 OWiG gelten die Vorschriften über die notwendige Verteidigung nach §§ 140, 141 OWiG auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren (wegen der Einzelheiten s. unten Arbeitshilfen V + VII).

     

    Arbeitshilfe II / Beiordnungsgrund „Schwere der Tat“

    Nach § 140 Abs. 2 S. 1 StPO muss ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, wenn das die „Schwere der Tat“ erfordert. Die „Schwere der Tat“ beurteilt sich vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, also grds. nach der Höhe der zu erwartenden Strafe. Insoweit ist es inzwischen überwiegende Meinung in der Rechtsprechung, dass eine Straferwartung von einem Jahr i.d.R. Anlass zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers sein wird (vgl. u.a. OLG Düsseldorf NStZ 95, 147; OLG Hamm NStZ-RR 01, 107; OLG Köln StraFo 00, 20; Burhoff, EV, Rn. 1231 ff., jeweils m.w.N.).

    PRAXISHINWEIS |  Das gilt auch, wenn die Freiheitsstrafe von einem Jahr nur aufgrund einer Gesamtstrafenbildung erreicht wird (vgl. u.a. KG StV 85, 448; OLG Hamm StV 04, 586; OLG Stuttgart StV 02, 237 [Ls.]).

    Die Höhe der Strafe bildet aber keine starre Grenze. Zu berücksichtigen sind daneben auch noch alle Umstände des Einzelfalls (zu mittelbaren Nachteilen OLG Düsseldorf 13.4.11, III 2 RVs 27/11), wie z.B.

    • die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. ein mehrmonatiges Fahrverbot bei Berufskraftfahrern und sonstigen Personen, die für ihre berufliche Tätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen sind (OLG Celle VRS 78, 286; OLG Oldenburg VRS 78, 292; Burhoff, EV, Rn. 1235),

    • wenn zwar nur eine geringe Geldstrafe zu erwarten ist, der 80-jährige Beschuldigte aber teilweise unter Betreuung steht (OLG Hamm NJW 03, 3286 für einen Fall des unerlaubten Entfernens vom Unfallort),

    • wenn eine (zur Bewährung ausgesetzte) Freiheitsstrafe einzubeziehen ist und es wesentlich auf die Erwägung ankommt, ob die Strafaussetzung zur Bewährung Bestand hat (OLG Hamm DAR 96, 390 bei Burhoff; NStZ-RR 97, 78),

    • ggf. allein der Vorwurf der fahrlässigen Tötung (OLG Hamm NJW 57, 1530; StV 89, 56; Oellrich StV 81, 434, 437),

    • wenn eine Führerscheinsperre auf Lebenszeit verhängt worden ist (OLG Bremen StraFo 96, 61),

    • wenn der Widerruf einer anderen Bewährungsstrafe droht (BayObLG NJW 95, 2738; OLG Düsseldorf StraFo 98, 341; OLG Hamm VRS 100, 307; zuletzt auch OLG Brandenburg 24.1.11, [1] 53 Ss 187/10 [4/11]).