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  • · Prozessrecht

    Neues in Zusammenhang mit der Terminverlegung

    Bild: © MQ-Illustrations - stock.adobe.com

    | Die mit der Terminverlegung zusammenhängenden Fragen sind für den Verteidiger in der täglichen Arbeit von großer Bedeutung. Wir stellen hier drei neuere Entscheidungen vor. |

    1. Richter muss seine Ermessensentscheidung begründen

    Hinzuweisen ist zunächst auf zwei Beschlüsse des LG Braunschweig. In beiden Verfahren hatte die Amtsrichterin am AG Helmstedt den Terminverlegungsantrag des Verteidigers abgelehnt. In beiden Verfahren hatte die dagegen gerichtete Beschwerde des Verteidigers Erfolg.

     

    Das LG Braunschweig führt in den Verfahren zu dem erforderlichen Vorgehen des Vorsitzenden mit einem Terminverlegungsantrag aus, dass der Vorsitzende über Anträge auf Terminverlegung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Gerichts, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden habe. Er muss zudem eine verfahrensbezogene Begründung für seine Ablehnung geben. Das hat die Amtsrichterin in beiden Verfahren nicht beachtet.

    2. Verfahrensbeschleunigung alleine reicht als Grund nicht

    In dem einen Verfahren beanstandet das LG, im konkreten Einzelfall gar kein Ermessen ausgeübt habe. Das zeige sich daran, dass dem Betroffenen ein Abstandsverstoß zur Last gelegt werde, wohingegen das AG auf eine standardisierte Geschwindigkeitsmessung abstelle. Daraus werde ersichtlich, dass offenbar ein Formularschreiben verwandt worden sei.

     

    Soweit das AG auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Termindruck des Gerichts abgestellt hatte, konnte es das LG damit ebenfalls nicht überzeugen. Denn zeitnah würde eine Verfolgungsverjährung nicht eintreten. Schließlich habe das AG auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen (LG Braunschweig 27.11.24, 2b Qs 342/24, Abruf-Nr. 245300).

    3. Es muss eine Terminsabsprache versucht werden

    In der anderen Entscheidung beanstandet das LG, dass das AG die Terminverlegung abgelehnt hat, obwohl der Verteidiger zwei relativ zeitnahe Alternativtermine angeboten hatte. Auch werde nur pauschal auf die Terminlage des Gerichts hingewiesen. Zudem sei auch hier nicht versucht worden, einen Verhandlungstermin mit dem Verteidiger abzusprechen (LG Braunschweig 27.11.24, 2b Qs 346/24, Abruf-Nr. 245301).

    4. AG Helmstedt bleibt beharrlich bei seiner Linie

    Wer nun gedacht hatte, dass es damit gut ist/war, der hat sich geirrt. Denn nach dem Beschwerdeverfahren vor dem LG beraumte das AG erneut Termine an, die nicht mit dem Verteidiger abgestimmt waren. Auf dessen Verlegungsantrag reagierte das AG wie zuvor wortgleich ablehnend und ohne die Beschwerdeentscheidungen des LG zu beachten.

     

    Das Verfahren ging daraufhin in die nächste Runde vor das LG Braunschweig. Dieses hat erneut die Ablehnungsbeschlüsse aufgehoben und die Verfahren an das AG zurückverwiesen (LG Braunschweig 16.12.24, 2b Qs 371/24, Abruf-Nr. 245844 und LG Braunschweig 16.12.24, 2b Qs 372/24). Die Entscheidung führt zu Kopfschütteln über das Verhalten des AG. Man fragt sich, was das Verhalten des AG soll? Das LG gibt genaue Vorgaben, aber das AG ignoriert diese. Will das Gericht den Verteidiger ärgern oder gar die Beschwerdekammer oder liest man einfach nicht, was aus der Beschwerde zurückkommt, nach dem Motto: Was schert mich die Beschwerdekammer? Das AG sollte mal überlegen, was an unnützer Zeit und Arbeit sowohl beim Beschwerdegericht als auch beim Verteidiger damit vergeudet wird.

    5. In bestimmten Fällen kann auch Befangenheit vorliegen

    Die dritte Entscheidung aus dem Bereich „Terminverlegung“ befasst sich mit einem Ablehnungsantrag eines Verteidigers, den dieser nach einem erfolglosen Verlegungsantrag für den Angeklagten gestellt hatte. Der Antrag hatte beim AG Wuppertal Erfolg (AG Wuppertal 21.11.24, 24 Cs 224/24, Abruf-Nr. 245278). Zwar begründe die Ablehnung eines Terminverlegungsantrags nicht regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit. Dies sei nur der Fall, wenn offensichtlich erhebliche Gründe für eine Terminverlegung vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt.

     

    Einen solchen Ausnahmefall hat das AG bejaht. Der Verteidiger habe nämlich erhebliche und nachvollziehbare Gründe für seinen Terminverlegungsantrag vorgetragen. Es sei zweifelsfrei, dass der Angeklagte in stationärer Behandlung im Krankenhaus gelegen und die Klinik mitgeteilt habe, dass eine rechtzeitige Entlassung bis zu Hauptverhandlung nicht erfolgen könne. Hinzu komme, dass der Verteidiger erst nach über sechs Wochen kurzfristig vor dem anberaumten Termin Akteneinsicht bekommen habe. Eine Besprechung mit dem Mandanten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, sei vor dem Termin daher nicht möglich gewesen.

     

    PRAXISTIPP | Als Verteidiger sollten Sie alle Gründe für eine Terminverlegung anführen und ggf. im Verlegungsantrag gleich auch Alternativtermine nennen, auf die das Gericht dann ggf. ausweichen kann (zu den Terminfragen Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl. 2025, Rn. 4586 ff., und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl. 2025, Rn. 3159 ff.).

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2025 | Seite 69 | ID 50264585