· Fachbeitrag · Straßenverkehrsgefährdung
Alkoholbedingter Fahrfehler bei Suizidabsicht
Die Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB setzt voraus, dass der Eintritt der konkreten Gefahr Folge der Tathandlung, also der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ist (BGH 19.11.13, 4 StR 352/13, Abruf-Nr. 140099). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Angeklagte fuhr mit einer BAK von mindestens 2,27 Promille mit seinem Pkw bei Dunkelheit auf einer vierspurigen Bundesstraße, deren zwei Fahrbahnen von einem mit Leitplanke versehenen Mittelstreifen getrennt waren. Dabei gelangte er auf die Gegenfahrbahn der Bundesstraße. Als er die Überholspur der Gegenfahrbahn entgegen der Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 74 km/h mit eingeschaltetem Fernlicht befuhr, kam ihm dort der Geschädigte mit seinem Pkw entgegen. Beide Fahrzeuge stießen ungebremst zusammen. Infolge der Kollision trugen sowohl die drei Insassen des Pkws des Geschädigten als auch der Angeklagte erhebliche Verletzungen davon. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg.
Die Annahme, der Angeklagte sei aufgrund eines alkoholbedingten Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn gelangt, entbehrt einer tragfähigen Begründung im Rahmen der Beweiswürdigung. Ausführungen zu den die Annahme eines alkoholbedingten Fahrfehlers in tatsächlicher Hinsicht tragenden Erwägungen des LG sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Strafkammer hat die Umstände, unter denen der Angeklagte auf die Gegenfahrbahn geriet, nicht näher aufklären können. Die Möglichkeit, dass er sein Fahrzeug bewusst auf die Gegenfahrbahn steuerte, um in Suizidabsicht einen Zusammenstoß herbeizuführen, hat sie „nicht als zweifelsfrei erwiesen“ angesehen. Die für eine Suizidabsicht zum Tatzeitpunkt sprechenden Indizien hätten für eine entsprechende Feststellung nicht ausgereicht. Damit hat die Strafkammer die Möglichkeit eines Suizidversuchs des Angeklagten indes nicht sicher ausgeschlossen. Lässt sich aber nicht ausschließen, dass der Angeklagte gezielt auf die Gegenfahrbahn fuhr, ist mit Blick auf den Zweifelssatz für die Annahme eines auf die alkoholische Beeinflussung zurückzuführenden Fahrfehlers als eindeutige Ursache für die spätere Kollision kein Raum.
Praxishinweis
Die Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB setzt voraus, dass der Eintritt der konkreten Gefahr Folge der Tathandlung, also der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ist (Fischer, 61. Aufl. 2014, § 315c Rn. 16). Daran fehlt es nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn der Pkw gezielt als Tatmittel zur Fremdtötung eingesetzt wird (BGH NStZ-RR 04, 108 [Gezieltes Anfahren eines auf der Fahrbahn Liegenden]; DAR 07, 526). In Betracht kommt aber das Fahren entgegen der Fahrtrichtung und damit eine Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 f StGB und ggf. ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB.