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Diese Bindungswirkung hat eine strafgerichtliche Entscheidung zur Fahreignung
| Eine Entscheidung des Strafrichters zur Fahreignung ist für die Verwaltungsbehörde nur bindend, wenn er sich erkennbar mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Hierauf wies der VGH München hin (28.1.22, 11 CS 21.21/71, Abruf-Nr. 227540). |
Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 StVG zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung u.a. der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Dabei gilt die in § 3 Abs. 4 S. 1 StVG angeordnete Bindungswirkung nicht nur für die Maßnahme der Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf. Mit dieser Vorschrift soll die sowohl dem Strafrichter (vgl. § 69 StGB) als auch der Verwaltungsbehörde (vgl. § 3 Abs. 1 StVG) eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass Doppelprüfungen unterbleiben und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet wird. Der Vorrang der strafrichterlichen vor der behördlichen Entscheidung findet seine innere Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung keine Nebenstrafe, sondern eine in die Zukunft gerichtete, aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr ist. Insofern deckt sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis mit der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde.
Allerdings ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Die Bindungswirkung lässt sich nur rechtfertigen, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt hat. Andere Erkenntnisquellen kommen aus Gründen der Rechtsklarheit nicht in Betracht. Deshalb entfällt die Bindungswirkung, wenn das Strafurteil überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält oder wenn jedenfalls in den schriftlichen Urteilsgründen unklar bleibt, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt hat (vgl. zum Ganzen BVerwG 15.7.88, 7 C 46.87, BVerwGE 80, 43; 11.10.89, 7 B 150.89; BayVGH 15.3.21, 11 CS 20.2867, DAR 21, 647). Diese Grundsätze gelten auch, wenn das Strafgericht einen Strafbefehl erlässt (§ 3 Abs. 4 S. 2 StVG). Um den Eintritt einer Bindung überprüfen zu können, verpflichtet § 267 Abs. 6 S. 2 i.V.m. § 409 Abs. 1 S. 3 StPO den Strafrichter zu einer besonderen Begründung, wenn er im Strafbefehl von der Entziehung der Fahrerlaubnis absieht, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht gekommen wäre (vgl. auch BVerwG 15.7.88, a. a. O. Rn. 11; Maur in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 409 Rn. 10).