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  • · Fachbeitrag · Kaufrecht

    Außerhalb der Geschäftsräume geschlossener Vertrag: ein lehrreiches Urteil mit vielen Aspekten

    | Ein Händler annonciert ein Wohnmobil in einem Portal. Der Verbraucher schreibt, er werde das Fahrzeug kaufen, wenn es ihm bei einer Besichtigung gefalle. Der Kaufvertrag wird in dem Wohnmobil auf einem öffentlichen Wohnmobilstellplatz geschlossen. Eine Belehrung wegen eines außerhalb der Geschäftsräume geschlossenen Vertrags (§ 312b BGB) erfolgt nicht. Etwa sechs Wochen nach Übergabe und damit mangels Belehrung zeitgerecht (§ 356 Abs. 3 BGB) widerruft der Verbraucher seine Willenserklärung. |

    1. Die Abwehrargumente des Verkäufers …

    Der Wohnmobilhändler hält dagegen:

     

    • Er habe gar keine Geschäftsräume, weshalb er gar nicht außerhalb der Geschäftsräume verkaufen könne.
    • Im Moment des Verkaufs wäre deshalb das verkaufte Wohnmobil sein beweglicher Geschäftsraum gewesen.
    • Der Verbraucher habe sich mit ihm dort verabredet. Von einer Überrumpelung könne keine Rede sein.
    • Der Widerruf sei treuwidrig und allein von Kaufreue getragen.

    2. … sind samt und sonders nicht durchgreifend

    Das LG Münster hat das Vorliegen eines außerhalb der Geschäftsräume geschlossenen Vertrags (AGV) bestätigt und den Widerruf als durchgreifend erachtet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, vom weiteren Verlauf werden wir berichten (LG Münster 28.6.24, 8 O 275/23, Abruf-Nr. 242589, eingesandt von RA Oliver Güldenberg, Duisburg/Voerde).

    3. Braucht man einen Geschäftsraum für Außerhalbverkauf?

    Immerhin habe, so das Gericht, der Verkäufer eine Halle für Wohnmobile. Und wenn er tatsächlich keine Geschäftsräume habe, verkaufe er eben immer außerhalb von Geschäftsräumen.

     

    Das ist nachvollziehbar, denn der Gesetzestext spricht nicht von außerhalb „seiner“ Geschäftsräume. Stattdessen heißt es in § 312 b Abs. 1 Ziff. 1 BGB: „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge, 1. die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist …“. Die Existenz eines Geschäftsraums, um außerhalb dessen verkaufen zu können, ist daher schon nach dem Wortlaut des Gesetzes gar nicht notwendig.

     

    Das Gericht hat das Verkaufsobjekt Wohnmobil nicht als beweglichen Geschäftsraum angesehen. Denn dazu müsste für einen Verbraucher erkennbar sein, dass es sich um eine nicht fest mit dem Erdboden verbundene Infrastruktur handele, von denen aus der Unternehmer entgeltliche Leistungen vertreibe. Das sei bei dem gekauften Besichtigungsobjekt nicht der Fall.

     

    Auch das ist nachvollziehbar, denn das Gesetz meint solche Einrichtungen wie Markt- oder Messestände, Schaustellerobjekte oder temporäre Verkaufseinrichtungen wie Spargelstände etc.

    4. Auf eine Überrumpelungssituation kommt es nicht an

    Auf einen Überrumpelungsmoment kommt es nach Auffassung des Gerichts nach einer Analyse des Gesetzestexts und der Verbraucherrechte-Richtlinie (VerbrRRL) 2011/83/EU nicht an. Eine solche Einschränkung sei nicht vorhanden. Die Einschränkung aus der alten Regelung zum Haustürgeschäft, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe, wenn der Verbraucher den Unternehmer zu sich bestellt habe, gibt es nicht mehr.

     

    Auch das ist nachvollziehbar. Ergänzend könnte noch die Ausnahme aus § 312b Abs. 2 Ziffer 11 BGB angeführt werden. Danach besteht kein Widerrufsrecht für „Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden …“.

     

    Die Regelung zeigt, dass die Ausnahme nur gelten soll, wenn wegen der Dringlichkeit Eile geboten ist. Für alles Weitere, was anlässlich eines solchen bestellten Hausbesuches erfolgt, gilt die Privilegierung des Unternehmers schon nicht mehr.

    5. Das Motiv für den Widerruf ist ohne Bedeutung

    Der Widerruf ist nicht treuwidrig. Auf das Motiv kommt es bei einem Widerruf nicht an. Ob es einen sachlichen Grund für einen Widerruf gibt oder tatsächlich nur Kaufreue der Antrieb war, ist unerheblich. Denn das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist an keine gesonderten Voraussetzungen geknüpft. Auch der Zeitablauf und damit der Widerruf erst nach sechs Wochen ist nicht relevant. Denn, so das Gericht: „Es lag in der Hand des Beklagten, den Kläger über sein Widerrufsrecht zu belehren. Hätte er dies getan, hätte der Kläger zu dem Zeitpunkt keinen Widerruf mehr ausüben können.“

     

    MERKE | Die Mail des Käufers an den Verkäufer, wenn ihm das Fahrzeug bei der Besichtigung zusage, werde er es kaufen, verlagert den Kauf nicht nach vorn. Sie war nur eine unverbindliche Absichtserklärung.

     

    Und: Anders als beim Fernabsatz, bei dem ein für den Fernabsatz eingerichtetes Vertriebssystem vorliegen muss (§ 312c Abs. 1, Hs. 2 BGB), ist ein solches Konzept beim AGV nicht erforderlich.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2024 | Seite 134 | ID 50092172