· Fachbeitrag · Sachverständigenhonorar
Das Spiel mit dem Neid und der Missgunst versus werkvertragliche Üblichkeit
| Auch der hart gesottene Chronist des Regulierungsgeschehens und der dazu ergehenden Rechtsprechung kann noch in Staunen versetzt werden, wie niedrig das Niveau der Auseinandersetzungen werden kann. Es geht um die Höhe des zu erstattenden Sachverständigenhonorars. |
1. Ein unseriöses Angebot ...
Ein Versicherer schreibt an den regulierenden Anwalt, man werde ab sofort den Beweis führen, dass die Schätzgrundlage der BVSK-Honorarbefragung ungeeignet sei. Das Missverhältnis zu den JVEG-Stundensätzen sei jedenfalls bei höheren Schäden offensichtlich. Sachverständige würden 50.000 EUR im Monat verdienen. Als Beleg führt man die Werbung einer „Car Cra$h Academie“ an (man achte auf das Dollarzeichen im Firmennamen!):
Solche Werbung für bare Münze zu halten, gelingt wohl nur sehr schlichten Gemütern. Und die melden sich dann dort zur „Ausbildung“ an. Später werden sie lernen, was der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn ist.
Da es sich in dem konkreten Fall, der Anlass des Schreibens des Versicherers an den Anwalt war, um einen sehr üppigen Schaden handelte, gipfelte das Schreiben in der These, mit ca. zwei bis drei Stunden Arbeit „verdiene“ der Gutachter 2.000 EUR.
Vermutlich setzt der Versicherer darauf, dass bei bearbeitenden Anwälten Neid und Missgunst erzeugt werden können, denn man hört von Zeit zu Zeit Kollegen schimpfen, warum der Sachverständige ‒ am Ende gar ein „schnellbesohlter“ ‒ mit dem Schaden mehr Umsatz mache, als der regulierende Anwalt mit seiner langen Ausbildung.
2. Was zählt, sind rechtliche Argumente
Wenn man das Ganze auf die rechtliche Ebene zurückbringt, gilt Folgendes:
Es ist in der Welt der Freiberufler sehr verbreitet, dass das Honorar in der Höhe von einem Ausgangsbetrag abhängend pauschaliert wird. Bei Architekten, Steuerberatern, Rechtsanwälten und Notaren ist das gar vom Gesetzgeber so vorgesehen.
Nehmen wir plakativ das Beispiel der Notare: Wird ein Grundschuldformular vom Notar inhaltlich vervollständigt, verlesen und beurkundet, unterscheidet sich der Zeitaufwand nicht in Abhängigkeit von der Frage, ob das eine Grundschuld über 10.000 EUR oder über zehn Millionen EUR ist. Das Honorar ist aber sehr unterschiedlich. Füllt der Rechtsanwalt einen Mahnbescheid über 100 EUR aus oder einen über 10.000 EUR, entsteht derselbe Effekt.
Für den Schadengutachter gibt es keine Gebührenordnung. Also bleiben für die Bestimmung des Werklohns nur die Vereinbarungsvariante und die Üblichkeitsvariante aus § 632 Abs. 2 BGB. Zu fragen ist also allein, ob ein Honorar in der Höhe vereinbart oder üblich ist. Zu Preiskontrollen sind die Gerichte nicht befugt.
3. Der BGH hat das alles längst geklärt
Die Begründung der BGH-Entscheidung vom 4.4.06, X ZR 122/05, Abruf-Nr. 061058, zur Berechtigung der schadenhöhenabhängigen Abrechnung von Schadensgutachtern findet man dort unter Rn. 17: Es falle „entscheidend ins Gewicht, dass das von einem Wert- oder Schadensgutachter begehrte Honorar die Gegenleistung für das als Erfolg des Werkvertrags geschuldete Gutachten darstellt, sodass das Honorar in angemessenem Verhältnis zu dem stehen muss, was der Auftraggeber durch das Gutachten an wirtschaftlichem Wert erhalten soll…“.
Unter Rn. 18 wird ausgeführt: „Schadensgutachten dienen in der Regel dazu, die Realisierung von Schadenersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrags wird als Erfolg geschuldet; hierfür haftet der Sachverständige. Deshalb trägt eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Werts der Forderung des Geschädigten ist.“
Soll heißen: Je höher der Schaden ist, desto größer ist (der Höhe nach, aber bei komplexen Schäden, die unübersichtlicher sind, auch dem Grunde nach) das Haftungsrisiko des Gutachters. Und: Je höher der Schaden ist, desto bedeutender ist der Wert des Gutachtens für den Besteller. Das ist wie bei den Mandanten der Anwälte und wie bei den Kunden der Notare.
Der Versicherer hat übrigens nach Eingang dieser Argumente gezahlt und nicht den vollmundig angekündigten Versuch unternommen, zu beweisen, dass das begehrte Sachverständigenhonorar unangemessen sei.