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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Blinken allein schafft kein Vertrauen

    • 1. Das Setzen des rechten Blinkers begründet allein noch kein Vertrauen, dass der Blinkende auch tatsächlich abbiegt. Erforderlich ist darüber hinaus eine erkennbare, deutliche Geschwindigkeitsverringerung des Vorfahrtberechtigten, eine sichtbare Orientierung des Blinkenden nach rechts oder sonstige ausreichende Anzeichen für ein tatsächlich bevorstehendes Abbiegen des Vorfahrtberechtigten.
    • 2. Regelmäßig überwiegt in solchen Fällen der Haftungsanteil des Wartepflichtigen, der allein auf das Blinken vertraut.

    (OLG Dresden 24.4.14, 7 U 1501/13, Abruf-Nr. 141739)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nicht innerorts, aber kurz hinter dem Ortsausgang kam es zur Kollision, als die Drittwiderbekl. mit dem Pkw des Kl. aus einer untergeordneten Straße nach links auf die Hauptstraße abbog. Dort näherte sich die Bekl. mit ihrem Pkw, angeblich relativ langsam. Wie der Kl. beweisen konnte, war der rechte Blinker eingeschaltet. Entgegen der Erwartung der Wartepflichtigen bog der Pkw nicht nach rechts ab, sondern fuhr weiter geradeaus. Das LG hat die Haftung im Verhältnis 70:30 zulasten des Kl. und der Drittwiderbekl. verteilt. Seine Berufung hat der Kl. zurückgenommen, nachdem das OLG durch den hier angezeigten 522er Beschluss eine einstimmige Zurückweisung angekündigt hatte.

     

    Im Tatsächlichen sieht das OLG keinen Fehler. Die Rüge, das LG habe es unterlassen, die Annäherungsgeschwindigkeit des Pkw (weiter) aufzuklären, weist der Senat zurück. Zum einen sei die Beweisbehauptung: „für freie Landstraßen geringe Geschwindigkeit“ zu pauschal, zum anderen sei das Zeugenbeweisangebot untauglich. Wie hoch die Annäherungsgeschwindigkeit des rechtsblinkenden Pkw tatsächlich war, blieb somit ungeklärt. Das ging zulasten des Kl. Denn er musste nachweisen, dass außer dem Rechtsblinken ein weiterer vertrauensbildender Umstand gegeben war, etwa eine deutliche Geschwindigkeitsreduzierung.

     

    Auch die erstinstanzliche Schadensabwägung sieht das OLG nicht als korrekturbedürftig an. Nach umfassender Darstellung der - uneinheitlichen - Spruchpraxis schließt es sich der Auffassung an, die allein im Rechtsblinken noch keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand sieht und deshalb dem Wartepflichtigen die Hauptverantwortung zuweist.

     

    Praxishinweis

    Quoten sind ein gutes Stück weit Glücksache. Das zeigen auch und gerade die Entscheidungen zum Falschblinken, von denen in jüngster Zeit auffallend viele publiziert werden (z.B. OLG München SVR 14, 105; LG Saarbrücken NJW 14, 235 = SVR 14, 20; LG Detmold SVR 14, 24 = SP 14, 119). Angesichts der herausragenden Fachkompetenz verdienen die Entscheidungen des 10. ZS OLG München und der 13. ZK LG Saarbrücken höchste Beachtung, sofern - wie in den Falschblink-Fällen - höchstrichterliche Orientierungshilfe fehlt.

     

    Wenn sich die Kollision im Bereich einer Kreuzung oder Einmündung ereignet hat, ist der für eine Vorfahrtverletzung sprechende Anscheinsbeweis der Ausgangspunkt bei der Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Verschuldensanteile. Damit stellt sich die Frage, ob der Wartepflichtige den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern kann. Wenn er nicht einmal ein Rechtsblinken nachweisen kann, hat er praktisch keine Chance. Geschwindigkeitsverstöße spielen, anders als in sonstigen Vorfahrtfällen, naturgemäß keine Rolle. Umgekehrt geht der Streit vielmehr darüber, ob der Vorfahrtberechtigte auffallend langsam, nämlich wie ein Abbieger, gefahren ist.

     

    Einmaliges oder mehrfaches Blinken? Der Nachweis eines nur einmaligen Blinkens reicht zur Erschütterung nicht aus (LG Saarbrücken a.a.O.). Einen Anscheinsbeweis dafür, dass der, der einmal geblinkt hat, auch mehrfach blinkt, gibt es nicht (LG Saarbrücken a.a.O.).

     

    Gesetzt den Fall, dass der Wartepflichtige ein mehrfaches Rechtsblinken (mind. zweimal) auf dem letzten Stück vor der Kreuzung/Einmündung nachweisen kann, wie im Fall des OLG Dresden, ist der Anscheinsbeweis jetzt erschüttert oder muss der Wartepflichtige dafür noch mehr beweisen? Es gilt Letzteres - so die wohl überwiegende Ansicht in der neueren Judikatur.

     

    Unabhängig von der Vertrauens- bzw. Erschütterungsfrage stellt sich die Frage, ob der Vorfahrtberechtigte seinerseits schuldhaft gehandelt hat. Schon ein einmaliges Falschblinken kann einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO darstellen, muss es aber nicht (LG Saarbrücken NJW 14, 235). Auch ohne nachgewiesenes Verschulden wird durch ein Falschblinken in jedem Fall die einfache Betriebsgefahr erhöht, was zur Mithaftung des Vorfahrtberechtigten führen kann (für 20 Prozent LG Saarbrücken a.a.O.).

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 109 | ID 42734606