Übersicht / Angeblich manipulierter Unfall und Aktivlegitimation |
- 1. Vorbemerkung: Wenn der Versicherer den Verdacht hat, der „Unfall“ sei manipuliert, ist der Einwand „keine Aktivlegitimation“ vorprogrammiert. Kläger stehen dann vor dem Problem, ihr Eigentum nachzuweisen. Doch auch ohne Eigentum kann sich die Aktivlegitimation aus einer Besitzverletzung ergeben (zu eng OLG Hamm NJW 14, 1894).
- 2. Eigentumsnachweis: Vorrangig ist zu prüfen, ob dem Mandanten die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zugutekommt.
- 3. Darlegungs- und Beweislast: Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er der Eigentümer der Sache sei. Springender Punkt ist der Besitz, also die Vermutungsbasis. Dafür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.
- a) Besitz im Zeitpunkt des Unfalls: Hatte der Kläger unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug, gilt zu seinen Gunsten die Vermutung der Erlangung von Eigenbesitz und damit auch des Eigentums. Besitzer = Inhaber der tatsächlichen Gewalt (§ 854 Abs. 1 BGB) ist bei einem Kfz in der Regel derjenige, der den Wagen im Unfallzeitpunkt führte (OLG Düsseldorf 19.6.18, I-1 U 164/17, Abruf-Nr. 202832). Die behauptete Fahrereigenschaft kann der gegnerische Haftpflicht-VR nicht mit Nichtwissen bestreiten. Argument: Die polizeiliche Unfallmitteilung und/oder die Mitteilung seines VN setzen ihn ins Bild (AG Bremen 25.1.18, 9 C 199/17, juris). Der Kläger muss nicht unbedingt Fahrer gewesen sein, auch als Beifahrer kann er die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug gehabt haben; selbst als Nicht-Insasse, so etwa, wenn er das Fahrzeug kurzfristig einem Dritten, z. B. einem Familienangehörigen, überlassen hat. Maßgebend ist die Verkehrsanschauung. Zusätzliche Indizien für die tatsächliche Sachherrschaft: Haltereintragung in den Kfz-Papieren, Wunschkennzeichen, Beauftragung des Schadengutachters oder der Werkstatt (OLG Saarbrücken VA 13, 76).
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- b) Was muss der Kläger nicht vortragen bzw. beweisen? § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB stellt den Besitzer nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast frei, dass und auf welcher Grundlage er mit dem Besitz das Eigentum erworben hat (OLG Düsseldorf 19.6.18, I-1 U 164/17, Abruf-Nr. 202832, unter Hinweis auf BGH NJW 04, 217).
- c) Trifft den Kläger eine sekundäre Darlegungslast? Umstritten ist weniger das Ob, als vielmehr die Voraussetzungen im Einzelfall. Eine Klärung durch den BGH ist zumindest wünschenswert (offengelassen in BGH NJW 02, 2101). Das OLG Düsseldorf lehnt zu Recht eine sekundäre Darlegungslast bei bloßem Bestreiten der Aktivlegitimation ab. Es hat daher die Revision zugelassen (28.12.17, I-1 U 155/16, Abruf-Nr. 202831, Einsender RA Nowotsch/Duisburg). Zu einer BGH-Entscheidung ist es nicht gekommen. Das OLG Frankfurt a. M. sieht keinen Divergenzfall. Es entscheidet zulasten des Klägers nach § 522 Abs. 2 ZPO (4.3./15.5.14, 4 U 182/13, juris).
- Praxistipp | Setzen Sie bei leicht nachweisbarem Eigenbesitz im Unfallzeitpunkt, aber wackligem Eigentum zunächst auf § 1006 BGB. Es kommt auf die faktischen Verhältnisse im Unfallzeitpunkt an. Insoweit ist der Kläger primär darlegungspflichtig. Er muss nur seinen Besitz darlegen und ggf. beweisen. Fremdbesitz zu behaupten, wäre ein Eigentor (z. B. Kauf unter Eigentumsvorbehalt). Das Gericht sollte um einen Hinweis gebeten werden, falls es den Vortrag zur Besitzlage für unschlüssig hält.
- Zur Hinweispflicht OLG Düsseldorf 19.6.18, I-1 U 164/17, Abruf-Nr. 202832. In Erfüllung einer (vermeintlichen) sekundären Darlegungslast schon in der Klageschrift zu den Umständen des Besitz-/Eigentumserwerbs näher vorzutragen, kann je nach Fall und Gericht zweckmäßig sein (gefordert z. B. vom OLG Hamm NJW 14, 1894; OLG Frankfurt a. M. 4.3./15.5.14, 4 U 182/13, juris; LG Berlin 7.4.16, 45 S 103/15, juris, unter Hinweis auf KG 30.8.10, 12 U 175/09, juris). Zur Vertiefung Laumen, MDR 16, 370.
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- d) Widerlegung der Beweisvermutung: Verlangt wird der Gegenteilsbeweis (§ 292 ZPO), nicht bloß eine Erschütterung der Vermutung (st. Rspr., z. B. BGH NJW 04, 217). Der beklagte VR muss den nach § 286 ZPO zu führenden Beweis erbringen, dass der Kläger das Eigentum nie erlangt oder im Unfallzeitpunkt wieder verloren hat (BGH NJW 04, 217). Laut BGH sind an die Widerlegung der Vermutung keine hohen Anforderungen zu stellen (NJW 15, 1678 Tz. 37). Der VR hat mehrere Hebel (BGH NJW 15, 1678 Tz. 36 f.) Nicht bei jedem ist er in Darlegungs-/Beweisnot, sodass eine sekundäre Darlegungslast allenfalls partiell in Betracht kommt. Möglich ist ein Indizienbeweis. Keine tragfähigen Indizien sind: Besitz des Briefs in anderer Hand, keine Eintragung des Klägers. Nachgewiesener Fremdbesitz reicht zur Widerlegung.
- 4. Aktivlegitimation außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1006 BGB: Der Kläger hat substanziiert darzulegen und bei erheblichem Bestreiten (voll) nachzuweisen, dass er im Unfallzeitpunkt Eigentümer des Kfz war. Es bedarf also der Darlegung eines Eigentumserwerbs (§§ 929 ff. BGB). Der Kläger muss versuchen, sein Eigentum durch Vorlage von Urkunden (z. B. Fahrzeugbrief = ZB II, Vertrag über den Ankauf des Fahrzeugs, Rechnung des Verkäufers, Vertrag über Wrackveräußerung, Steuer- und Versicherungsunterlagen) zu belegen oder durch Zeugen (z. B. Verkäufer/Vorbesitzer) nachzuweisen. Mit der Vorlage des Briefs mit seiner Eintragung allein ist es nicht getan (nur Halternachweis).
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