12.10.2009 | Vereinsrecht
Der Vereinsvorstand als Arbeitnehmer
Dass Vorstandsmitglieder im Verein hauptamtlich tätig - also beim Verein angestellt - sind, ist keine Seltenheit. Zur Organstellung des Vorstands kommt damit ein weiteres Rechtsverhältnis hinzu. Dieses enthält eine Reihe von Besonderheiten, die oft verkannt werden. Viele Vereine wissen zum Beispiel nicht, inwieweit für bezahlte Vorstände Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Die Antwort auf diese und andere Fragen finden Sie im folgenden Beitrag.
Die rechtlichen Grundsätze
Der Vereinsvorstand wird durch die Bestellung zum Organ des Vereins. Als sein gesetzlicher Vertreter handelt er für den Verein. Rechtlich ist das Verhältnis von Verein und Vorstand ein unentgeltliches Auftragsverhältnis gemäß §§ 664 bis 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Vorstand hat keinen Anspruch auf eine Vergütung, sondern nur auf Ersatz seiner Aufwendungen. Erhält der Vorstand für seine Amtsführung eine Vergütung, gelten die Auftragsvorschriften nach § 675 BGB (entgeltliche Geschäftsbesorgung).
Wichtig: Das Anstellungsverhältnis muss streng getrennt von der Bestellung des Vorstands betrachtet werden. Es handelt sich hier um zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse.
Die entgeltliche Geschäftsbesorgung
Ein „besoldetes“ Vorstandsamt kann für alle oder nur für einzelne Vorstandsmitglieder (zum Beispiel den Vorsitzenden) bestehen. Es handelt sich dabei um einen Dienstvertrag in Form eines Geschäftbesorgungsvertrages (§§ 611 in Verbindung mit 675 BGB).
Der Vertragsabschluss
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 21.1.1991, Az: II ZR 144/90) ist das Organ für den Abschluss und die Auflösung des Arbeitsvertrags zuständig, das auch den Vorstand bestellt und abberuft. Meist ist das die Mitgliederversammlung. In der Praxis heißt das, dass zumindest die Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung nötig ist, wenn die Satzung das nicht anders regelt.
Da die Mitgliederversammlung kein Vertretungsorgan ist, wird der Gesamtvorstand den Anstellungsvertrag abschließen. Dazu muss er unter Umständen vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit werden.
Unser Tipp: Da die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung wegen der fehlenden Vertretungsbefugnis problematisch ist, sollte eine Satzungsregelung zur Vorstandsvergütung auch festlegen, wer den Anstellungsvertrag abschließt. Bei vielen Vereinen ist ja zur Nutzung der Ehrenamtspauschale für den Vorstand ohnehin eine Satzungsänderung erforderlich.
Der Anstellungsvertrag
Der Anstellungsvertrag eines Vereinsvorstands orientiert sich inhaltlich an dem eines leitenden Angestellten. Explizit geregelt werden sollten die Pflichten, die über das hinausgehen, was sich aus der Organstellung ergibt. Das betrifft die konkreten Aufgabengebiete, Arbeits- und Urlaubszeiten, den oder die Dienstorte, das Gehalt und Nebenleistungen wie Dienstwagen oder Direktversicherungen. Ohne vertragliche Regelung ist der Vorstand nicht an feste Arbeitszeiten gebunden.
Wird ein bisheriger Angestellter als Vorstandsmitglied bestellt, sollte der Arbeitsvertrag klarstellen, dass das bisherige Arbeitsverhältnis aufgehoben wird. Zwar geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass regelmäßig keine Doppelstellung als Arbeitnehmer (gewöhnlicher abhängig Beschäftigter) und Dienstnehmer (Rechtstellung des Vorstands) besteht. Im Einzelfall können sich aber rechtliche Unklarheiten ergeben. Das gilt vor allem für die Frage, ob ein Anstellungsverhältnis fortgesetzt wird, wenn das Vorstandsamt beendet wird (Beschluss vom 28.9.1995, Az: 5 AZB 4/95).
Die Vergütung
Als Vergütung des Vorstands gilt alles, was für das Zur-Verfügung-Stellen der Arbeitskraft als Entgelt gewährt wird und über den Ersatz tatsächlicher angefallener Aufwendungen hinaus geht. Auf die Bezeichnung kommt es dabei nicht an. Auch eine pauschale Aufwandsentschädigung oder eine Zahlung für den Gehaltsausfall ist eine Vergütung.
Die Höhe der Vergütung kann frei vereinbart werden. Bei gemeinnützigen Vereinen darf sie nicht „überhöht“ sein. Der Vergleich bemisst sich an dem, was ortsüblich oder tariflich gängig ist. Eine Orientierung kann der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sein.
Erfolgsabhängige Vergütungen kommen bei gemeinnützigen Vereinen kaum in Frage, weil sie meist als verdeckte Gewinnausschüttungen bewertet werden. Diese aber sind gemeinnützigkeitsschädlich.
Arbeitsrecht
Das Dienstverhältnis des Vorstands ist kein Arbeitsverhältnis. Die Schutzrechte für Arbeitnehmer gelten deswegen nur eingeschränkt.
Diese Arbeitnehmer-Schutzrechte gelten für bezahlte Vorstände nicht
Für angestellte Vereinsvorstände mit Vertretungsbefugnis gelten insbesondere nicht
- die Arbeitszeitordnung (sie legt die Höchstdauer der Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer über 18 Jahren fest),
- das Kündigungsschutzgesetz,
- das Schwerbehindertengesetz (zumindest wenn der Vorstand maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Vereins hat),
- das Vermögensbildungsgesetz und
- das Bundesurlaubsgesetz (Mindesturlaubsanspruch).
Analog zu Arbeitnehmern gilt für den Vorstand aber
- der Pfändungsschutz für seine Vergütung,
- der Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses,
- der Anspruch auf Lohnfortzahlung in Urlaubszeiten und
- die Kündigungsfrist nach § 621 BGB.
Das Ende des Anstellungsverhältnisses
Nach § 621 BGB gilt - wenn die Vergütung monatlich bezahlt wird - für die ordentliche Kündigung, dass sie spätestens zum 15. des Monats für das Monatsende ausgesprochen werden muss. Die ordentliche Kündigung kann aber durch den Dienstvertrag ausgeschlossen werden. Nach den Regelungen des Gesetzes über die Fristen der Kündigung von Angestellten kann bei langer Beschäftigungsdauer eine längere Kündigungsfrist gelten.
Eine fristlose (außerordentliche) Kündigung aus wichtigem Grund ist nach § 626 BGB möglich. Sie kann durch Satzung und Anstellungsvertrag nicht ausgeschlossen werden. Der Anstellungsvertrag kann die außerordentliche Kündigung aber erleichtern. Das gilt zum Beispiel für die Koppelung des Anstellungsverhältnisses an die Vorstandsbestellung. Bei einer außerordentlichen Kündigung gilt aber eine Interessenabwägung. Die Schwere des Kündigungsgrundes muss also ins Verhältnis zu Dienstzeit, Lebensalter, soziale Folgen etc. gesetzt werden.
Wichtig: Für vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder sind bei Streitigkeiten, die sich aus dem Anstellungsverhältnis ergeben, grundsätzlich die Zivilgerichte, nicht die Arbeitsgerichte zuständig. Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person (des Vereins) gelten nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (§ 5 Absatz 1) nämlich nicht als Arbeitnehmer.
Wird das Vorstandsamt vergütet, endet mit der Organstellung nicht automatisch das Anstellungsverhältnis. Der von der Mitgliederversammlung abberufene Vorstand ist also immer noch Angestellter des Vereins. Sein Dienstvertrag muss im Zweifel separat gekündigt werden. Umgekehrt führt die Beendigung des Dienstverhältnisses aber regelmäßig zum Erlöschen der Organstellung.
Unser Tipp: Oft ist aber in der Praxis nicht klar, ob eine Beendigung des Dienstverhältnisse oder die Abbestellung aus dem Amt gemeint ist. Um solche Auslegungsprobleme zu vermeiden, empfiehlt sich in Satzung bzw. Dienstvertrag zu regeln, dass mit dem Ausscheiden aus dem Amt auch das Dienstverhältnis endet und umgekehrt. Dabei könnten aber die Kündigungsfristen des § 621 BGB nicht außer Kraft gesetzt werden.
Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht für Vorstände?
Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Vorstandsmitgliedern im Verein gelten die allgemeinen Kriterien des § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch. Danach liegt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor,
- wenn der Vorstand eine Tätigkeit nach Weisung ausübt und
- er in den betrieblichen Organisationsablauf eingegliedert ist.
Allgemeine Einordnungskriterien
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei bezogen auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit den Weisungen des Arbeitgebers unterliegt. Kennzeichnend für eine selbstständige Tätigkeit ist demgegenüber vor allem das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit.
BSG mit Anwendungsregeln für Vereine
Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese allgemeinen Vorgaben für Vereinsvorstände dahingehend konkretisiert, dass man in den allermeisten Fällen von einer abhängigen Beschäftigung ausgehen muss (Urteil vom 19.7.2001, Az: B 12 KR 44/00 R).
Eine grundsätzliche Versicherungsfreiheit wie bei Vorständen einer Aktiengesellschaft gibt es in jedem Fall nicht. Die Größe des Vereins und der Umfang seiner wirtschaftlichen Betätigung spielen keine Rolle. Die Organstellung innerhalb einer juristischen Person des Privatrechts - hier des Vereinsvorstands - schließt die Versicherungspflicht grundsätzlich nicht aus (Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 16.9.1981, Az: L 8 Kr 388/79).
Das Vereinsrecht sieht vor, dass der Vorstand grundsätzlich an die Weisungen der Mitgliederversammlung gebunden ist. In Satzung und eventuellen Geschäftsordnungen für den Vorstand wird diese Weisungsbefugnis in der Regel nicht wesentlich abgemildert, sondern vielfach sogar noch erweitert - etwa indem für bestimmte Geschäfte die Zustimmung der Mitgliederversammlung verlangt wird.
Das Fehlen konkreter Weisungen spricht ohnehin noch nicht für eine selbstständige Tätigkeit. In leitenden Positionen („höhere Dienste“) wie im Vorstandsamt ist das Weisungsrecht typischerweise eingeschränkt. Deswegen sind auch Mitglieder von Vorständen juristischer Personen, die von Weisungen im täglichen Geschäft weitgehend frei sind, abhängig Beschäftigte. Höhere Dienste - so das BSG - werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (Urteil vom 19.7.2001, Az: B 12 KR 44/00 R).
Dass das Vorstandsmitglied Arbeitgeberfunktionen ausübt - also gegenüber den Mitarbeitern des Vereins ein Weisungsrecht hat - spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung.
Trägt der Vorstand Unternehmerrisiko?
Ein Unternehmerrisiko als typisches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit liegt bei Vereinsvorständen in aller Regel nicht vor. Sie setzen lediglich ihre Arbeitskraft, nicht aber eigenes Kapital für den Verein ein. Eine mögliche Haftung für durch schuldhaftes Verhalten entstandene Schäden begründet noch kein Unternehmerrisiko (BSG, Urteil vom 16.9.1981, Az: B 3 BK 46/81).
Ausnahmen von der Sozialversicherungspflicht
Ein Vorstandsvorsitzender ist nur in Ausnahmefällen nicht sozialversicherungspflichtig. Das würde voraussetzen, dass
- die Satzung ihn weitgehend unabhängig von Weisungen der Mitgliederversammlung oder anderer Gremien macht,
- er keine feste Anwesenheitszeiten im Verein hat und
- er für seine Tätigkeit nicht Räume und Ausstattung des Vereins nutzt.
Eine solche rechtliche Gestaltung wäre aber nicht nur untypisch, sondern für den Verein auch problematisch, weil sie das Weisungsrecht der Mitgliederversammlung erheblich einschränken müsste.
Lohnsteuer folgt Sozialversicherung
Die lohnsteuerliche Bewertung deckt sich weitgehend mit der sozialversicherungsrechtlichen. In der Rechtsprechung finden sich bisher nur Fälle, in denen die Lohsteuerpflicht des Vereinsvorstands bejaht wird (BFH, Urteil vom 11.3.1960, Az: VI 172/58 U).
Umsatzsteuerpflicht bei selbstständiger Tätigkeit
In Einzelfällen gilt der Vorstand steuerlich als Selbstständiger. Das kann der Fall sein, wenn er weitgehend frei von Weisungen des Vereins ist und eigene Betriebsmittel (Büro) oder sogar eigenes Personal einsetzt. Meist wird das nur für einzelne Mitglieder eines mehrgliedrigen Vorstands gelten, die lediglich besondere Repräsentations- und Verwaltungsaufgaben übernehmen.
Das sagt die jüngste BFH-Rechtsprechung
Solche entgeltlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen sind dann grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig, obwohl der Vorstand ein Organ des Leistungsempfängers ist (BFH, Urteil vom 14.5.2008, Az: XI R 70/07; Abruf-Nr. 082823).
Unser Tipp: In bestimmten Fällen kann aber die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nummer 26b Umsatzsteuergesetz für ehrenamtliche Tätigkeiten greifen. Das ist der Fall, wenn eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
- Das Entgelt für die Tätigkeit besteht nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für die Zeitversäumnis. Ein pauschaler Aufwandsersatz ist dabei möglich.
- Die Tätigkeit wird nicht als Vollerwerb ausgeübt und auch nicht im Rahmen eines Hauptberufs.