· Fachbeitrag · Rücklagen im Verein
Diese Änderungen bei freien Rücklagen und Vermögenszuführungen sollten Sie kennen
| Die umfassendsten Änderungen liefert das „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes“ bei den Regelungen zur gemeinnützigkeitsrechtlich zulässigen Rücklagenbildung und Vermögenszuführungen. Insbesondere offeriert der Gesetzgeber bei der Rücklagenbildung mehr und neue Gestaltungsmöglichkeiten. |
Neue zeitliche Vorgaben für die Rücklagenbildung
Wann eine gemeinnützige Körperschaft über die Bildung von Rücklagen entscheiden und die entsprechenden Nachweise erstellen musste, war bisher nicht verbindlich geregelt. Üblicherweise müsste das im Rahmen des Jahresabschlusses erfolgen. Der regelmäßig späteste Zeitpunkt wäre, bevor die Frist für die zeitnahe Mittelverwendung (bisher das Ende des Jahres nach dem Zufluss der Mittel) abgelaufen ist. Verbindlich festlegen musste sich die Körperschaft mit der Steuererklärung, weil die Rücklagen im Gem 1 Formular eingetragen werden. Dadurch ergäben sich aber für die drei Jahre des Veranlagungszeitraums unterschiedliche Zeitrahmen.
Ausweis der Rücklagen
Der neue § 62 AO regelt nun: „Die Bildung von Rücklagen (..) hat innerhalb der Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO zu erfolgen.“ Das ist die allgemeine r- auf zwei Jahre verlängerte - Mittelverwendungsfrist.
Diese Frist gilt für
- zweckgebundene Rücklagen,
- Wiederbeschaffungsrücklagen,
- freie Rücklagen und
- Rücklagen zum Erwerb von Gesellschaftsrechten.
Gemeinnützige Körperschaften können sich demnach künftig bis zu dem Zeitpunkt für die Bildung einer Rücklage entscheiden, zu dem andernfalls spätestens die zweckgebundene Mittelverwendung erfolgen müsste.
Damit besteht eine klare Vorgabe: Jeweils zum Ende des Jahres müssen die Mittelvorträge aus dem vorletzten Jahr entweder verwendet worden sein oder in die Rücklage eingestellt werden. Grundsätzlich kommt das gemeinnützigen Organisationen entgegen, weil sie die Rücklagenbildung noch vornehmen können, wenn die Frist für die zeitnahe Mittelverwendung abläuft.
PRAXISHINWEIS | Für die Gem 1 Steuererklärung bedeutet das: Nur für das erste der drei Jahre, auf die sich die Steuererklärung bezieht, muss die Rücklagenbildung bereits ausgewiesen sein. Für die beiden anderen Jahre kann sie mit der nächsten Erklärung erfolgen. |
Auflösung von Rücklagen
Auch für die anderweitige Verwendung von Rücklagen, bei denen der Grund für die Bildung entfallen ist, gilt die Zweijahresfrist. Der neue § 62 Absatz 2 AO regelt dazu:
„Rücklagen nach Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 sind unverzüglich aufzulösen, sobald der Grund für die Rücklagenbildung entfallen ist. Die freigewordenen Mittel sind innerhalb der Frist nach § 55 Absatz 1 Nummer 5 Satz 3 zu verwenden.“
Es bleiben also mindestens zwei Jahre Zeit, um die Mittel sinnvoll zu verwenden.
Mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei freien Rücklagen
Bisher sah die Finanzverwaltung eine streng auf das jeweilige Jahr bezogene Bemessung der Höchstgrenzen für die Bildung freier Rücklagen vor. Wurde die Höchstgrenze nicht voll ausgeschöpft, war eine Nachholung in späteren Jahren nicht zulässig (AEAO, Ziffer 15 zu § 58 Nr. 7).
Künftig gilt nach dem neuen § 62 Absatz 2 Nr. 3 AO: „Ist der Höchstbetrag für die Bildung der freien Rücklage in einem Jahr nicht ausgeschöpft, kann diese unterbliebene Zuführung in den folgenden zwei Jahren nachgeholt werden“.
Gemeinnützige Körperschaften können also künftig das nicht ausgeschöpfte Volumen für die freie Rücklage für zwei Jahre vortragen. Dadurch erweitert sich das Potenzial für die Bildung freier Rücklagen.
Anwendungsfälle
Wenn der Höchstbetrag nicht ausgeschöpft werden kann, waren die liquiden Mittel geringer als die rechnerisch mögliche Rücklagenbildung. Denn die Berechnung der Höchstgrenzen erfolgt ja bezogen auf die Einnahmen (im ideellen Bereich) bzw. auf den Ertrag (in Vermögensverwaltung und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben). Diese Größen decken sich aber meist nicht mit den am Jahresende tatsächlich vorhandenen Mitteln. Das ist der Fall,
- wenn zweckgebundene Rücklagen gebildet wurden, der Mittelüberhang also bereits dafür verwendet wurde,
- wenn überschüssige Mittel für die Anschaffung von nutzungsgebundenen Anlagevermögen verwendet wurden, das erst über die Abschreibungen in den Folgejahren in die Gewinnermittlung eingeht,
- weil im ideellen Bereich Bemessungsgrundlage die Einnahmen und nicht die Überschüsse sind.
Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Höchstgrenze
Die Obergrenzen für die Bildung freier Rücklagen sind
- zehn Prozent der Bruttoeinnahmen - nicht der Überschüsse - aus dem ideellen Bereich,
- ein Drittel des Überschusses aus Vermögensverwaltung sowie
- zehn Prozent der Überschüsse/Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben.
Die Bemessungsgrundlage muss für jedes Jahr getrennt ermittelt werden. Ist die rechnerische Höchstgrenze in einem Jahr niedriger als die überschüssigen Mittel, wird die Differenz ins nächste Jahr vorgetragen (mit der Höchstgrenze des Folgejahres addiert).
Sind im Folgejahr nicht genügend Mittelüberhänge vorhanden, um beides auszuschöpfen, kann der Vortrag aus dem ersten ins dritte Jahr übernommen werden. Eine weitere Kumulation der Vorträge ist aber nicht möglich. Eine in 2013 nicht ausgeschöpfte Höchstgrenze verfällt in 2016.
Die Regelung erlaubt dabei nur einen Vortrag nicht ausgeschöpfter Höchstgrenzen. Waren die verfügbaren Mittel in einem Jahr also größer als die Höchstgrenze für die Rücklagenbildung, können diese Mittel nicht im Folgejahr in die freie Rücklage eingestellt werden. Vorgetragen wird der nicht ausgeschöpfte Bemessungsrahmen, nicht die verfügbaren Mittel. Ob sich das Volumen der Rücklagenbildung damit erhöht, hängt vom Einzelfall ab. Einen Vorteil bringt die Neuregelung für Jahre mit geringem Liquiditätsüberhang, denen Jahre mit höherer Liquidität folgen.
Beispiel |
2013 | ||
1 | Höchstgrenze für die Bildung freier Rücklagen insgesamt | 16.000 Euro |
2 | tatsächlich gebildete Rücklage | 7.800 Euro |
3 | Vortrag | 8.200 Euro |
2014 | ||
4 | Höchstgrenze für die Bildung freier Rücklagen insgesamt | 17.000 Euro |
5 | + Vortrag aus 2013 | 8.200 Euro |
6 | = Höchstgrenze für die Rücklagenbildung | 25.200 Euro |
7 | tatsächlich gebildete Rücklage | 18.000 Euro |
8 | verbleibender Vortrag aus 2013 (= 4. - 7. + 5.) | 7.200 Euro |
9 | Vortrag aus 2014 (= 4. - 7.) | 0 Euro |
2015 | ||
10 | Höchstgrenze für die Bildung freier Rücklagen insgesamt | 15.000 Euro |
11 | + in 2014 nicht ausgeschöpfter Vortrag aus 2013 | 7.200 Euro |
12 | + Vortrag aus 2014 | 0 Euro |
13. | = Höchstgrenze für die Rücklagenbildung | 22.200 Euro |
14 | tatsächlich gebildete Rücklage | 20.000 Euro |
15 | Vortrag | 0 Euro |
2016 | ||
16 | Höchstgrenze für die Bildung freier Rücklagen insgesamt | 15.000 Euro |
17 | + in 2015 nicht ausgeschöpfter Vortrag aus 2014 | 0 Euro |
18 | + Vortrag aus 2015 | 0 Euro |
19 | = Höchstgrenze für Rücklagenbildung | 15.000 Euro |
20 | tatsächlich gebildete Rücklage | 13.000 Euro |
21 | Vortrag | 2.000 Euro |
PRAXISHINWEIS | Die Regelung tritt am 1. Januar 2014 in Kraft. Eine Nachholung nicht ausgeschöpfter Rücklagen wäre also erstmals 2014 für die Jahre 2012 und 2013 möglich. |
Mittelverwendung zum Erwerb von Gesellschaftsrechten
Gemeinnützige Körperschaften dürfen Rücklagen zum Erwerb von Gesellschaftsrechten bilden, um bei einer Kapitalerhöhung die prozentuale Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gleich hoch zu halten (§ 58 AO Nr. 9 AO).
Die Regelung soll gewährleisten, dass sich die Gesellschafterstellung der gemeinnützigen Organisation, die sich aus den Beteiligungsrechten ergibt, in einem solchen Fall nicht ändert. Anders als die Vermögensausstattungsrücklage des neuen § 58 Nr. 3 AO ist sie nicht auf die Beteiligung an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften beschränkt.
Eine Einschränkung bei der Höhe und Herkunft der Mittel gibt es nicht. Es können also auch zweckgebundene Mittel verwendet werden.
Neu: Beschränkung auf Einnahmen des laufenden Jahres
Bisher erlaubte die Regelung, sowohl Mittel anzusammeln als auch zugeflossene Mittel aus dem Jahr zu verwenden, in dem die Kapitalerhöhung erfolgt. Künftig entfällt die erste Möglichkeit. Statt einer Rücklagenbildung über mehrere Jahre besteht also - im Rahmen dieser Regelung - nur noch die Möglichkeit, Mittel aus dem laufenden Jahr zu verwenden.
Andererseits entfällt aber die Vorgabe, dass die Kapitalerhaltungsrücklage auch auf künftige freie Rücklagen angerechnet werden muss. Bisher galt nach dem Wortlaut des § 58 Nr. 7b AO (alt), dass so lange keine freien Rücklagen gebildet werden konnten, bis die über die Jahre saldierten Höchstgrenzen dafür den Betrag der Kapitalerhaltungsrücklage erreicht hatte.
Zwar heißt es im neuen § 58 AO Nr. 10: „Dieser Erwerb mindert die Höhe der Rücklage nach § 62 Absatz 1 Nummer 3 (die freien Rücklagen).“ Es ist aber nicht mehr wie in der alten Regelung von der Anrechnung auf „künftig zulässige Rücklagen“ die Rede. Demnach erfolgt lediglich eine Anrechnung auf die freien Rücklagen des aktuellen Jahres.
Gesetzgeber erlaubt aber Rückgriff auf andere Mittel
Genügen die Mittel, die aus Einnahmen des laufenden Jahres freigestellt werden können, nicht, kann aber auf andere nicht zeitnah zu verwendende Mittel zurückgegriffen werden. Das sind
- in Vorjahren gebildete freie Rücklagen und
- Mittelzuführungen nach § 62 Absatz 2 AO (bisher § 58 Nr. 11 AO); also Erbschaften ohne bestimmte Zweckbindung des Erblassers, ausdrücklich zur Vermögensaufstockung eingenommene Spenden und Sachzuwendungen und Sachzuwendungen, „die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören“.
Handelt es sich um eine Beteiligung an einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft, kann zudem eine Rücklage zur Vermögensausstattung nach der neuen Regelung des § 58 Nr. 3 AO verwendet werden.
PRAXISHINWEIS | Die Neuregelung tritt am 1. Januar 2014 in Kraft. Geplante Kapitalerhöhungen sollte deswegen noch in 2013 durchgeführt werden, weil hier noch der erweiterte Spielraum der alten Regelung gilt. |
Gesamtdarstellung der Vermögenszuführungen
Nach Auffassung der Finanzverwaltung müssen nicht nur die Mittel zum Erwerb von Gesellschaftsrechten aus der Bemessungsgrundlage für die freien Rücklagen herausgerechnet werden, sondern auch die Vermögenszuführungen nach § 58 Nr. 11 AO (künftig § 62 Absatz 3 AO).
Für die nicht zweckgebundenen Rücklagen und Vermögenszuführungen ergibt sich damit folgendes Berechnungsschema:
Berechnungsschema | |
Ein Drittel des Überschusses aus Vermögensverwaltung | |
+ | 10 % der Bruttoeinnahmen aus dem ideellen Bereich |
+ | 10 % der Überschüsse/Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben |
+ | 10 % der Überschüsse/Gewinne aus Zweckbetrieben |
./. | Mittel zum Erwerb von Gesellschaftsrechten zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften |
./. | Vermögenszuführungen nach § 58 Nummer 11 AO |
= | Gesamtbetrag der jährlich möglichen Rücklagen und Vermögenszuführungen |
Sonderregelung zur Vermögenszuführung in Stiftungen
Bisher galt, dass eine Stiftung im Jahr ihrer Errichtung und in den zwei folgenden Kalenderjahren Überschüsse aus der Vermögensverwaltung und die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführen durfte (§ 58 Nr. 12 AO). Diese Frist wird (im neuen § 62 Abs. 3 Nr. 4 AO) auf drei Jahre verlängert.
Die Ausdehnung des Zeitraums für die Zuführungen zum Vermögen soll - so die Begründung des Gesetzgebers - den Stiftungen einen soliden Aufbau des Kapitalstocks für steuerbegünstigte Zwecke ermöglichen (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/12037). Stiftungen haben so in der Gründungsphase zusätzliche Möglichkeiten zur Aufstockung des Kapitals.
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Zweckgebundene Rücklagen: Zwei wichtige Änderungen“, VB 4/2013, Seite 10 bis 15