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  • 05.05.2006 · IWW-Abrufnummer 000209

    Urteil vom 12.08.1999 – XI R 65/98

    Eine Spendenbestätigung ist unrichtig, wenn sie Zuwendungen ausweist, die Entgelt für Leistungen sind.



    Setzt der Schulträger das Schulgeld so niedrig an, daß der normale Betrieb der Schule nur durch die Zuwendungen der Eltern an einen Förderverein aufrechterhalten werden kann, die dieser satzungsgemäß an den Schulträger abzuführen hat, so handelt es sich bei diesen Zuwendungen um ein Leistungsentgelt, nicht um Spenden.


    Gründe
    I.

    Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) zu Recht als Haftender gemäß § 10b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch genommen worden ist.

    Der Kläger wurde 1977 gegründet und am 20. September 1977 in das Vereinsregister eingetragen. Die Satzung des Klägers hat auszugsweise folgenden Inhalt (Satzung i.d.F. vom 28. August 1990):

    "......

    § 2

    Aufgabe des Vereins ist die Förderung eines freien öffentlichen Schulwesens auf der Grundlage der Pädagogik Rudolf Steiners. Der Verein unterhält wirtschaftlich die freie Waldorfschule sowie Einrichtungen vorschulischer Erziehung (z.B. Kindergarten). Er vertritt diese Einrichtungen rechtlich.

    ....

    § 4

    Mitglieder des Vereins werden Eltern durch die Aufnahme ihres Kindes in die Schule oder Vorschule (Kindergarten). Lehrer und pädagogische Mitarbeiter der Schule oder Vorschule erwerben die Mitgliedschaft durch den Anstellungsvertrag.

    Weiterhin können alle natürlichen und juristischen Personen Mitglieder werden, die die Ziele des Vereins fördern wollen, wie z.B. Eltern ehemaliger Schüler, ehemalige Schüler, Freunde.

    ....

    § 15

    Die Beiträge werden an den voraussichtlichen Kosten gemessen und vom Vorstand nach Einwilligung der Mehrheit der Mitglieder oder Mitgliederversammlung festgesetzt. Für Mitglieder nach § 4 Abs. 2 wird der Förderbeitrag frei vereinbart.

    Besondere Zahlungsweisen sind möglich: sie müssen mit dem Vorstand vereinbart werden.

    ....."

    Mit Schreiben vom 21. Oktober 1977 bescheinigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) dem Kläger vorläufig in Form einer jederzeit widerruflichen Auskunft, daß er nach der Satzung gemeinnützigen Zwecken i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) diene und zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bezeichneten Körperschaften und Personenvereinigungen gehöre. Außerdem wurde bescheinigt, daß der Kläger berechtigt sei, für ihm unmittelbar zugewendete Spenden Bestätigungen auszustellen.

    Im Schreiben vom 15. September 1984 wies das FA den Kläger ausdrücklich darauf hin, daß nach § 10b EStG nur Beträge als Sonderausgaben abziehbar seien, die als freiwillige Zuwendungen oder als Mitgliedsbeiträge gezahlt würden. Zahlungen zur Abgeltung bestimmter Leistungen --Kindergartenbeiträge, Schulgelder, Studiengebühren u.a.m.-- seien keine Spenden i.S. des § 10b EStG. Diese Beträge dürften daher nicht in die von dem Kläger auszustellenden Spendenbestätigungen aufgenommen werden. Im Antwortschreiben vom 26. September 1984 teilte der Kläger mit, daß diese Voraussetzungen für die Ausstellung von Spendenbestätigungen bekannt seien und in der Praxis angewandt würden. Lediglich in einem Einzelfall sei irrtümlich ein Kindergartenbeitrag in die Bestätigung gelangt.

    Mit Freistellungsbescheiden vom 8. Februar 1985 und 1. Dezember 1987 wurde der Kläger für die Jahre 1983 bzw. 1986 von der Körperschaftsteuer freigestellt.

    In den Jahren 1993/1994 führte das FA eine Außenprüfung bei dem Kläger für die Jahre 1989 bis 1992 durch. Laut Tz. 11 des Betriebsprüfungsberichts vom 1. Juni 1994 sollte geprüft werden, ob Zuwendungen der Vereinsmitglieder an den Verein als Spenden abziehbar seien oder Leistungsentgelte darstellten. In dem Betriebsprüfungsbericht kam der Prüfer zu folgenden Feststellungen:

    "Tz.

    21 An den Verein werden folgende Zuwendungen geleistet:

    22 a) Schulgeld Grundlage ist der Schulvertrag; das Schulgeld beträgt zur Zeit monatlich 170,-- DM für das 1. Kind 130,-- DM für das 2. Kind 80,-- DM für das 3. Kind (Ermäßigungsantrag möglich - 1 Jahr befristet).

    Das Schulgeld ist ein Leistungsentgelt für die Beschulung. Eine Spendenbescheinigung hierfür ist nicht erteilt worden.

    23 b) Vereinsbeitrag Grundlage ist die Satzung; durch die Annahme des Aufnahmeantrags unterwirft sich das Mitglied der Satzung. Der Vereinsbeitrag beträgt zur Zeit 80,-- DM monatlich --er wird nach den voraussichtlichen Kosten bemessen-- vgl. § 15 der Satzung. Auch hier ist Ermäßigung im Einzelfall möglich.

    Über diesen Vereinsbeitrag sind Spendenbescheinigungen erteilt worden. Die Vereinsmitglieder sind fast ausschließlich solche, die Kinder in der Schule haben.

    24 c) Bauspende (Inv.-Umlage) Ausweislich der Buchführung werden von fast jedem Mitglied monatlich 50,-- DM als sogenannte Bauspende geleistet.

    Wenige zahlen monatlich 100,-- DM, 130,-- DM bzw. 250,-- DM - einzelne (in finanzielle Schwierigkeiten geratene Mitglieder) sind hiervon befreit (in 1989 28 Mitglieder von 282). Die Grundlage dieser monatlichen Bauspende ist eine außerordentliche Mitgliederversammlung aus 1982/83. Auf dieser Versammlung ist den Mitgliedern das Konzept "Bau der Waldorfschule/Kindergarten" vorgestellt worden - rd. 12 Mio. DM. Um dieses Vorhaben verwirklichen zu können, war ein Elternbeitrag erforderlich. Den Mitgliedern ist "empfohlen" worden, sich an diesen Kosten mit monatlich mindestens 50,-- DM über einen Zeitraum von 10 Jahren zu beteiligen. Sie stimmten dieser Empfehlung zu, seitdem werden monatlich 50,-- DM als Bauspende per Lastschrift einbehalten. Der Verein stellt hierüber Spendenbescheinigungen aus.

    25 d) Freiwillige Einzelspenden Eltern/Nichteltern Hierbei handelt es sich um freiwillige Einzelspenden, die fast ausschließlich für den Bau verwendet worden sind ......"

    Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, daß Schulgeld und Vereinsbeitrag bei weitem nicht ausreichen würden, um die Kosten des Schulbetriebs zu decken. Daraus folge, daß der Vereinsbeitrag, Bauspenden und freiwillige Einzelspenden der Eltern steuerlich in Schulgeld umzuqualifizieren seien.

    Das FA erließ, dieser Rechtsauffassung folgend, mit Datum vom 27. Juni 1994 auf § 10b Abs. 4 EStG i.V.m. § 191 AO 1977 gestützte Haftungsbescheide für die Jahre 1990 bis 1992. Die Haftungssumme berechnete das FA mit 40 v.H. der in den jeweiligen Jahren nicht als Spenden anerkannten Zuwendungen. Dies ergab folgende Haftungsbeträge:

    1990: ..... DM 1991: ..... DM 1992: ..... DM.

    Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt; die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1197 veröffentlicht. Die Voraussetzungen des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG seien nicht erfüllt, da der Kläger keine "unrichtige" Bescheinigung ausgestellt habe. Die falsche rechtliche Einordnung einer Zuwendung als Spende könne den Haftungstatbestand des § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG nicht erfüllen.

    Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

    1. Würde man der Rechtsauffassung des FG folgen, könnten gemeinnützige Einrichtungen für jedes Leistungsentgelt Spendenbestätigungen ausstellen, sofern sie den Erlös für satzungsmäßige Zwecke verwendeten. § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG würde danach teilweise ins Leere laufen. Würden für entgeltliche Schulgeldzahlungen Spendenbestätigungen ausgestellt, so sei dies als ein Mißbrauch i.S. des § 10b EStG anzusehen. Es sei unerheblich, daß das Wort Spende in der Bescheinigung nicht ausdrücklich genannt werde, da bestätigte Zuwendungen an eine in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezeichnete Körperschaft, für die eine Steuerbegünstigung in Anspruch genommen werde, begrifflich stets unentgeltlich und freiwillig sein müßten. Es sei daher nicht nachvollziehbar, den Vertrauensschutz des Spenders hinsichtlich der Unentgeltlichkeit zu verneinen und hinsichtlich dieses einen Punktes dem Wohnsitz-FA eine materiell-rechtliche Prüfungspflicht aufzuerlegen. Gerade der Streitfall zeige deutlich, daß nur der ausstellende Verein in der Lage sei, in angemessener Zeit zu beurteilen, ob durch das Schuldgeld die laufenden und festen Kosten gedeckt würden und eine Spendenbescheinigung zulässig sei. Eine Inanspruchnahme des Spenders wäre auch unbillig, denn nicht der Spender, sondern der ausstellende Verein habe mit der unrichtigen Spendenbescheinigung den Vertrauenstatbestand geschaffen und habe ihn auch zu vertreten.

    2. Entgegen der Auffassung des FG komme es nicht darauf an, ob die fehlerhafte Spendenbescheinigung beim Spender steuerliche Auswirkungen gehabt habe; nach dem Willen des Gesetzgebers handele es sich um einen Haftungstatbestand eigener Art, der nicht wie die AO-Vorschriften das Bestehen einer Steuerschuld voraussetze. Einzelfallbezogene Ermittlungen hinsichtlich der entgangenen Steuern sollten unterbleiben.

    Das FA beantragt,

    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Revision zurückzuweisen.

    Die Revisionsbegründung des FA stütze sich ausschließlich auf die behauptete Nichtabziehbarkeit der bestätigten Zuwendungen. Dabei übersehe das FA, daß die Frage der Abziehbarkeit einer bestätigten Zuwendung als Spende in den Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Wohnsitz-FA falle.

    II.

    Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Auffassung des FG bezieht sich die Richtigkeitsgewähr der Bestätigungen auch auf die rechtliche Qualifikation des ausgewiesenen Betrags als Spende. Auf der Grundlage der vom FG festgestellten Tatsachen kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger den Tatbestand des § 10b Abs. 4 EStG erfüllt hat.

    1. Nach § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige auf die Richtigkeit der Bestätigung über Spenden grundsätzlich vertrauen. Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Bestätigung ausstellt, haftet gemäß § 10b Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG für die entgangene Steuer; diese ist mit 40 v.H. des zugewendeten Betrags anzusetzen.

    a) Unrichtig ist eine Spendenbestätigung, deren Inhalt nicht der objektiven Sach- und Rechtslage entspricht (Kirchhof in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10b Rdnr. E 16, E 41 f.). Die Unrichtigkeit bezieht sich auf die Angaben, die für den Abzug wesentlich sind, insbesondere also auf die Höhe des zugewendeten Betrags, den beabsichtigten Verwendungszweck und den steuerbegünstigten Status der spendenempfangenden Körperschaft (vgl. Muster für Spendenbestätigungen in Anlage 4 zu R 111 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--; ferner Gierlich, Finanz-Rundschau 1991, 518/9).

    Die Bestätigung bezweckt, den Abzug bestimmter Beträge als Spende zu ermöglichen, ohne daß der (gutgläubige) Spender und dessen FA die entsprechenden Abzugsvoraussetzungen noch einmal zu prüfen brauchen (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung und Vereinfachung der Vereinsbesteuerung, BTDrucks 11/4176, 17; Kirchhof, a.a.O., Rdnr. E 6; Blümich/Hofmeister, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 10b EStG, Rz. 76). In der Bestätigung wird bescheinigt, daß ein bestimmter Betrag zu bestimmten spendenbegünstigten Zwecken verwendet wird. Damit wird zwangsläufig zum Ausdruck gebracht, daß der zugewendete Betrag als Spende empfangen worden ist. Danach sind alle Beträge, die auf einer Spendenbestätigung angegeben sind, als Spendenleistungen ausgewiesen und nehmen an der Richtigkeitsgewähr und der Vertrauensschutzregelung des § 10b Abs. 4 EStG teil. Weist die Bestätigung bestimmte Beträge, die keine Spenden sind (z.B. wegen des entgeltlichen Charakters der Zuwendung), als solche aus, ist die Bestätigung unrichtig.

    Nach diesen Grundsätzen kann der Auffassung des FG, daß sich der Vertrauensschutz nicht auf die zutreffende rechtliche Qualifizierung einer Zahlung als Spende erstrecke und daß das Wohnsitz-FA bei der Einkommensteuerveranlagung des Spenders u.a. die Frage der Unentgeltlichkeit zu prüfen habe, nicht gefolgt werden, so daß eine Haftung nicht mit dieser Begründung verneint werden kann.

    b) Grundsätzlich können Eltern, deren Kinder die Schule eines gemeinnützigen Schulvereins besuchen, nicht zur Deckung der Schulkosten (Schulbetriebskosten) steuerwirksam spenden. Die zur Deckung der Schulkosten von den Eltern aufzubringenden Beträge (Elternbeiträge) sind Entgelt für die Leistungen des Schulträgers, auch wenn sie in Schulgeld, Vereinsbeitrag und Bauumlage aufgeteilt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. August 1987 IX R 24/85, BFHE 151, 39, BStBl II 1987, 850). Das Entgelt für Leistungen kann nicht zu einem als Spende abziehbaren Vereinsbeitrag umgewidmet werden (Kirchhof, a.a.O., Rz. B 731; FG Hamburg, Urteil vom 26. August 1993 III 133/92, EFG 1994, 477, rkr.).

    Setzt der Schulträger das Schulgeld so niedrig an, daß der normale Betrieb der Schule nur durch die Zuwendungen der Eltern an einen Förderverein aufrechterhalten werden kann, die dieser satzungsgemäß an den Schulträger abzuführen hat, so handelt es sich bei diesen Zuwendungen um ein Leistungsentgelt, nicht um Spenden. Auch insoweit ist eine Aufteilung in Schulgeld, das an den Schulträger abgeführt wird, und Spenden an den Förderverein nicht zulässig.

    Andererseits müssen auch Eltern, deren Kinder eine gemeinnützige Privatschule besuchen, dem privaten Schulträger (oder einem Förderverein) steuerwirksam Spenden zuwenden können, da auch öffentliche Schulträger (und entsprechende Fördervereine) zum Empfang von Spenden berechtigt sind (Kirchhof, a.a.O., Rz. B 731, unter Hinweis auf Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes). Leistungen der Eltern, die über den Betrag hinausgehen, der erforderlich ist, um die Kosten des normalen Schulbetriebs zu decken, sind deshalb abziehbar. Zu den Kosten des normalen Schulbetriebs zählen insbesondere folgende Aufwendungen:

    - laufende Sachkosten, z.B. Kosten für Lehrmittel, Versicherungen, Instandhaltung, Zinsen,

    - laufende personelle Kosten, z.B. Lehrergehälter, Gehälter für sonstige Mitarbeiter, Versorgungsbezüge, Aufwendungen für Lehrerfortbildung,

    - nutzungsbezogene Aufwendungen, z.B. Mieten, Erbbauzins, Absetzungen für Abnutzung,

    - Kosten für übliche Schulveranstaltungen, falls sie von der Schule getragen werden.

    c) Im Streitfall hat das FG nicht weiter untersucht, ob die als Spenden ausgewiesenen Beträge zum normalen Betrieb der Schule notwendig gewesen waren. Zu den Kosten des Schulbetriebs und zu deren Berechnung enthält das angefochtene Urteil keine Feststellungen, so daß die Frage, ob die Schulkosten durch das Schulgeld und die Landeszuschüsse bereits gedeckt sind, nicht beurteilt werden kann. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 10b Abs. 4