08.06.2007 · IWW-Abrufnummer 071890
Bundesfinanzhof: Urteil vom 04.04.2007 – I R 55/06
Verpachtet eine gemeinnützige Körperschaft einen zuvor von ihr selbst betriebenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, unterliegt sie mit den Pachteinnahmen solange der Körperschaft- und Gewerbesteuer, bis sie die Betriebsaufgabe erklärt. Überschreiten die Pachteinnahmen die Besteuerungsgrenze des § 64 Abs. 3 AO nicht, sind bei ihr die Pachtentgelte allerdings nicht zur Gewerbesteuer heranzuziehen. Gemäß § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG ist daher die Hälfte der Pachtzinsen beim Pächter dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt eine Druckerei. Ihre Druckmaschinen hatte sie im Streitjahr 1999 teilweise von einem eingetragenen Verein (V) gepachtet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) rechnete die Hälfte der Pachtzinsen (7 250 DM) gemäß § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewerbeertrag hinzu und setzte den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag entsprechend fest.
Die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin geltend gemacht hatte, V sei gewerbesteuerpflichtig, wies das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16. Mai 2006 2 K 2351/04, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1690, ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid von 1999 über den Gewerbesteuermessbetrag dahin zu ändern, dass die Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen rückgängig gemacht wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht nach § 8 Nr. 7 GewStG die Hälfte der Pachtzinsen für die Druckmaschinen dem Gewerbeertrag hinzugerechnet.
1. Gemäß § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb bei der Ermittlung des Gewerbeertrages die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen, die für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden und in fremdem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geleistet werden. Dies gilt jedoch nicht, soweit die Miet- und Pachtzinsen beim Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind (§ 8 Nr. 7 Satz 2 Halbsatz 1 GewStG).
2. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Pachtzinsen beim Verpächter nicht zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind.
a) Der Verpächter der Druckmaschinen ist ein Verein, der --insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig-- nach seiner Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient (§§ 51 ff. der Abgabenordnung --AO--). Nach § 3 Nr. 6 GewStG ist er daher von der Gewerbesteuer befreit, soweit er nicht einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht (§ 14 AO).
b) Die Vermietung von Grundbesitz und anderem Anlagevermögen ist in der Regel bloße Vermögensverwaltung (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Verpachtung von Gewerbebetrieben und von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, da für gemeinnützige Körperschaften eine § 4 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechende Regelung fehlt (Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 64 AO Rz 11; Sauer in Beermann/ Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 64 AO Rz 14; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 1897; Senatsurteil vom 23. April 1969 I R 54/67, BFHE 95, 389, BStBl II 1969, 441).
Die Verwaltung wendet allerdings zutreffend (im Streitjahr: Abschn. 47 Abs. 12 Satz 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 i.V.m. R 139 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1999) auf die Verpachtung eines zuvor selbst betriebenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dieselben Grundsätze an, die für die Betriebsverpachtung durch natürliche Personen und Personengesellschaften gelten (grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Danach wird ein zuvor selbst geführter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb so lange in der Form des Verpachtungsbetriebes fortgeführt, bis der Verpächter die Betriebsaufgabe erklärt (gl.A. FG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 1971 VII 90/71 K, EFG 1972, 142; FG München, Urteil vom 8. Mai 1979 VII 53/74, EFG 1979, 512; Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 1897). Dies setzt allerdings voraus, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Pächter verpachtet werden und der Betrieb identitätswahrend wieder aufgenommen werden kann (BFH-Urteile vom 26. Februar 1997 X R 31/95, BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561; vom 17. April 1997 VIII R 2/95, BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388).
Während bei natürlichen Personen und Personengesellschaften die Betriebsverpachtung gewerbesteuerrechtlich zum Erlöschen des Steuergegenstandes führt, weil nicht absehbar ist, wann und ob der Unternehmer seine werbende Tätigkeit wieder aufnimmt (z.B. BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 IV R 56/97, BFHE 186, 356, BStBl II 1998, 735, m.w.N.), ist aufgrund der Fiktion des § 2 Abs. 3 GewStG die Fortführung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes als Verpachtungsbetrieb gewerbesteuerpflichtig. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb "gilt" als Gewerbebetrieb, auch wenn er die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG nicht erfüllt (Sarrazin in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Rz 1897).
c) Ob V die Druckmaschinen im Rahmen eines fortgeführten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes i.S. des § 2 Abs. 3 GewStG verpachtet hat, kann im Streitfall nicht beurteilt werden, da das FG hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Diese Frage kann im Streitfall jedoch offen bleiben. Denn selbst wenn V insoweit dem Grunde nach einen gewerbesteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten haben sollte, kann die Revision der Klägerin nicht erfolgreich sein. Das FG hat nämlich zu Recht angenommen, dass die Pachtzinsen bei V nicht zur Gewerbesteuer heranzuziehen waren.
§ 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG und die ihm entsprechende Vorschrift des § 9 Nr. 4 GewStG haben den Zweck, die doppelte Erfassung von Miet- und Pachtzinsen beim Mieter und Pächter einerseits und beim Eigentümer andererseits zu verhindern. Scheidet die Möglichkeit, die Miet- oder Pachtzinsen bei dem Vermieter oder Verpächter zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen, aus, weil der Vermieter oder Verpächter von der Gewerbesteuer befreit ist oder weil die Entgelte in einem ausländischen Gewerbebetrieb anfallen, so müssen die Miet- oder Pachtzinsen der Gesetzessystematik entsprechend beim Mieter oder Pächter erfasst werden (Senatsurteil vom 15. Juni 1983 I R 113/79, BFHE 139, 286, BStBl II 1984, 17).
Nach § 64 Abs. 3 AO unterliegen die Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nur dann der Gewerbesteuer, wenn sie einschließlich Umsatzsteuer 60 000 DM (30 678 ¤) im Jahr übersteigen. Wird diese Besteuerungsgrenze nicht überschritten, so kann ein entstandener Gewerbeverlust nicht in spätere Veranlagungszeiträume vorgetragen werden (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. Juli 1996 1 K 1291/94, EFG 1997, 306; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 64 AO Rz 69, m.w.N.; Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 15. Juli 1998, BStBl I 1998, 630 i.d.F. des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. Januar 2007, BStBl I 2007, 146, zu § 64 Nr. 23). Ebenso wenig dürfen Überschüsse, die in diesen Jahren erwirtschaftet werden, mit Verlustvorträgen verrechnet werden. Die in diesen Jahren erzielten Einkünfte sind damit von der Gewerbesteuer befreit und wirken sich auch nicht mittelbar über Verlustvor- und -rückträge in anderen Streitjahren aus. Nach dem Zweck des § 8 Nr. 7 GewStG sind die Mietentgelte daher beim Pächter zur Hälfte dem Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) hinzuzurechnen.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb verliert zwar auch in den Jahren, in denen die Einnahmen unter der Besteuerungsgrenze von 60 000 DM (30 678 ¤) liegen, seinen "Charakter" nicht. Er wandelt sich dadurch insbesondere nicht in einen Zweckbetrieb (Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 64 AO Rz 18), sondern unterliegt z.B. mit seinen Umsätzen nach wie vor dem vollen Umsatzsteuersatz des § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und nicht dem ermäßigten nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Maßgeblich für die Anwendung des § 8 Nr. 7 GewStG ist aber nicht, ob ein Besteuerungsobjekt (noch) vorhanden ist, das abstrakt der Gewerbesteuerpflicht unterliegt, sondern allein, ob die Pachtzinsen beim Verpächter im jeweiligen Erhebungszeitraum gewerbesteuerpflichtig sind. Dies ist hier nicht der Fall, so dass sie zu Recht nach § 8 Nr. 7 GewStG zur Hälfte dem Gewerbeertrag hinzugerechnet wurden.