28.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091785
Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.04.2009 – I R 15/07
Das Veranstalten von Trabrennen kann ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sein.
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein, dessen Satzungszweck die Förderung der Traberzucht, insbesondere durch Veranstaltung von Trabrennen, ist. Der X-Verband, dessen Mitglied der Kläger ist, fördert und beaufsichtigt die Traberzucht und deren Leistungsprüfungen sowie andere Trabrennen. Der Kläger wie auch der X-Verband sind wegen Förderung der Tierzucht als gemeinnützig anerkannt.
Der Kläger unterhält einen Rennbetrieb, der als steuerbegünstigter Zweckbetrieb (§ 65 der Abgabenordnung --AO-- in der für die Streitjahre 1995 bis 2003 maßgeblichen Fassung --AO a.F.--) behandelt wird. Dem Kläger war in den Streitjahren durch die Bezirksregierung jährlich die widerrufliche Genehmigung zum Betrieb eines Totalisators auf seinem Rennplatz erteilt worden. Nach den Totalisatorgenehmigungen stand ihm der überwiegende Anteil an der Totalisatorsteuer (bis zu 96%) zu. Die Genehmigungen waren mit verschiedenen Auflagen verbunden und schrieben insbesondere die Verwendung der Totalisatorumsätze vor. So hatte der Kläger einen bestimmten Prozentsatz des Totalisatorumsatzes an den X-Verband abzuführen. Ferner legten die Genehmigungen fest, in welchem Umfang die Wetteinsätze und die rückerstattete Totalisatorsteuer für zusätzliche Rennpreise zu verwenden waren.
Der Kläger zog bei der Ermittlung der Einkünfte aus dem steuerpflichtigen Totalisatorbetrieb die Abgabe an den X-Verband sowie ab dem Jahr 2000 auch die zusätzlichen Rennpreise als Betriebsausgaben ab. Er ermittelte hierdurch --wie auch bereits in den Vorjahren-- einen Verlust. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ordnete diese Ausgaben unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 24. März 2005 (BStBl I 2005, 608) insgesamt dem ideellen Bereich des Klägers zu.
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 22. Juni 2006 15 K 4519/05 K,G,F stützt sich auf das Senatsurteil vom 5. Juni 2003 I R 76/01 (BFHE 202, 323, BStBl II 2005, 305). Es ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 740 veröffentlicht.
Mit seiner (vom Senat zugelassenen) Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das dem Verfahren --auf Aufforderung durch den Senat (Beschluss vom 19. Dezember 2007 I R 15/07, BFHE 220, 25, BStBl II 2009, 262)-- beigetretene BMF hat keinen Antrag gestellt. Es hat sich dem FA aber in der Sache angeschlossen und nimmt wie dieses und in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), aber entgegen dem Senatsbeschluss in BFHE 220, 25, BStBl II 2009, 262 an, der Veranstalter von Trabrennen als solcher erfülle die Voraussetzungen eines sog. Zweckbetriebs (§ 65 AO a.F.), nicht jedoch eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Der Kläger hat mit dem Betrieb des Totalisators und dem Veranstalten von Trabrennen jeweils wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, die nicht als Zweckbetriebe (§ 65 AO a.F.) zu beurteilen sind. Der Kläger unterfällt deswegen insgesamt der Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--, § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--), ohne dass es noch auf die eigentlichen Streitfragen nach der Zuordnung der in Rede stehenden Ausgaben zum ideellen Bereich oder aber zum Totalisatorbetrieb ankommt.
1.
Der Kläger ist wegen Förderung der Tierzucht (§ 52 Abs. 2 Nr. 4 AO a.F., nunmehr § 52 Abs. 2 Nr. 14 AO) als gemeinnützig anerkannt und daher gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit. Die Steuerbefreiung ist allerdings ausgeschlossen, soweit er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG; § 3 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 GewStG). Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist bei einer selbständigen nachhaltigen und auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit anzunehmen, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht (§ 14 Satz 1 AO a.F.). Mit der Vorentscheidung ist davon auszugehen, dass der Kläger mit dem Betrieb des Totalisators einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO a.F.) unterhalten hat, der nicht als Zweckbetrieb zu beurteilen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, weswegen der Senat hierzu von weiteren Ausführungen absieht.
2.
Der Kläger veranstaltet des Weiteren gegen Entgelt Trabrennen und unterhält auch insoweit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO a.F.). Denn er übt hierdurch eine selbständige, nachhaltige, unternehmerische Tätigkeit aus, wodurch er Einnahmen erzielt. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass er insoweit die Steuerbefreiung verliert (§ 64 Abs. 1 AO a.F.), es sei denn, es handelt sich um einen Zweckbetrieb (§ 65 AO a.F.). Dazu wäre erforderlich, dass der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers zu verwirklichen, diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 AO a.F.); es muss sich somit um einen für Vereinszwecke "unentbehrlichen Hilfsbetrieb" handeln (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Februar 1999 XI B 130/98, BFH/NV 1999, 1089; XI B 128/98, BFH/NV 1999, 1055).
3.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a)
Wie aus dem Einleitungssatz des § 52 Abs. 2 AO a.F. ersichtlich, ist die Förderung der Tierzucht nur begünstigt, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt, also der Allgemeinheit dient. Keine Förderung der Allgemeinheit ist die gewerbliche Tierzucht. Ausgehend von der Wertung des Gesetzgebers, dass die nicht um des Erwerbes willen ausgeübte Tierzucht deshalb von allgemein-gesellschaftlichem Nutzen sein kann, weil sie die Art- und Rassenvielfalt der Tierwelt garantiert (BTDrucks 11/1334, S. 4; krit. Tipke in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 52 AO Rz 37; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 52 Rz 57), dienen Pferderennen der Tierzucht, weil sich hieraus Erkenntnisse allgemeiner Art gewinnen lassen, die für die Traberzucht insgesamt und nicht nur für einzelne gewerbliche Züchter von Nutzen sind.
b)
Andererseits ist die Traberzucht kein Selbstzweck. Traber werden zur Ausübung des Trabrennsports gezüchtet; in der Veranstaltung und dem Abhalten der Rennen erfüllt sich damit zugleich Ziel und Zweck der Zucht. Die Rennen sind daher, auch wenn sie für die Auslese besonders leistungsfähiger und damit zur Weiterzucht geeigneter Tiere unerlässlich sind, doch zugleich auch eine sportliche Veranstaltung. Dies folgt schon daraus, dass an Trabrennen auch Wallache starten. Deren Teilnahme lässt sich nur durch den Reiz des Rennsports mit der Möglichkeit, auch unter Einsatz professioneller Sportler erhebliche Preisgelder zu gewinnen, erklären. Entgegen der Auffassung der Beteiligten sind Trabrennen daher nicht nur züchterische Veranstaltungen (a.A. Oberfinanzdirektion Frankfurt, Verfügung vom 7. September 1995, Steuererlasse in Karteiform, AO 1977, Nr. 83 zu § 52; Schauhoff/Kirchhain, Deutsches Steuerrecht 2008, 1716; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, § 3 S. 135 f.). Auch aus Sicht des hierfür zahlenden Publikums sind sie ein sportliches Ereignis und beliebter Freizeitspaß, dessen Unterhaltungswert durch die Möglichkeit, auf den Ausgang der Rennen zu wetten, zudem erheblich gesteigert wird.
Zwar hat der Reichsfinanzhof (RFH) in der Vergangenheit entschieden, für die Beurteilung der Gemeinnützigkeit von Pferderennvereinen komme es nicht auf "die Zwecke der Rennenbesucher" an, von denen ein großer Teil danach trachte, "seine Schau- und Spielsucht zu befriedigen", sondern ausschließlich auf die Zwecke des Vereins, und dazu gehöre die "Hebung der Pferdezucht durch Leistungsprüfungen, wozu es wiederum einer Rennbahn und außerdem der allgemeinen Anteilnahme des Volkes" bedürfe (Urteil vom 19. Mai 1922 I A 47/22, RStBl 1922, 231; s. auch Urteile vom 11. Januar 1934 III A 351/33, RStBl 1934, 246; vom 23. Juli 1938 VI a 92/37, RStBl 1938, 913). Eine derartige Sichtweise lässt sich unter den gewandelten gegenwärtigen Verhältnissen jedoch nicht mehr aufrechterhalten. Ursprünglich züchtete man besonders leistungsfähige Wagenpferde --"nicht nur für die Wehrkraft des Volkes, sondern auch für die Volkswirtschaft" insgesamt (RFH-Urteil in RStBl 1922, 231)-- und die Trabrennen waren nichts anderes als spezielle Zuchtleistungsprüfungen. Heute werden Traber indes ausschließlich für die Trabrennbahn gezogen. In Einklang damit werden Pferderennen in der Öffentlichkeit allseits als (kommerzielle) Sportveranstaltungen wahrgenommen, nicht aber als Zuchtergebnisse und Leistungsprüfungen.
Derartige Rennsportveranstaltungen unterscheiden sich letztlich in nichts von anderweitigen vergleichbaren Veranstaltungen, wie beispielsweise im Automobil- und Radsport, im Schwimmsport oder in der Leichtathletik. Auch dort geht es neben dem Vergnügen und dem Wettkampf immer auch um die Erprobung und den "Test" von Mensch und Material, gewissermaßen also um Leistungsprüfungen. Dennoch stehen Vergnügen und Wettkampf im Vordergrund. Dass der jeweilige Verein seine satzungsmäßigen Zuchtzwecke mit den Rennen verbinden mag, widerspricht dem ebenso wenig wie der Umstand, dass pferdesportliche Leistungsprüfungen in Einklang mit den Tierzuchtgesetzen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Tierzuchtgesetzes i.V.m. § 2 der Verordnung über die Leistungsprüfungen und die Zuchtwertfeststellung bei Pferden vom 2. Februar 2001, BGBl. I 2001, 190) Teil der Pferdezucht sind. Letzten Endes sind diese Zwecke nur Nebenzweck der kommerziellen Rennsportveranstaltung, nicht aber ist umgekehrt die Rennsportveranstaltung ein (unvermeidbarer) Nebenzweck der Zucht. Die Gemeinnützigkeit der Pferdezucht ändert an dieser Wechselwirkung nichts; diese Wirkung lässt sich auch angesichts eines möglicherweise entgegenstehenden Selbstverständnisses des Vereins nicht "umdrehen". An einem derartigen Selbstverständnis kann allerdings ohnehin gezweifelt werden. Denn auf den Internetseiten des Klägers wird ausschließlich auf den sportlichen Charakter der Rennen, nicht hingegen auf die damit verfolgten züchterischen Zwecke abgestellt.
Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb "Rennbetrieb" dient damit in seiner Gesamtrichtung nicht dazu, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO a.F.); denn er wird nicht allein durch den züchterischen Zweck, sondern in mindestens gleicher Weise auch durch den sportlichen Charakter der Rennen geprägt. Ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten Zwecke zu verwirklichen, ist anhand seines objektiven Charakters und nicht anhand der subjektiv mit dem Betrieb verfolgten Ziele zu beurteilen. Selbst wenn aus Sicht des Klägers die züchterischen Zwecke im Vordergrund gestanden haben sollten, kann deshalb hieraus ohne eine entgegenstehende Regelungsanordnung nicht abgeleitet werden, dass die Veranstaltung der Rennen als Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO a.F. anzusehen ist.
c)
Darüber hinaus steht einer solchen Würdigung entgegen, dass die Leistungsprüfungen auch außerhalb eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verwirklicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO a.F.). Die Auslese besonders leistungsfähiger Traber erfordert zwar das Abhalten von Rennen; nicht erforderlich ist jedoch das Abhalten von Leistungsprüfungen vor einem hierfür zahlenden Publikum und die Auslobung erheblicher Preisgelder, welche u.a. auch durch Startgelder finanziert werden müssen (gl.A. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 65 AO Rz 24; im Ergebnis auch Buchna, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2008, S. 113).
Dass der Kläger trotz der erstatteten Totalisatorsteuer auf die Eintrittsgelder zur Verwirklichung seines satzungsmäßigen Zwecks angewiesen sein mag, weil er über keine ausreichenden Eigenmittel verfügt, reicht für die Annahme eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der satzungsmäßige Zweck nur durch eine entgeltliche Tätigkeit verwirklicht werden kann. Die entgeltliche Tätigkeit selbst muss demnach erforderlich sein, nicht die Erhebung von Entgelten als solche (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 65 Rz 23; BFH-Urteil vom 9. April 1987 V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659; vom 2. Oktober 1968 I R 40/68, BFHE 93, 522, BStBl II 1969, 43). Auch insofern verhält es sich nicht anders als bei anderen Sportarten, die auf das Unterhalten einer Rennstrecke, eines Stadions o.ä. angewiesen sind, auch.
Dem widerspricht es schließlich nicht, dass § 64 Abs. 6 Nr. 2 AO a.F. ermöglicht, die Gewinne von Totalisatorbetrieben pauschal mit 15% der Einnahmen zu ermitteln. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass das Abhalten von Pferderennen gegen Entgelt als Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO a.F. zu beurteilen ist. Das Gesetz besagt insofern vielmehr lediglich, dass deren Gewinne nicht pauschal ermittelt werden dürfen.
4.
Der Kläger unterhält mit dem Rennbetrieb und dem Totalisatorbetrieb einen einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 Abs. 2 AO a.F.), dem sämtliche Einnahmen und Ausgaben zuzuordnen sind, die durch diesen Betrieb veranlasst sind. Soweit der Senat in seinem Urteil in BFHE 202, 323, BStBl II 2005, 305 für einen gleichgelagerten Sachverhalt im Ausgangspunkt --der Annahme eines Zweckbetriebs-- etwas anderes vertreten hat, hält er daran nicht länger fest.
Da der Kläger mit dem bislang als Zweckbetrieb beurteilten Rennbetrieb einen Gewinn erwirtschaftet hat, der zusammen mit dem aus dem Betrieb des Totalisators entstandenen Verlust den vom FA ermittelten Gewinn aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, der der Steuerfestsetzung zugrunde liegt, übersteigt, hat die Revision Erfolg. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.