19.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123904
Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 17.01.2012 – 14 Wx 21/11
1. Wenn ein regionaler Zweigverein, dessen Mitglieder zugleich dem Gesamtverein angehören, in das Vereinsregister eingetragen werden will, darf er auch dem Gesamtverein gegenüber nicht vollständig auf sein Selbstverwaltungsrecht verzichten. Es genügt aber, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, welche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 50 Abs. 2 ZPO (NJW 1979, 1402; 1984, 2223; 2008, 69, 73 f.) an einen Verein zu stellen sind.
2. Weist das Registergericht die Anmeldung einer konstitutiv wirkenden Eintragung (hier: Satzungsänderung) in das Vereinsregister zurück, so steht die Beschwerde gemäß § 59 Abs. 2 FamFG nur dem anmeldenden Verein zu.
OLG Karlsruhe, 17.01.2012
14 Wx 21/11
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergerichts - Waldshut-Tiengen vom 14. März 2011 (VR 850) aufgehoben. Das Registergericht wird angewiesen, die am 23. Januar 2010 beschlossene Neufassung der Satzung des Antragstellers und den Kassenwart F.W. als weiteres Vorstandsmitglied des Antragstellers in das Vereinsregister einzutragen.
2. Die Beschwerde des Beteiligten wird als unzul ässig verworfen.
3. Der Beteiligte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu tragen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist seit dem 16. Mai 2001 als Ortsgruppe B. e.V. des Vereins für D.S. e.V. mit Sitz in A. (fortan: Hauptverein) im Vereinsregister des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen eingetragen. Er hat mit Schreiben vom 22. April 2010 unter anderem die von der Mitgliederversammlung am 23. Januar 2010 beschlossene Neufassung seiner Satzung und seinen Kassenwart als neues Vorstandsmitglied zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet. Insoweit hat das Amtsgericht - Registergericht - Waldshut-Tiengen die Anmeldung durch Beschluss vom 14. März 2011, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit der Begründung zurückgewiesen, die in der neuen Satzung vorgesehenen Einflussmöglichkeiten des Hauptvereins schränkten die Selbständigkeit der Ortsgruppe so sehr ein, dass nicht mehr von einem autonomen Verein ausgegangen werden könne, und nach der alten Satzung sei der Kassenwart kein vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied.
Mit ihren Beschwerden verfolgen die Ortsgruppe und der - zuvor nicht am Verfahren beteiligte - Hauptverein die zurückgewiesenen Anmeldungen weiter. Sie machen geltend, die vom Registergericht beanstandeten Bestimmungen der neuen Satzung seien zulässig und führten auch in der Summe nicht dazu, dass die Ortsgruppe die für einen Verein erforderliche Unabhängigkeit verliere. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 8. April 2011 verwiesen.
Das Registergericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es auf den angefochtenen Beschluss verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Beschwerde des Hauptvereins sei unzulässig, weil dieser nicht am Verfahren beteiligt sei. Der Hauptverein hält dem entgegen, er sei zu Unrecht nicht als Beteiligter hinzugezogen worden und werde durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten verletzt.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 63, 64 FamFG). Sie hat auch in der Sache Erfolg. Denn das Registergericht hat die Anmeldungen zu Unrecht zurückgewiesen.
1. Die vollständig neu gefasste Satzung des Antragstellers ist in das Vereinsregister einzutragen. Der Vorstand des Antragstellers hat die einstimmig beschlossene Satzungsänderung ordnungsgemäß angemeldet (§ 71 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB) und die neue Satzung genügt sowohl den gemäß §§ 71 Abs. 2, 60 BGB zu prüfenden Mindesterfordernissen des § 57 Abs. 1 BGB als auch den Sollvorschriften des § 58 BGB. Entgegen der Auffassung des Registergerichts schränkt sie die Selbständigkeit des Antragstellers auch nicht so stark ein, dass dieser nicht mehr als Verein anzusehen wäre.
Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Registergericht geprüft hat, ob die Satzung mit dem Grundsatz der Vereinsautonomie vereinbar ist. Wird eine Satzung zur Eintragung angemeldet, so hat das Registergericht neben der formellen Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung zu prüfen, ob die gesetzmäßigen Voraussetzungen für eine wirksame Satzung in formeller und materieller Hinsicht gegeben sind. Dabei ist die Satzung auch darauf zu überprüfen, ob materiellrechtliche Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründe vorliegen, die der Eintragung entgegenstehen (vgl. etwa OLG Köln, NJW 1992, 1048; OLG Hamm, NJW-RR 1995, 119 und OLG Celle, NJW-RR 1995, 1173, aber auch schon KG, OLGZ 1974, 385, 386). Das gilt auch für satzungsmäßige Beschränkungen der Vereinsautonomie. Denn diese können mit dem Wesen des Vereins unvereinbar und deshalb unzulässig sein (vgl. OLG Köln, aaO.; OLG Hamm, aaO., 120 und KG, aaO., 386 f.).
Bei der Prüfung des materiellen Rechts muss das Registergericht jedoch stets beachten, dass der Gesetzgeber das Vereinsrecht weitgehend dispositiv gestaltet hat (§§ 25, 40 BGB) und dass die Gestaltungsfreiheit des Vereins durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. OLG Köln und OLG Celle, jeweils aaO.). Das gilt insbesondere für die Prüfung der Frage, ob die Satzung mit dem ungeschriebenen Grundsatz der Vereinsautonomie vereinbar ist. Denn die Vereinsautonomie ist kein von der Rechtsordnung gefordertes oder vorausgesetztes Prinzip, das jegliche Einschränkung verbietet. Vielmehr können nur solche Beschränkungen der Autonomie als unzulässig, weil mit dem Wesen des Vereins nicht vereinbar angesehen werden, bei denen der rechtliche Fremdeinfluss so stark ist, dass der Verein nicht mehr als vornehmlich von der Willensbildung und -betätigung seiner Mitglieder getragen angesehen werden kann, sondern als unselbständige Verwaltungsstelle einer anderen organisatorischen Einheit erscheint (vgl. OLG Köln, aaO. und KG, aaO., 387).
Bei der Abwägung, ob eine solche wesentliche Einschränkung vorliegt, ist stets zu berücksichtigen, dass die Vereine gerade wegen ihrer Autonomie berechtigt sind, sich die ihren Zwecken entsprechende Organisation selbst zu geben und diese frei zu bestimmen, soweit dem nicht zwingende Vorschriften oder dem Wesen des Vereins zu entnehmende Grundsätze entgegenstehen. Die Vereinsautonomie kann deshalb grundsätzlich auch in der Weise ausgeübt werden, dass das Selbstverwaltungsrecht des Vereins satzungsmäßig beschränkt wird (BVerfG, NJW 1991, 2623, 2625; KG, aaO., 387). Insbesondere ist es mit ihr vereinbar, gestufte Verbände zu schaffen, innerhalb deren die Unterverbände - sei es als rechtsfähige, sei es als nichtrechtsfähige Vereine - zu Oberverbänden in Abhängigkeit stehen, ihren Vereinscharakter dadurch aber nicht verlieren, sofern sie auch eigenständig Aufgaben wahrnehmen (BVerfG, aaO.). Das gilt namentlich für Ortsgruppen oder andere regionale Untergliederungen, die sich entweder selbst zu einem Zentralverband zusammenschließen oder - wie der Antragsteller - so organisiert sind, dass ihre Mitglieder sowohl dem Gesamtverein als auch dem örtlichen Verein angehören (vgl. dazu etwa Staudinger/Weick, BGB [2005], Einleitung zu §§ 21 ff. BGB Rdn. 64 und § 21 Rdn. 35 f. sowie Reichert, Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. Rdn. 5686 ff.). Bei derartigen Zweigvereinen sind satzungsmäßige Beschränkungen des Selbstverwaltungsrechts zugunsten des Gesamtvereins nicht nur üblich, sondern grundsätzlich auch nicht zu beanstanden. Denn zum einen entsprechen sie dem Zweck des regional gegliederten, aber einheitlich organisierten Zusammenschlusses. Zum anderen steht der Gesamtverein seinen Zweigvereinen nicht wie ein fremder Dritter gegenüber, weil seine Willensbildung ebenfalls von den gemeinsamen Mitgliedern bestimmt wird.
Eine regionale Untergliederung, die als Verein anerkannt werden (oder bleiben) will, kann deshalb zwar auch dem Gesamtverein gegenüber nicht vollständig auf ihr Selbstverwaltungsrecht verzichten (vgl. Reichert, aaO. Rdn. 5705 ff.). Es genügt aber, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt, welche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 50 Abs. 2 ZPO (NJW 1979, 1402; 1984, 2223; 2008, 69, 73 f.) an einen Verein zu stellen sind. Danach ist eine solche Untergliederung als selbständiger Verein anzusehen, wenn sie auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, handlungsfähige Organisation wahrnimmt, eine körperschaftliche Verfassung besitzt, einen Gesamtnamen führt, vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig ist und neben ihrer unselbständigen Tätigkeit für den Hauptverein Aufgaben auch eigenständig wahrnimmt.
Gemessen daran ist die neue Satzung des Antragstellers mit dem Grundsatz der Vereinsautonomie vereinbar. Sie sieht sowohl eine Mitgliederversammlung als auch einen Vorstand vor, der die - auf Dauer angelegte und vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängige - "Ortsgruppe B. e.V. im Verein D.S. (SV) e.V." nach außen vertritt. Die selbständige Tätigkeit des Zweigvereins ist ebenfalls gewährleistet. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung nimmt die Ortsgruppe zwar die - dort näher bezeichneten - Aufgaben des Hauptvereins wahr. Sie handelt aber nicht für diesen, sondern in ihrem eigenen "regionalen Wirkungskreis" und aufgrund eigener Willensbildung (§ 13 Satz 1). Wie sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben erfüllt, wird in § 3 der Satzung nur abstrakt und beispielhaft beschrieben. Ein Weisungsrecht des Hauptvereins ist dort nicht vorgesehen. Die bloß mittelbaren Einflussmöglichkeiten, die das Registergericht beanstandet, schließen eine eigenständige Tätigkeit der Ortsgruppe nicht aus. Im Übrigen sind sie jedenfalls von der durch die Vereinsautonomie gewährleisteten Befugnis eines Zweigvereins gedeckt, das Selbstverwaltungsrecht zugunsten des Zentralvereins zu beschränken. Das gilt insbesondere für die Zustimmungserfordernisse bei Vorstandswahlen (§ 15 Abs. 7) und Satzungsänderungen (§ 26), für die Verweisung auf die Rechts- und Verfahrensordnung des Hauptvereins beim Ausschluss von Mitgliedern (§ 7 Abs. 6) und bei sonstigen Streitigkeiten (§ 21 Abs. 2) sowie für die Berechtigung des Hauptvereins, Mitgliederversammlungen einzuberufen (§ 16 Abs. 2), kommissarische Vorstandsmitglieder zu bestellen (§ 19 Abs. 4) und die Anerkennung der Ortsgruppe zu widerrufen (§ 25). Diese Bestimmungen verstoßen auch nicht gegen zwingende Vorschriften des Vereinsrechts. Ob sie auch außerhalb von gestuften Verbänden mit dem Grundsatz der Vereinsautonomie vereinbar wären, bedarf hier keiner Entscheidung.
2. Da nach § 17 Abs. 6 der neuen Satzung auch der Kassenwart zu den vertretungsberechtigten Mitgliedern des Vorstands gehört, ist der gewählte Kassenwart F. W. als weiteres Vorstandsmitglied des Antragstellers in das Vereinsregister einzutragen (§§ 26, 67 BGB).
III. Die Beschwerde des Hauptvereins ist unzulässig, weil diesem gemäß § 59 FamFG keine Beschwerde gegen die Zurückweisung der den Antragsteller betreffenden Anmeldungen zusteht.
Entgegen der Auffassung des Registergerichts folgt das allerdings nicht schon daraus, dass der Hauptverein nicht an dem erstinstanzlichen Verfahren beteiligt war. Denn § 59 Abs. 1 FamFG verlangt grundsätzlich nur eine materielle Beschwer, so dass auch derjenige, der nicht am Verfahren beteiligt, aber durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt worden ist, Beschwerde einlegen und dadurch zum Beteiligten werden kann (vgl. nur Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 2. Aufl., § 59 Rdn. 3).
Für Antragsverfahren gilt das jedoch nicht. Hier schränkt § 59 Abs. 2 FamFG die Beschwerdeberechtigung dahingehend ein, dass die Zurückweisung des Antrags nur von dem Antragsteller angefochten werden kann. Bei einer Mehrheit von Antragsberechtigten wird diese Befugnis aus verfahrensökonomischen Gründen auch auf diejenigen erstreckt, die den verfahrenseinleitenden Antrag zwar nicht gestellt haben, aber zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch wirksam stellen könnten (vgl. nur Keidel/Meyer-Holz, aaO., Rdn. 41). Andere Personen - seien sie am Verfahren beteiligt oder nicht - sind dagegen selbst dann nicht beschwerdeberechtigt, wenn sie durch die Zurückweisung des Antrags in eigenen Rechten beeinträchtigt werden (vgl. nur Keidel/Meyer-Holz, aaO., Rdn. 37 und - zu § 20 Abs. 2 FGG - BGH, NJW-RR 1991, 771 f.).
Diese Beschränkung gilt auch für die Zurückweisung von Registeranmeldungen (vgl. BGH, NJW 1989, 295 f.; 1992, 1824; BayObLG, NJW-RR 1991, 958 f.; KG, DNotZ 2006, 550, 551; OLG Hamm, RPfleger 1992, 203 f. und OLG Köln, NJW-RR 1997, 1531 f. - alle zu § 20 Abs. 2 FGG - sowie BGH, NJW 2011, 1809, 1810 - zur Einreichung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 GmbHG). Beschwerdeberechtigt ist daher nur, wer die zurückgewiesene Anmeldung vorgenommen hat oder zu deren Vornahme berechtigt wäre. Bei Anmeldungen, die auf konstitutiv wirkende, die Rechtsänderung erst herbeiführende Eintragungen - etwa von Satzungsänderungen - gerichtet sind, ist dies ausschließlich die juristische Person, in deren Angelegenheiten die jeweilige Eintragung zu bewirken ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, aaO., Rdn. 86 und 87 sowie BGH, BayObLG und OLG Hamm, jeweils aaO.). Auch bei anderen, lediglich deklaratorisch wirkenden Eintragungen kommt daneben allenfalls ein eigenes Beschwerderecht der Organe in Betracht, die persönlich zur Anmeldung verpflichtet sind (vgl. BayObLG, NJW-RR 2000, 414; OLG Köln, NJW-RR 2001, 1417, 1418- beide zu § 20 Abs. 2 FGG). Außenstehende Dritte sind dagegen weder antrags- noch beschwerdebefugt.
Danach ist die Beschwerdeberechtigung des Hauptvereins jedenfalls gemäß § 59 Abs. 2 FamFG ausgeschlossen. Auf die Frage, ob der Hauptverein durch die Zurückweisung der Anmeldung in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG), kommt es deshalb nicht mehr an.
IV. Dem Hauptverein sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens im Umfang seiner Beteiligung aufzuerlegen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 84 FamFG).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil keiner der in 70 Abs. 2 FamFG bestimmten Gründe vorliegt.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 29 Satz 1, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.