Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 18.12.2013 · IWW-Abrufnummer 134029

    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 19.06.2013 – L 9 KR 353/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

    verkündet am 19. Juni 2013
    Az.: L 9 KR 353/10
    Az.: S 16 R 329/08 Potsdam

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit XXX
    hat der 9. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Laurisch, den Richter am Landessozialgericht Seifert und den Richter am Sozialgericht Gürtler sowie die ehrenamtliche Richterin Becker und die ehrenamtliche Richterin Pickel für Recht erkannt:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. September 2010 wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Abgabepflicht eines als gemeinnützig eingetragenen Musik- und Tanzvereins nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) dem Grunde nach.

    Der Kläger wurde im Jahr 2000 gegründet und am 19. Januar 2001 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Zossen als gemeinnütziger Verein eingetragen. § 2 Abs. 3 der Vereinssatzung vom 8. November 2000 weist als Ziele des Vereins die Pflege, Förderung und Popularisierung der Country- und Westernkultur aus. Im Einzelnen wird weiter geregelt:

    „Diesem Zwecke dienen unter anderem die:
    a) Bekanntmachung des Country- und Westerntanzes durch Auftritte
    b) Organisation, Durchführung und Teilnahme an Country- und Westernveranstaltungen
    c) Einrichtung und Unterhaltung eines Vereinstreffpunktes, wo insbesondere die Country – Musik gepflegt wird
    d) Unterhaltung des Kontaktes zu gleichgesinnten Vereinen und Gruppen
    e) Förderung und Ausbildung von Gruppen– und Kursleiter/innen
    f) Nachwuchsförderung“.

    Die Vereinsmitglieder pflegen den Country- und Westerntanz in ihrer Freizeit als Hobby. Sie üben gemeinsam im Rahmen von jeweils montags und sonntags stattfindenden Linedance – Tanzkursen, an denen auch Nichtmitglieder des Vereins teilnehmen können. Der Verein veranstaltet einmal im Jahr das so genannte „Countryweekend“, welches von Freitagnachmittag bis Sonntag stattfindet. Hierfür werden Tageskarten und Wochenendkarten verkauft. Durch ehrenamtliche Tätigkeit der Vereinsmitglieder werden die gesamten Auf- und Abbauten sowie die sonstige Durchführung dieser Veranstaltung realisiert. Der Verein lädt Bands und andere Künstler ein, die gegen Gage auftreten, welche aus den Eintrittsgeldern bezahlt wird. Daneben veranstaltet der Kläger die so genannte „Countryweihnacht“ als öffentliche Veranstaltung, zu der er auch Bands bzw. andere Künstler gegen Gage einlädt. Darüber hinaus tritt der Verein ca. drei bis viermal im Jahr auf Dorffesten mit Tanzveranstaltungen auf, für die er ein Honorar erhält. Auftritte des Vereins auf Weihnachtsfeiern werden gegen eine Spendenquittung durchgeführt. Am „Fest der Vereine“ des Amtes M nimmt der Verein teil und präsentiert sich. Für den einmal im Jahr stattfindenden Auftritt im Heim für Behinderte in W nimmt der Verein kein Honorar. Die Vereinsmitglieder gestalten ihr Vereinsleben darüber hinaus mit einer einmal im Jahr stattfindenden vereinsinternen größeren Veranstaltung. Regelmäßig treffen sich die Vereinsmitglieder alle ein bis zwei Monate bei Lagerfeuerabenden und besuchen auch sonst gemeinsam Country- und Westernveranstaltungen anderenorts.

    Mit Bescheid vom 1. September 2005 stellte die Beklagte die grundsätzliche Abgabepflicht des Vereins nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG fest. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 setzte die Beklagte die Künstlersozialabgabe in Höhe von 1.050,23 Euro für die Jahre 2001 bis 2004 fest. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos. Die vor dem Sozialgericht Potsdam zum Aktenzeichen S 17 R 894/06 erhobene Klage wurde zurückgenommen.

    Am 2. Januar 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 1. September 2005. Es handele sich bei dem Verein nicht um ein Unternehmen. Die Freizeitgestaltung sowie der gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe und die Förderung des Vereinslebens stünden im Vordergrund. Der Verein sei nicht überwiegend darauf gerichtet, die künstlerischen Werke oder Leistungen öffentlich darzubieten. Lediglich einmal im Jahr werde eine Veranstaltung durchgeführt, jedoch kein kulturelles Angebot für die Allgemeinheit angeboten. Der Verein absolviere maximal zwei Auftritte, und zwar zu Weihnachten und im Sommer pro Jahr. Die Internetseite verweise nur aus Werbezwecken auch auf Auftritte anderer Bands.

    Mit Bescheid vom 9. Januar 2007, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2008, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) durchgeführte Überprüfung habe ergeben, dass eine Rücknahme des Bescheides nicht in Betracht komme. Der Verein sei ein Unternehmen im Sinne des KSVG. Nach der Vereinssatzung sei es das Ziel des Vereins, durch Auftritte sowie die Organisation, Durchführung und Teilnahme an Country- und Westernveranstaltungen die Country- und Westernkultur zu pflegen, zu fördern und zu popularisieren. Für die Abgabepflicht spreche daher gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG, dass der Verein nach der Vereinssatzung und auch der Vereinspraxis wesentlich darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Darüber hinaus sei auch der Auffangtatbestand des § 24 Abs. 2 Satz 2 KSVG erfüllt. Da die im Rahmen des Countryweekends dargebotenen Auftritte an drei verschiedenen Tagen stattfänden und für alle drei Tage ein gesondertes Eintrittsgeld zu entrichten sei, führe der Kläger unter Berücksichtigung der jährlich zudem stattfindenden Weihnachtsveranstaltung mehr als drei Veranstaltungen im Jahr durch, an denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt werden.

    Auf die Klage hat das Sozialgericht Potsdam mit Urteil vom 21. September 2010 den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2007 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 1. September 2005 aufzuheben. Der Bescheid vom 1. September 2005 sei rechtswidrig und daher von der Beklagten nach Maßgabe des § 44 SGB X aufzuheben ist. Die Beklagte habe die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers zur Künstlersozialversicherung zu Unrecht festgestellt. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 KSVG bzw. des Auffangtatbestandes des § 24 Abs. 2 KSVG seien nicht erfüllt. Der Kläger erfülle zwar die Voraussetzungen für den Betrieb eines Unternehmens im Sinne des § 24 KSVG. Er stelle jedoch kein typischerweise kunstverwertendes Unternehmen dar. Nach Satzung und Vereinsleben sei weder der überwiegende Zweck des Vereins darauf gerichtet, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten, noch sei der „wesentliche“ Zweck des Vereins darauf gerichtet, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Ziel des Vereins sei nach § 2 Abs. 3 seiner Satzung die Pflege, Förderung und Popularisierung der Country- und Westernkultur. Zwar diene diesem Zweck unter anderem die Bekanntmachung des Country- und Westerntanzes durch Auftritte sowie die Organisation, Durchführung und Teilnahme an Country- und Westernveranstaltungen. Dies begründe jedoch keine Abgabepflicht nach dem KSVG. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Änderung des § 24 Abs. 1 KSVG durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I 1461) das Ziel, dass die Nummern 2 und 3 des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG künftig nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erfassen sollten, deren Hauptzweck – wie bei Konzertchören – die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein müsse (Nummer 2) bzw. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern müsse zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören (Nummer 3). Gesang-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaberorchester fielen damit regelmäßig nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs. 1 KSVG (BT – Drucks. 13/5108 S. 17 zu Artikel 9 c). Die Aktivitäten des Klägers seien Zeichen der ausgeprägten Freude am Vereinsleben und der Geselligkeit und Pflege des Country- und Westernbrauchtums. Davon überzeugten die zweimal in der Woche stattfindenden Tanzveranstaltungen, die Lagerfeuerabende, gemeinsamen Besuche von Countryveranstaltungen und auch die öffentlichen Auftritte des Vereins. Soweit der Verein zweimal im Jahr zum Countryweekend und zur Countryweihnacht öffentliche Veranstaltungen durchführe, bei denen Country-Bands und Künstler gegen Gage aufträten, bzw. der Verein selbst auf Dorffesten drei- bis viermal im Jahr und auf Weihnachtsfeiern auftrete, gehörten dieses öffentliche Darbieten bzw. Aufführen nicht zu einem überwiegenden oder wesentlichen Ziel des Vereins. Es handele sich hierbei jeweils um die Ausübung eines Hobbys, um die Pflege der Country- und Westernkultur im Rahmen der Vereinsgesellschaft. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Verein nicht immer im „geschlossenen Kreis“ aktiv sei. Der Schwerpunkt der Vereinsarbeit finde in den Tanzkursen oder bei den vereinsinternen Veranstaltungen statt, z. B. den Lagerfeuerabenden und bei der Pflege des Vereinskontaktes. Der Verein sei als Laienverein zu betrachten, der aus Spaß an der Pflege der Country- und Westernkultur auch öffentliche Auftritte absolviere. Auch der Auffangtatbestand des § 24 Abs. 2 KSVG begründe keine Abgabepflicht des Klägers. Countryweihnacht und Countryweekend stellten nicht mehr als drei Veranstaltungen in einem Kalenderjahr dar. Das Countryweekend erstrecke sich zwar über drei Tage, es handele sich hierbei jedoch um eine Veranstaltung. Hierfür spreche, dass das Countryweekend als eine Veranstaltung genehmigt werde, überwiegend Wochenendkarten verkauft und die Gäste in der Regel am Freitagnachmittag an- und erst am Sonntag wieder abreisen würden.

    Gegen das ihr am 1. November 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. November 2010 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Kläger unterliege der Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG. Die Durchführung von Konzerten gehöre bereits nach der Vereinsatzung zum wesentlichen Zweck des Unternehmens. Der Verein würde jährlich zwei Veranstaltungen durchführen und erteile in diesem Zusammenhang Aufträge an selbständige Künstler und Publizisten. Die grundsätzliche Abgabepflicht liege darüber hinaus nach § 24 Absatz 2 Satz 2 KSVG vor. Eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des § 24 Abs. 2 Satzes 1 KSVG liege bereits dann vor, wenn in einem Kalenderjahr mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden. Die im Rahmen des Countryweekends dargebotenen Auftritte fänden an drei verschiedenen Tagen statt. Wie ihrem Internetauftritt zu entnehmen sei, sei grundsätzlich für alle drei Tage ein gesondertes Eintrittsgeld zu entrichten, es sei denn, der Teilnehmer erwerbe eine Wochenendkarte für einen erhöhten Eintrittspreis. Es handele sich somit um drei von einander zu trennende Veranstaltungen, so dass, zusammen mit der, ebenfalls mit Eintrittsgeldern belegten, Weihnachtsveranstaltung, jährlich mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt würden, in deren Rahmen der Kläger Aufträge an selbständige Künstler erteile und Einnahmen in Form von Eintrittsgeldern erziele.

    Die Beklagte beantragt,
    das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Er betreibe kein sonstiges Unternehmen, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Künstlerversicherung mit einem eigenständigen Kunstbegriff sei schon fraglich, ob er überhaupt künstlerisch tätig sei, da selbst bei Zugrundelegung eines relativ geringen Niveaus keine freie schöpferische Gestaltung gemessen am Charakter des Gesamtwerkes vorliege. Auch betreibe er kein Unternehmen, dessen Tätigkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit bzw. Nachhaltigkeit ausgeübt werde. Die durchgeführten Veranstaltungen, bei denen es sich unstreitig um das „Countryweekend“ und die „Countryweihnacht“ handele, stellten keine Großveranstaltungen dar. Die Veranstaltungen würden ausschließlich von den Mitgliedern des Vereins geplant und organisiert und sogar die Freizeit geopfert und Urlaub genommen. Allein der Umstand, dass das Countryweekend von Freitagnachmittag bis Sonntagnachmittag durchgeführt werde, rechtfertige nicht die Aufteilung in mehrere Tage zur Begründung von mehreren Veranstaltungen. Das Countryweekend werde als eine Veranstaltung einheitlich geplant und eine Genehmigung hierfür eingeholt. Theoretisch sei es möglich, diese eine Veranstaltung auch komprimiert an einem Tag durchzuführen. Auch kämen die Teilnehmer grundsätzlich für die gesamte Veranstaltung, da diese aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen würden. Allein der Umstand, dass auch Einzelkarten für Teile der Veranstaltung gekauft würden, lasse an der Einheitlichkeit der Veranstaltung insgesamt nicht zweifeln. Wochenendkarten würden überwiegend erworben. Eine umfangreichere Planungs- oder Vorbereitungsarbeit sei damit nicht verbunden, da das Podest für die Tänze aufgebaut werden müsse, unabhängig ob an einem Abend oder mehreren getanzt werde. Es liege daher keine Nachhaltigkeit vor. Wesentlicher und auch überwiegender Zweck sei die Pflege, Förderung und Popularisierung der Country- und Westernkultur. Zur Pflege und Förderung gehöre nicht traditionell und typischerweise die Durchführung von Auftritten. Die Durchführung von Auftritten bei Veranstaltungen sei kein notwendiges Mittel zur Aufgabenerfüllung. Da jährlich nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt würden, liege auch keine grundsätzliche Abgabepflicht nach § 24 Absatz 2 Satz 2 KSVG vor.

    Der Senat hat eine Druckversion aus dem Internet-Auftritt des Klägers für das 14. Countryweekend Klausdorf sowie für die Tanzkurse im Juli 2013 (http://crazy-cowboy-dancers.de, Stand: 14. Juni 2013) beigezogen.

    Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die beigezogen wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 9. Januar 2007 zu Recht aufgehoben und die Beklagte zur Aufhebung ihres Bescheides vom 1. September 2005 verpflichtet, denn eine Abgabepflicht nach § 24 KSVG besteht nicht.

    I. Der Kläger hat Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 1. September 2005 gem. § 44 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 36a KSVG. Die Feststellung der Abgabepflicht nach § 24 KSVG stellt einen rechtswidrigen, nicht begünstigenden Verwaltungsakt dar, denn die Voraussetzungen des § 24 KSVG sind nicht erfüllt.

    1. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, das bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist nach § 44 Abs. 2 SGB X ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

    Der Bescheid vom 1. September 2005 ist nicht bereits nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben, denn bei der Feststellung der Abgabepflicht nach § 24 KSVG handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, aufgrund dessen (zu Unrecht) Sozialleistungen erbracht oder Beiträge erhoben wurden. Der Bescheid vom 1. September 2005 regelt lediglich die Abgabepflicht des Klägers dem Grunde nach.

    Der Bescheid vom 1. September 2005 ist vielmehr nach § 44 Abs. 2 SGB X zurückzunehmen. Für die Zukunft folgt dies aus § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Auch für die Vergangenheit ist der Bescheid zurückzunehmen, denn das Rücknahmeermessen der Beklagten aus § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist auf Null reduziert. Eine Ausübung des Ermessens dahingehend, dass der Bescheid nicht zurückgenommen wird, kommt nur in Sonderfällen in Betracht. Anhaltspunkte für einen Sonderfall sind aber weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich.

    2. Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 1. September 2005 ist § 24 KSVG. Dieser regelt die Künstlersozialabgabepflicht wie folgt:

    (1) Zur Künstlersozialabgabe ist ein Unternehmer verpflichtet, der eines der folgenden Unternehmen betreibt:

    1. Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste),
    2. Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen; Voraussetzung ist, daß ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten; Absatz 2 bleibt unberührt,
    3. Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen; Absatz 2 bleibt unberührt,
    4. Rundfunk, Fernsehen,
    5. Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung),
    6. Galerien, Kunsthandel,
    7. Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte,
    8. Variete- und Zirkusunternehmen, Museen,
    9. Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten.

    Zur Künstlersozialabgabe sind auch Unternehmer verpflichtet, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen.

    (2) Zur Künstlersozialabgabe sind ferner Unternehmer verpflichtet, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Werden in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen im Sinne des Satzes 1 vor. Satz 1 gilt nicht für Musikvereine, soweit für sie Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind.

    3. Die Voraussetzungen einer Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 2 KSVG liegen nicht vor.

    a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG sind vergleichbare Unternehmen unter der Voraussetzung abgabepflichtig, dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Der Unternehmenszweck ist nur dann "überwiegend" darauf gerichtet, künstlerische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten, wenn der Schwerpunkt der Interessen nach Vereinbarung (Vereinssatzung) und Praxis auf dem öffentlichen Auftreten (einschließlich der zugehörigen Probenarbeit) liegt und demgegenüber andere - nicht kommerzielle - Zwecke wie z.B. die Freizeitgestaltung, die Pflege eines Hobbys, die Freude am gemeinsamen Musizieren, der regelmäßige gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe sowie die Aufrechterhaltung und Förderung des Vereinslebens nur untergeordneten Charakter haben (BSG, Urteil vom 20. November 2008, B 3 KS 5/07 R, Rn. 22, zitiert nach juris). In diesem Sinne muss der Hauptzweck darauf gerichtet sein, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Das ist bei dem Kläger nicht der Fall. Die öffentlichen Auftritte des Klägers sind nicht sein Hauptzweck. Sie erfolgen zwar mit einer gewissen Regelmäßigkeit, überwiegen aber nicht im Vergleich zur Freizeitgestaltung und Hobbypflege.

    b) Eine Abgabepflicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG setzt für ein sonstiges Unternehmen voraus, dass dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Der Begriff des "wesentlichen" Zwecks darf dabei nicht gleichgesetzt werden mit dem Begriff des "überwiegenden" Zwecks, wie er z.B. in § 24 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG verwendet wird. Unternehmen sind nach jener Vorschrift wie Theater, Orchester und Chöre zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, wenn ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Einen "überwiegenden" Zweck solcher publizistischer Darbietungen verlangt der Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG nicht. Es kann nicht angenommen werden, dass die unterschiedliche Wortwahl in beiden Abgabetatbeständen nur auf ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zurückzuführen ist. Beide Fassungen beruhen auf der Neuregelung des § 24 KSVG durch das Gesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I 1461) und folgen unmittelbar aufeinander, sodass von einer bewussten Unterscheidung der Begriffe ausgegangen werden muss. Die nach den Gesetzesmaterialien der einschränkenden Neufassung der Abgabetatbestände des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 KSVG zu Grunde liegende Absicht, künftig die Abgabepflicht zu begrenzen, weshalb in beiden Fällen der "Hauptzweck" der – dort ergänzend aufgeführten – sonstigen Unternehmen bei der Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen liegen müsse, um die Abgabepflicht auszulösen (BT-Drucks. 13/5108, S 17), hat in dem Wortlaut der Neufassung des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG keinen entsprechenden Niederschlag gefunden und führt dazu, die – weitere – Formulierung "wesentlicher" Zweck als nicht gleichbedeutend mit der – engeren – Formulierung "überwiegender" Zweck bzw. "Hauptzweck" auszulegen. Es kann bei einem Unternehmen naturgemäß allenfalls einen überwiegenden Zweck geben, aber durchaus mehrere wesentliche, d.h. das Unternehmen kennzeichnende bzw. wesensbestimmende Zwecke. Der Abgabetatbestand des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG ist damit erfüllt, wenn der wesentliche Zweck bzw. einer dieser wesentlichen Zwecke darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen, ohne dass es sich zugleich um den überwiegenden Zweck, also den Tätigkeitsschwerpunkt oder den Hauptzweck, handeln muss (BSG, Urteil vom 4. März 2004, B 3 KR 6/03 R, Rn. 24, zitiert nach juris).

    Es ist daher für die Abgabepflicht des Klägers ausreichend, aber auch erforderlich, dass die im Rahmen seines Zwecks erfolgende (Sorge für die) Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen einen "wesentlichen" Zweck seiner Tätigkeit darstellt, d.h. den Verein kennzeichnender bzw. wesensbestimmender Zweck ist. Maßgebend sind daher nicht nur die satzungsgemäße Aufgabenstellung, sondern die tatsächlichen Verhältnisse (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Auflage, 2009, Rn. 100 zu § 24). Die Durchführung von Countryweekend und Countryweihnacht sind nicht wesensbestimmende Zwecke des Klägers. Nach § 2 Abs. 3 der Vereinssatzung sind Pflege, Förderung und Popularisierung der Country- und Westernkultur die übergeordneten Ziele des Klägers, die man als Hauptzweck ansehen kann. Die in der Satzung unter Buchstaben a) bis f) aufgeführten Aktivitäten sollen „diesem Zwecke unter anderem dienen“, stellen damit keinen abgeschlossenen Katalog der Vereinzwecke dar. Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei allen diesen Aktivitäten um wesensbestimmende Zwecke handelt. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse im Verein dürften die wöchentlich stattfindenden Tanzkurse (jeweils montags und sonntags) wesensbestimmender Zweck sein. Diese sind in der Satzung unter den Buchstaben a) bis f) aber nicht ausdrücklich erwähnt.

    Soweit unter Buchstabe b) Organisation, Durchführung und Teilnahme an Country- und Westernveranstaltungen als dem Zwecke dienend aufgezählt sind, resultiert daraus kein überwiegender Zweck im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG. Buchstabe b) erlaubt zwar die Organisation und Durchführung auch von Countryweekend und Countryweihnacht, macht sie aber nicht zu einem wesensbestimmenden Zweck. Unter Buchstabe b) fällt vielmehr auch die Teilnahme an Country- und Westernveranstaltungen, die die Voraussetzungen der Nr. 3 nicht erfüllen, da sie nicht vom Kläger durchgeführt werden.

    Unter Berücksichtigung der Satzung und der tatsächlichen Verhältnisse sind überwiegende Zwecke des Beklagten vielmehr die Freizeitgestaltung, die Pflege eines Hobbys, die Freude an der Bewegung, die Ausübung des Linedance, die regelmäßige Kontaktpflege unter den Vereinsmitgliedern (siehe die Selbstdarstellung des Klägers: „Wir setzen uns aus Personen aller Altersgruppen zusammen, die das gemeinsame Gespräch schätzen, um Interessen auszutauschen und neue Freundschaften zu schließen.“ Siehe: http://crazy-cowboy-dancers.de/). Schwerpunkte der Vereinsarbeit sind die Tanzkurse oder die vereinsinternen Veranstaltungen, z. B. Lagerfeuerabende und die Pflege des Vereinskontaktes.

    c) Eine Abgabepflicht nach dem Auffangtatbestand des § 24 Abs. 2 KSVG besteht für Unternehmen, die nicht nur gelegentlich Auftritte an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen liegt vor, wenn in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt werden.

    Die Voraussetzungen einer Abgabepflicht nach § 24 Abs. 2 KSVG sind nicht erfüllt, denn der Kläger führt in einem Kalenderjahr lediglich zwei entsprechende Veranstaltungen, das „Countryweekend“ und die „Countryweihnacht“, durch. Nur zu diesen Veranstaltungen werden andere Bands bzw. Show-acts im Sinne von § 24 Abs. 2 KSVG eingeladen. Bei anderen Veranstaltungen bzw. Auftritten des Vereines präsentiert er sich ausschließlich selbst.

    Das Countryweekend ist dabei als eine Veranstaltung zu bewerten. Hierfür spricht bereits, dass das Countryweekend jeweils als eine Veranstaltung genehmigt wird. Auch die Eintrittskarten müssen nicht – wie die Beklagte meint – für jeden der drei Tage einzeln erworben werden. Mit einer Wochenendkarte kann die Veranstaltung von Freitag bis Sonntag besucht werden. Ausweislich des im Widerspruchsverfahren gefertigten Ausdrucks der Preisübersicht für die Countryweihnacht im Jahr 2007 wurden im Vorverkauf Wochenendkarten für 16,00 € verkauft. Einzelkarten waren nach dieser Übersicht nicht im Vorverkauf verfügbar. Außerhalb des Vorverkaufs wurden Wochenendkarten (20,00 €) sowie Tageskarten (Freitag 8,00 €, Samstag 10,00 € und Sonntag 3,00 €) angeboten. Wochenendkarten wurden überwiegend verkauft. Auch die Preisgestaltung für 2013 ist ähnlich. Im Vorverkauf werden wiederum nur Wochenendkarten angeboten. Außerhalb des Vorverkaufs werden Wochenendkarten sowie Tageskarten angeboten. Der Eintritt für Sonntag ist allerdings frei. Die Ausgestaltung lässt damit eine Drei-Tages-Veranstaltung erkennen. Hinzu kommt, dass das Countryweekend von den Besuchern als eine Veranstaltung betrachtet wird, zu der die Gäste in der Regel am Freitagnachmittag anreisen und erst am Sonntag wieder abreisen. Auf der Festwiese in Klausdorf besteht die Möglichkeit zu campen. Für Strom wird dabei von Freitag bis Sonntag bezahlt. Die Aufbauten für das Countryweekend erfolgen hierfür am Freitag und nach Beendigung der Veranstaltung erfolgt der Rückbau am Sonntag.

    Der Begriff „Veranstaltung“ ist auch in vergleichbaren Fällen häufig nicht auf einen Tag beschränkt. So dauern Messen in der Regel mehrere Tage und sind doch eine Veranstaltung. Hier ist es sogar zu erwarten, dass hauptsächlich Tageskarten erworben werden.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungs-gerichtsordnung (VwGO) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

    Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.