16.08.2019 · IWW-Abrufnummer 210662
Bundesfinanzhof: Urteil vom 26.06.2019 – V R 70/17
Werbung i.S. von § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO ist auch durch die Vermietung von Standflächen bei Kongressen möglich.
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 05.09.2017 - 6 K 2010/16 K,G wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein zur Selbsthilfe von und für Personen, die an der X–Krankheit leiden. Dem Zweckbetrieb "Veranstaltung wissenschaftlicher Kongresse" ordnete er auch Einnahmen aus der Vermietung von Informationsständen an Pharmaunternehmen (Standmieten) zu.
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Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) in den Körperschaftsteuerbescheiden 2013 und 2014 vom 26. Januar 2015 davon aus, dass die Einnahmen aus der Standvermietung nicht zweckbetriebszugehörig seien. Dies legte er auch den Gewerbesteuermessbescheiden 2013 und 2014 vom 6. Februar 2015 zugrunde. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1725 veröffentlichten Urteil gehört die Standvermietung zwar nicht zu einem Zweckbetrieb, kann aber nach § 64 Abs. 6 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) pauschal besteuert werden.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO sei nicht anwendbar, da es für den Begriff der Werbung kennzeichnend sei, dass die gemeinnützige Körperschaft selbst Werbung betreibe, so dass es nicht ausreiche, Ausstellern Werbung für sich selbst zu ermöglichen. Es solle nur für konkret benannte Bereiche eine Überbesteuerung vermieden werden. Zudem sei der erforderliche Zusammenhang nicht gegeben. Es habe sich um Laienveranstaltungen gehandelt. Überdies liege ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens —Heilmittelwerbegesetz— (HeilMWerbG) vor. Die Aussteller seien Hersteller von verschreibungspflichtigen Medikamenten gewesen.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Er macht geltend, dass Standmieten und Sponsoring einem Zweckbetrieb zuzurechnen seien. Er erfülle damit unmittelbare Satzungszwecke. Ein Gebot kostendeckender Entgelte bestehe nicht. Andere Anbieter auf diesem Markt gebe es nicht. Beim Sponsoring fehle es schon an einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Zumindest stünden die Einnahmen aus den Standmieten und aus dem Sponsoring in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Zweckbetrieb.
II.
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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen ( § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Vermietung der Informationsstände ist zwar kein Zweckbetrieb nach § 65 AO ; sie erfüllt aber die Voraussetzungen für die pauschale Besteuerung nach § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO . Das FG hat den Gewinn aus der Werbung durch Vermieten der Standflächen bei den Kongressen zutreffend mit 15 % der Einnahmen der Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbeträgen für die Streitjahre (2013, 2014) zugrunde gelegt.
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1. Der Kläger unterhielt mit der Vermietung der Standflächen bei den Kongressveranstaltungen keinen Zweckbetrieb nach § 65 AO .
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a) Ein Zweckbetrieb liegt gemäß § 65 AO vor, wenn der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen ( § 65 Nr. 1 AO ), diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können ( § 65 Nr. 2 AO ) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist ( § 65 Nr. 3 AO ). Für die Annahme eines Zweckbetriebs müssen alle drei Voraussetzungen erfüllt sein (Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 30. November 2016 - V R 53/15 , BFHE 255, 513, BStBl II 2017, 1224, Rz 16).
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b) Im Streitfall diente die Vermietung von Standflächen in ihrer Gesamtrichtung nicht der Verwirklichung satzungsmäßiger gemeinnütziger Aufgaben des Klägers, sondern der Beschaffung zusätzlicher Mittel für seine Tätigkeit. Das FG konnte hierfür darauf abstellen, dass der Kläger die Standplätze zu einem weit über den eigenen Kosten liegenden Entgelt überlassen hatte.
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Soweit der Kläger hiergegen einwendet, ohne Standmieten sei ihm die Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben nicht möglich, versteht der erkennende Senat den schriftlichen Vortrag des in der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Klägers dahingehend, dass er sich damit nur gegen den Angriff des FA gegen die teilweise Klagestattgabe durch das FG wendet, nicht aber, dass er eine weitergehende Klagestattgabe erreichen will. Unabhängig von der Frage der Auslegung seines Vortrages kommt aber die Annahme eines Zweckbetriebs nicht in Betracht, da aus dem Überschreiten der Kostendeckung auf den für § 65 AO schädlichen Hauptzweck der Mittelbeschaffung zu schließen ist. Denn die Annahme eines Zweckbetriebs i.S. von § 65 AO kommt nicht in Betracht, wenn die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit selbst nicht der Zweckerreichung, sondern lediglich zur Mittelbeschaffung dient ( BFH-Urteil vom 5. August 2010 – V R 54/09 , BFHE 231, 289, BStBl II 2011, 191, Rz 31).
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2. Das FG hat zudem zutreffend die Anwendung von § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO bejaht.
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a) Nach § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO kann bei einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der sich aus Werbung für Unternehmen ergibt, die im Zusammenhang mit der steuerbegünstigten Tätigkeit einschließlich Zweckbetrieben stattfindet, der Besteuerung ein Gewinn von 15 % der Einnahmen zugrunde gelegt werden.
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b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger wirbt i.S. von § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO durch Vermietung der Standflächen im Zusammenhang mit seiner steuerbegünstigten Tätigkeit.
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aa) Der Wortlaut des § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO lässt offen, wer die Werbeleistung aktiv erbringen muss und lässt somit auch die Auslegung zu, dass passive Duldungsleistungen ausreichen. Dies wird durch den Normzweck und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Bei der Werbung kann es sich nach der amtlichen Gesetzesbegründung (s. BTDrucks 14/4626, S. 7) insbesondere um Banden- oder Trikotwerbung handeln. Dem ist die im Streitfall vorliegende Vermietung von Standflächen gleichzustellen. Denn auch bei der Bandenwerbung ist nicht danach zu unterscheiden, ob die steuerbegünstigte Körperschaft die Banden mit selbst erstelltem Werbematerial bestückt oder die Bandenfläche überlässt, damit der Leistungsempfänger sein eigenes Werbematerial anbringt. Beide Fälle erfüllen den mit der Vorschrift verfolgten Zweck der Vermeidung einer Überbesteuerung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gefahr einer Überbesteuerung bei einer bloßen Überlassung aufgrund der dann geringeren Kosten sogar noch verstärkt droht (vgl. auch zur Standvermietung an Unternehmen zur Selbstdarstellung oder Produktwerbung Schmidt/Fritz, Der Betrieb 2001, 2062, 2064).
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bb) Die Werbung bei den Zweckbetriebsveranstaltungen stand mit diesen und damit mit der steuerbegünstigten Tätigkeit im Zusammenhang. Pharmaunternehmen wären ohne Durchführung des Kongresses nicht bereit gewesen, die vereinbarten Beträge zu bezahlen. Zudem sind die Kosten des Kongresses und damit die Anmietung von Räumlichkeiten für den Kongress etc. durch diesen veranlasst.
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cc) Die Einwendungen des FA hiergegen greifen nicht durch. Soweit das FA darauf hinweist, nach der Gesetzesbegründung müsse es für die Werbung unabdingbare Geschäftsgrundlage sein, dass die steuerbegünstigte Veranstaltung stattfinde, liegt diese Voraussetzung nach den Verhältnissen des Streitfalls vor. Denn die unabdingbare Geschäftsgrundlage erfordert nur den nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 6 Nr. 1 AO erforderlichen Zusammenhang. Dass dieselbe Werbung in einem anderen Kontext auch ohne steuerbegünstigte Tätigkeit erfolgen kann, ist als hypothetische Überlegung ohne Bedeutung.
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Zudem kommt es auf das Werbeverbot nach § 10 Abs. 1 HeilMWerbG nicht an, da dieses einer bloßen Informationsverschaffung an Interessierte nicht entgegensteht (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Oktober 2011 – I ZR 223/06 , MultiMedia und Recht 2012, 370). Selbst wenn ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorläge, wäre dies nach § 40 AO unbeachtlich.
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3. Über die Frage des Sponsorings ist nicht zu entscheiden, da sich der erstinstanzliche Klageantrag auf die steuerlichen Auswirkungen der Standmieten beschränkte.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .