24.08.2022 · IWW-Abrufnummer 230929
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 10.06.2022 – 4 W 27/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.001,00 € festgesetzt.
1
Gründe
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I.
3
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, ihre Teilnahme an einer Leistungssportveranstaltung nicht von einem Covid 19-Impfnachweis und der Einhaltung der so genannten 2G+-Regel abhängig zu machen.
4
Die Antragstellerin ist Leistungssportlerin im Bereich Para-Schwimmen, dessen Spitzenverband der Antragsgegner ist. In dieser Eigenschaft verantwortet er die Nominierung und Meldung von Sportlern für internationale Wettkampfveranstaltungen. Mit Email vom 21.04.2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie für die in A, B (Portugal), vom 12.-18.06.2022 stattfindende Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 nominiert worden sei und wies darauf hin, dass sie für die Teilnahme entsprechend dem aktuellen Hygienekonzept des Antragsgegners die 2G+-Regel (geimpft/genesen + getestet) einhalten müsse. Diese besage, dass Teilnehmende den Nachweis erbringen müssen, dass sie „vollständig geimpft wurden (...) oder eine SARS-CoV-2-Infektion überstanden haben und als genesen gelten“.
5
Die Antragstellerin, deren Genesenenstatus nach einer Infektion im Januar gemäß § 22a InfSchG am 15.04.2022 auslief, nahm ohne Beanstandungen an Trainingsveranstaltungen des Antragsgegners vom 12. bis 26./27.04.2022 auf C und am 29./30.04.2022 in D teil. Mit Email vom 10.05.2022 drohte der Antragsgegner der Antragstellerin zunächst an, die Nominierung/Einladung zur Weltmeisterschaft zurückzuziehen, wenn sie ihren aktuellen Impf- bzw. Genesenenstatus nicht bis zum 26.05.2022 nachweise. Auch in Ansehung des am 13.05.2022 erlassenen Hygienekonzepts des Veranstalters der Weltmeisterschaften in B, welches für ungeimpfte Teilnehmer (lediglich) die Durchführung eines negativen PCR-Tests 72 Stunden vor der Anreise vorsieht, hielt der Antragsgegner an seinem Hygienekonzept fest und teilte der Antragstellerin mit Email vom 30.05.2022 mit, dass er sich angesichts der besonderen Fürsorgepflicht gegenüber Sportler*innen mit Behinderungen nicht in der Lage sehe, grundlegende Änderungen am Hygienekonzept vorzunehmen und dass das Hygienekonzept weiterhin die Voraussetzung für die Nominierung zu internationalen Veranstaltungen darstelle.
6
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich den Erlass einer einstweiligen Verfügung des Inhalts beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, die fortbestehende Nominierung, Einladung und/oder Teilnahme an der Weltmeisterschaft von der Vorlage eines Nachweises über den aktuellen Impf- bzw. Genesenenstatus und der Einhaltung der 2G+-Regel abhängig zu machen, hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben, sie zur Teilnahme an der Weltmeisterschaft unter entsprechenden Bedingungen zu nominieren und einzuladen.
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Sie hat den Standpunkt vertreten: Der Antragsgegner habe ihr durch die Nominierung eine Rechtsposition eingeräumt. Das Hygienekonzept des Antragsgegners stelle keine taugliche Rechtsgrundlage dar, um ihr diese durch überzogene und sachlich nicht gerechtfertigte Anforderungen wieder zu entziehen. Der Antragsgegner sei vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue gehalten, ihre Nominierung und Einladung aufrecht zu erhalten. Sie, die Antragstellerin, habe sich weder dem Hygienekonzept des Antragsgegners noch dem Erfordernis eines aktuellen Impf- oder Genesenennachweises unterworfen. Ein Hygienekonzept sei weder in der von den Parteien geschlossenen Athletenvereinbarung noch in Vereinsbestimmungen des Antragsgegners vorgesehen.
8
Die Aufforderung zur Vorlage eines aktuellen Impf- bzw. Genesenenstatus sei diskriminierend und willkürlich und stelle eine unbillige Benachteiligung und damit einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben dar. Bei der inhaltlichen Prüfung sei die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte zu ihren Gunsten berücksichtigen. Dies führe zur Unwirksamkeit der vom Antragsgegner aufgestellten Erfordernisse. Diese seien ihm weder durch höherrangiges Recht noch durch Vorgaben des Veranstalters oder der portugiesischen Behörden vorgegeben oder erforderlich. Ein 2G+-Konzept sei schließlich ‒ jedenfalls unter Berücksichtigung der abgemilderten pandemischen Lage und den staatlich beschlossenen Lockerungen ‒ auch mit Blick auf eine etwaige Fürsorgepflicht des Antragsgegners unverhältnismäßig. Ohnehin sei es angesichts der Teilnahme zahlreicher Sportler aus anderen Nationen, für die allein die geringeren Anforderungen des Veranstalters gelten würden, ungeeignet, das vom Antragsgegner für maßgeblich erachtete Schutzniveau zu gewährleisten. Neben dem allgemeinen, von allen Beteiligten in Kauf genommenen Ansteckungsrisiko gehe von ihr ‒ der Antragstellerin ‒ kein beachtliches zusätzliches Risiko aus, dem mittels der 2G+-Regel begegnet werden müsse. Zudem könne durch aktuelle Tests ein höheres Schutzniveau erreicht werden als durch einen Impf- oder Genesenenstatus. Sie, die Antragstellerin, werde gezwungen, sich einer Impfung zu unterziehen oder auf die Fortführung ihrer leistungssportlichen Karriere zu verzichten, mithilfe derer sie zu ihrem Lebensunterhalt und dem ihrer beiden Kinder beitrage.
9
Ohnehin sei angesichts fehlender Angaben zur zeitlichen Wirksamkeit des Nachweises über die Genesung nach einer SARS-CoV-2-Infektion nicht ersichtlich, dass sie ‒ die Antragstellerin ‒ die vom Antragsgegner aufgestellten Bedingungen nicht erfülle. Nach der Empfehlung EU 2022/107 des Rates vom 25.01.2022 etwa solle ein Genesungszertifikat noch 180 Tage nach dem ersten positiven NAAT-Testergebnis akzeptiert werden. Durch die vom Antragsgegner akzeptierte Teilnahme an den Trainingsveranstaltungen auf C und in D habe er sich schließlich an eine vom Hygienekonzept abweichende Handhabung selbst gebunden.
10
Könne sie, die Antragstellerin, nicht an der Weltmeisterschaft teilnehmen, folge hieraus ein unwiederbringlicher Verlust dieser Veranstaltung. Er zeitige darüber hinaus erhebliche wirtschaftliche Folgen. Denn der sportliche Erfolg wirke sich auf die Einstufung in das Kader- und Fördersystem für das Folgejahr aus.
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Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 03.06.2022 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle bereits an einem Verfügungsgrund. Die Antragstellerin habe die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung widerlegt, indem sie trotz der E-Mail vom 21.04.2022, in welcher das Erfordernis der „2G+-Regel“ formuliert worden sei, keine gerichtlichen Maßnahmen ergriffen habe.
12
Auch ein Verfügungsanspruch liege nicht vor. Dass der Antragsgegner strengere Hygieneregeln statuiere, erscheine angesichts des Zwiespalts zwischen seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Spitzensportlern und ihren berechtigten Teilnahmeinteressen zumindest gut vertretbar und stelle keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Gerade für Spitzensportler könne eine kompliziert verlaufende Infektion mit dem Coronavirus bei Auftreten länger anhaltender Beeinträchtigungen, etwa eines „Long-Covid-Syndroms“ besonders einschneidende Folgen haben. Durch aktuelle Schnelltests könne angesichts einer herstellerabhängig zum Teil signifikanten Fehlerquote und ihrer begrenzten Sensitivität in der präsymptomatischen Infektionsphase kein wesentlich höheres oder auch nur gleiches Schutzniveau erreicht werden.
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Das Hygienekonzept des Antragsgegners erweise sich nicht als sonderlich eingriffsintensiv oder diskriminierend. Denn der Zugang zu geeigneten Covid-19-Schutzimpfungen stehe allen in Deutschland lebenden Personen voraussetzungslos offen. Schließlich sei eine Selbstbindung des Antragsgegners nicht erkennbar. Die bloße Teilnahme an den Trainingsveranstaltungen begründe ohne eine ausdrückliche Erklärung keinen Vertrauensschutz.
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Gegen den ihr am 03.06.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der ‒ bei Gericht am gleichen Tag eingegangenen ‒ sofortigen Beschwerde vom 08.06.2022. Zur Begründung trägt sie vor:
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Es liege ein Verfügungsgrund vor, nachdem sie darauf habe vertrauen dürfen, dass der Antragsgegner sein Hygienekonzept nicht mehr zur Anwendung bringen werde. Denn sie habe bereits ohne Einhaltung der 2G+-Regel und beanstandungslos an Trainingsveranstaltungen teilgenommen, obwohl das Hygienekonzept nicht nur für Wettkampfveranstaltungen, sondern für alle Veranstaltungen des Antragsgegners konzipiert worden sei.
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Zudem habe sie ‒ die Antragstellerin ‒ selbst nach dem Erhalt der E-Mail vom 10.05.2022 noch nicht endgültig davon ausgehen müssen, dass sich die Haltung des Antragsgegners bis zur WM nicht mehr ändern würde. Denn das offizielle Hygienekonzept des Local Organising Committee (LOC) sei erst unter dem 13.05.2022 abgefasst und ihr erstmals mit Email der Bundestrainerin vom 23.05.2022 zur Kenntnis gebracht worden. Sie, die Antragstellerin, habe zunächst die Reaktion des Antragsgegners auf das offizielle Hygienekonzept abgewartet.
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Aus der Email des Sportdirektors des Antragsgegners vom 30.05.2022 ergebe sich, dass sie ‒ die Antragstellerin ‒ berechtigterweise davon ausgegangen sei, dass das Hygienekonzept an die bereits gelebte Wirklichkeit angepasst werde, habe dieser doch ausgeführt, dass der Vorstand Leistungssport hierüber zuletzt mehrfach diskutiert habe. Erst nachdem er mit der vorgenannten Email an seinem Hygienekonzept festgehalten habe, habe sie die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe für notwendig erachten müssen.
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Im Übrigen verfolgt sie ihr erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens weiter. Sie meint, es sei nicht ausreichend, wenn das Landgericht die Regelung des Antragsgegners als gut vertretbar einschätze, weil eine Infektion mit dem Coronavirus für Spitzensportler besonders einschneidende Folgen haben könne. Es fehle an einem angemessenen Interessenausgleich, der die betroffenen Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit wie auch der Berufsfreiheit berücksichtige, zumal sie als Inhaberin einer Sportförderstelle des Bundesministeriums des Inneren (BMI) zum Familienunterhalt beitrage.
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Der vom Landgericht zur Begründung herangezogenen Verfügbarkeit der Impfangebote stehe ihr Recht entgegen, allein und in freier Selbstbestimmung zu entscheiden, welchem Risiko sie sich aussetzen möchte und welchem nicht. Soweit es die vom Antragsgegner behauptete Fürsorgepflicht aufgegriffen habe, fehle es an einer überzeugenden Herleitung. Ein Zusammenhang mit der originären Verbandstätigkeit des Antragsgegners sei nicht erkennbar. Er habe zudem durch einen Hinweis, dass er nicht für Folgeschäden hafte, die aus einer Infektion erwachsen können, zu erkennen gegeben, dass es jedem einzelnen Teilnehmer überlassen bleibe, das Infektionsrisiko abzuschätzen und ggf. eigenverantwortlich auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft zu verzichten.
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Das Landgericht gehe mit seiner Erwägung zur Bedeutung von Long-Covid für Spitzensportler in unzulässiger Weise über die Erwägungen hinaus, die der Antragsgegner seinem Hygienekonzept zu Grunde gelegt habe. Auch könne dem Argument, dass durch aktuelle Schnelltests ein wesentlich höheres oder auch nur gleiches Schutzniveau nicht erzielt werde, nicht gefolgt werden. Das Landgericht habe sich darüber hinaus nicht ausreichend mit der Geeignetheit und der Erforderlichkeit der Regelung auseinandergesetzt. Während die 2G+-Regel für die Antragstellerin eine sichere Grundrechtsbeeinträchtigung darstelle, sei ungewiss, ob von der Teilnahme einer nicht geimpften oder nicht genesenen Person ein mehr als nur abstrakt-theoretisches Risiko ausgehe.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
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den angefochtenen Beschluss abzuändern und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu vollziehen am Vorstand, zu untersagen, trotz bereits erfolgter Nominierung und Meldung der Antragstellerin durch den Antragsgegner zur Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen, die vom 12. bis 18. Juni 2022 in B, Portugal, ausgetragen wird ("B 2022 World Para Swimming Championships"), die Aufrechterhaltung der Nominierung und/oder der Einladung und /oder der Meldung und/oder ihre Teilnahme an der genannten Weltmeisterschaft
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1. von der Vorlage eines Nachweises des aktuellen Impf- bzw. Genesenenstatus abhängig zu machen, wenn dies geschieht wie beispielsweise durch die Androhung des Zurückziehens der Nominierung / Einladung in der E-Mail der Sachbearbeiterin Leistungssport des Antragsgegners vom 10.05.2022 (Anlage ASt. 3)
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2. von der Einhaltung einer vom Antragsgegner selbst aufgestellten „2G+"-Regel abhängig zu machen, wenn dies geschieht wie beispielsweise durch die E-Mail vom 21.04.2022 (Anlage ASt. 1)
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hilfsweise, nur für den Fall, dass keinem Antrag aus Ziff. 1 entsprochen wird, weil das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die Antragstellerin noch nicht endgültig oder nicht mehr für die Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 durch den Antragsgegner nominiert und eingeladen sei, dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, sie zur Teilnahme an der Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen, die vom 12. bis 18. Juni 2022 in B, Portugal, ausgetragen wird ("B 2022 World Para Swimming Championships"), zu nominieren und einzuladen ohne ihre Teilnahme von der Einhaltung einer vom Antragsgegner selbst aufgestellten „2G+"-Regel abhängig zu machen.
26
Der Senat hat wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung davon abgesehen, den Antragsgegner anzuhören.
27
II.
28
Die formell unbedenkliche sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
29
1.
30
Der Senat erachtet sich zunächst für örtlich und sachlich zuständig. Die Antragstellerin hat zwar punktuell auf §§ 18, 19 GWB Bezug genommen und damit eine kartellrechtliche Relevanz der Angelegenheit in den Raum gestellt, der seinerseits gemäß § 92 Absatz 1 GWB, § 2 der Verordnung des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte und über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach dem Energiewirtschaftsgesetz die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf begründen würde.
31
Der Senat verkennt nicht, dass sich ein Nominierungsanspruch gegenüber für die Nominierung ausschließlich zuständigen Sportverbänden auch aus kartellrechtlichen Bestimmungen ergeben kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 2016 ‒ KZR 6/15 ‒, BGHZ 210, 292, Rn. 45ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2022 ‒ VI-6 W 1/22 (Kart) ‒, juris, Rn. 52). Dass kartellrechtliche Erwägungen tatsächlich streitentscheidend sein könnten, hat die Antragstellerin indes auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung nicht dargetan. Angesichts des Umstandes, dass sie nicht die Entscheidung des Antragsgegners im engeren Sinne beanstandet, sie für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2022 zu nominieren, sondern zwischen den Parteien die Nominierungsentscheidung begleitende Regeln in Streit stehen, sind kartellrechtliche Bezüge nicht ersichtlich.
32
2.
33
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist überdies zulässig.
34
a)
35
Dabei steht der Anrufung der staatlichen Gerichte nach dem vom Senat zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstand nicht entgegen, dass die Parteien möglicherweise eine Schiedsabrede getroffen haben. Solche sind zwar häufig Gegenstand vertraglicher Rechtsbeziehungen im Sportrecht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2016 ‒ KZR 6/15 ‒, BGHZ 210, 292, Rn. 45ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2022 ‒ VI-6 W 1/22 (Kart) ‒, juris, Rn. 43; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Mai 2020 ‒ 19 W 22/20 ‒, juris, Rn. 20ff.), ohne dass die Antragstellerin sich dazu verhalten hätte, ob eine entsprechende Schiedsabrede zwischen den Parteien ‒ etwa in Form der Unterwerfung unter eine Rechtsordnung des Antragsgegners ‒ besteht oder nicht. Es kann aber zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass eine etwaige Schiedsabrede es jedenfalls nicht ausschließt, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten einzuschlagen. Denn eine entsprechende Schiedsabrede begründet nach § 1032 Absatz 1 ZPO zum einen lediglich eine Einrede, auf die sich der Antragsgegner berufen müsste. Dies war ihm zwar bislang schon mangels Beteiligung am Verfahren nicht möglich. Zu berücksichtigen ist indes darüber hinaus, dass der staatliche Rechtschutz im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich parallel und unabhängig zum Schiedsverfahren verläuft (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Mai 2020 ‒ 19 W 22/20 ‒, juris, Rn. 23 mwN; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Juli 2000 ‒ 11 U (Kart) 36/00 ‒, juris, Rn. 28). Jedenfalls im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes dürfen Vereinsmitglieder nicht auf die Ausschöpfung einer verbandsinternen Gerichtsbarkeit verwiesen werden, wenn dadurch ein effektiver Rechtsschutz gefährdet ist (OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2018 ‒ 20 W 18/18 ‒, juris, Rn. 22). Dass diese Grundsätze im Streitfall einer Einschränkung unterliegen könnten, ist nicht ersichtlich.
36
b)
37
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch nicht deshalb von vornherein unzulässig, weil durch eine Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin die Hauptsache vorweggenommen würde. Vielmehr besteht in diesen Fällen, in denen der Antragsteller der Sache nach eine Leistungsverfügung erstrebt, nur unter engen Voraussetzungen ein Verfügungsgrund (dazu nachfolgend unter 2.a).
38
2.
39
Die sofortige Beschwerde erweist sich indes als unbegründet. Denn das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des begehrten Inhalts zu Recht abgelehnt.
40
a)
41
Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin bereits einen Verfügungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, nachdem ihr schon mit Email des Antragsgegners vom 21.04.2022 nicht nur ihre Nominierung zur Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 bekannt gegeben, sondern sie zugleich darauf hingewiesen wurde, dass sie für die Teilnahme entsprechend dem aktuellen Hygienekonzept des Antragsgegners die 2G+-Regel (geimpft/genesen + getestet) einhalten müsse.
42
aa)
43
Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. Dabei darf man die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des Verfügungsanspruchs nicht mit dem Verfügungsgrund, also der Dringlichkeit wegen drohender Nachteile, gleichsetzen. Ein Verfügungsgrund ist festzustellen, wenn das Begehren des Antragstellers dringlich ist und ihm nicht zugemutet werden kann, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und in diesem auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Im Rahmen der Interessenabwägung ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Das Interesse des Antragstellers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Antragsgegners auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist. Dabei ist insbesondere zu fragen, welche Folgen beim Antragsteller aus der Rechtsverletzung bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache erwachsen, ob diese Nachteile nachträglich angemessen kompensiert werden können und wann mit einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen ist. Der Verfügungsgrund fehlt wegen Selbstwiderlegung, wenn der Antragsteller nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht zügig betreibt und damit durch sein Verhalten selbst zu erkennen gegeben hat, dass es ihm nicht eilig ist. Die Grundsätze sind im Wettbewerbsrecht entwickelt worden, enthalten aber einen verallgemeinerungsfähigen Ausschlussgedanken hinsichtlich des Verfügungsgrundes, der in anderen Rechtsgebieten ebenfalls Gültigkeit besitzt. Im Wettbewerbsrecht ist anerkannt, dass es an der zeitlichen Dringlichkeit fehlt, wenn der Antragsteller eine bestimmte Frist zugewartet hat, obwohl er den Wettbewerbsverstoß und die Person des Verantwortlichen kennt oder grob fahrlässig nicht kennt. Dies kann zwar nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, weshalb die Frage, wie lange der Antragsteller bei einer behaupteten Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zuwarten darf, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Dennoch kann eine Regelfrist als Richtwert für die Dringlichkeit in Pressesachen oder bei sonstigen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ebenfalls herangezogen werden, auch wenn sie eine Einzelfallwürdigung (unter Berücksichtigung der Art des Verstoßes, der Erforderlichkeit von Ermittlungen oder der Reaktion des Gegners auf eine Abmahnung) nicht überflüssig macht, sondern vielmehr nur einen Orientierungsrahmen setzt. Denn Regelfristen erleichtern die Rechtsanwendung und Berechenbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Bei einem Überschreiten dieser Frist ‒ die überwiegend auf einen Monat festgesetzt wird ‒ obliegt es dann dem Antragsteller, triftige Gründe für das Zuwarten vorzubringen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. November 2018 ‒ 3 W 2064/18 ‒, juris).
44
Angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, in Kenntnis des Antragsgegners an von ihm organisierten Trainingsveranstaltungen im In- und Ausland ohne Impfung und fortgeltenden Genesenenstatus teilgenommen sowie darauf vertraut zu haben, dass das Hygienekonzept angesichts laufender Diskussionen noch vor der Weltmeisterschaft angepasst werde, drängen sich indes Zweifel an der Annahme auf, die Antragstellerin habe die Dringlichkeitsvermutung durch das etwa sechswöchige Zuwarten zwischen der ersten Information über die etwaige Versagung der Teilnahme mittels Email vom 21.04.2022 bis zur Einleitung des Eilrechtsverfahrens am 02.06.2022 selbst widerlegt. Dies gilt umso mehr, als mit Blick den verfahrensbedingten Zeitablauf und zivilprozessuale Rechtsmittelfristen ausgeschlossen ist, dass sie in der Zeit zwischen der erstmaligen Information und dem Beginn der Weltmeisterschaft am 12.06.2022 ein Hauptsacheverfahren rechtskräftig hätte abschließen können.
45
bb)
46
Der Annahme eines Verfügungsgrundes steht im Übrigen nicht entgegen, dass die Antragstellerin der Sache nach eine Leistungsverfügung erstrebt. Es ist anerkannt, dass unter engen Voraussetzungen im Verfahren des Eilrechtsschutzes auch Leistungsverfügungen erlassen werden können. Sie setzen voraus, dass der Antragsteller (Gläubiger) der sofortigen Erfüllung seines Anspruchs dringend bedarf, die geschuldete Handlung, soll sie nicht ihren Sinn verlieren, so kurzfristig zu erbringen sein muss, dass die Verwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht mehr möglich erscheint und dass die dem Antragsteller aus der Nichtleistung drohenden Nachteile schwer wiegen und außer Verhältnis stehen zu dem Schaden stehen müssen, den der Antragsgegner erleiden kann (Musielak/Voit/Huber ZPO § 940 Rn. 14).
47
Hiervon ist nach dem Vorbringen der Antragstellerin auszugehen. Denn eine ihr günstige Entscheidung würde in der Hauptsache ins Leere laufen und ihr Rechtsschutzziel bliebe dauerhaft unerreichbar, weil eine Teilnahme an der vom 12.06.2022 bis zum 18.06.2022 Weltmeisterschaft 2022 nicht nachholbar wäre.
48
b)
49
Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach der vom Senat anzustellenden summarischen Prüfung steht ihr gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Nominierung und Anmeldung zur sowie auf Teilnahme an der Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 ohne Nachweis eines gültigen Impf- bzw. Genesenenstatus bzw. Einhaltung der 2G+-Regel nicht zu. Denn die vom Antragsteller statuierten SARS-CoV-2-Schutzbestimmungen erweisen sich bei summarischer Prüfung nicht als evident rechtswidrig.
50
aa)
51
Die Entscheidung des Antragsgegners, die Nominierung, Anmeldung und Teilnahme der Athleten an der Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 von der Einhaltung der streitgegenständlichen SARS-CoV-2-Schutzbestimmungen abhängig zu machen, unterliegt der (eingeschränkten) gerichtlichen Kontrolle.
52
Der Umfang der gerichtlichen Nachprüfung vereinsrechtlicher Maßnahmen ist mit Rücksicht auf die grundrechtlich nach Artikel 9 Absatz 1 GG geschützte Vereinsautonomie zwar eingeschränkt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2022 ‒ VI-6 W 1/22 (Kart) ‒, juris, Rn. 56; OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2018 ‒ 20 W 18/18 ‒, juris, Rn. 22). Namentlich ist bei der Beurteilung verbandsinterner Entscheidungen Zurückhaltung geboten und den Verbänden bzw. Vereinen grundsätzlich ein Ermessenspielraum zuzubilligen. Danach erstreckt sich die Überprüfung auf die Ordnungsgewalt des Verbandes hinsichtlich des einzelnen Mitgliedes, die wirksame Grundlage der Ordnungsmaßnahmen, die Einhaltung des in der Satzung festgelegten Verfahrens sowie allgemein gültiger Verfahrensgrundsätze, der Ordnungsmäßigkeit der getroffenen Maßnahme, die Fehlerfreiheit der zugrundeliegenden Tatsachenermittlungen und die inhaltliche Angemessenheit des Verbandsregelwerkes. Darüber hinaus ist die Kontrollbefugnis bei sozial mächtigen Verbänden insbesondere auf die inhaltliche Angemessenheit und Bestimmtheit der angewandten Regelungen, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Verbandes und den schutzwürdigen Interessen derjenigen, die der Verbandsgewalt unterworfen sind, herstellen müssen, zu beziehen. Insbesondere darf durch die Anwendung von Verbandsnormen keine willkürliche oder unbillige, den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechende Behandlung festgestellt werden. Auch bei sozial mächtigen Verbänden ist aber unter Berücksichtigung der Verbandsautonomie ein Beurteilungsspielraum zu beachten und es dürfen nicht ohne weiteres die Überzeugung des Gerichts und seine Wertmaßstäbe an die Stelle derjenigen des Verbandes gesetzt werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Juli 2000 ‒ 11 U (Kart) 36/00 ‒, juris, Rn. 33 mwN; OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2018 ‒ 20 W 18/18 ‒, juris, Rn. 24; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 ‒ II ZR 311/87 ‒, BGHZ 105, 306, Rn. 26).
53
bb)
54
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergeben sich im Rahmen des Eilverfahrens mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten gegen die Vorgehensweise des Antragsgegners keine durchgreifenden Bedenken.
55
(1)
56
Der Einwand der Antragstellerin, es fehle an einer Rechtsgrundlage, die den Antragsgegner berechtigte, im Zusammenhang mit der Nominierung von Athleten zur Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 eine Regelung über die Einhaltung von SARS-CoV-2-Schutzbestimmungen zu erlassen, verfängt nicht.
57
Dass der Antragsgegner gehindert sei, wettkampfbezogene Hygieneregeln aufzustellen, hat die Antragstellerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Ungeachtet des Umstandes, dass sie das Regelwerk des Antragsgegners ‒ insbesondere seine Satzung ‒ nicht vorlegt, aus dem sich eine Regelungskompetenz ergeben könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass es einer ausdrücklichen satzungsmäßigen Rechtsgrundlage bedarf. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind (nur) die das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen als „Verfassung“ des Vereins in die Satzung aufzunehmen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 ‒ II ZR 311/87 ‒, BGHZ 105, 306, Rn. 20). Dass es zu den fundamentalen Regelungen des Verbandslebens gehören würde, wettkampfbezogene (Ausübungs-)Regelungen zum Gesundheitsschutz seiner Mitglieder/der von ihm vertretenen Athleten aufzustellen, ist indes nicht erkennbar. Sie können von dem Antragsgegner gleichwohl als Ausfluss seiner Aufgabe erlassen werden, den Zugang zu Spitzenveranstaltungen unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes einer näheren Ausgestaltung zuzuführen.
58
Auch geht die Annahme der Antragstellerin fehl, das streitgegenständliche Hygienekonzept stelle keine taugliche Rechtsgrundlage für einen Entzug ihrer Nominierung dar. Denn im Verhältnis der Parteien erweist sich das Hygienekonzept lediglich als Vorstufe im Sinne eines inhaltlichen Ausgangspunktes für die Entscheidungen des Antragsgegners, die Nominierung der Athleten für die Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen 2022 von der Einhaltung entsprechender Maßnahmen abhängig zu machen. Die tatsächliche vertragliche Sonderbeziehung der Parteien wird indes ausschließlich von der Nominierungsentscheidung des Antragsgegners vom 21.04.2022 getragen, welche ihrerseits zwar Schutz- und Rücksichtnahmepflichten im Sinne des § 241 Absatz 2 BGB auslöst (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 ‒ II ZR 23/14 ‒, BGHZ 207, 144, Rn. 22). Diese vertragliche Sonderbeziehung der Parteien einschließlich der Nominierung, Anmeldung und Teilnahme an der Weltmeisterschaft war aber von vornherein unter die Bedingung gestellt, dass die Antragstellerin die 2G+-Regel einhält. Einer über diese (konkludente) vertragliche Vereinbarung hinaus gehenden Rechtsgrundlage bedurfte es daher nicht.
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(2)
60
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die auf Grundlage dieser vertraglichen Beziehung basierenden Anforderungen des Antragsgegners an die Nachweise zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus evident unwirksam sind und eine vorläufige Regelung im beantragten Sinne rechtfertigen.
61
Bei der Ausgestaltung der gesundheitsbezogenen Ausübungsregelungen ist dem Antragsgegner eine Ermessensentscheidung eröffnet. Dass er sein Ermessen in rechtswidriger Weise ausgeübt haben könnte, vermag der Senat bei der im Eilverfahren anzustellenden Prüfung nicht zu erkennen. Zu den legitimen Zwecken eines Sportverbandes gehört es jedenfalls auch, die Gesundheit und die Sicherheit der Sportler zu gewährleisten. Daneben sind seine Verbandsautonomie und sein Interesse an der Rechtssicherheit und Verlässlichkeit der Teilnahmebedingungen zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2022 ‒ VI-6 W 1/22 (Kart) ‒, juris, Rn. 62 mwN). Von diesem Interesse werden auch solche Regelungen umfasst, welche die eigentliche Nominierungsentscheidung als Ausübungsbestimmungen begleiten. Ausweislich seiner Email vom 30.05.2022 hat der Antragsgegner bei Erlass der angefochtenen Regelungen das demnach berechtigte Interesse, zum Gesundheitsschutz der Athleten (in den Worten des Antragsgegners „seiner besonderen Fürsorgepflicht gegenüber Sportler*innen mit Behinderungen“) beizutragen, ausdrücklich für sich in Anspruch genommen. Ausgehend von den zu Beginn des Jahres noch hohen Inzidenzen und den noch bis in den April 2022 hineinreichenden weitgehenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens ‒ insbesondere eine noch lange andauernde 2G-Regel ‒ durch die öffentlich-rechtlichen Coronaschutzmaßnahmen sowie den erheblichen Schwankungen der Krankheitslast in der Bevölkerung liegt nicht mit der im Eilverfahren erforderlichen Sicherheit auf der Hand, dass das Ermessen des Antragsgegners in einer Weise reduziert war, die wettkampfbezogenen Schutzmaßnahmen allein in dem von der Antragstellerin begehrten Sinne auszugestalten. Es kann bei vorläufiger Würdigung unter Berücksichtigung der Verbandsautonomie insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner gehalten gewesen wäre, die gesetzgeberisch beschlossenen Lockerungen unverzüglich in gleicher Weise umzusetzen.
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Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen seiner Mitglieder bzw. der Athleten in Übereinstimmung mit den lange erprobten öffentlich-rechtlichen Regelungen zu Recht darauf abgestellt hat, dass der Gesundheitsschutz durch die Voraussetzung eines aktuellen Impf- und Genesenenstatus besser gewährleistet werden kann als durch ein bloßes Testregime. Dass der Antragsgegner mit seinen SARS-CoV2-Schutzbestimmungen über die vom Veranstalter statuierten Regelungen und die portugiesischen Anforderungen für die Einreise hinausgeht, vermag den Rechtswidrigkeitsvorwurf dabei nicht mit der im Eilverfahren erforderlichen Evidenz zu belegen. Der Antragsgegner ist schon vereinsrechtlich nicht gehalten, die Rechtsakte fremder Organisationen ohne eigene Prüfung zu übernehmen. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz, dass der Verein nicht jede Selbstständigkeit bei der Willensbildung oder Geschäftsführung aufgeben darf (BeckOK BGB/Schöpflin BGB § 21 Rn. 60). Ebenso wenig erscheint es aus den aufgezeigten Gründen von vornherein fehlerhaft, dass er in Ausübung dieser Willensbildung ein höheres Schutzniveau für erforderlich gehalten hat.
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Der Senat verkennt nicht, dass die drohende Entscheidung des Antragsgegners, der Antragstellerin wegen der Nichterfüllung der 2G-Regel ihre Nominierung zu entziehen, für sie eine besondere Härte begründet und dass von der Vorgabe des Verbandes ihre grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit und ihre Berufsfreiheit jedenfalls mittelbar tangiert werden. In Anbetracht der Gesamtumstände, welche nicht nur von der Beeinträchtigung der Interessen der Antragstellerin geprägt sind, sondern mittelbar auch die vom Antragsgegner für seine Entscheidung in Anspruch genommenen Interessen der weiteren Athleten tangiert, fehlt es indes auch unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Aspekte an der im Eilverfahren erforderlichen Offenkundigkeit der behaupteten Unwirksamkeit. Hieraus folgt, dass Gründe, welche die nur ganz ausnahmsweise zulässige Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnten, nicht gegeben sind.
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(3)
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Ebenso wenig ist zu erkennen, dass sich der Antragsgegner an eine von seinen Schutzbestimmungen abweichende Handhabung gebunden haben könnte, indem er die Antragstellerin trotz eines bekannten Auslaufens ihres Genesenenstatus an den Trainingsmaßnahmen auf C und in D hat teilnehmen lassen. Es fehlt dem Vorbringen der Antragstellerin insofern an der Darlegung eines Umstandes, der bei ihr ein besonderes Vertrauen darauf hätte begründen können, der Antragsgegner werde entgegen den eindeutig formulierten Vorgaben in der Nominierungsemail vom 21.04.2022 von den vorgegebenen Maßnahmen abrücken. Die bloße Duldung ihrer Teilnahme an Trainingsmaßnahmen unter nicht näher dargelegten Umständen und ohne eine weitergehende Äußerung von den Antragsgegner vertretenden Personen ist hierfür nicht ausreichend.
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cc)
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Die Antragstellerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie erfülle angesichts ihrer Infektion am SARS-CoV-2-Virus im Januar 2022 bereits die von dem Antragsteller aufgestellten Anforderungen.
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Ihr Vorbringen ist zwar insoweit zutreffend, als der in der Email vom 21.04.2022 enthaltene Hinweis auf das Erfordernis einer Genesung keine ausdrückliche zeitliche Angabe dazu enthält, wie lange die überstandene Infektion zurückliegen darf. Durch die Formulierung, dass der Teilnehmer eine Infektion nicht nur überstanden haben, sondern darüber hinaus als genesen „gelten“ muss, ergibt sich aber eine hinreichend erkennbare Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Infektionsschutzgesetzes. § 22a IfSG sieht insofern nämlich für den Genesenennachweis eine zeitliche Grenze in dem Sinne vor, dass die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt. Dass der Antragsgegner, der als in Deutschland konstituierter Verband zuvorderst den nationalen Rechtsnormen unterworfen ist, demgegenüber auf die Erwägungen des Europäischen Rates in seiner Empfehlung (EU) 2022/107 vom 25. Januar 2022 für eine koordinierte Vorgehensweise zur Erleichterung der sicheren Ausübung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie und zur Ersetzung der Empfehlung (EU) 2020/1475 hätte Bezug nehmen wollen, die lediglich Empfehlungscharakter ohne rechtliche Verbindlichkeit aufweist und dazu dienen soll, die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten zu koordinieren, ist bei objektivem ‒ im Übrigen von der Antragstellerin auch nicht so aufgefassten ‒ Verständnis auszuschließen.
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3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.