04.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143117
Oberfinanzdirektion Niedersachsen: Verfügung vom 27.06.2014 – S 7242 a - 28 - St 184
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG auf Beherbergungs- und Verpflegungsumsätze im Zusammenhang mit Seminarleistungen gemeinnütziger Bildungsträger
OFD Niedersachsen
27.06.2014
S 7242a - 28 - St 184
Ermittlung der zusätzlichen Einnahmen i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG
Rechtsprechung
Der BFH hat mit Urteil vom 8. März 2012 – V R 14/11 ( BStBl 2012 II S. 630) – entschieden, dass Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Streitjahr 2007 im Zusammenhang mit umsatzsteuerfreien Seminaren erbrachte, nicht dem ermäßigten Steuersatz von 7 % gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterlagen.
Die Leistungen der Beherbergung und Verpflegung wurden im Streitfall zwar nach den abgabenrechtlichen Regelungen gemäß § 68 Nr. 8 AO im Rahmen eines Zweckbetriebes erbracht, sie fielen jedoch unter die umsatzsteuerrechtliche Einschränkung der Steuerermäßigung für Leistungen im Rahmen eines Zweckbetriebes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG . Die Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen begründeten im Streitfall umsatzsteuerrechtlich einen Zweckbetrieb, der vorrangig der Erzielung zusätzlicher Einnahmen diente. Zusätzliche Einnahmen in diesem Sinne liegen bereits dann vor, wenn die Körperschaft diese in Zusammenhang mit Leistungen erzielt, die für die Verwirklichung ihres steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks (hier: Förderung der Volks- und Berufsbildung nach § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO ) nicht unerlässlich sind. Schließlich erbrachte die Klägerin ihre Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen auch in unmittelbarem Wettbewerb zu Leistungen von Hotelbetreibern, deren Leistungen im Streitjahr 2007 dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 % unterlagen.
Hinweis:
Für nach dem 31. Dezember 2009 erbrachte Beherbergungsleistungen ist eine Steuerermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG möglich.
Anwendung des BFH-Urteils/Übergangsregelung für Umsätze vor dem 1. Januar 2013 – BMF-Schreiben vom 29. April 2014
Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 8. März 2012 – V R 14/11 – sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Nach dem BMF-Schreiben vom 29. April 2014 wird es für vor dem 1. Januar 2013 ausgeführte Umsätze – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn der gemeinnützige Bildungsträger die Beherbergungs- und Verpflegungsumsätze bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dem ermäßigten Steuersatz von 7 % nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG unterwirft.
Ermittlung der zusätzlichen Einnahmen
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden auf die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.
Nach Abschn. 12.9 Abs. 10 Satz 1 Nr. 7 UStAE unterliegen (soweit nicht bereits steuerfrei) auch die Lehrveranstaltungen von Volkshochschulen u. ä. Einrichtungen dem ermäßigten Steuersatz, weil mit ihrer Ausführung selbst die steuerbegünstigten Zwecke der Körperschaft unmittelbar verwirklicht werden. Soweit dabei den Teilnehmern außerdem Beherbergungs- oder Verpflegungsleistungen erbracht werden, mit deren Ausführung selbst nicht steuerbegünstigte Zwecke verwirklicht werden, ist nach Abschn. 12.9 Abs. 11 Satz 3 ff. UStAE i. d. F. des BMF-Schreibens vom 29. April 2014 zu prüfen, ob der Zweckbetrieb des gemeinnützigen Bildungsträgers insgesamt nicht in erster Linie der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden.
Ein Zweckbetrieb dient in erster Linie der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen, wenn mehr als 50 % seiner gesamten steuerpflichtigen Umsätze durch zusätzliche und wettbewerbsrelevanten Leistungen erzielt werden. Keine wettbewerbsrelevanten Leistungen liegen vor, wenn diese Leistungen auch bei anderen Unternehmern dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (z. B. seit dem 1. Januar 2010 Beherbergungsumsätze, § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ).
Beispiel:
Bei einer Heimvolkshochschule (HVHS) werden umsatzsteuerfreie Seminare nebst Übernachtung und Vollverpflegung (sonstige Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 9 USG, Abschn. 3.6 UStAE ) angeboten. Es handelt sich bei der HVHS um einen Zweckbetrieb gem. § 68 Nr. 8 AO , welcher dem Grunde nach den Ermäßigungstatbestand des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG erfüllt. Mit der Beherbergung und Verpflegung verwirklicht die HVHS ihren steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck (Bildung) aber nicht selbst, somit ist für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zu prüfen, ob der Zweckbetrieb in erster Linie der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen dient. Bei der Prüfung ist zu beachten, dass die Beherbergungsumsätze unter den weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG bereits dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen.
Sofern die Einnahmen für Beherbergung und Verpflegung zu mehr als 50 % auf die Verpflegungsumsätze entfallen, dient der Zweckbetrieb der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen und der ermäßigte Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG findet keine Anwendung. Die Verpflegungsumsätze unterliegen in diesem Fall dem allgemeinen Steuersatz von 19 % gem. § 12 Abs. 1 UStG .
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG für die Verpflegungsumsätze einer gemeinnützigen Bildungseinrichtung ist daher im Einzelfall zu prüfen.
Sofern die Bildungseinrichtung auch umsatzsteuerpflichtige Seminare im Rahmen ihres Zweckbetriebes nach § 68 Nr. 8 AO anbietet, gelten die obigen Ausf ührungen entsprechend.