20.09.2007 · IWW-Abrufnummer 072992
Bundesfinanzhof: Urteil vom 09.08.2007 – V R 27/04
1. Ein Luftsportverein, der seinen Mitgliedern vereinseigene Flugzeuge zur Nutzung überlässt, führt damit keine "sportliche Veranstaltung" i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1991/1993 durch.
2. Dass ein Luftsportverein seinen Mitgliedern die Nutzung von Einrichtungen auf dem Flughafengelände ermöglicht, hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die von den Mitgliedern durchgeführten Sportflüge und ist insofern nicht Teil einer organisatorischen Maßnahme des Vereins (Einschränkung der Rechtsprechung).
3. Mitgliedsbeiträge können Entgelt für die Leistungen eines Sportvereins an seine Mitglieder sein.
Gründe:
I.
Der ... e.V. (Luftsportverein) war ein gemeinnütziger Luftsportverein i.S. der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO). Während des Revisionsverfahrens verschmolzen der Luftsportverein und der ... e.V. auf den neu gegründeten D e.V. (Kläger und Revisionskläger --Kläger--).
Nach § 9 Nr. 1 und 2 der Satzung des Luftsportvereins vom 20. März 1987 (Satzung), auf die das Finanzgericht (FG) Bezug nahm, hatten die Vereinsmitglieder "Beiträge" und ein "Eintrittsgeld" an den Luftsportverein zu entrichten; zusätzlich mussten sie Werkstattarbeit leisten, an deren Stelle sie Ersatzleistungen erbringen konnten.
Auf dem Flughafengelände befand sich in den Jahren 1992 bis 1994 (Streitjahre) das Vereinsheim. Neben den Räumen für die gastronomische Bewirtung gab es in dem Gebäude einen Werkstattraum, ein Büro sowie Toiletten. Die Flugzeuge waren in vom Verein angemieteten Hangars untergestellt.
Die Vereinsmitglieder nutzten die gewarteten, flugbereiten und versicherten Flugzeuge des Luftsportvereins je nach Verfügbarkeit. Insoweit lagen Listen aus, in die die Mitglieder ihren Flugterminwunsch eintragen konnten. Für die Durchführung des Segelflugs stellte der Luftsportverein einen sog. Startleiter zur Verfügung. Die Motorflieger wickelten ihre Flüge unmittelbar mit dem Tower ab. In geringem Maße bildeten Fluglehrer die Mitglieder aus.
Für die Überlassung der vereinseigenen Flugzeuge mussten die Mitglieder des Luftsportvereins "Gebühren" entrichten, die der Luftsportverein aufgrund einer "Gebührenordnung" erhob. Die Höhe der "Gebühren" richtete sich nach der von einem Stundenzähler berechneten Flugzeit des jeweiligen Flugzeugs. Die insgesamt eingenommenen "Gebühren" des jeweiligen Jahres waren nach der Aufstellung ("Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage") des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--), auf die das FG Bezug nahm, nicht kostendeckend.
Die Flughafengesellschaft erhob für die Nutzung der Landebahn und des Towers Landegebühren, die der Luftsportverein bezahlte.
In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1994 gab der Luftsportverein die Umsätze aus den Nutzungsüberlassungen der Motorsport- und Segelflugzeuge mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991 und 1993 an.
Der Luftsportverein zog die auf diese Umsätze entfallenden Vorsteuerbeträge ab, die jeweils höher waren als die vom Luftsportverein berechnete Umsatzsteuer aus den Nutzungsüberlassungen.
Das FA stimmte den Erklärungen zunächst zu. Nach einer Außenprüfung beurteilte das FA die Umsätze aus den Nutzungsüberlassungen der Flugzeuge als gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei, so dass hierauf entfallende Vorsteuerbeträge nicht abziehbar seien. Das FA erließ gemäß § 164 Abs. 2 AO entsprechend geänderte Bescheide.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 1998).
Das FG wies die Klage des Luftsportvereins ab. Es führte zur Begründung aus, die Leistungen des Luftsportvereins seien steuerfrei, weil die von den Mitgliedern entrichteten Gebühren Teilnehmergebühren für sportliche Veranstaltungen gemä ß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG seien. Die Leistungen des Luftsportvereins überschritten die untere Grenze zur sportlichen Veranstaltung, da sie keine bloßen Nutzungsüberlassungen seien. Anders als bei einer Anmietung von Motorsport- und Segelflugzeugen habe der Luftsportverein einen vollständigen Organisationsrahmen zur Verfügung gestellt. Der Luftsportverein habe sich um die Start- und Landerechte gekümmert und die Landegebühren bezahlt. Ferner hätten die Vereinsmitglieder das Vereinsheim, die Toiletten, das Büro, den Werkstattraum und die Hangars auf dem Flughafengelände benutzen können.
Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2004, 1800 abgedruckt.
Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß Verletzung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG und beantragt, das Urteil des FG Köln vom 29. Mai 2002 7 K 8219/98 aufzuheben und die Umsatzsteueränderungsbescheide für 1992 bis 1994 vom 14. Oktober 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 1998 erkl ärungsgemäß zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar darf der Kläger die streitigen Vorsteuerbeträge abziehen. Im Umfang der Stattgabe der Klage ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Mitgliedsbeiträge Gegenleistung für die Vereinsleistungen des Luftsportvereins an die Mitglieder sein können. Dieser Frage ist das FG bisher nicht nachgegangen. Die Feststellungen des FG reichen aber für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus.
1. Die Verschmelzung des ursprünglichen Klägers, des Luftsportvereins, und des ... e.V. auf den D e.V. führte zur Gesamtrechtsnachfolge (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Januar 2006 I R 52/05, BFH/NV 2006, 1243, m.w.N.) und damit zum gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. § 36 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes). Der D e.V. ist daher an Stelle des Luftsportvereins nunmehr als Kläger beteiligt.
2. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht fraglich.
3. Der Vorsteuerabzug des Klägers ist auch nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Denn der Luftsportverein hat die zugrunde liegenden Leistungsbezüge nicht zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.
a) Die Nutzungsüberlassung der Flugzeuge ist entgegen der Vorentscheidung nicht als "sportliche Veranstaltung" gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei.
Nach dieser Vorschrift sind kulturelle und sportliche Veranstaltungen u.a. von gemeinnützigen Zwecken dienenden Einrichtungen steuerfrei, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist unter "sportlicher Veranstaltung" eine organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen, die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben (BFH-Urteile vom 25. Juli 1996 V R 7/95, BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.b aa; vom 27. April 2006 V R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, unter II.2.b). Eine bestimmte Organisationsform oder -struktur schreibt das Gesetz nicht vor. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist erst unterschritten, wenn die Maßnahme nur eine Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen bzw. -anlagen oder bloß eine konkrete Dienstleistung, wie z.B. die Beförderung zum Ort der sportlichen Betätigung oder ein spezielles Training für einzelne Sportler, zum Gegenstand hat. Die Vermietung von Sportstätten (auf kurze Dauer) schafft lediglich die Voraussetzungen für sportliche Veranstaltungen (BFH-Urteil in BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.b bb).
bb) Zwar setzt die Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG die gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsbestimmungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ersichtlich nicht um, sondern knüpft an die Verwendung des Begriffs "sportliche Veranstaltung" als sog. Zweckbetrieb in § 67a AO an (BFH-Urteil in BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.b). Jedoch beruft sich der Kläger hier nicht auf die Steuerfreiheit nach Gemeinschaftsrecht. Zudem ist die Regelung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG jedenfalls nicht weiter auslegbar als nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats.
(1) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 der in den Streitjahren geltenden Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen", von der Umsatzsteuer:
"m) bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben;
o) die Dienstleistungen oder Lieferungen von Gegenständen bei Veranstaltungen durch Einrichtungen, deren Umsätze nach den Buchst. b), g), h), i), l), m) und n) befreit sind, wenn die Veranstaltungen dazu bestimmt sind, den Einrichtungen eine finanzielle Unterstützung zu bringen und ausschließlich zu ihrem Nutzen durchgeführt werden, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Die Mitgliedstaaten können alle erforderlichen Beschränkungen, insbesondere hinsichtlich der Anzahl der Veranstaltungen und der Höhe der für eine Steuerbefreiung in Frage kommenden Einnahmen vorsehen ..."
(2) Die Nutzungsüberlassung der Flugzeuge an die Mitglieder erfüllt die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG. Ob ein Ausschlusstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG greift, kann der Senat auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht beurteilen. Dies kann indes offenbleiben. Denn der Kläger hat sich nicht auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen; er hält an der Steuerpflicht seiner Umsätze nach nationalem Recht fest, um die Vorsteuerbeträge abziehen zu können.
(3) Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind bei der Auslegung einer nationalen Vorschrift zu beachten (BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.3.b bb).
Dabei ist die Grenze der Auslegung allerdings der Wortlaut und der erkennbare Wille des Gesetzgebers (vgl. BFH-Beschluss vom 18. April 1991 V R 122/89, BFHE 165, 104).
Der Begriff "sportliche Veranstaltung" ist nicht in dem Sinne auslegbar, dass er alle "eng in Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehenden Dienstleistungen" umfasst und damit weiter als nach der bisherigen Rechtsprechung zu verstehen ist. Dies entspricht auch dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 8/2827 S. 73).
cc) Nach diesen Grundsätzen liegen --entgegen der Auffassung des FG-- keine sportlichen Veranstaltungen vor:
Die Mitglieder des Luftsportvereins bestimmten selbst den Zeitpunkt und die inhaltliche Ausgestaltung der Flüge. Der Luftsportverein stellte lediglich die Flugzeuge bereit. Die Beschaffung der Start- und Landerechte und die Bezahlung der Landegebühren durch den Luftsportverein betreffen nur die Voraussetzungen und den Rahmen zur Ausübung des Sports. Auch die Gestellung eines Startleiters durch den Luftsportverein beim Segelflugbetrieb bildete nur den (sicherheitsrechtlichen) Rahmen und war damit lediglich eine Voraussetzung zur Ausübung des Flugsports.
Die jeweilige Nutzungsüberlassung ist eine konkrete Dienstleistung an ein einzelnes Mitglied, welche die untere Schwelle zur sportlichen Veranstaltung nicht überschreitet; Gleiches gilt für den vereinzelt erteilten Flugunterricht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.b bb).
Dass der Luftsportverein seinen Mitgliedern die Nutzung von Einrichtungen auf dem Flughafengelände ermöglichte, hatte keinen unmittelbaren Einfluss auf die von den Mitgliedern durchgeführten Sportflüge. Soweit diesem Ergebnis die Rechtsprechung des Senats entgegensteht, dass die Zurverfügungstellung eines Flugplatzgeländes (z.B. Parkplatz, Umkleideräume, Toiletten) Teil einer organisatorischen Maßnahme sein kann (BFH-Urteil in BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154, unter II.2.d), hält der Senat daran nicht fest.
b) Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war deshalb aufzuheben.
4. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden; denn im Rahmen der Klagestattgabe war zu berücksichtigen, dass die Beiträge der Mitglieder Entgelt für die Vereinsleistungen an sie (insbesondere Bereitstellung der Flugzeuge) sein können (und sein dürften).
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom 21. März 2002 C-174/00, Kennemer Golf (Slg. 2002, I-3293, BFH/NV Beilage 2002, 95 Rz 40, 42) entschieden hat, können Jahresbeiträge der Mitglieder eines Sportvereins die Gegenleistung für die von diesem Verein erbrachten Dienstleistungen sein. Es kommt nicht darauf an, dass die Mitglieder die Vorteile tatsächlich in Anspruch nehmen. Der Senat schließt sich diesen Grundsätzen an.
Bei Sportvereinen besteht somit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung des Vereins, den Mitgliedern Vorteile wie Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, und den Mitgliedsbeiträgen (a.A. Abschn. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abschn. 22 Abs. 1 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005). Soweit die bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176) davon abweicht, hält der Senat daran nicht fest.
Vorliegend gab der Luftsportverein den Mitgliedern die Möglichkeit der Flugzeugnutzung gegen eine "Gebühr", die nicht kostendeckend war. Dieser Vorteil steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den "Beiträgen" und dem "Eintrittsgeld" i.S. des § 9 Nr. 1 der Satzung; dies gilt auch für die von den Mitgliedern zu erbringende Werkstattarbeit (§ 9 Nr. 2 der Satzung), die ebenfalls ein Mitgliedsbeitrag sein kann (vgl. Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 26. September 2002 5 AZB 19/01, BAGE 103, 20, Der Betrieb 2003, 47, m.w.N.). Entsprechend können auch die Ersatzleistungen für diese Werkstattarbeit als Entgelt nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 und 2 UStG zu berücksichtigen sein.
Da Feststellungen zur Höhe des Entgelts fehlen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.