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  • 24.07.2023 · IWW-Abrufnummer 236419

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 19.04.2023 – 3 K 475/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Sachsen-Anhalt

    Urteil vom 19.04.2023


    In dem Rechtsstreit
    der A. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer B. und C.,
    Klägerin,
    bevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt
    Beklagter,

    wegen
    Körperschaftsteuer 2005, 2006, 2007, 2008

    hat der 3. Senat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. April 2023 durch
    den Richter am Finanzgericht als Vorsitzenden,
    den Richter am Finanzgericht,
    den Richter am Finanzgericht,
    den ehrenamtlichen Richter und
    den ehrenamtlichen Richter

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die in einem begrenzten Zeitraum (17. August 2012 bis 19. Dezember 2013) fehlende (ausdrückliche) Regelung in der Satzung der Klägerin zur Vermögensbindung gem. § 61 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) zu einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit und damit zu einem Wegfall der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) für die Vorjahre 2005 bis 2008 führen kann.

    Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Juni 2004 als "" gegründet. Alleingesellschafterin der Klägerin war in den Streitjahren der Landkreis Z. bzw. der Landkreis Y. als deren Rechtsnachfolger. Zweck und Unternehmensgegenstand der Klägerin war und ist insbesondere der Betrieb eines Klinikums.

    Nachdem durch die im Jahr 2007 erfolgte Kreisgebietsreform der Landkreis Z. Teil des neu gebildeten Landkreises Y. (bestehend aus den ehemaligen Landkreisen) wurde, wurden die vormaligen Krankenhausgesellschaften der Einzelkreise in den Jahren 2008/2009 unter der D. GmbH als Holdinggesellschaft gebündelt, deren Alleingesellschafterin wiederum der Landkreis Y. war. Seit 2009 waren Gesellschafter der Klägerin zu 6 v.H. der Landkreis Y. sowie zu 94 v.H. die D. GmbH.

    Im Jahr 2012 veräußerte der Landkreis Y. sowohl seine Beteiligung an der E. GmbH als auch seine Beteiligung an der Klägerin an die E. GmbH. Mit weiteren Verträgen vom 2012 veräußerten die E. mbH sowie die D. GmbH ihre Anteile an der Klägerin an die F. mit Sitz in X. Seit diesem Zeitpunkt ist die F. die Alleingesellschafterin der Klägerin.

    In dieser Funktion hielt die F. als Alleingesellschafterin 2012 unter Verzicht auf alle Formen und Fristen vor einem Notar eine Gesellschafterversammlung ab, in der die bisherige Satzung der Klägerin vollständig aufgehoben wurde und durch eine neue, lediglich fünf Paragraphen umfassende Satzung ersetzt wurde. Geändert wurde u.a. die Firmierung der Klägerin. Der bisherige § 3 "steuerbegünstigte Zwecke" blieb zwar im Vergleich zu der bisherigen Satzung unverändert. Der Zweck war nach wie vor die selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens. § 3 der Satzung lautete (wie auch schon in der vorherigen Satzung) wie folgt:

    "§ 3 Steuerbegünstigte Zwecke

    (1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung.

    (2) Die Tätigkeit der Gesellschaft ist darauf gerichtet, die Allgemeinheit auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens selbstlos zu fördern. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Ziele.

    (3) Mittel der Gesellschaft dürfen nur für in diesem Vertrag aufgeführten Zwecke verwendet werden.

    (4) Die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten. Die Gesellschafter erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.

    (5) Es dürfen keine Personen durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden."

    Allerdings wurde der bisherige § 13 der Satzung (Auflösung der Gesellschaft) durch die Neufassung ersatzlos gestrichen, so dass in der Satzung ab diesem Zeitpunkt keine ausdrückliche Regelung mehr enthalten war, an wen das Vermögen der Gesellschaft bei Auflösung oder Liquidation fallen sollte. In dem bis dahin geltenden § 13 Abs. 2 der Satzung war geregelt, dass

    "bei Auflösung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke erhalten die Gesellschafter nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitaleinlagen und den gemeinen Wert geleisteter Sacheinlagen zurück, die für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden sind, Das übrige Vermögen der Gesellschaft fällt nach Ablösung sämtlicher Verpflichtungen an den Landkreis Y., der es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden hat".

    Regelungen für die "Aufhebung" der Gesellschaft waren nicht enthalten. Die in den Streitjahren geltende Satzung enthielt eine entsprechende Regelung mit der Maßgabe, dass an Stelle des Landkreises Y. der Landkreis Z. trat.

    Die ab 2012 geltende Satzung enthielt keinerlei Regelungen zur Vermögensbindung im Falle der Auflösung. Die Satzungsänderung wurde 2012 im Handelsregister eingetragen.

    Am 2013 (eingetragen im Handelsregister am 2014) wurde in § 3 der Satzung (steuerbegünstigte Zwecke) hinsichtlich der Vermögensbindung folgender Abs. 6 neu eingefügt:

    "bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Gesellschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an den Verein G., Wn (VR Nr. B des AG V), welcher es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke zu verwenden hat".

    Vor einer in den Jahren 2013 bis 2015 bei der Klägerin u.a. für die Jahre 2005 bis 2010 durchgeführten Betriebsprüfung (der Betriebsprüfungsbericht datiert auf den 25. August 2015) war die Körperschaftsteuer für die Klägerin für die Streitjahre (jeweils nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) hinsichtlich eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes festgesetzt worden. Im Übrigen war der Beklagte von einer Steuerbefreiung der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ausgegangen. Die Festsetzungen erfolgen wie folgt:

    2005:    0,00 €    Bescheid vom 13. April 2010
    2006:    17.500,00 €    Bescheid vom 13. April 2010
    2007:    57.187,00 €    Bescheid vom 13. April 2010
    2008:    1.367,00 €    Bescheid vom 19. Juli 2011

    Der Beklagte war im Ergebnis der Betriebsprüfung der Auffassung, dass mit der Satzungsänderung vom 2012 die von § 55 Abs. 1 Nr. 4 und § 61 Abs. 1 AO verlangte Vermögensbindung nicht mehr gegeben sei. Aufgrund der nachträglichen Änderung seien die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß § 61 Abs. 3 AO von Anfang an nicht erfüllt. Die Steuerbefreiung sei daher rückwirkend zu versagen (vergleiche Textziffer 15 des Betriebsprüfungsberichtes vom 25. August 2015). Der Beklagte traf ferner verschiedene, zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitige Feststellungen hinsichtlich des der Besteuerung im Falle der fehlenden Steuerbefreiung zugrunde zu legenden Gewinns (Tz. 17 ff des BP-Berichtes).

    In Auswertung des Betriebsprüfungsberichtes erließ der Beklagte am 29. September 2015 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 2005 bis 2008. Als Änderungsvorschrift gab er jeweils § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO an.

    Er setzte die Steuern wie folgt herauf:

    2005:    198.323,00 €    (bisher: 0,00 €)
    2006:    170.847,00 €    (bisher: 17.500,00 €)
    2007:    150.220,00 €    (bisher: 57.187,00 €)
    2008:    5.754,00 €    (bisher: 1.367,00 €)

    Hiergegen legte die Klägerin am 23. Oktober 2015 Einspruch ein. Eine Einspruchsbegründung in der Sache erfolgte nicht.

    Die Klägerin stellte hingegen im Rahmen des Einspruchsverfahrens mit Schreiben vom 02. November 2015 einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO, da die Festsetzung der Steuern für die Jahre 2005 bis 2008 sachlich unbillig sei. Sie trug vor, dass es sich bei der am 17. August 2012 erfolgten Satzungsänderung hinsichtlich der fehlenden Vermögensbindung um einen redaktionellen Fehler gehandelt habe und die Aufgabe der Gemeinnützigkeit nicht gewollt sei. Im Rahmen der Übernahme der durch die sei bei der Bemessung des Kaufpreises eine spätere Nachversteuerung nicht berücksichtigt worden, da der Käufer davon ausgegangen sei, die steuerliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit aufrechterhalten zu können. Die neuen Anteilseigner, die durch die damaligen Steuervorteile nicht begünstigt worden seien, hätten nun aufgrund eines Versehens bei der Satzungsänderung die aus der Nachversteuerung resultierenden Steuern zu tragen. Dieses sei eine ungerechtfertigte Mehrbelastung, die von der Sache her nicht gerechtfertigt sei. Es sei augenscheinlich, dass es sich bei der Satzungsänderung um ein Versehen gehandelt habe. Die wirtschaftliche und finanzielle Sanierung des Klinikums sei bis zur Wiedererlangung der Steuerbegünstigung Anfang 2015 noch nicht abgeschlossen worden. Die Anteilseigner hätten ihren Angaben nach bisher keine finanziellen Vorteile aus dem Erwerb und dem Betreiben des Klinikums erzielt. Es bestehe nach derzeitiger Einschätzung nicht die Möglichkeit, den finanziellen Schaden durch eine nachträgliche Minderung des Kaufpreises auszugleichen. Der Beklagte lehnte den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 22. Januar 2016 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die beanstandete Satzungsänderung juristisch begleitet und beurkundet worden sei und davon auszugehen sei, dass die Klägerin genau in dieser Weise disponieren wollte. Der Bescheid ist am 27. Januar 2016 bei der Klägerin eingegangen. Der hiergegen gerichtete Einspruch ging am 29. Februar 2016 beim Beklagten ein. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung datiert auf den 30. März 2017. Über die hiergegen gerichtete Klage hat das Gericht noch nicht entschieden (Az. 3 K 483/17).

    Der Einspruch hatte auch hinsichtlich der streitigen Körperschaftsteuerbescheide für 2005 bis 2008 keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung datiert auf den 15. April 2016. Der Beklagte begründete seine Entscheidung maßgeblich mit der Vorschrift des § 61 Abs. 3 AO. Ob es sich um einen bewussten und vorsätzlichen Fehler handele, sei unbeachtlich. Aus dem Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen sei eine weitere Begründung der gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Rechtsbehelfe nicht zu entnehmen. Es handele sich um zwei selbstständige Verfahren. Der Beklagte führte aus, dass die Entscheidung über den Antrag nach § 163 AO in einem gesonderten Verfahren erfolgen würde.

    Die hiergegen gerichtete Klage ist bei Gericht am 18. Mai 2016 eingegangen.

    Die Klägerin trägt vor, dass die Satzung bereits mit Gesellschafterbeschluss vom 2013 wieder entsprechend der Vermögensbindung geändert worden sei. Auch eine Eintragung in das Handelsregister sei umgehend Anfang 2014 erfolgt. Damit seien die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO sowie der §§ 60 und 61 AO erfüllt. Eine schädliche Vermögensverwendung sei in den Jahren 2012 und 2013 nicht erfolgt. Der Grundsatz der Vermögensbindung solle lediglich verhindern, dass Vermögen welches die Körperschaft aufgrund der steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nichtbegünstigte Zwecke verwendet werde. Der Grundsatz solle sicherstellen, dass das Vermögen auch für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird. Diese Grundsätze seien in der Vergangenheit eingehalten worden und seien auch aktuell sichergestellt.

    Die von § 61 Abs. 3 AO vorgesehene Sanktion sei für die Zeiträume des Vorliegens der Voraussetzungen der Steuerbegünstigung nicht zu ziehen. Weder sei die Satzungsänderung im Jahr 2012 rückwirkend erfolgt noch sei eine der Zweckbindung gegenläufige Mittelverwendung gegeben. In der Literatur werde daher die rückwirkende Versagung der Steuerbefreiung zu Recht kritisiert (so z.B. Tipke/Kruse, § 61 AO Rz. 3, Gersch in Klein, AO, § 61 Rz. 3). Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung habe ernstliche Zweifel daran geäußert, ob etwa im analogen Anwendungsfall des § 63 Abs. 2 HS 2 AO eine Nachversteuerung für den gesamten Zeitraum vorgenommen werden müsse. So beziehe sich die rückwirkende Besteuerung im Falle des BFH-Beschlusses vom  12. Oktober 2010 (Az. I R 59/09) lediglich auf 4 Jahre. Auch im  BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2001 (Az. V B 142/01) werde die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit als zweifelhaft gewertet.

    Auch würden in allen Fällen einer tatsächlich erfolgten schädlichen Verwendung des Vermögens die strengen rückwirkenden Änderungen des § 61 Abs. 3 AO nicht gezogen, sondern lediglich Folgen für das betreffende Jahr. Es sei allein nachvollziehbar, dass bei einer endgültigen Änderung der Satzung hinsichtlich der Bestimmung über die Vermögensbindung die Folgen der rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit zu ziehen seien. Die Vorschrift könne aber in den Fällen keine Anwendung finden, in denen die Bestimmungen über die Vermögensbindung in der Satzung bestanden haben und lediglich in einer Zwischenzeit die Anforderungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO kurzzeitig, gegebenenfalls versehentlich aus redaktionellen Gründen, nicht erfüllt seien, die Vermögensbindung jedoch eingehalten worden sei und die Bestimmungen über die Vermögensbindung auch nachfolgend wieder in die Satzung aufgenommen worden seien.

    Wollte man dennoch die Gemeinnützigkeit rückwirkend versagen, ergebe sich eine Schlechterstellung dieser Fälle im Gegensatz zu Fällen, bei denen eine Vermögensverwendung entgegen den steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich erfolgt sei. Es ergebe sich auch eine Schlechterstellung zu den Fällen der sonstigen formellen Satzungsmängel, da im Rahmen der Abschnittsbesteuerung grundsätzlich nur der Status der Gemeinnützigkeit in dem Kalenderjahr zu versagen sei, in dem die Satzung und die Geschäftsführung nicht die satzungsmäßigen Zwecke verfolgten. Auch die Finanzverwaltung sehe im Anwendungserlass zur AO zu § 59 Text Z. 4 vor, dass sofern eine Satzung den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts nicht entspreche, keine nachteiligen Folgerungen für die Vergangenheit gezogen werden. Hier genüge es, wenn innerhalb einer vom Finanzamt gesetzten Frist die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt werden. Gerade für den vorliegenden Fall, bei der die Satzungsänderung erst im Jahr 2012 erfolgt sei und der Beklagte im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre bis 2010 hiervon Kenntnis erlangt habe, seien die grundsätzlichen Rechtsgedanken dieser Bestimmung des Anwendungserlasses anzuwenden.

    Im Ergebnis könne vorliegend, vergleichbar mit den Fällen eines Verstoßes gegen die Vermögensbindung im Rahmen der laufenden Geschäftsführung, lediglich für die Besteuerungszeiträume 2012 und 2013 eine Versagung der Steuerbefreiung erfolgen, nicht aber rückwirkend.

    Mit Schriftsatz vom 18. April 2023 hat die Klägerin weiter ausgeführt, dass nach ihrer Auffassung auch in § 3 der Satzung ausreichende Regelungen zur Vermögensbindung i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO enthalten seien, so dass die Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 AO bereits dem Grunde nach nicht vorliegen würden. So fänden sich in § 3 der Satzung sowohl klare Regelungen zur Zweckverfolgung als auch konkrete und eindeutige Regelungen, wozu die Mittel der Gesellschaft verwendet werden dürften. Die Regelung in § 3 Abs. 3 gelte für sämtliche Mittel sowie für alle auftretenden und mögliche Gegebenheiten. Als "Mittel" gelte dabei auch das Vermögen der Gesellschaft. Auch im Falle einer Auflösung und laufenden Liquidation der Gesellschaft bestehe diese fort. Die Satzung gelte auch weiterhin und auch die Verwendung des Gesellschaftsvermögens sei weiterhin nach den Satzungsregelungen gebunden. Erst am Ende der Liquidation habe eine Vermögensverteilung stattzufinden, wobei nach § 3 Abs. 4 Satz 2 der Satzung, wonach die Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert der geleisteten Sacheinlagen erhalten, eine eventuell gemeinnützigkeitsschädliche Verwendung durch Verteilung an die Gesellschafter eindeutig ausgeschlossen sei. Auch eine andere gemeinnützigkeitsschädliche Verwendung des Vermögens (der Mittel) sei nicht möglich, da die Satzung in § 3 Abs. 3 eindeutige Regelungen zur Mittelverwendung enthalte. Hieran habe sich auch der Liquidator zu halten und müsse dies bei der Verteilung beachten. Es sei unerheblich, dass ein konkreter Empfänger des Vermögens nicht benannt sei, denn ausweislich des BFH-Beschlusses vom  7. Februar 2018 (V B 119/17) und auch nach dem Urteil des  Hessischen FG vom 16. Juni 2008 (4 K 3773/05) müsse sich aus der Satzung lediglich ergeben, dass die Mittel ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke verwendet werden sollen. Dieses sei mit § 3 Abs. 3 der Satzung der Fall. Zudem sei stets eine Auslegung der Satzungsbestimmungen vorzunehmen.

    Hilfsweise stehe der Vertrauensschutz einer rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit entgegen, denn die Klägerin habe während der laufenden Betriebsprüfung, in der die Satzung aus 2012 geprüft worden sei, eine Änderung und Anpassung der Satzung umgehend vorgenommen. Werde bei einer späteren Überprüfung nach Anerkennung der Steuerbegünstigung festgestellt, dass die Satzung doch nicht den Anforderungen genüge, dürften hiernach keine negativen steuerlichen Folgen für die Vergangenheit gezogen werden. Dieses ergebe sich auch dem AEAO zu § 59 Tz. 8.

    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, dass sich bereits aus § 60a AO ergebe, dass bei zeitnaher (Rück-) Änderung bzw. Heilung der Satzung auch für die Vergangenheit keine negativen Konsequenzen zu Lasten der gemeinnützigen Gesellschaft gezogen werden dürften. § 61 Abs. 3 AO greife nur für Fälle, in denen sich die Gesellschaft nach Hinweis des Finanzamtes auf die nicht ordnungsgemäße Satzung weiter weigere, diese zu ändern.

    Mit weiterem, nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 19. April 2023 um 18:09 Uhr bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, hat die Klägerin die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie auf Grund der Erörterungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung davon ausgehen müsse, dass die ursprünglichen Freistellungsbescheinigungen im Rahmen der erstmaligen Veranlagungen noch beständen und weiterhin gültig seien, denn es seien nach den ihr vorliegenden Unterlagen zu diesen Freistellungsbescheiden keine Aufhebungs- oder Änderungsbescheide erfolgt, auch wenn in den streitigen Änderungsbescheiden jeweils auf eine Anlage verwiesen werde. Damit sei die Klägerin für die Streitjahre weiterhin von der Körperschaftsteuer befreit, was nicht für die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe gelte. Insofern sei aber bereits mit den Bescheiden vom 13. April 2010 bzw. 19. Juli 2011 jeweils eine Veranlagung ordnungsgemäß erfolgt. Es hätten daher am 29. September 2015 mangels Aufhebung der Freistellungsbescheide im Rahmen der Betriebsprüfung keine Änderungsbescheide für die Streitjahre ergehen dürfen. Auch im Rahmen der Vorschrift des § 60a AO gebe es bisher keine Freistellungsbescheide zu der Satzung aus dem Jahr 2012, so dass es nach den Regelungen des § 60a AO nicht zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit kommen könne.

    Die Klägerin beantragt,

    die Bescheide für 2005, 2006, 2007 und 2008 über Körperschaftsteuer, jeweils vom 29. September 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15. April 2016 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er trägt vor, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 61 Abs. 3 AO genau an eine nachträgliche schädliche Satzungsänderung anknüpfe. Der Gesetzgeber habe dabei die Rechtsfolge der rückwirkenden Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht nur in Kauf genommen, sondern genauso angeordnet, wie es sich aus § 61 Abs. 3 Satz 2 AO ergebe.

    Es sei daher auch unerheblich, ob die schädliche Satzungsänderung endgültig erfolgt sei oder aber die Satzung in der Folgezeit wieder korrigiert worden sei. Ebenso unerheblich sei, ob eine schädliche Mittelverwendung tatsächlich erfolgt sei.

    Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes berufen, da die Änderung der Satzung vom dem Beklagten nicht angezeigt worden sei und daher auch zu keinem Zeitpunkt vom Beklagten als ordnungsgemäß entsprechend der gesetzlichen Vorschriften anerkannt worden sei.

    Es entspreche auch der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass die Steuerfestsetzung und die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO zwei selbständige Verwaltungsakte seien, über die in getrennten Verfahren zu entscheiden sei. Allerdings rechtfertige eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen habe, eine Billigkeitsmaßnahme nicht ( BFH-Urteil vom 17. April 2013 X R 6/11, BFH/NV 2013, 1537).

    Entscheidungsgründe

    1. Die mündliche Verhandlung war nicht wiederzueröffnen.

    Die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist vom Senat in derjenigen Besetzung zu treffen, in der er bereits mündlich verhandelt hat. ( Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. Januar 2014 3 K 1223/11, juris m.w.N.).

    Der Senat entscheidet gem. § 93 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach eigenem Ermessen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung; es handelt sich nicht um eine gebundene Entscheidung. Im Rahmen seiner Entscheidung hat das Gericht bei der Abwägung von Für und Wider zu beachten, dass § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO u.a. auch dazu dient, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte, insbesondere durch mündlichen Vortrag zu dem aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu ermöglichen, und somit in enger Beziehung zum Anspruch auf rechtliches Gehör steht (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 93 FGO Rz. 47).

    Vorliegend ist zum einen der Umstand zu berücksichtigen, dass die Steuerfestsetzungen in den Bescheiden vom 13. April 2010 (für 2005 bis 2007) und vom 18. Juli 2011 (für 2008) sich ausschließlich auf einen (unstreitig) steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin beziehen und den Bescheiden im Übrigen selbst keinerlei Ausführungen zu einer Körperschaftsteuerbefreiung zu entnehmen ist, bereits in der mündlichen Verhandlung thematisiert worden ist, so dass die Klägerin ihren diesbezüglichen Vortrag zu vorhandenen/nicht vorhandenen Freistellungsbescheiden bzw. deren Nicht-Aufhebung bereits dort hätte anbringen können.

    Insoweit hat bereits die mündliche Verhandlung zu einer ausreichenden Aufklärung des Sachverhalts insoweit geführt, als dass sich die vor der streitigen Betriebsprüfung existenten Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre ausschließlich auf einen auch im Rahmen der Gemeinnützigkeit steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin bezogen und der Betrieb der Klägerin im Übrigen nicht der Besteuerung unterworfen war.

    Zum anderen ist der neuerliche Vortrag der Klägerin zu einer etwaigen Nichtaufhebung der für die Jahre 2005 bis 2008 erteilten Freistellungsbescheide (vorläufige Bescheinigungen über Anerkennung der Gemeinnützigkeit) aber auch ohne Bedeutung für die Entscheidung. Für die Entscheidung kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte die ehemals erteilten Freistellungsbescheide für die Klägerin für die Bereiche außerhalb des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes formell durch gesonderten Bescheid aufgehoben hat oder nicht.

    Denn über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung aufgrund der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 51 bis 68 AO ist allein im Veranlagungsverfahren für die jeweilige Steuer und den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu entscheiden. Dass die klagende Körperschaft zuvor (etwa im Rahmen eines Freistellungsbescheides) als gemeinnützig anerkannt worden ist, ist für die Veranlagung hinsichtlich der Steuer nicht bindend ( BFH-Urteil vom 30. November 1995 V R 29/91, BFHE 179, 447, BStBl II 1997, 189). Insoweit unterscheidet sich die für die Streitjahre geltende Rechtslage von der Rechtslage seit der Einführung des § 60a AO mit Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21. März 2013 (BGBl I 2013, 556). Die dort vorgesehene gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzung nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO ist, anders als die in den Streitjahren vorhandene Bescheinigung über Anerkennung der Gemeinnützigkeit gem. § 60a Abs. 1 Satz 2 AO Grundlagenbescheid für die Besteuerung der Körperschaft (vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. April 2020 3 V 185/20,  EFG 2020, 1580).

    2. Die Klage ist unbegründet.

    Die streitigen Bescheide über Körperschaftsteuer für 2005 bis 2008 vom 29. September 2015 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 15. April 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Die Klägerin war in den Streitjahren 2005 bis 2008 nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, auch wenn die Satzung in den Streitjahren den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts entsprochen haben mag, denn die im Jahr 2012 erfolgte Änderung der Satzung (bzw. deren Aufhebung und Neufassung) entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin hinsichtlich der Vermögensbindung nicht den Vorgaben der §§ 55 Abs. 1 Nr. 4, 61 Abs. 1 AO, wirkt gem. § 61 Abs. 3 Satz 1 FGO in die Streitjahre zurück und führt zur rückwirkenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit und der hieraus resultierenden Steuerfreiheit. Der der Besteuerung im Falle der Versagung der Gemeinnützigkeit in Auswertung der Betriebsprüfung zu Grunde zu legende Gewinn ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

    a) Die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG setzt zum einen voraus, dass die Körperschaft nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§ 59, § 63 Abs. 1 AO). Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Selbstlosigkeit setzt u.a. voraus, dass die Mittel der Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke, d.h. für die in der Satzung festgelegten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke verwendet werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO). Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile oder bei ihrem Ausscheiden mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile erhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 AO). Ferner darf die Körperschaft keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO).

    Nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden (Grundsatz der Vermögensbindung). § 61 Abs. 1 AO verlangt eine Festlegung der vorgenannten Vermögensbindung in der Satzung. Der Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindern, dass Vermögen, das die Körperschaft aufgrund der steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 55 AO Rz. 23 m.w.N.).

    Die gesetzlich vorgeschriebene Festschreibung der künftigen Vermögensverwendung hat die Funktion eines Buchnachweises (vgl. z.B.  BFH-Urteile vom 10. November 1998 I R 95/97, BFH/NV 1999, 739; vom  5. August 1992 X R 165/88, BFHE 169, 3, BStBl II 1992, 1048; vom  23. Juli 2009 V R 20/08, BFHE 226, 445, BStBl II 2010, 719). Das hat zur Folge, dass weder auf außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen oder auf Regelungen in anderen Satzungen Bezug genommen werden darf noch auf die steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung verwiesen werden kann. Die bloße Benennung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als Destinatär genügt daher nicht ( BFH-Urteil vom 21. Juli 1999 I R 2/98, BFH/NV 2000, 297). Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des BFH, die formelle Satzungsmäßigkeit zu bejahen, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung aufgrund der Auslegung aller Satzungsbestimmungen der die Steuerbefreiung begehrenden Körperschaft ergeben ( BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I R 91/09, BFH/NV 2011, 1111).

    Wird die Bestimmung über die Vermögensbindung nachträglich so geändert, dass sie den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht mehr entspricht, so gilt sie gemäß § 61 Abs. 3 Satz 1 AO von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist in diesem Fall mit der Maßgabe anzuwenden, dass Steuerbescheide erlassen, aufgehoben oder geändert werden können, soweit sie Steuern betreffen, die innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre vor der Änderung der Bestimmungen über die Vermögensbindung entstanden sind (§ 61 Abs. 3 Satz 2 AO).

    b) Hiernach entsprach die Satzung der Klägerin, in der Fassung vom, auch unter Berücksichtigung der Auslegung der Satzungsbestimmungen, nicht den Vorschriften über die Vermögensbindung.

    Gemäß § 61 Abs. 1 AO liegt eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Die Prüfung des Zwecks muss ausschließlich auf Grund einer konkreten Bestimmung in einer wirksamen Satzung möglich sein (Jachmann; Unnger in Gosch, AO/FGO, § 61 AO Rz. 10 ff).

    Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks als Voraussetzung des Vermögensanfalls überhaupt nicht erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht möglich ( BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 11/20, BFHE 273, 415, BStBl II 2022, 202).

    Vorliegend enthält die Satzung der Klägerin in der Fassung vom eine solche Regelung nicht. Die in § 3 der Satzung aufgeführten Regelungen enthalten keinerlei Aussagen für die Verwendung des Vermögens der Klägerin im Falle des Wegfalls des bisherigen Zweckes. Hierbei wird etwa im Falle einer Liquidation die werbende Gesellschaft gem. § 69 GmbHG in eine Abwicklungsgesellschaft überführt. Verändert wird dabei vor allem der Zweck der Gesellschaft, aber auch der nicht vollständig, sondern überlagert vom Zweck der Liquidation: Bei Erwerbszweck ist die Liquidation auf den optimalen Liquidationserlös auszurichten, bei karitativem Zweck ist die Liquidation an ihm zu orientieren. Im Übrigen ist er auf baldige Beendigung der Gesellschaft ausgerichtet (Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, § 69 Rn. 2).

    Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich zudem aus § 3 der Satzung vom auch durch Auslegung nicht der unmittelbare Verwendungszweck für den das Vermögen der Klägerin im Falle einer Auflösung oder Aufhebung verwendet werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO). Auch eine (alternativ oder kumulativ zu benennende) konkrete Empfangskörperschaft, die das Vermögen für steuerbegünstigte Zwecke erhalten soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO) ist nicht genannt. Allein die Nennung des Zweckes der Klägerin für die Zeit ihrer werbenden Tätigkeit genügt hierfür nicht, denn dann würde der Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO leerlaufen. Der Umstand, dass in der Satzung in § 3 Abs. 4 geregelt ist, dass die Gesellschafter bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurückerhalten sollen, erfüllt die Anforderungen der Vorgaben des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO, die Regelung in § 3 Abs. 5 der Satzung die Vorgaben des § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO. Eine Regelung i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO, an wen das übrige Vermögen fallen soll, ist der Satzung hingegen nicht zu entnehmen.

    Vollständig unerheblich ist es nach Auffassung des Senats, dass die Satzung der Klägerin am formell nicht "geändert" wurde, sondern "aufgehoben und neugefasst" wurde. Hierbei handelt es sich lediglich um einen technischen Unterschied zum Zwecke der Übersichtlichkeit und besseren Verständlichkeit der Formulierung.

    c) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

    Zum einen hat der Beklagte hinsichtlich der streitigen Satzung vom deren formelle Satzungsmäßigkeit zu keinem Zeitpunkt positiv bestätigt. Ein positiver oder negativer Feststellungsbescheid i.S.d. mit Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes am 21. März 2013 (BGBl I 2013, 556) eingeführten § 60a Abs. 1 AO ist nicht ergangen.

    Zudem begründen auch weder die frühere vorläufige Bescheinigung zur vorläufigen Anerkennung der Gemeinnützigkeit noch ein Freistellungsbescheid für vorangegangene Veranlagungszeiträume nach der BFH-Rechtsprechung einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Dies gilt auch dann, wenn das Finanzamt bei gründlicher Prüfung der ihm vom Steuerpflichtigen eingereichten Unterlagen bereits für die früheren Veranlagungszeiträume zu dem Schluss hätte kommen können, dass eine Freistellung von der Steuer nicht in Betracht kommt ( BFH-Beschluss vom 25. Oktober 2000 I B 117/00, BFH/NV 2001, 470;  BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 11/20, BFHE 273, 415, BStBl II 2022, 202)

    Soweit die Verwaltung seit dem BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2002 - IV C 4 -S 0171- 119/02 (BStBl I 2004, 1059) --angefügt als Nr. 8 zu § 59 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) mit Wirkung ab 21. April 2008, BStBl I 2008, 582; ab 31. Januar 2014 als Nr. 4 zu § 59 AEAO, BStBl I 2014, 290-- Vertrauensschutz für geprüfte Satzungen gewährt, ist dies im Streitfall unbeachtlich. Denn eine derartige Prüfung ist hinsichtlich der streitigen Satzung unstreitig nicht erfolgt, sie ist vielmehr erst während der laufenden Betriebsprüfung vom Beklagten (mit der streitigen Rechtsfolge) überprüft worden.

    d) In der Folge hat der Beklagte zu Recht am 29. September 2015 gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 2005 bis 2008 erlassen, in denen er (im Unterschied zu den vorherigen Bescheiden) nicht mehr von einer Steuerbefreiung der Klägerin gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ausgegangen ist. Gem. § 61 Abs. 3 Satz 2 AO ist die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit der Maßgabe anwendbar, dass Steuerbescheide erlassen, aufgehoben und geändert werden können, soweit sie Steuern betreffen, die innerhalb der letzten 10 Kalenderjahre vor der Änderung der Bestimmung über die Vermögensbindung entstanden sind. Gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt dabei die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt.

    Der Grund für die von § 61 Abs. 3 Satz 2 AO angeordnete Rückwirkung ist der Folgende: (vgl. hierzu Jachmann, Unger in Gosch, AO/FGO, § 61 AO Rz. 28 m.w.N.): Bei einer nachträglichen Aufhebung der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist regelmäßig bereits steuerbegünstigt gebildetes Vermögen entstanden. Würde die Steuerbegünstigung der Körperschaft lediglich mit Wirkung für die Zukunft entfallen, könnte dieses Vermögen ohne weiteres für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Der Grundsatz der Vermögensbindung liefe leer. Aus diesem Grund fingiert § 61 Abs. 3 Satz 1 AO das Fehlen der satzungsmäßigen Vermögensbindung "von Anfang an". Es handelt sich gewissermaßen um den "Preis" für die freie Verwendung steuerbegünstigt gebildeten Vermögens.

    Ob die nachträgliche Aufhebung der satzungsmäßigen Vermögensbindung dabei durch eine Beseitigung der entsprechenden Satzungsbestimmung oder ihre nicht mehr dem Gebot der satzungsmäßigen Vermögensbindung genügende Änderung erfolgt, spielt keine Rolle. Die Satzungsänderung muss aber wirksam geworden sein, was erst mit der Eintragung in das Handelsregister (hier: am) erfolgt ist ( BFH-Urteil vom 25. April 2001 I R 22/00, BStBl II 2001,518). Weil die Vermögensbindung die Steuerbegünstigung überdauert, findet § 61 Abs. 3 Satz 1 AO auch Anwendung, wenn die Körperschaft im Zeitpunkt der Aufhebung der satzungsmäßigen Vermögensbindung gar nicht mehr steuerbegünstigt ist, weil sie die Steuerbegünstigung bereits aus anderen Gründen verloren hat.

    Die Regelung in § 61 Abs. 3 AO verstößt als solche nicht gegen das Übermaßverbot ( FG Nürnberg, Urteil vom 24. März 1998 I 260/94EFG 1998, 975). Im Einzelfall kann ihre Anwendung aber zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen. Insoweit ist wie allgemein im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen fehlender formeller Satzungsmäßigkeit ggf. unter Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) Abhilfe zu schaffen. So sind etwa Erleichterungen angezeigt, wenn die Vermögensbindung nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung beachtet und die Satzung zeitnah berichtigt worden ist (Jachmann; Unger in: Gosch, AO/FGO, § 61 AO Satzungsmäßige Vermögensbindung, Rn. 34).

    Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte zu Recht die Körperschaftsteuerbescheide auch für die Streitjahre entsprechend geändert. Es kommt hierbei für das Festsetzungsverfahren, anders als die Klägerin meint, auch nicht darauf an, ob die Satzungsänderung lediglich "flüchtig" erfolgt ist.

    e) Darüber hinaus kann, wie die Vorschrift des § 63 Abs. 2 AO mit Verweis auf § 61 Abs. 3 AO zeigt, entgegen der Auffassung der Klägerin auch bei schwerwiegenden Verstößen der tatsächlichen Geschäftsführung gegen den Grundsatz der Vermögensbindung in einem Streitjahr die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt werden. Ist die tatsächliche Geschäftsführung einer gemeinnützigen GmbH nicht während des gesamten Besteuerungszeitraums auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet, führt dies zwar grundsätzlich nur zu einer Versagung der Steuerbefreiung für diesen Besteuerungszeitraum. Schüttet eine gemeinnützige GmbH jedoch die aus der gemeinnützigen Tätigkeit erzielten Gewinne überwiegend verdeckt an ihre steuerpflichtigen Gesellschafter aus, liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO vor, der die Anwendung des § 61 Abs. 3 AO ermöglicht ( BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2010 I R 59/09, BFHE 231, 28, BStBl II 2012, 226).

    3. Das hiesige Verfahren muss auch nicht etwa bis zur Entscheidung über das Verfahren wegen des beantragten Erlasses nach § 163 AO ausgesetzt werden (Az. 3 K 483/17).

    Auch wenn beide Verfahren miteinander zusammenhängen, so kann doch über die Billigkeitsmaßnahme auch noch nach Rechtskraft eines eventuellen Urteils in diesem Verfahren entschieden werden. Auch wenn die Billigkeitsregelung mit der Steuerfestsetzung verbunden wird, ändert das nichts daran, dass es sich hierbei um eine gesonderte Entscheidung handelt. Mit Blick auf die Steuerfestsetzung handelt es sich um einen Grundlagenbescheid, der eine Bindungswirkung auslöst, die ggf. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen ist ( BFH-Urteil vom 17. Juni 2020 I R 7/18, BFHE 269, 301, BStBl II 2021, 211).

    4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.