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  • 20.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239853

    Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 03.05.2023 – 2 Wx 56/23

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Beschwerde des Beteiligten vom 03.04.2023 gegen den am

    7.03.2023 erlassenen Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts

    Registergerichts ‒ Bonn, 20 VR 4257, wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu tragen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
     
    1

    Gründe:
    2

    I.
    3

    Im Vereinsregister des im Rubrum bezeichneten Vereins ist am 28.12.2004
    4

    eingetragen worden, dass der Beteiligte als Vorstandsvorsitzender aus dem Vorstand
    5

    ausgeschieden ist. Aus dem chronologischen Auszug des Vereinsregisters, der auch
    6

    die gelöschten Daten enthält, ist die ehemalige Vorstandstätigkeit des - unter Nennung
    7

    seines vollständigen Namens und Geburtsdatums eingetragenen - Beteiligten
    8

    ersichtlich.
    9

    Mit an das Ministerium für Justiz des Landes NRW gerichteten Schreiben vom
    10

    11.01.2023 hat der Beteiligte u.a. beantragt, dafür Sorge zu tragen, dass die Angabe
    11

    seines Geburtsdatums und die Dauer seiner Vorstandstätigkeit nicht mehr
    12

    voraussetzungslos über das Internet verfügbar gemacht werden (Bl. 389 d.A.). Dieses
    13

    Schreiben des Beteiligten ist am 18.01.2023 an das Amtsgericht Bonn zur weiteren
    14

    Veranlassung weitergeleitet worden.
    15

    Mit Schreiben vom 31.01.2023 hat die Rechtspflegerin des Registergerichts Bonn den
    16

    Beteiligten darauf hingewiesen, dass ein Widerspruchsrecht gegen die Eintragungen
    17

    im Vereinsregister nicht bestünde. Die vorhandenen Eintragungen würden den
    18

    gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Eine eindeutige Identifizierung der
    19

    Vorstandsmitglieder im Vereinsregister sei erforderlich. Dem ist der Beteiligte mit
    20

    Schreiben vom 06.03.2023, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 400 ff. d.A.),
    21

    entgegengetreten; er hat um eine rechtsmittelfähige Entscheidung gebeten.
    22

    Durch am 27.03.2023 erlassenen Beschluss hat die Rechtspflegerin des
    23

    Registergerichts den Antrag des Beteiligten auf Löschung persönlicher Daten
    24

    (Geburtsdatum) aus dem Vereinsregister zurückgewiesen (Bl. 406 f. d.A.). Zur
    25

    Begründung hat es ausgeführt, dass das Vereinsregister öffentlichen Glauben gemäß
    26

    § 15 HGB genieße, wodurch sowohl der Rechtsverkehr als auch der Eingetragene
    27

    geschützt werde. Der Vorstand vertrete den Verein im Rechtsverkehr. Eine eindeutige
    28

    und zweifelsfreie Identifizierung der Vorstandsmitglieder sei daher erforderlich. Nach
    29

    Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.§§ 67 BGB, 3 Nr. 3 VRV gehöre zu den einzutragenden Daten auch das Geburtsdatum
    30

    eines Mitglieds des Vorstands. Durch die Anmeldung zum Vereinsregister sei
    31

    wissentlich in Kauf genommen worden, dass die personenbezogenen Daten im
    32

    Register für jeden zugänglich seien. Nach § 79a Abs. 3 BGB sei Art. 21 DSGVO auf
    33

    personenbezogene Daten im Vereinsregister nicht anwendbar. Bezüglich der weiteren
    34

    Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 27.03.2023
    35

    Bezug genommen.
    36

    Gegen diesen dem Beteiligten am 28.03.2023 zugestellten Beschluss hat dieser mit
    37

    am 04.04.2023 und 11.04.2023 beim Amtsgericht Bonn eingegangenen Schreiben
    38

    vom 03.04.2023, auf dessen Inhalt bezüglich der weiteren Einzelheiten seines
    39

    Vortrags Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt und beantragt, seine direkt
    40

    abrufbaren Daten im Vereinsregister zu löschen, hilfsweise die Verarbeitung seiner
    41

    Daten dahingehend einzuschränken, dass hierüber nur noch nach Glaubhaftmachung
    42

    eines berechtigten Interesses im Einzelfall Auskunft erteilt wird (Bl. 409 ff. d.A.). Er hat
    43

    vorgetragen, dass nationales Recht, auf das sich das Registergericht berufe, nicht
    44

    anwendbar sei, soweit es gegen höherrangiges europäisches Recht verstoße. Die
    45

    DSGVO verdränge die widersprechenden nationalen Regelungen. Ihm stehe ein
    46

    Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung seiner Daten gem. Art. 18 DSGVO zu.
    47

    Dem werde mit einer Löschung durch „Rötung“ gemäß § 11 VRV nicht Genüge getan.
    48

    Es handele sich nicht um eine Löschung im Sinne von Art. 17 DSGVO. Denn dies
    49

    würde voraussetzen, dass die zuvor verkörperten Informationen faktisch nicht mehr
    50

    wahrnehmbar seien. Die in Art. 23 Abs. 1 DSGVO vorgesehenen Ausnahmen würden
    51

    hier nicht eingreifen. Es bestehe kein allgemeines öffentliches Interesse an der
    52

    Verfügbarkeit seiner Daten. Die Daten seien aus Publizitätsgründen nicht mehr
    53

    erforderlich, da er seit 2004 nicht mehr geschäftsführender Vorstand des betroffenen
    54

    Vereins sei. Die weltweit anlasslose und zweckfreie Verfügbarkeit seiner Daten greife
    55

    unverhältnismäßig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ein. Bei einer globalen
    56

    Verfügbarmachung obliege es auch dem Registergericht dafür zu sorgen, dass den
    57

    Grundrechten volle Wirksamkeit zukomme. Demgemäß fordere Art. 6 Abs. 2 DSGVO
    58

    eine präzisere Bestimmung von Maßnahmen, um eine rechtmäßige und nach Treu
    59

    und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten. Derartige internetspezifische
    60

    Normen bestünden aber weder im Gesetzes- noch im Verordnungsrecht zu
    61

    Vereinsregister in Deutschland. Art. 25 DSGVO verpflichte die Registergerichte zu
    62

    einer risikoangemessenen Gestaltung durch geeignete technische und
    63

    organisatorische Maßnahmen unter Berücksichtigung des Stands der Technik sowie
    64

    der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere der Risiken der Verarbeitung.
    65

    Entsprechendes werde in Art. 32 DSGVO gefordert. Es solle Identitätsdiebstahl und
    66

    informationelle Belästigung mit den bereit gestellten Daten verhindert werden. Es
    67

    komme immer wieder zu Massenabrufen von Daten aus dem Handelsregister. Es sei
    68

    davon auszugehen, dass von diesen Massenabrufen auch seine Daten betroffen
    69

    seien. Solche Massenabrufe seien durch den legitimen Zweck der Publizität des
    70

    Vereinsregisters nicht gerechtfertigt. Es sei davon auszugehen, dass diese
    71

    Massenabrufe nicht nur zu Forschungszwecken, sondern auch völlig zweckfrei und
    72

    auch kriminell genutzt werden. Vorkehrungen zum Schutz der betroffenen Personen
    73

    gebe es nicht. Mit dem Hilfsantrag verfolge er das Ziel, zumindest den zweckfreien
    74

    Abruf seiner Daten zu verhindern. Hilfsweise regt der Beteiligte an, die Sache dem
    75

    Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
    76

    Durch Verfügung vom 13.04.2023 hat das Registergericht die Sache dem
    77

    Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 413 R d.A.).
    78

    II.
    79

    Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig,
    80

    insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
    81

    In der Sache hat die Beschwerde indes keinen Erfolg. Das Registergericht hat die
    82

    beantragte Löschung der persönlichen Daten des Beteiligten im Vereinsregister,
    83

    insbesondere seines Geburtsdatums, zu Recht abgelehnt. Auch der mit der
    84

    Beschwerde gestellte Antrag auf Löschung seiner direkt abrufbaren Daten im
    85

    Vereinsregister und sein Hilfsantrag, die Verarbeitung seiner persönlichen Daten
    86

    dahingehend einzuschränken, dass hierüber nur noch nach Glaubhaftmachung eines
    87

    berechtigten Interesses im Einzelfall Auskunft erteilt werde, haben keinen Erfolg.
    88

    Für das Begehren des Beteiligten fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Ein
    89

    Löschungsanspruch zugunsten des Beteiligten ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1,
    90

    Abs. 2 DSGVO. Denn diese Bestimmungen gelten gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. b)
    91

    DSGVO nicht, soweit die Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen
    92

    Verpflichtung, die die Verarbeitung nach dem Recht der Union oder der
    93

    Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, erfordert, notwendig ist. Hier
    94

    ergibt sich eine solche Verpflichtung aus § 387 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit
    95

    §§ 3, 11 VRV. Soweit sich der Beteiligte auf Art. 18, 21 DSGVO stützt, dringt er
    96

    damit nicht durch. Ein Widerspruchsrecht gem. Art 21 Abs. 1 DSGVO steht dem
    97

    Beteiligten gem. § 79a Abs. 3 BGB nicht zu. Dementsprechend ist auch Art. 18
    98

    Abs. 1 lit. b) DSGVO nicht einschlägig, weil diese Bestimmung das Bestehen eines
    99

    Widerspruchsrechts gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO voraussetzt, das hier aber aus
    100

    vorgenannten Gründen nicht besteht (für den Fall eines im Handelsregister
    101

    eingetragenen Geschäftsführers einer GmbH ebenso: OLG Celle, Beschluss vom
    102

    24.02.2023 ‒ 9 W 16/23). Auch § 395 FamFG ist hier nicht einschlägig. Denn die
    103

    Aufnahme des Geburtsdatums und Wohnorts des Beteiligten in das
    104

    Vereinsregister war im Hinblick auf § 387 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 3 S.
    105

    3 Nr. 3 VRV nicht unzulässig im Sinne von § 395 FamFG. Die Löschung durch
    106

    bloße „Rötung“ entspricht § 11 VRV.
    107

    Die Eintragung des Geburtsdatums (und des ehemaligen Wohnortes) des
    108

    Beteiligten in das Vereinsregister und die Löschung des Beteiligten durch bloße
    109

    „Rötung“ nach seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender verstößt nicht
    110

    gegen europäisches Recht. Der Einwand des Beteiligten, dass europäisches Recht
    111

    vorrangig sei und das nationale Recht verdränge, verhilft seiner Beschwerde nicht
    112

    zum Erfolg, weil das europäische Recht in der DSGVO entsprechende Ausnahmen
    113

    vorsieht und dem nationalen Gesetzgeber Regelungsinhalte belassen hat. Nach
    114

    der Gesetzesbegründung zu § 79a BGB gilt für Eintragungen im Vereinsregister der
    115

    Grundsatz der Erhaltung der Eintragung, welche den Kern des materiell-
    116

    rechtlichen Publizitätsprinzips bildet. Diese wird unter anderem dadurch geschützt,
    117

    dass Eintragungen gem. § 383Abs. 3FamFG nicht mit der Beschwerde anfechtbar
    118

    sind. Es würde dem Kern des Grundsatzes der Publizitätswirkung widersprechen,
    119

    sollten Eintragungen über einen längeren Zeitraum nicht einsehbar sein. Die
    120

    Aufrechterhaltung der Leichtigkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch
    121

    uneingeschränkt einsehbare Register ist im allgemeinen öffentlichen Interesse. Ein
    122

    Widerspruch der betroffenen Person gem. Art. 21 DSGVO, der zu einer Einschränkung
    123

    der Verarbeitung von Registerdaten führen könnte, wird deshalb durch § 79a Abs. 3
    124

    BGB auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1 lit. e) DSGVO ausgeschlossen. Auch
    125

    insoweit bleibt es bei den registerrechtlichen Vorschriften über die Löschung und
    126

    Berichtigung (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl. auch BeckOK-BGB/Schöpflin, 65. Ed.,
    127

    Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 5). Ein Recht der betroffenen Person auf Löschung von
    128

    Daten, die im Vereinsregister oder in den Registerakten gespeichert sind, kann nach
    129

    Art. 17 Abs. 1 DSGVO gegenüber dem registerführenden Gericht nicht geltend
    130

    gemacht werden, da die Daten im Register und den Registerakten zur Wahrnehmung
    131

    einer Aufgabe im öffentlichen Interesse gespeichert werden, sodass nach Art. 17 Abs.
    132

    3 lit. b) DSGVO ein Recht auf Löschung nicht besteht (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl.
    133

    auch BeckOK-BGB/Schöpflin, 65. Ed., Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 7). Eine
    134

    Beschränkung des Rechts der betroffenen Person auf Einschränkung der
    135

    Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 DSGVO ist nicht erforderlich. Die Verarbeitung
    136

    personenbezogener Daten im Vereinsregister oder den Registerakten ist, auch wenn
    137

    das Recht geltend gemacht wird, nach Art. 18 Abs. 2 DSGVO weiterhin
    138

    uneingeschränkt möglich. Das Führen des Vereinsregisters ist ein wichtiges
    139

    öffentliches Interesse (vgl. auch Erwägungsgrund 73 der DSGVO), sodass die
    140

    Datenverarbeitung nicht eingeschränkt werden muss (BT-Drs. 19/4671, 111 f.; vgl.
    141

    auch BeckOK-BGB/Schöpflin, 65. Ed., Stand 01.02.2023, § 79a Rn. 8).
    142

    Soweit der Beteiligte noch vorträgt, dass seine Daten nicht mehr erforderlich seien,
    143

    weil er schon im Jahr 2004 aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden ausgeschieden
    144

    sei, verhilft auch dies seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Es ist gerade Folge der
    145

    uneingeschränkten Publizitätswirkung des Vereinsregisters, dass auch überholte
    146

    Eintragungen aus dem Register ersichtlich sind, dieser Umstand vielmehr durch
    147

    „Rötung“ gekennzeichnet wird. Hierfür spricht, dass aus dem Register nicht nur die
    148

    jeweils aktuelle Situation, z.B. bezüglich der Vertretungsbefugnisse, ersichtlich sein
    149

    muss, sondern auch die früher bestehenden Vertretungsbefugnisse, weil diese im
    150

    Hinblick auf die Wirksamkeit von Eintragungen, Satzungsänderungen oder
    151

    abgeschlossenen Rechtsgeschäften auch deutlich später noch von erheblicher
    152

    Bedeutung sein können.
    153

    III.
    154

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
    155

    Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 FamFG zuzulassen. Die Frage der Wirkungen
    156

    der DSGVO auf die verschiedenen in Deutschland geführten Register hat
    157

    grundsätzliche Bedeutung. Eine vergleichbare Rechtsfrage ist ‒ soweit ersichtlich -
    158

    bislang für einen im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer vom OLG Celle
    159

    (aaO) entschieden worden, das aber ebenfalls die Rechtsbeschwerde zugelassen hat,
    160

    über die noch nicht entschieden worden ist.
    161

    Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 € (§ 36 Abs. 3 GNotKG)