07.01.2010 · IWW-Abrufnummer 094109
Sozialgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 14.11.2005 – S 25 KR 4401/01
Wird die Beschäftigung als Basketballspieler berufsmäßig ausgeübt und spielt der Verdienst keine untergeordnete Rolle, sind Beiträge in die Sozialversicherung auch für Saisonspieler zu zahlen. Hiervon ist bei einem Saisonvertrag auszugehen, der für den Fall des Aufstiegs automatisch und des Abstiegs optional verlängert wird. Ein monatlicher Verdienst von über 2000 ¬ ist nicht von untergeordnetem wirtschaftlichen Wert. Sind Profi-Spieler an einer Universität in den USA eingeschrieben sind, führt dies nicht zur Versicherungsfreiheit, da das Studium aufgrund der sportlichen Tätigkeit nicht im Vordergrund stehen könne.
S 25 KR 4401/01
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Sportler D., D. und H. in ihrer Tätigkeit als Basketballspieler für den Kläger der Sozialversicherungspflicht unterlagen.
Der Kläger, der u. a. den Basketball-Club TV A. D. L. betreibt, beschäftigte in der Basketballspielzeit 1995/1996 vom 3. Januar 1996 bis 2. März 1996 und vom 3. März 1996 bis 30. April 1996 den 1970 geborenen R. D. als professionellen Basketballspieler. Das Saisongrundgehalt betrug 10.800,00 DM netto. Das Engagement erfolgte auf der Grundlage eines am 13. Januar 1996 geschlossenen Vertrages, wegen dessen Inhalt auf Bl. 47 bis 51 der Verwaltungsakte Bezug genommen wird. Nach Art. 1 des Vertrags verlängerte sich der Vertrag für den Fall der Teilnahme an der Ersten Bundesliga-Qualifikationsrunde. Auch behielt sich der Club die Option vor, den Spieler für die Abstiegsrunde zu engagieren. Der Kläger beurteilte die Tätigkeit des Spielers D. vom 3. Januar 1996 bis 2. März 1996 als kurzfristige Beschäftigung und entrichtete lediglich für die Zeit vom 3. März 1996 bis 30. April 1996 Beiträge zur Sozialversicherung.
Des Weiteren beschäftigte der Kläger vom 1. September 1995 bis 31. Dezember 1995 den 1968 geborenen N. H. sowie vom 11. September 1995 bis 30. April 1996 den 1970 geborenen P. D. als Basketballspieler. Beide waren als Stundeten an Universitäten in den USA eingeschrieben. Der Kläger behandelte deshalb diese Beschäftigungsverhältnisse als sozialversicherungsfrei ausgeübte Tätigkeiten.
Aufgrund einer Betriebsprüfung vom 28. Mai 1999 bis 18. Dezember 2000 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 u. a. fest, dass der Spieler H. vom 1. September 1995 bis 31. Dezember 1995, der Spieler D. vom 11. September 1995 bis 30. April 1996 und der Spieler D. vom 3. Januar 1996 bis 2. März 1996 der Sozialversicherungspflicht unterliege. Dementsprechend forderte sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 17.456,14 DM von dem Kläger nach.
Hiergegen legte der Kläger am 30. Januar 2001 Widerspruch ein. Er machte geltend, der Spieler D. unterliege nicht der Sozialversicherungspflicht, da er nur kurzfristig vom 3. Januar 1996 bis 2. März 1996 bei dem Kläger beschäftigt gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei auch nicht erkennbar gewesen, ob eine berufsmäßige Beschäftigung vorgelegen habe. Dem Kläger sei nur bekannt gewesen, dass Herr D. bei einem anderen Verein gegen eine geringe Aufwandsentschädigung Basketball gespielt habe. Die Barmer Ersatzkasse habe in einer mündlichen Auskunft die Sozialversicherungsfreiheit bestätigt. Die Spieler D. und H. seien als sozialversicherungsfrei einzustufen, da die Heranziehung ihrer Vergütung zur Sozialversicherungspflicht eine erhebliche, nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung darstelle. Die Oberfinanzdirektion K. habe in einer Verfügung vom 19. September 1996 zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft von Mannschaftssportlern eine Übergangsfrist für den Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. August 1995 bis 30. Juni 1996 aus Billigkeitsgründen gewährt. Es könne nicht sein, dass diese Absolution nur für den Bereich Handball gelte und es könne auch keinen Unterschied machen, dass der Kläger keine Vorschaltgesellschaft gegründet habe. Entscheidend sei, dass die Spieler bei jedem Spiel Werbung (insbesondere Trikotwerbung für den Hauptsponsor) betrieben hätten. Dieser Grundsatz gelte auch für den Spieler D.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2001 zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen aus, der Arbeitnehmer D. habe im Nachberechnungszeitraum aufgrund seiner gegen Arbeitsentgelt ausgeübten Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen, da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) nicht erfüllt seien. Es habe sich nicht um eine kurzfristige, sondern um eine berufsmäßig ausgeübte Beschäftigung gehandelt. Bereits bei Vertragsabschluss habe laut Art. 1 des Vertrags vom 13. Januar 1996 die Vertragsausweitung über zwei Monate hinaus bei Erreichen der Aufstiegs- bzw. Abstiegsrunde festgestanden, so dass schon zu Beginn der Beschäftigung das Ende des Beschäftigungsverhältnisses ungewiss gewesen sei. Die Beschäftigung wurde tatsächlich im direkten Anschluss ab dem 3. März 1996 bis 30. April 1996 weiterhin ausgeübt. Auch sei die Beschäftigung bei einem Verdienst zwischen 3.946,66 DM und 4.601,97 DM nicht von untergeordnetem wirtschaftlichem Wert gewesen. Für die Basketballspieler D. und H. habe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden. Weder habe eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vorgelegen noch eine Versicherungsfreiheit als ordentlich Studierende bestanden. Aufgrund ihrer Tätigkeit in Deutschland habe in dieser Zeit nicht ihr Studium in den USA im Vordergrund stehen können, sondern vielmehr ihre Tätigkeit als Basketballspieler. Eine Übergangsfrist aus Billigkeitsgründen entsprechend der Verfügung der Oberfinanzdirektion K. vom 19. September 1996 zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft von Mannschaftssportlern könne nicht gewährt werden. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen finde vorliegend keine Anwendung, da es hierbei um die Frage gehe, ob bei Ausgliederung der gesamten Werbetätigkeit eines Sportvereins auf eine rechtlich selbstständige Vermarktungsgesellschaft die Werbeeinnahmen noch zum Arbeitslohn des Sportlers gehören oder als Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb anzusehen seien, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Die Klägerin habe keine Vorschaltgesellschaft zur Ausgliederung der Werbetätigkeiten gegründet. Grundsätzlich werde im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. August 1995 festgelegt, dass die Sportler mit ihren Werbeeinnahmen auch bei einer Ausgliederung der Werbetätigkeit auf eine rechtlich selbstständige Vermarktungsgesellschaft Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen sind, erzielen.
Mit der am 20. Dezember 2001 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen Klage hat der Kläger unter Verweis auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren ihr Begehren auf Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit der Spieler D., D. und H. weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 22. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2001 insoweit aufzuheben, als Sozialversicherungsbeiträge für die Herren R. D., P. D. und N. H. nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2004 in der Fassung des Beschlusses vom 3. Februar 2005 die Barmer Ersatzkasse, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladenen zu 1) und zu 2) haben sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte über die Klage auch in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da sie auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen worden sind (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet.
Der Kläger ist verpflichtet, die von der Beklagten geforderten Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, da die Spieler D., D. und H. in den streitbefangenen Zeiträumen bei dem Kläger als Basketballspieler versicherungspflichtig beschäftigt waren. Dies ist von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt worden. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen der Beklagten an und sieht insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 SGG ab.
Entgegen der Ansicht des Klägers war der Spieler D. in dem Zeitraum vom 3. Januar 1996 bis 2. März 1996 nicht kurzfristig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV beschäftigt. Denn die Beschäftigung war nicht im Voraus auf zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt. Bei Vertragsabschluss am 13. Januar 1996 stand bereits fest, dass das Ende des Beschäftigungsverhältnisses ungewiss ist. Der Vertrag verlängerte sich automatisch bis 30. April 1996 für den Fall der Teilnahme des Clubs an der Ersten Bundesliga-Qualifikationsrunde und der Verein behielt sich die Option vor, den Spieler für die Abstiegsrunde zu engagieren. Die Beschäftigung war auch berufsmäßig, da sie bei einem monatlichen Arbeitsentgelt von 2.700,00 DM netto für den Spieler D. nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung war.
Zu Recht hat die Beklagte eine Anwendung der Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 19. September 1996 abgelehnt. Diese Verfügung, die weder für die Beklagte noch für das Gericht verbindlich ist, regelt nicht die versicherungsrechtliche Beurteilung von Sportlern, sondern die lohnsteuerrechtliche Behandlung von Werbeeinnahmen. Es ist daher für die Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb die Verfügung der Oberfinanzdirektion K. einer Versicherungspflicht der Spieler D., D. und H. entgegenstehen soll.
Aus den vorstehend dargelegten Gründen war die Klage daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis 1. Januar 2002 geltenden Fassung.