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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 11.03.2004 – VI 250/2002

    Die Kirchensteuerbehörde ist an eine bis zum Kalenderjahr 1998 geübte Erlasspraxis bei Veräußerungsgewinnen nach § 34 Abs. 2 EStG auch dann nicht gebunden, wenn sich nachträglich die Höhe des Veräußerungsgewinnes ändert.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob das Kirchensteueramt den begehrten (weiteren) Teilerlass von Kirchensteuern für das Jahr 1989 in Höhe von 989.136,96 DM (= 505.737,70 €) zu Recht abgelehnt hat.

    Die Kläger, beide Angehörige der katholischen Kirche, sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Mit Einkommensteuerbescheid vom 20.06.1991 wurde die Einkommensteuer für 1989 vom zuständigen Finanzamt in Höhe von 7.554.586 DM festgesetzt, auf der Grundlage von Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 17.877.149 DM, darin enthaltenen außerordentlichen Einkünften (Entnahme- und Veräußerungsgewinnen) in Höhe von 15.730.236 DM und unter Berücksichtigung einer für diese außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG- auf die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes ermäßigten (anteiligen) Einkommensteuer von 4.389.522 DM.

    Auf der Grundlage der im vorstehenden Einkommensteuerbescheid festgesetzten Einkommensteuer setzte das beklagte Kirchensteueramt mit (Erst-)Bescheid vom 02.10.1991 die Kirchensteuer der Kläger für 1989 in Höhe von 604.270,88 DM fest, berechnet mit 8% aus der um 1.200 DM (für 2,0 Kinderfreibeträge) auf 7.553.386 DM gekürzten Einkommensteuer.

    Mit Schreiben vom 29.10.1991 beantragten die Kläger durch ihre damaligen steuerlichen Vertreter einen Teilerlass der Kirchensteuer. Zur Begründung verwiesen sie auf „außergewöhnliche Umstände”, nämlich dass die Höhe der Kirchensteuerschuld im wesentlichen dadurch beeinflusst sei, dass aus der Überführung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens in das Privatvermögen mit dem halben Steuersatz versteuerte reine Buchgewinne, ohne Mittelzufluss, entstanden seien. Mit Stundungsverfügung vom 15.11.1991 kündigte daraufhin das Kirchensteueramt einen voraussichtlichen Teilerlass aus Billigkeitsgründen in Höhe von 175.580,88 DM an. Wörtlich schreibt die Behörde: „Aus den von Ihnen angeführten Gründen sind wir ausnahmsweise bereit, einen Teilerlaß von 50% der Kirchensteuer zu bewilligen, die auf die ermäßigte Einkommensteuer gem. § 34 EStG entfällt....” Mit Verfügung vom 22.01.1992 wurde der (Teil-)Erlass bewilligt.

    Im Anschluss an eine für die Jahre 1988 bis 1990 durchgeführte Betriebs- und Fahndungsprüfung erließ das Finanzamt am 27.05.1997 einen entsprechend den Prüfungsfeststellungen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1989. Im Rahmen dieses Bescheids wurde der tarifbegünstigte Aufgabe-/Veräußerungsgewinn des Klägers von 15.730.236 DM um 89.242.914 DM auf 104.973.150 DM und dementsprechend die aus letzterem Betrag nach § 34 Abs. 2 EStG berechnete Einkommensteuer von 4.389.522 DM um 24.981.965 DM auf 29.371.487 DM erhöht. Auf der Grundlage der in diesem Einkommensteuerbescheid insgesamt festgesetzten Einkommensteuer für 1989 in Höhe von 34.327.428 DM setzte das Kirchensteueramt mit geändertem Kirchensteuerbescheid vom 25.06.1997 die Kirchensteuer für 1989 in Höhe von 2.746.098,24 DM fest.

    Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Höhe des betrieblichen Aufgabegewinns hatte der gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid gerichtete Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung letztlich keinen Erfolg. Er wurde vom Bundesfinanzhof -BFH- mit Beschluss vom 23. Juni 1999 (Az. X B 103/98, veröffentlicht in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2000, 30) abgelehnt.

    Zur Frage des (um den Faktor 6,67) vervielfachten Entnahme-/Veräußerungsgewinns lässt sich der BFH-Entscheidung folgender Hintergrund entnehmen:

    Der Kläger war bis zum 28.12.1989 an einer GmbH, die am 14.12.1989 ihr Stammkapital erhöht hatte, zu 75 v.H. beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile von 25 v.H. hielt die Mutter des Klägers. Zwischen dem Kläger und der GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung; seine Anteile an der GmbH gehörten zum Betriebsvermögen seines Besitzunternehmens. Mit Vertrag vom 28.12.1989 veräußerte der Kläger 24 v.H. der Anteile an der GmbH an seine Ehefrau (Klägerin), 1,5 v.H. der Anteile an seine Schwägerin und 0,5 v.H. an seinen Steuerberater. Der Kaufpreis aus den Veräußerungen entsprach einem Anteilswert von 155 DM je 100 DM Geschäftsanteil. Die Beteiligten gingen davon aus, dass mit diesen Veräußerungen die Betriebsaufspaltung beendet wurde. Auf der Grundlage dieser Auffassung wurden die dem Kläger gehörenden 49 v.H. der Anteile an der GmbH in dessen Privatvermögen überführt. Mit Vertrag vom 26.04.1990 veräußerten der Kläger und die anderen Gesellschafter der GmbH nach 19monatigen Verkaufsverhandlungen ihre Anteile zu einem Kaufpreis von 498 DM je 100 DM Geschäftsanteil an die R-Gruppe. Aus diesem beurkundeten Verkaufspreis leitete das Finanzamt den Entnahmewert für die vom Kläger entnommenen Geschäftsanteile ab und setzte einen entsprechenden Entnahmewert in dem geänderten Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 27.05.1997 an.

    Nachdem die Kirchensteuerfestsetzung für 1989 - im Anschluss an die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen für 1989 - mehrfach geändert worden war, beantragte der Klägervertreter mit Schreiben vom 28.05.2002 einen Teilerlass der im letztgültigen Bescheid vom 2. August 2000 festgesetzten Kirchensteuer für 1989 in Höhe von DM 1.172.632,04 (EUR 599.557,24) „soweit die Kirchensteuer auf tarifbegünstigten Einkünften ( § 34 EStG) beruht”. Er verwies insofern auf den aktuellen Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 6. Juli 2000, nach welchem die gemäß § 34 Abs. 2 EStG festgesetzte Einkommensteuer 29.315.801 DM beträgt. Aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung sei die Diözese C für gleiche Sachverhalte eines Veranlagungszeitraums, hier 1989, an ihre in den Jahren 1989 bis 1992 geübte Erlasspraxis gebunden. Im vorliegenden Einzelfall handele es sich nicht um zwei vergleichbare Fälle aus zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen oder um zwei identische Sachverhalte eines Veranlagungszeitraums, sondern um ein und denselben, in 1991 als erlasswürdig eingestuften Sachverhalt.

    Der Erlassantrag der Kläger wurde mit Bescheid des Kirchensteueramtes vom 06.06.2002 abgelehnt. Sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe seien von Klägerseite nicht geltend gemacht worden, sie lägen auch nicht vor. In § 51 a EStG habe der Gesetzgeber eindeutig bestimmt, dass die vom Finanzamt festgesetzte Einkommensteuer die Berechnungsgrundlage für die Kirchensteuer sei. Auch Buchgewinne, Veräußerungsgewinne oder Aufgabegewinne seien von dieser Besteuerung nicht ausgenommen. Soweit das Finanzamt einen ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG gewährt habe, sei durch die verminderte Einkommensteuer auch die Kirchensteuer bereits entsprechend reduziert. Angesichts dieser Gegebenheiten und auch nach Urteilen der Finanzgerichte München und Nürnberg könne es dem Kirchensteueramt nicht abgesprochen werden, von einer als rechtswidrig oder zumindest als unzweckmäßig erkannten Praxis abzurücken und sich einheitlich der vom Gesetz vorgeschriebenen Einzelfallprüfung nach § 227 der Abgabenordnung -AO- zuzuwenden. Die nur für einen relativ kurzen Zeitraum praktizierte Vorgehensweise habe auf Empfehlungen der Steuerkommission des Verbandes der Diözesen Deutschlands und auf Beschlüssen der Bayerischen Finanzdirektoren basiert, die keinerlei Rechtsverbindlichkeit gehabt hätten und seit Jahren ersatzlos aufgehoben seien. Dass das Kirchensteueramt nunmehr nach den geltenden Gesetzen (§ 51 a EStG und § 227 AO) verfahre, bedeute keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und verletze auch nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 des Grundgesetzes -GG-. Ein Rückfall in die früher empfohlene Erlassautomatik wäre im Gegenteil ein eindeutiger Ermessensfehlgebrauch und damit ein Verstoß gegen § 227 AO und die zwischenzeitlich ergangenen Finanzgerichtsurteile.

    Der Einspruch blieb ohne Erfolg, er wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2003 zurückgewiesen. Das Kirchensteueramt führte u. a. aus, dass in der zurückliegenden Zeit bei der Vorlage der Einkommensteuerbescheide keinerlei Prüfungen vorgenommen worden seien und der Ersterlass vom 22.01.1992 auch nicht auf § 227 AO gestützt worden sei.

    Mit ihrer Verpflichtungsklage verfolgen die Kläger ihr Erlassbegehren weiter. Zur Begründung wird von ihrem Prozessbevollmächtigten insbesondere vorgetragen

    Eine wesentliche Besonderheit des vorliegenden Falles liege darin begründet, dass (bis auf die Höhe des außerordentlichen Gewinns) über denselben tatsächlichen Sachverhalt, für dieselben Steuerpflichtigen (die Kläger), von derselben Behörde (dem Kirchensteueramt) und für dasselbe Jahr (1989) entschieden worden sei, und zwar mit einer positiven Teilerlassentscheidung von 50% bezüglich der auf den außerordentlichen Gewinn entfallenden Kirchensteuer. Allein die Höhe des außerordentlichen Gewinns habe sich in dem gegebenen, unveränderten tatsächlichen Sachverhalts geändert, dies wegen der Anwendung eines anderen Bewertungsverfahrens. Statt auf der Basis des Stuttgarter Verfahrens sei der Entnahmegewinn in Anlehnung an Anteilsverkäufe, getätigt einige Zeit nach der Entnahme im Jahr 1990, ermittelt worden. Erst am Ende eines sehr langwierigen Verfahrens sei diese Bewertungsmethode vom BFH mit Beschluss vom 23. Juni 1999 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bestätigt worden.

    Der Verwaltungsakt des Kirchensteueramtes vom 22.01.1992, mit dem ein 50%iger Teilerlass gewährt worden sei, sei rechtmäßig gewesen. Die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes ergäbe sich zum einen aus der gesetzlichen Grundlage des § 227 AO i. V. m. Art. 18 Abs. 1 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes -BayKirchStG-, zum anderen aus der speziell vom Kath. Kirchensteueramt C tatsächlich ausgeübten langjährigen Verwaltungspraxis, nach der in Fällen von außerordentlichen Gewinnen im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG generell ein Teilerlass von 50% der anteiligen Kirchensteuer ausgesprochen worden sei. Aus dieser tatsächlich ausgeübten Verwaltungspraxis und nicht aus internen Vorgaben der maßgeblichen Kirchensteuergremien ergäbe sich eine Selbstbindung der Verwaltung sowie eine gewohnheitsrechtliche Übung, die - jedenfalls für Sachverhalte, die im Zeitraum der Übung dieser Verwaltungspraxis verwirklicht worden seien - zu einer „Ermessensreduzierung auf Null” in allen Fällen von außerordentlichen Gewinnen im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG führten, die im Zuständigkeitsbereich speziell des Kath. Kirchensteueramtes verwirklicht worden seien.

    Der streitige Teilerlassantrag vom 28.05.2002, der ausdrücklich auf § 227 AO i. V. m. Art. 18 Abs. 1 BayKirchStG gestützte werde, sei erst aufgrund des Ergebnisses des im Jahr 1999 abgeschlossenen außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens notwendig und möglich geworden. Die überlange Verfahrensdauer habe der Steuerpflichtige nicht zu vertreten. Es wäre sachlich unbillig und daher ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, wenn über diesen Erlassantrag bei - bis auf einen Wert - identischem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage abweichend zur Entscheidung über den Ersterlass ablehnend entschieden würde.

    Wenn sich das Kirchensteueramt auf eine zwischenzeitlich geänderte Verwaltungspraxis berufe, so bestehe für die Verwaltung im vorliegenden Einzelfall doch die Verpflichtung, zu prüfen, ob für bereits zeitlich vor Änderung der Verwaltungspraxis verwirklichte (Lebens-) Sachverhalte (sog.” Altfälle”) eine Übergangsregelung vorzusehen sei, die dafür sorge, dass diese Altfälle nach der zur Zeit der Verwirklichung des (Lebens-)Sachverhalts gültigen Verwaltungspraxis entschieden würden. Dies gelte auch für den Fall eines Antrags oder einer Entscheidung über einen Antrag nach Änderung der Verwaltungspraxis. Diese Übergangsregelung müsse dazu führen, dass ein sachlich unbilliges Ergebnis bei der Kirchensteuerveranlagung 1989 für die Kläger vermieden werde. Im Streitfall werde die notwendige Übergangsregelung durch die Bewilligung des begehrten Teilerlasses ausgefüllt, da dieser im Ergebnis der für den vorliegenden Einzelfall einschlägigen Verwaltungspraxis entspräche.

    Die Notwendigkeit zu einer Übergangsregelung ergäbe sich aus dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO). Nach diesem sei das Vertrauen auf die Rechtsfolgen einer getroffenen Disposition zu schützen. Im Streitfall habe der Kläger im Jahr 1989 eine Betriebsaufspaltung bewusst beendet, um die steuerlichen Begünstigungen für außerordentliche Veräußerungsgewinne nach § 34 EStG für die Einkommensteuer und nach der im Entscheidungszeitpunkt herrschenden Erlasspraxis des katholischen Kirchensteueramtes C für die Kirchensteuer in Anspruch zu nehmen. Die Änderung der Verwaltungspraxis der katholischen Kirchensteuerbehörden sei nach Verwirklichung des Sachverhalts im Jahr 1989 vollzogen worden. Hieraus würde sich eine den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie dem Prinzip des Vertrauensschutzes zuwiderlaufende (unechte) Rückwirkung der Rechtsanwendung ergeben, soweit über den 2002 gestellten Erlassantrag anders entschieden würde als es der 1989 gültigen Rechts- und Verwaltungslage entsprochen habe. Auch aus diesen Gründen sei im vorliegenden Einzelfall eine Übergangsregelung zwingend geboten. In der Ungleichbehandlung ein und desselben Sachverhalts liege darüber hinaus ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Die abweichende Entscheidung gründe im Ergebnis allein auf der Verfahrensdauer und damit einer zeitlich späteren Antragstellung im Vergleich zum Ersterlass. Selbst die Fallgruppe, bei der „derselbe Bürger in gleichen Fällen” ungleich behandelt werde, müsse sich am Gleichheitsgrundsatz messen lassen (Hinweis auf den Kommentar Maunz/Dürig Art. 3 Abs. 1 RdNr. 430), umso mehr müsse dies gelten, wenn „derselbe Bürger im selben Fall” ungleich behandelt werde. Das Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- habe in seiner Entscheidung vom 12. Februar 1988 (Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1988, 1804) folgendes ausgeführt: „Für Sachverhalte, in denen die Verschiebungen zum Nachteil des Steuerpflichtigen in ihrer Größenordnung die Grenze zur Sachwidrigkeit überschreiten, zwingt der Gleichheitssatz zu einer verfassungs-

    konformen Auslegung der einschlägigen Vorschriften, die es ermöglicht, einer solchen Sachwidrigkeit durch einen teilweisen Erlass Rechnung zutragen.” Im Ergebnis sei das katholische Kirchensteueramt C an seine tatsächliche Verwaltungspraxis zur Zeit der Verwirklichung des Sachverhalts gebunden. Gegenüber dem Wandel aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen entfalte die Selbstbindung der Verwaltung ihre normale Sperrwirkung (Hinweis auf die Kommentierung in Maunz/Dürig Art. 3 Abs. 1 RdNr. 438). Der Gleichheitsgrundsatz begründe im vorliegenden Einzelfall eine sachliche Unbilligkeit, die den Teilerlass nach § 227 AO rechtfertige. Das Ermessen des katholischen Kirchensteueramtes C sei hinsichtlich der Entscheidung über diesen Antrag auf Null reduziert.

    Die Kläger beantragen, den Ablehnungsbescheid vom 06.06.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 aufzuheben und das beklagte Kirchensteueramt zu verpflichten, den beantragten Erlass in Höhe von 505.737,70 € (= 989.136,96 DM) zu gewähren. Für den Fall des Unterliegens beantragen sie, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

    Das Kirchensteueramt beantragt die Abweisung der Klage.

    Entsprechend den bereits im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gemachten Ausführungen betont die Behörde nochmals, dass Rechtsgrundlage für den Erlass von Kirchensteuern allein die Bestimmungen der §§ 163, 227 AO seien. Im Streitfall seien keinerlei Gründe erkennbar, die unter Anwendung dieser Bestimmungen eine Stattgabe des Antrages gebieten würden. Entgegen der Auffassung der Kläger verstoße die ablehnende Entscheidung keinesfalls gegen den Gleichheitsgrundsatz, da seit 1998 bei sämtlichen gleichgelagerten Fällen die lediglich vorübergehend praktizierte rechtswidrige Erlassautomatik eingestellt worden und an deren Stelle die Einzelfallprüfung nach der AO getreten sei. Diese einheitliche Vorgehensweise der bayerischen (Erz-)Diözesen sei mit dem Beschluss der Finanzdirektoren vom 06.02.1998 festgelegt und die bislang objektiv als gesetzwidrig zu interpretierende Regelung eines automatischen Pauschalerlasses von 50% aufgehoben worden. Diese Entschließung sei in der Ordinariatssitzung vom 22.12.1998 nochmals für die Diözese C konkretisiert und damit für das katholische Kirchensteueramt als absolut verbindlich anerkannt worden. Ab diesem Zeitpunkt seien alle diesbezüglichen Erlassanträge strikt nach den Vorgaben des § 227 AO behandelt worden.

    Hätte das Kirchensteueramt von Anfang an gewusst, dass der Gewinn tatsächlich realisiert worden ist, wäre auch im Jahr 1992 ein Teilerlass der Kirchensteuer für 1989 in einer Größenordnung von rund 1,2 Mio. DM nicht bewilligt worden, weil diese Erlasshöhe wegen der Auswirkungen auf den Haushalt der Diözese der Zustimmung des Diözesansteuerausschusses bedurft hätte. Vergleichbar sei auch bei den Finanzämtern geregelt, dass für den Erlass höherer Beträge die Zustimmung der Oberfinanzdirektion bzw. des Finanzministeriums erforderlich sei. Eine Übergangsregelung gäbe es in keiner bayerischen (Erz-)Diözese. Die Rückkehr zum ehemaligen Erlassautomatismus wäre gegenüber der seit 1998 vorgenommenen Einzelfallprüfung ein eindeutiger Ermessensfehlgebrauch und damit ein Verstoß gegen § 227 AO. Aus der Tatsache, dass über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum rechtswidrige, zumindest aber fragwürdige Erlassentscheidungen getroffen worden seien, könne keine Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft abgeleitet werden, weiterhin gegen § 227 AO zu verstoßen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist nicht begründet.

    Das Kirchensteueramt hat den begehrten (weiteren) Teilerlass zu Recht abgelehnt. Die Verwaltungsentscheidung lässt keinen Ermessensfehler erkennen, insbesondere keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

    Die Behörde hat den Ersterlass ausschließlich auf persönliche Billigkeitsgründe gestützt (hierzu nachfolgend 2); von daher gibt es keine Bindung für den Streitfall. Auch eine bis 1998 geübte Erlasspraxis im Sinne einer „Erlassautomatik” bei Veräußerungsgewinnen nach § 34 Abs. 2 EStG (hierzu nachfolgend 3) bindet das Kirchensteueramt im Rahmen seiner neuerlichen - hier streitigen - Erlassentscheidung vom 06.06.2002 nicht.

    1.1 Die Entscheidung über einen Erlassantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin überprüft werden darf, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung -FGO-; Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 105, 101, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1972, 603). Die Unbilligkeit kann entweder in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (z.B. BFH-Urteil vom 20. Februar 1991 1I R 63/88, BFHE 164, 114, BStBl II 1991, 541).

    1.2 Unbilligkeit aus sachlichen Gründen - wie sie von den Klägern allein geltend gemacht wird - kommt in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also ein „Überhang” des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist und der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. z. B. Urteil in BFHE 164, 114, BStBl II 1991, 541). Dabei sind bei der Billigkeitsentscheidung auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen.

    2. Das Kirchensteueramt war bei seiner Erlassentscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt an die Teilerlassentscheidung vom 22.01.1992 gebunden.

    2.1 Den Ersterlass hat die Behörde ausgesprochen „aus den von Ihnen angeführten Gründen” „ausnahmsweise” bezüglich der Kirchensteuer, „die auf die ermäßigte Einkommensteuer gem. § 34 EStG entfällt”. Die von Klägerseite damals angeführten Gründe waren insbesondere: reine Buchgewinne, kein Mittelzufluss, außergewöhnliche Umstände. Damit hat das Kirchensteueramt den Teilerlass auf persönliche Gründe im Sinne einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gestützt, so wie die Kläger im Erlassantrag ihr Begehren begründet hatten. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Kirchensteueramt zusätzlich eine Stundung der festgesetzten Kirchensteuer verfügt hatte.

    2.2 Unerheblich ist hierbei, dass das Kirchensteueramt zeitweise der Auffassung gewesen ist, der Ersterlass sei auf eine „Erlassautomatik” (= 50% Teilerlass bei Anwendung des § 34 EStG, ohne Einzelfallprüfung) gestützt worden. So sind jedenfalls die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 zu verstehen. Der Leiter des Kirchensteueramtes hat allerdings in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Ersterlass als Einzelfallentscheidung aus persönlichen Gründen gewährt worden ist. Dies deckt sich mit dem Wortlaut der zugrunde liegenden Verwaltungsakte vom 15.11.1991 (Stundung und Inaussichtstellung des begehrten Teilerlasses aus den „angeführten Gründen” und vom 22.01.1992 (Teilerlass). Der Teilerlass - gestützt auf das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe - ist entsprechend dem Gewollten bekannt gegeben und wirksam geworden (vgl. § 124 Abs. 1 AO). Von einer irgendwie nach Außen hin kundgewordenen „Erlassautomatik” kann nicht die Rede sein. Unerheblich ist auch, dass die Behörde die Einzelfallentscheidung des Teilerlasses mit 50 v.H. gewährt und die Höhe sich insoweit mit dem von der sog. „Erlassautomatik” vorgegebenen Betrag gedeckt hat. Denn selbst wenn sich das Kirchensteueramt daran orientiert haben sollte, bleibt der Teilerlass vom 22.01.1992 dem Grunde nach eine Einzelfallentscheidung, die aus persönlichen Billigkeitsgründen gegenüber den Klägern ergangen ist.

    2.3 Die dargelegten Umstände der Erlassverfügung des Kirchensteueramtes vom 22.01.1992, insbesondere deren Wortlaut, sprechen eindeutig für eine auf § 227 AO gestützte Ermessensentscheidung im Einzelfall. Im Rahmen dieser Entscheidung hat die Behörde die persönliche Erlassbedürftigkeit des Klägers - reiner Buchgewinn, kein Mittelzufluss - bejaht. Über die Erlasswürdigkeit war bei dem Ersterlass nicht zu befinden, weil diese außer Zweifel stand; von einem Steuerstrafverfahren war damals nichts bekannt. Dieser Ersterlass ist bestandskräftig, die Frage ob er rechtmäßig war oder nicht, stellt sich nicht mehr.

    2.4 Wenn der Klägervertreter im vorliegenden Verfahren vorträgt, dass „(bis auf die Höhe des außerordentlichen Gewinns) derselbe tatsächliche Sachverhalt ... bereits mit einer positiven Teilerlassentscheidung von 50% ... entschieden worden ist” (BI. 2 FG-A), kann ihm der Senat nicht folgen. Für das Gericht liegt dem Teilerlassantrag vom 28.05.2002 nicht ein und derselbe sondern ein gravierend anderer Sachverhalt zugrunde als er im Erlassantrag vom 15.11.1991 klägerseits dargestellt worden ist. Dieser Sachverhalt 2002 unterscheidet sich nicht nur bezüglich der Höhe des beantragten Erlasses (statt damals 175.580,88 DM nunmehr (x5,63=) 989.136,96 DM), sondern insbesondere dadurch, dass die mit dem halben Steuersatz versteuerten außerordentlichen Einkünfte auf tatsächlich als Geld geflossenen Veräußerungsgewinnen (in Höhe von 104.066.099 DM lt. letztgültigem Einkommensteuerbescheid 1989 vom 20.01.2003) beruhen und nicht auf nur auf dem Papier stehenden (fiktiven) Buchgewinnen.

    2.5 Die Ermessensentscheidung über den Erlass von Steuerschulden wird von der Verwaltung getroffen unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung. Die andere Beurteilung eines im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung am 23.07.2002 anderen Sachverhalts ist dem Kirchensteueramt durch den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, nach welchem Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln ist, aber gerade ge- und nicht verboten. Ein Ermessensfehlgebrauch wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz kann dem Kirchensteueramt somit aufgrund der anderen Entscheidung im Rahmen des Ablehnungsbescheids vom 06.06.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 nicht zum Vorwurf gemacht werden.

    3. Selbst wenn das Kirchensteueramt den Teilerlass vom 22.01.1992 auf eine sog. „Erlassautomatik” gestützt bzw. bis zum Kalenderjahr 1998 generell eine solche „Erlassautomatik” gehandhabt hätte, könnte dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

    3.1 Dem Vorhalt von Klägerseite, dass das Kath. Kirchensteueramt C entsprechend einer tatsächlich ausgeübten langjährigen Verwaltungspraxis in Fällen von außerordentlichen Gewinnen im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG generell einen Teilerlass von 50% der anteiligen Kirchensteuer ausgesprochen worden habe, ist das beklagte Kirchensteueramt nicht mit dem Argument entgegengetreten, dass es diese „Erlassautomatik” bei ihm nie gegeben hätte. Vielmehr hat die Behörde eingeräumt, dass sie „von einer vielleicht als rechtswidrig oder zumindest als unzweckmäßig erkannten Praxis” abgerückt sei (Ablehnungsbescheid vom 06.06.2002) und „seit 1998 bei sämtlichen gleichgelagerten Fällen die lediglich vorübergehende „Erlassautomatik” eingestellt” habe (Klageerwiderung vom 01.10.2002).

    3.2 Ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht darin zu erblicken, dass das Kirchensteueramt eine fragwürdige Erlasspraxis („Erlassautomatik”) - vom erkennenden Senat im Rahmen des Urteils vom 2. Februar 1995 VI 41/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1995, 691, Betriebs-Berater -BB- 1995, 1223) bundesweit hinterfragt -, nämlich bei Vorliegen eines Veräußerungsgewinns gemäß § 34 Abs. 1 und 2 EStG ohne Prüfung der Voraussetzungen des § 227 AO einen zusätzlichen Erlass in Höhe von 50 v.H. zu gewähren, nicht mehr fortgesetzt hat. Diese Praxis, die einheitlich von den evangelischen, uneinheitlich aber von den katholischen Kirchensteuerämtern in Bayern gehandhabt wurde, ging zurück auf eine Empfehlung der Steuerkommissionen der katholischen Diözesen und der evangelischen Landeskirchen auf der gemeinsamen Sitzung in Schwerte am 31. Januar/1. Februar 1972 und (weitergehend) in Marienheide am 6./7. Mai 1992 (vgl. hierzu das vorgenannte Urteil).

    3.3 Auf ihrer Sitzung vom 06.02.1998 haben die Finanzdirektoren aller bayerischen Diözesen folgendes beschlossen:

    „Die bislang gesetzeswidrige Regelung zum Pauschalerlaß von 50 % in den Fällen des § 34 (2) EStG wird nicht fortgesetzt. Aus Gründen der Gleichbehandlung aller Kirchensteuerzahler sollen künftig entsprechende Erlaßanträge strikt nach den Vorgaben des § 227 AO (Prüfung der sachlichen bzw. wirtschaftlichen Billigkeit) behandelt werden.”

    Auf der gemeinsamen Tagung der Amtsleiter der Kirchensteuerämter Bayerns am 26./27. Oktober 1998 in Vierzehnheiligen hat sich auch die Evang. Landeskirche von der „Erlassautomatik” verabschiedet und zur Einzelfallprüfung im Rahmen des § 227 AO bekannt. Die Abkehr von der bisherigen undifferenzierten Praxis haben das Kath. Kirchensteueramt München und ebenso das Evang.-Luth. Kirchensteueramt München in ihren Schreiben an die Steuerberaterkammer München vom 06.05. bzw. 01.06.1999 klar zum Ausdruck gebracht. In den Kammermitteilungen vom September 1999 (Heft 4, Seite 127) schreibt die Steuerberaterkammer München unter der Überschrift „Praxis der Kirchensteuererlasse bei außerordentlichen Einkünften” folgendes:

    ”... Nach einem gemeinsamen Beschluß der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Diözesen kann nunmehr ein Teilerlaß bei Veräußerungsgewinnen und Abfindungsleistungen „nur in besonders gelagerten Einzelfällen” bis zu einer Höhe von 50 % gewährt werden, soweit Billigkeitsgründe nach § 227 AO vorliegen....”

    3.4 Entsprechend den Ausführungen des Finanzgerichts München (Urteil vom 19. November 1999 13 K 2024/99, Juris-Dokument Nr. STRE200070252), die vom erkennenden Senat uneingeschränkt geteilt werden, kann den bayerischen Kirchensteuerämtern das Recht nicht abgesprochen werden, von einer als rechtswidrig oder zumindest als unzweckmäßig erkannten Praxis abzurücken und sich einheitlich der vom Gesetz vorgeschriebenen Einzelfallprüfung zuzuwenden. Auch die Klägerseite „wird sich der Einsicht nicht verschließen können, dass eine Erlaßpraxis höchst zweifelhaft ist, die wohlsituierten Steuerpflichtigen mit hohen, bisher ohnehin steuerbegünstigten Abfindungen oder Veräußerungsgewinnen ein zusätzliches Steuergeschenk gewährt” (FG München a.a.O.).

    3.5 Die auf dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Verpflichtung der Behörde zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO) beruhende Selbstbindung der Verwaltung steht dieser geänderten Erlasspraxis nicht entgegen. Denn zum einen handelte es sich bei den Empfehlungen der Steuerkommissionen der katholischen Diözesen und der evangelischen Landeskirchen auf der gemeinsamen Sitzung in Schwerte am 31. Januar/ 1. Februar 1972 und in Marienheide am 6./7. Mai 1992 nicht um Gesetze im Sinne des § 85 AO; zum anderen muss eine solche Selbstbindung der Verwaltung stets dort enden, wo die Verwaltungspraxis gegen den Inhalt des Gesetzes verstößt, sei es auch zugunsten des Steuerpflichten (vgl. BFH Urteil vom 27. April 1995 VII R 13/94, BFH/NV 1995, 1099). Das Vertrauen auf eine vom Gesetz nicht gedeckte Verwaltungspraxis ist nicht schutzwürdig im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG; es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1987 II R 166/84, BFH/NV 1988, 613 mit weiteren Nachweisen). Der Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit begründet keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung, d. h. Fortführung einer gesetzeswidrigen Verwaltungspraxis (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 7. August 1985 1 BvR 707/85, Deutsche Steuer Zeitung/Eildienst -DStZ/E- 1985, 277).

    Unmissverständlich hat das Bundesverwaltungsgericht - oberste Instanz, soweit für Streitigkeiten in Sachen Kirchensteuer in anderen Bundesländern, z. B. in RheinlandPfalz, die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben ist - in seinem Urteil vom 21. Mai 2003 9 C 12/02 (BFH/NV 2003, Beilage 4, 245, NJW 2003, 3001) folgendes ausgeführt:

    „Ein Teilerlass der Kirchensteuer steht der Klägerin auch nicht auf der Grundlage eines über § 227 AO hinausgehenden kirchenspezifischen Erlasstatbestandes zu. Denn für einen solchen Erlass fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.... Der im Steuerrecht allgemein anerkannte, aus Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete und damit bundesrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuererhebung verlangt, dass sowohl der Tatbestand als auch die Höhe der Besteuerung im Gesetz niedergelegt sein müssen. Weder die Finanzverwaltungen noch die Gerichtsbarkeit dürfen die Steuer nach ihrem Ermessen festsetzen. Dieser Grundsatz erstreckt sich auch auf Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen und sonstige Steuervergünstigungen. Behörden oder Gerichte dürfen die Steuerschuld nicht ohne gesetzliche Grundlage herabsetzen....

    Erhebt die Kirche - wie hier die Beklagte - Kirchensteuern nach Maßgabe eines staatlichen Kirchensteuergesetzes, insbesondere durch Einziehung seitens der staatlichen Finanzbehörden, gilt für dieses öffentlich-rechtliche Besteuerungsverfahren in gleicher Weise der Grundsatz der Gesetz- und Tatbestandsmäßigkeit der Steuererhebung ...”

    3.6 Soweit die geänderte Erlasspraxis des Kirchensteueramtes - wie im Streitfall - auch für im Zeitpunkt der Änderung bereits verwirklichte Lebenssachverhalte (rückwirkend) angewandt wird, handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um Fälle tatbestandlicher Rückanknüpfung (BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -BVerfGE- 72, 200, BStBl II 1986, 628), auch als unechte Rückwirkung bezeichnet. Danach ist der Gesetzgeber von Verfassungswegen grundsätzlich nicht gehindert, für die Zukunft die steuerlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens zu verschärfen. Diese tatbestandliche Rückanknüpfung findet ihre Grenze nur da, wo bei einer Abwägung dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der bisherigen ihm günstigen Rechtslage ausnahmsweise gegenüber der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit der Vorzug zu geben ist, oder das Handeln des Gesetzgebers schlechterdings ohne sachlichen Grund und deshalb willkürlich erfolgt (BVerfG in BVerfGE 72, 200 <254>, BStBl II 1986, 628 <645>). Ein solches schutzwürdiges Vertrauen der Kläger liegt - wie vorstehend unter 3.5 dargelegt - im Streitfall nicht vor. Ergänzend sei hier noch angemerkt, dass sich auch aus § 176 Abs. 2 AO herauslesen lässt, dass das Gesetz nicht allgemein das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Rechtsauffassung, sondern nur das Vertrauen in den Fortbestand bereits vorliegender Rechtsakte schützt.

    Sog. „Gruppenregelungen” (Richtlinien der Verwaltung für Billigkeitsmaßnahmen in Bezug auf bestimmte Gruppen gleichgelagerter Fälle) sind von Gerichten nur zu beachten, wenn die in diesen getroffenen Regelungen sich innerhalb der Grenzen halten, die das Grundgesetz und die einfachen Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1980 VII R 17/78, BStBl II 1981, 204 <206>). Eine „Erlassautomatik” für nach dem Gesetz bereits begünstigte Veräußerungsvorgänge nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) im Rahmen der Kirchensteuerfestsetzung ohne Einzelfallprüfung ist gesetzeswidrig und für den Senat daher ohnehin unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung nicht zu beachten.

    3.7 Für die Erlasspraxis im Sinne einer „Erlassautomatik” gibt es kein Gewohnheitsrecht. Dies hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 2. Februar 1995 VI 41/91 (EFG 1995, 691, BB 1995, 1223) festgestellt. Auf diese Entscheidung wird verwiesen.

    3.8 Die geänderte Erlasspraxis des Kirchensteueramtes verletzt nach den vorstehenden Ausführungen in keiner Weise den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Folglich bedarf es zur Wahrung dieser Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht einer - vom Klägervertreter als notwendig erachteten - Übergangsregelung.

    4. Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts (§ 96 Abs. 1 FGO) hat das Kirchensteueramt den streitigen Erlassantrag der Kläger vom 28.05.2002 nach § 227 AO frei von Ermessensfehlern abgelehnt, da für diesen keinerlei sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe vorliegen. Der Ablehnungsbescheid vom 06.06.2002 entspricht in rechtsstaatlich nicht zu beanstandender Form auch der seit Februar 1998 angewandten geänderten Erlasspraxis des Kirchensteueramtes. Ein Rückfall in die von den Klägern begehrte - allein aus dem Nachweis eines Veräußerungsgewinns folgende - Erlassautomatik der Jahre 1989 bis 1992 wäre ein Verstoß gegen § 227 AO und damit ein eindeutiger Ermessensfehlgebrauch.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. III.

    Für die vom Prozessbevollmächtigten - für den Fall der Klageabweisung - beantragte Zulassung der Revision fehlt es an den nach § 115 Abs. 2 FGO notwendigen Voraussetzungen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in dem Sinne, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 1987 1 B 129/86, BFH/NV 1987, 595), ist für das Gericht nicht erkennbar.

    VorschriftenAO § 227, EStG § 34 Abs. 2