Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 15.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121498

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 25.01.2012 – 8 K 1937/06

    1. Erbringt ein Unternehmer in Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt, ist grundsätzlich von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen. Leistungen, die ein eingetragener Verein (e. V.) von einer Gemeinde im Zusammenhang mit Tätigkeiten erhält, die er in Erfüllung seines satzungsmäßigen Zwecks ausübt, sind hingegen nicht steuerbare „echte”) Zuschüsse.


    2. An der Einwohnerzahl bemessene, jährlich neu zu beantragende Zuwendungen einer Gemeinde an einen e. V., der ein Tierheim betreibt, in das er entsprechend seinem satzungsmäßigen Zweck im Gemeindegebiet aufgefundene herrenlose Tiere aufnimmt, sind keine Entgelte für eine steuerpflichtige Leistung.


    Sächsisches FG v. 25.01.2012

    8 K 1937/06

    Tatbestand
    Streitig ist, ob Zahlungen der Stadt L. an den Kläger Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen sind.

    Satzungsgemäßer Zweck des Klägers ist es u.a., als helfende und vermittelnde Anlaufstelle für alle Tiere in Not tätig zu sein und ein Tierheim zu betreiben.

    Mit Vertrag vom 28.04.1992 wurde der Kläger von der Stadt L. beauftragt, kommunale Hoheitsaufgaben wahrzunehmen (§ 1). Er fängt erkennbar herrenlose Fundtiere ein bzw. holt gefundene Tiere unverzüglich nach Benachrichtigung durch den Finder, durch städtische Ämter außer dem Veterinäramt oder durch die Feuerwehr ab und verbringt sie in das Tierheim. Er gewährleistet die Annahme von Tieren, die das Veterinäramt zum Tierheim bringt. Mit Ausnahme von Tieren aus dem Vollzug des Tierschutzgesetzes erfolgt die Aufnahme im Tierheim nur im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten (§ 2). Die verwahrten Tiere werden für sechs Monate unterhalten, wobei der Kläger berechtigt ist, Tiere vor Ablauf dieser gesetzlichen Verwahrungsfrist unter Vorbehalt der Rechte des Verfügungsberechtigten geeigneten Personen zu übergeben (§ 3). Gemäß § 6 Abs. 3 fördert die Stadt den Kläger mit einer Zuwendung von 0,50 DM je Einwohner für die Mitfinanzierung, Betreibung und Erhaltung des Tierheims.

    Während 1995 die Zuwendungen an den Kläger ohne Zuwendungsbescheid überwiesen wurden, bewilligte die Stadt für die Streitjahre auf Antrag des Klägers Zuwendungen für die Aufnahme und Betreuung kleiner gefundener, abgegebener oder eingezogener Heimtiere. Als Rechtsgrundlagen nannten die Zuwendungsbescheide 1996 und 1997 die „allgemeinen Grundsätze und Aufgaben der Gemeindeordnung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit der Förderung von Vereinen mit gemeinnützigen Zielen und den allgemeinen Grundsätzen § 26 der Gemeindehaushaltsverordnung” bzw. ab 1998 die „Vorläufige Verwaltungsvorschrift für die Bewilligung staatlicher Zuwendungen nach § 44 Abs. 1 Vorläufige Sächsische Haushaltsverordnung”, die „Organisations-Verfügung des OBM Nr. 21/97 vom 24.11.1997, Rahmenrichtlinien der Stadt L. zur Vergabe von Zuwendungen an außerhalb der Stadtverwaltung stehende Stellen” und die „Allgemeinen Nebenbestimmungen der Stadt L. für Zuwendungen zur institutionellen Förderung vom 23.10.1997”. Die bewilligten Zuwendungen blieben teilweise hinter den beantragten Zuwendungen zurück und entsprachen nur ungefähr den im Vertrag vom 28.04.1992 zugesagten Beträgen. Maßgeblich für die Bewilligung waren die anerkannten zuwendungsfähigen Aufwendungen. Im Einzelnen:

    Jahr Bewilligt Beantragt 0,50 DM/0,25 EUR pro Einwohner
    1996 (DM) 265.000 265.000 254.918
    1997 (DM) 265.000 265.000 250.897
    1998 (DM) 265.000 265.000 247.644
    1999 (DM) 258.100 668.286 246.936
    2000 (DM) 245.000 684.304 246.604
    2001 (DM) 230.966 782.070 246.526
    2002 (EUR) 113.650 234.944 123.698

    Aufgrund einer Außenprüfung behandelte der Beklagte die Zuwendungen mit Änderungsbescheiden über die Umsatzsteuer 1996 und 1997 jeweils vom 08.07.1999 sowie mit Bescheiden über die Umsatzsteuer 1998 bis 2002 vom 18.05.2000, vom 20.06.2001, vom 20.06.2002, vom 15.04.2004 und vom 12.08.2004 als Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die dagegen gerichteten Einsprüche wies der Beklagte mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 29.09.2006 als unbegründet zurück.

    Am 27.01.2006 hat der Kläger Klage erhoben.

    Im Klageverfahren hat der Beklagte die Bescheide über die Umsatzsteuer 1999 bis 2002 unter dem 16.04.2007 geändert, soweit (versehentlich) auch Zuschüsse des Regierungspräsidiums L. bzw. der Landesjustizkasse der Umsatzsteuer unterworfen worden waren.

    Der Kläger ist der Auffassung, den streitigen Zuwendungen sei nicht der Vertrag vom 28.04.1992 zugrunde gelegt worden. Er habe die Zuschüsse der Stadt wie jeder andere Verein auch jährlich neu beantragen müssen und auf der Grundlage des Haushaltsrechtes und der dazu erlassenen Nebenbestimmungen erhalten. Es seien teilweise einseitige pauschale Kürzungen der Vereinsförderung erfolgt. Eine Abrechnung von Leistungen durch den Kläger sei niemals gefordert oder vorgenommen worden. Der Kläger betreibe das Tierheim nicht aufgrund der vagen Zuschuss-Zusage der Stadt sondern aufgrund seines Satzungszwecks. Er bemühe sich vielmehr seit geraumer Zeit erfolglos um eine vertragliche Regelung im Rahmen eines künftigen Leistungsaustausches.

    Anders als in anderen Bundesländern gebe es in Sachsen keine Fundtierverordnung. Es sei daher unklar und zweifelhaft, inwieweit die Zuständigkeit für die Leistungen, die der Kläger erbringe, bei der Stadt liege. Leistungen erbringe der Kläger gegenüber der Stadt auf der Grundlage eines Tierfahrdienstvertrages, der etwa im Jahr 2000 abgeschlossen worden sei, nachdem die Feuerwehr entsprechende Leistungen nicht mehr erbringen sollte. Der streitbefangene Vertrag hingegen, der in der Tat eine Leistungsbeziehung vorsehe, sei nicht mehr durchgeführt worden, nachdem die Stadt gegenüber dem Vorstand des Klägers erklärt habe, er müsse Fördermittelanträge stellen. Die Stadt habe erklärt, Pauschalzahlungen würden nicht mehr geleistet. Diese Erklärung sei Ende 1995/Anfang 1996 abgegeben worden. Erst in einem im Jahr 2005 mit der Stadt L. geschlossenen Vertrag sei wieder eine Leistungsbeziehung vereinbart worden. Im Jahr 2009 sei dann auch durch das Rechnungsprüfungsamt der Stadt die Leistungserbringung durch den Kläger überprüft worden.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid über Umsatzsteuern 1996 vom 08.07.1999, den Bescheid über Umsatzsteuer 1997 vom 08.07.1999, den Bescheid über Umsatzsteuer 1998 vom 18.05.2000, den Bescheid über Umsatzsteuer 1999 vom 20.06.2002, den Bescheid über Umsatzsteuer 2000 vom 20.06.2002, den Bescheid über Umsatzsteuer 2001 vom 15.04.2004 und den Bescheid über Umsatzsteuer 2002 vom 12.08.2004 in der Fassung der (zusammengefassten) Einspruchsentscheidung vom 26.09.2006 aufzuheben und dahingehend zu ändern, dass Zuschüsse der Stadt L. in Höhe von 265.000 DM im Jahr 1996, 265.000 DM im Jahr 1997, 265.000 DM im Jahr 1998, 358.100 DM im Jahr 1999, 245.000 DM im Jahr 2000, 230.966 DM im Jahr 2001 und 113.665 EUR im Jahr 2002 nicht steuerpflichtig sind.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, die Stadt übertrage hoheitliche Aufgaben auf den Kläger. Dafür erhalte dieser die der Umsatzsteuer unterworfenen Entgelte. Auf die Bezeichnung als Zuschuss bzw. Zuwendung komme es nicht an. Auch auf welche Weise die Zahlungen erfolgt seien, ob nun direkt aufgrund des Vertrages vom 28.04.1992 oder aufgrund förmlicher Bewilligung, sei nicht entscheidend. Selbst die Durchsetzbarkeit des Entgeltes sei unbeachtlich. Ein Vertrag sei keine Voraussetzung für den umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch. Es genüge, dass der Steuerpflichtige seine Leistung in Erwartung der Gegenleistung erbringe. Die Zahlungen durch die Stadt seien nicht erfolgt, um den Kläger in die Lage zu versetzen, überhaupt tätig zu werden. Der Kläger sei bereits seit seiner Wiedergründung 1990 tätig. Erst mit der Aufgabenübertragung im Jahr 1992 seien jedoch Zuwendungen gewährt worden. Zwar seien Zuwendungen aus öffentlichen Kassen, die ausschließlich auf der Grundlage des Haushaltsrechtes und der dazu erlassenen Nebenbestimmungen vergeben würden, nach R 150 Abs. 8 UStR grundsätzlich echte, nicht steuerbare Zuschüsse. Im Streitfall müsse indessen von der Fortgeltung des Vertrages vom 28.04.1992 als Rahmenvereinbarung ausgegangen werden. Die vertragsgegenständlichen hoheitlichen Aufgaben seien auch in den Streitjahren vom Kläger und nicht von der Stadt ausgeübt worden.

    Auf Anfrage hat die Stadt L. dem Gericht mitgeteilt, dass die dem Kläger gewährten Zuschüsse sich in den Streitjahren nach dem Stadratsbeschluss 458/92 vom 15.04.1992 „Vertrag der Stadt L. mit dem T.-Verein L. und Umgebung e.V.” bemessen hätten. Die hier prinzipiell festgeschriebenen Pauschalbeträge von 0,50 DM bzw. 0,25 EUR pro Einwohner seien über die Jahre hinweg eingehalten worden. Die Arbeit der Umwelt- und Naturschutzvereine sei nicht vergleichbar. Das Amt für Umweltschutz gebe keine Pflichtaufgaben mittels Zuwendung an die Vereine ab.



    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit die Zuschüsse der Stadt L. als steuerpflichtig behandelt wurden (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO).

    Die Fortführung der gemäß § 1 bis § 3 des Vertrages vom 28.04.1992 übernommenen Dienstleistungen stellte in den Streitjahren keine sonstige Leistung gegen Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – dar. Sie unterliegt damit nicht der Umsatzsteuer.

    Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

    Nach ständiger Rechtsprechung erbringt ein Unternehmer Leistungen gegen Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn zwischen ihm und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, dass einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist. Für Leistungen an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gelten insofern keine Besonderheiten. Bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen fehlt es demnach an dem für die Steuerbarkeit einer Leistung erforderlichen Leistungsaustausch, wenn die Zahlung lediglich der Förderung der Tätigkeit des Zahlungsempfängers allgemein – aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen – dient und deshalb nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Leistung an den Zahlenden steht. Erbringt jedoch ein Unternehmer in Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt, ist grundsätzlich von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen. Ohne Bedeutung ist, ob es sich bei der übernommenen Tätigkeit um eine grundsätzlich der betreffenden Körperschaft des öffentlichen Rechts obliegende Pflichtaufgabe handelt. Unerheblich ist auch, ob die Leistung dem Nutzen der Allgemeinheit dient. Denn die Motive für die Begründung des Leistungsaustausches stellen den für den Leistungsaustausch erforderlichen Zusammenhang nicht in Frage (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 23/09 m.w.N.).

    Im Streitfall ist der erkennende Senat im Ergebnis seiner Beratung zu der Überzeugung gelangt, dass die Zahlungen der Stadt L. an den Kläger in den Streitjahren nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den durch den Kläger fortgeführten Dienstleistungen im Sinne des Vertrages vom 28.04.1992 stehen. Der Vertrag vom 28.04.1992 wurde für die Streitjahre aufgehoben. Unabhängig davon, ob die Stadt L. wirksam nach § 620 Abs. 2, § 621 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – gekündigt hat, hat sich der Kläger durch fortdauernde klaglose Stellung von Zuwendungsanträgen auf die von der Stadt verlangte Vertragsauflösung eingelassen. Obschon der Kläger die im Vertrag geregelten Leistungspflichten weiterhin erfüllt hat, wurde er nicht mehr aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung, sondern aufgrund seines satzungsgemäßen Vereinszweckes tätig.

    Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Leistungen des Klägers und den Zahlungen der Stadt L. sieht der Senat auch nicht deshalb, weil die Stadt L. die Zuschüsse an den Kläger in den Streitjahren weiterhin nach dem Stadtratsbeschluss über den Vertrag vom 15.04.1992 bemessen und die darin festgeschriebenen Pauschalbeträge pro Einwohner über die Jahre hinweg eingehalten haben will. Als Rechtsgrundlage wurden in den Zuwendungsbescheiden die haushaltrechtlichen Grundsätze herangezogen, die für die Förderung von Vereinen mit gemeinnützigen Zielen gelten. Dass der Kläger dabei gegenüber anderen etwa im Bereich des Unwelt- und Naturschutzes tätigen Vereinen hinsichtlich der Bemessung der Zuwendungen anders behandelt wurde, weil er Pflichtaufgaben der Stadt in den Bereichen Tierschutz, Tierseuchenschutz, Gesundheitsschutz und Gefahrenabwehr übernommen hat, ist nicht ausschlaggebend. Denn die Motive für eine Zahlung können einen Leistungsaustausch genau so wenig begründen, wie sie ihn umgekehrt in Frage stellen können. Entscheidend ist, dass der Kläger nach der Vertragsaufhebung seine Leistungen nicht mehr um der Gegenleistung willen erbracht hat und aufgrund seines fehlenden Rechtsanspruches auch nicht mehr in Erwartung der Gegenleistung erbringen konnte.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Sätze 1 und 2 und § 709 Satz 2 Zivilprozessordnung – ZPO –.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

    RechtsgebietUStGVorschriftenUStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1