Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 05.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123646

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.02.2012 – 5 K 3717/09 U

    - Leistungen eines Vereins der freien Wohlfahrtspflege im Bereich des ärztlichen Notdienstes in Gestalt der Unterhaltung einer Rettungsleitstelle und eines Fahrdienstes unter Einsatz ausgebildeter Rettungshelfer sind sowohl nach § 4 Nr. 18 UStG als auch unmittelbar nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG von der Umsatzsteuer befreit.
    - Der Umstand, dass diese Leistungen im Auftrag und gegen Vergütung der regional zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung erbracht werden, hindert nicht die Feststellung, dass sie i.S.d. § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG unmittelbar dem begünstigten Personenkreis zugute kommen.
    - Die Steuerfreiheit der Leistungen ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das sog. Preisabstandsgebot des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG zu versagen, weil gleichartige Leistungen entsprechender Erwerbsunternehmen nicht festzustellen sind und ein solches Abstandsgebot im Übrigen bei gesetzlich oder behördlich genehmigten Preisen nicht richtlinienkonform i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG ist.


    Tatbestand
    Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein. Streitig ist zwischen den Beteiligten die Frage, ob die vom Kläger im Jahr 1993 entsprechend seiner satzungsgemäß wahrgenommenen Mitwirkung am ärztlichen Notfalldienst erbrachten Leistungen als steuerfrei gemäß § 4 Nr.18 - Umsatzsteuergesetz - UStG oder nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen sind.
    Der Kläger verfolgt gemäß § 3 Abs. 2 seiner Satzung das Ziel, der Gesundheit und der Wohlfahrt des Volkes zu dienen. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben arbeitet der Kläger mit anderen Vereinigungen und Einrichtungen zusammen, die auf den gleichen oder ähnlichen Gebieten tätig sind. Zu seinem Aufgabenbereich zählt gemäß § 3 Abs. 3 Abschn. II) Nr. 8 der Satzung u.a. auch die Mitwirkung im Ärztlichen Notfalldienst.
    Mit Vertrag vom 6.5.1975 - dem Gericht in der Fassung vom 24.9.1993 vorliegend - traf der Kläger mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein - KVNo -, welcher als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 75 Abs.1 SGB V auch die Sicherstellung eines ärztlichen Notdienstes obliegt - eine Vereinbarung, nach welcher der Kläger als Erfüllungsgehilfe der KVNo folgende Leistungen zur Durchführung des ärztlichen Notdienstes zu erbringen hatte (§ 1 des Vertrages):
    a) Bereitstellen von zwei mit Funk ausgerüsteten Kraftwagen mit je einem Fahrer zur Beförderung von Notfallärzten bei der Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes.
    b) Bereitstellen und Betrieb einer Leitzentrale zur Durchführung des für die Leistung der Kraftwagen erforderlichen Funk- und Fernsprechverkehrs.
    c) Annahme und Vermittlung eingehender Notfallrufe.
    d) Führen schriftlicher Aufzeichnungen über die Tätigkeiten gemäß a - c unter Verwendung bestimmter Formblätter, deren Inhalt mit der KVNo abzustimmen ist.
    e) Fernmündliche Vermittlung von Konsiliarwünschen des Notfallarztes an Fachärzte.
    Diese Leistungen sollten vom Kläger gemäß § 2 des Vertrages nachts sowie an den Wochenenden und Feiertagen erbracht werden. Die nähere Ausgestaltung der in § 1 des Vertrages aufgeführten Leistungen des Klägers wird durch § 3 dieser Vereinbarung geregelt. Außerdem existiert eine zwischen der Ärztekammer Nordrhein, der KVNo und dem Kläger vereinbarte „Dienstanweisung für den ärztlichen Notfalldienst” vom 1.4.1993, in der die Aufgaben des Dienstes und die erforderliche Ausstattung näher konkretisiert werden (Bl. 185 ff. der FG-Akte). Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird Bezug genommen.
    Im Wesentlichen nahm die vom Kläger eingerichtete Leitzentrale Anrufe von Notfallpatienten entgegen und leitete diese an die jeweils diensthabenden Ärzte weiter. Im Bedarfsfall wurde mit vom Kläger eingesetzten Fahrern, bei denen es sich um ausgebildete Rettungshelfer unter Einsatz von Zivildienstleistenden handelte, und mit den hierfür bereitgestellten Fahrzeugen der jeweils diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes hatten die Fahrer diesen in die Patientenwohnung zu begleiten und ihm zu assistieren. Dies sei nach Darstellung des Klägers die Regel gewesen. Waren zur Versorgung der Patienten weitere Hilfsmittel (insb. Kranken- oder Rettungswagen) erforderlich, so konnten diese ebenfalls über die Leitzentrale angefordert werden.
    Die Leistungen des Klägers sollten von der KVNo durch die Zahlung eines Pauschalbetrages pro Jahr, zahlbar in vierteljährlichen Raten, abgegolten werden (§ 5 des Vertrages vom 24.9.1993). In einem vom Kläger angestrengten Verwaltungsgerichtsverfahren vor dem VG Köln, Az. 8 K 4713/91 gegen das Bundesamt für Zivildienst, welches die Frage der Zulässigkeit des Einsatzes von Zivildienstleistenden als Fahrer des ärztlichen Notdienstes zum Verfahrensgegenstand hatte, teilte die KVNo mit, dass die ihr entstandenen Kosten für den in dieser Form durchgeführten ärztlichen Notdienst nicht in voller Höhe durch die ihr von den Krankenkassen erstatteten Wegegelder gedeckt werden könnten. In den Jahren 1987 bis 1990 sei vielmehr ein Defizit aufgelaufen, welches von den Ärzten getragen worden sei.
    In dem Urteil des VG Köln vom 26.2.1996 8 K 4713/91 kam das Gericht zu der Feststellung, dass der Einsatz von Zivildienstleistenden im Rahmen der Beteiligung am ärztlichen Notdienst des Klägers durch § 1 des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer - ZDG - gerechtfertigt sei, weil der Einsatz der Zivildienstleistenden im ärztlichen Notdienst nicht privaten Interessen (der Notärzte), sondern dem Allgemeinwohl diene. Im Hinblick auf die gesamte Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers im ärztlichen Notdienst trete die Tätigkeit als bloßer Fahrer des Arztes derart in den Hintergrund, dass sie für die Frage der Gemeinwohltätigkeit nicht entscheidend sein könne.
    Die Berufung des Bundesamtes für Zivildienst gegen das Urteil des VG Köln hatte keinen Erfolg. Im Berufungsurteil des OVG Münster 24 A 2400/96 vom 11.3.1998 wurde die Auffassung des Klägers bestätigt, wonach der Einsatz von Zivildienstleistenden durch den Kläger im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes dem Allgemeinwohl diene, weil deren Tätigkeit als Förderung des Wohlfahrtswesen i.S. des § 52 Abs.2 Nr.2 AO zu qualifizieren sei und keineswegs als bloße Fahrtätigkeit für die diensthabenden Ärzte beurteilt werden könne.
    Auf den Inhalt der Urteile des VG Köln vom 26.2.1996 und des OVG Münster vom 11.3.1998 wird in den Entscheidungsgründen Bezug genommen.
    Der Kläger reichte seine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1993 am 24.4.1995 ein. Hierin erklärte er für den Bereich „ärztlicher Notdienst” steuerpflichtige Umsätze und hiermit zusammenhängende Vorsteuerbeträge. Die erklärungsgemäße Abrechnungsmitteilung datiert auf den 26.5.1995.
    Mit Prüfungsanordnung vom 11.10.1999 ordnete das beklagte Finanzamt - FA - eine Betriebsprüfung zunächst für die Jahre 1992 bis 1998 an, mit der am 29.11.1999 begonnen werden sollte. Auf schriftlichen Antrag des Klägers vom 18.11.1999 hin wurde der Prüfungsbeginn auf den 21.2.2000 verschoben. In seinem Prüfungsbericht vom 24.6.2008 - der Prüfungszeitraum war zwischenzeitlich auf die Jahre 1999 bis 2001 erweitert worden - gelangte der Prüfer zu der Feststellung, dass die regelbesteuerten Umsätze aus dem Bereich „ärztlicher Notdienst” zutreffend vom Kläger für das Jahr 1993 erklärt worden seien, jedoch die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge zu erhöhen seien. Nach den ertragsteuerlichen Feststellungen des Prüfers standen im Jahr 1993 Einnahmen des Klägers aus der Beteiligung am ärztlichen Notdienst Ausgaben gegenüber. Auch im Vorjahr 1992 und in den Folgejahren bis einschließlich 2000 war die Beteiligung am ärztlichen Notdienst verlustbringend für den Kläger.
    Das beklagte Finanzamt - FA - folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte die Umsatzsteuer 1993 durch Änderungsbescheid vom 23.9.2008 herab.
    Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 23.10.2008 fristgemäß Einspruch eingelegt und beantragt, die Umsätze aus dem Bereich „ärztlicher Notdienst” gemäß § 4 Nr.18 bzw. § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei zu belassen, hilfsweise, diese Umsätze gemäß § 12 Abs.2 Nr. 8 Buchst. a) UStG ermäßigt zu besteuern.
    Der Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 15.9.2009 als unbegründet zurückgewiesen.
    Hiergegen richtet sich die am Montag, dem 19.10.2009 eingegangene Klage.
    Der Kläger trägt vor, es habe sich bei den von der KVNo erhaltenen jährlichen Zahlungen nicht um Entgelt für steuerbare Leistungen gehandelt, sondern um nicht steuerbare Zuschüsse, die erfolgt seien, um überhaupt tätig zu werden und seine satzungsmäßigen Zwecke zu erfüllen.
    Der Kläger vertritt die Auffassung, dass es sich bei den aufgrund der Vereinbarung mit der KVNo erbrachten Leistungen um steuerfreie Leistungen gemäß § 4 Nr.18 UStG gehandelt habe. Er sei gemäß § 23 Nr. 4 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung - UStDV - als Verband der freien Wohlfahrtspflege amtlich anerkannt. Bei der Tätigkeit, welche der Kläger mit der Einrichtung und dem Betrieb der Notrufleitzentrale und dem Fahrdienstbetrieb ausgeübt habe, handele es sich um einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb i.S. der §§ 65, 66 der Abgabenordnung - AO -. Da es sich bei den streitigen Leistungen des Klägers um solche der freien Wohlfahrtspflege gehandelt habe, seien diese gemäß § 4 Nr.18 UStG steuerfrei zu belassen. Die Leistungen des Klägers im Rahmen des ärztlichen Notdienstes seien unmittelbar und überwiegend dem in § 53 AO genannten Personenkreis zugute gekommen. An der Unmittelbarkeit ändere sich auch nichts dadurch, dass er seine Leistungen aufgrund des Vertrages mit der KVNo erbracht habe, da die Leistungen des Fahrdienstes und insbesondere der von ihm eingesetzten ausgebildeten Rettungshelfer direkt den behandelten Patienten zugute gekommen seien. Aus deren Sicht seien die erbrachten Leistungen des Fahrdienstes und der Rettungssanitäter nicht der KVNo zuzuordnen. Sowohl die spezielle Ausrüstung der eingesetzten Notfallfahrzeuge als auch die Versorgungstätigkeiten der Rettungssanitäter seien unmittelbar den Patienten zugute gekommen. Auch § 7 der vertraglichen Vereinbarung, in denen die im Rahmen des ärztlichen Notdienstes tätigen Mitarbeiter des Klägers als „Gehilfen des jeweiligen Notfallarztes” bezeichnet werden, weise darauf hin, dass diese auch direkt in die Versorgungsleistungen am Patienten einbezogen seien.
    Der Kläger habe mit seiner Teilnahme am ärztlichen Notdienst der KVNo nicht vorrangig einen Erwerbszweck verfolgt und auch keine Überschüsse erzielt. Der Kläger ist der Ansicht, dass er mit diesem Geschäftsbetrieb auch nicht zu anderen, nicht begünstigten Betrieben in eine Wettbewerbssituation gemäß § 65 Nr.3 AO getreten sei, da es für die von ihm angebotenen qualifizierten Leistungen, die über reine Fahrdiensttätigkeiten weit hinausgegangen seien, keine Mitwettbewerber am Markt gebe.
    Der Kläger ist des Weiteren der Auffassung, dass die Leistungen im Rahmen des ärztlichen Notdienstes als arztähnliche Leistungen i.S. des § 4 Nr.14 UStG zu beurteilen und somit auch nach dieser Vorschrift steuerbefreit zu belassen seien. Die Rettungshelfer hätten die behandelnden Ärzte bei deren Notfallbehandlung vielfältig unterstützt, u.a. durch Versorgung von Wunden, Absaugung von Körperflüssigkeit, Mithilfe bei Reanimierungshandlungen (Mund-zu-Mund-Beatmung), Erstversorgung von Knochenbrüchen, Messung von Puls, Blutdruck und Blutzucker etc.
    Im übrigen könne sich der Kläger auch unmittelbar auf die Steuerfreiheit gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), da es sich bei seinen Leistungen im Rahmen der Beteiligung am ärztlichen Notdienst um eng mit der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen gehandelt habe und diese Vorschrift wegen fehlerhafter Umsetzung in nationales Recht unmittelbare Rechtswirkung entfalte. Hierbei sei das Merkmal „eng...verbunden” nicht gleichbedeutend mit dem Merkmal der „Unmittelbarkeit” i.S. des § 4 Nr. 18 UStG zu setzen, sondern weiter zu fassen.
    Der Kläger beantragt,
    den Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 23.9.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.9.2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer gemindert wird;
    und festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war.
    Das beklagte Finanzamt beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Das FA hält an seiner schon im Veranlagungs- und im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest, wonach es sich bei den Umsätzen des Klägers, welche er in den Streitjahren mit seiner Teilnahme am ärztlichen Notdienst erbracht habe, um steuerpflichtige Umsätze, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien, handele. Hierbei bezieht sich das FA insbesondere auf das frühere Urteil 5 K 3/97 U vom 24.10.2001 (EFG 2002, 355) des erkennenden Senats, welches gegen denselben Kläger erging und den gleichen Sachverhalt, allerdings die vorangegangenen Jahre 1989 bis 1992 betraf. In diesem Urteil habe das Gericht sowohl die Steuerfreiheit der Umsätze des Klägers im Bereich „ärztlicher Notdienst” als auch eine Steuerermäßigung gemäß § 12 Abs.2 Nr. 8 Buchst. a) UStG verneint.
    Eine Steuerfreiheit der Umsätze gemäß § 4 Nr.18 UStG komme mangels Vorliegens der hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht in Betracht: Der Kläger habe mit der Durchführung des Fahrdienstes im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes selbst keine Leistungen erbracht, welche i.S. von § 4 Nr.18 a) UStG ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienten. Abzustellen sei nämlich insoweit nicht auf die sich an den Fahrdienst des Klägers anschließende Patientenversorgung durch den von dem Kläger beförderten Arzt, sondern auf die Fahrdienstleistung als solche. Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr.18 b) UStG seien nicht erfüllt, da die Leistungen des Klägers nicht unmittelbar dem nach seiner Satzung begünstigten Personenkreis, also vor allem kranken, pflege- und hilfsbedürftigen oder notleidenden Personen, zugute gekommen seien. Unmittelbare Empfängerin der vom Kläger erbrachten Leistungen sei vielmehr die KVNo gewesen, der nach § 75 Abs.1 Satz 2 SGB V die Sicherstellung des ärztlichen Notfalldienstes oblegen habe.
    Nach der vorliegenden Vereinbarung mit der KVNo habe der Kläger sein Entgelt für Leistungen erhalten, die vorrangig der KVNo zugute gekommen seien. Sie sei hiernach zur Bereitstellung von Fahrzeugen samt Fahrern, dem Unterhalten einer Leitzentrale und der Vermittlung von Telefonaten verpflichtet gewesen. Darüber hinausgehende Leistungen - Patientenversorgung durch Rettungshelfer, Medikamentenabholung und der Einsatz von speziell ausgerüsteten Einsatzfahrzeugen - seien womöglich als unmittelbare Leistungen gegenüber den Hilfsbedürftigen i.S.v. i.S. von § 4 Nr. 18 UStG zu beurteilen, hierzu sei die Klägerin aber nicht aufgrund des Vertrages mit der KVNo verpflichtet gewesen, sondern habe diese Leistungen vielmehr freiwillig zusätzlich erbracht.
    Auch eine Steuerbegünstigung gemäß § 12 Abs.2 Nr.8 UStG kommt nach Ansicht des FA für die streitigen Umsätze nicht in Betracht, da es sich bei dem Betrieb der Notrufleitzentrale und der Fahrbereitschaft im Rahmen des ärztlichen Notdienstes nicht um einen Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO handele. Die Voraussetzung des § 65 Nr.3 AO, wonach von einem steuerbegünstigten Zweckbetrieb nur ausgegangen werden könne, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb trete, sei bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht erfüllt: Der Kläger trete mit seinem ärztlichen Fahrdienst in Konkurrenz zu anderen Transportunternehmen, da die von ihm durchgeführten Fahrten nicht notwendigerweise mit besonders ausgerüsteten Fahrzeugen erfolgen müssten, sondern auch mit den privaten PKW der diensthabenden Ärzte bzw. mit einem Taxi durchgeführt werden könnten.
    Gründe
    Die zulässige Klage ist begründet, da sich der Kläger bezüglich seiner im ärztlichen Notdienst erbrachten Umsätze mit Erfolg sowohl auf die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 18 UStG als auch unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann.
    I. Das FA war nicht durch zwischenzeitlichen Eintritt der Festsetzungsverjährung daran gehindert, die erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Umsatzsteuerfestsetzung 1993 (vergl. § 168 AO) durch den angefochtenen Bescheid vom 23.9.2008 zu ändern:
    Die zunächst erklärungsgemäße Umsatzsteuerfestsetzung 1993 beruhte auf der vom Kläger am 25.4.1995 eingereichten Umsatzsteuererklärung. Vor Eintritt der Festsetzungsverjährung am 31.12.1999 (siehe §§ 169 Abs.2 Nr.2, 170 Abs.2 Nr.1 AO) wurde durch Verfügung vom 11.10.1999 beim Kläger eine Außenprüfung angeordnet, welche zu einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs.4 Satz 1 AO führte. Zwar wurde mit der Außenprüfung erst am 21.2.2000 - und damit eigentlich nach Eintritt der Festsetzung begonnen - allerdings geschah dies auf ausdrücklichen schriftlichen Antrag des Klägers vom 18.11.1999 hin (§ 171 Abs.4 Satz 1: „Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist…nicht ab, ...”).
    Die Festsetzungsverjährung trat auch nicht während der sich bis 2008 hinziehenden Betriebsprüfung gemäß § 171 Abs.4 Satz 3 AO ein, da auch durch eine Unterbrechung der Prüfungshandlungen - insbesondere während der ca. vierjährigen Wartezeit des Prüfers auf eine Anweisung der OFD (siehe Bl. 1314 - 1315 der Prüferakten) - nicht die in § 169 Abs.2 Nr.2 AO normierten Fristen überschritten wurden, ohne dass der Prüfer Ermittlungshandlungen vorgenommen hätte.
    II. Der Kläger ist aufgrund des Vertrages mit der KVNo „über Leistungen zur Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes in der Stadt A” unternehmerisch i.S. von § 2 Abs.1 UStG tätig geworden, insbesondere hat er mit Einnahmeerzielungsabsicht nachhaltig die Leistungen zur Durchführung des ärztlichen Notdienstes er-bracht, zu denen er sich in dem Vertrag gegenüber der KVNo verpflichtet hat. Die Auffassung des Klägers, es habe sich bei der Zahlung des vertraglich vereinbarten Pauschbetrages (siehe § 5 des Vertrages vom 24.9.1993) lediglich um einen nichtsteuerbaren Zuschuss der KVNo an den Kläger gehandelt, damit dieser seine satzungsgemäßen Zwecke erfüllen könne, ist angesichts des klaren Vertragswortlauts (§ 5 des Vertrages: „Die KVNo zahlt für die vorstehend vereinbarten Leistungen einen Pauschalbetrag im Jahr,...”) und der zu dieser Frage ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (siehe u.a. Entscheidungen des BFH vom 30.01.1997 V R 133/93, BFHE 182, 413; BStBl II 1997, 335 und vom 23.03.2009 XI B 89/08, BFH/NV 2009, 976) nicht haltbar. Es ist eindeutig, dass vorliegend zwischen der jährlichen Zahlung (= Entgelt) und den Leistungen des Klägers im Bereich des ärztlichen Notdienstes (= sonstige Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der nach der angeführten Rechtsprechung des BFH die Annahme eines nichtsteuerbaren Zuschusses ausschließt.
    III. Die vom Kläger begehrte Umsatzsteuerfreiheit ergibt sich nicht aus § 4 Nr. 14 UStG in der im Streitjahr 1993 geltenden Fassung. Danach sind steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. Die Steuerbefreiung setzt jedoch nach richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderlichen Befähigungsnachweise besitzt (vgl. EuGH-Urteil vom 10.09.2002 Rs. C-141/00, UR 2002, 513; EuGH vom 06.11.2003 Rs. C-45/01, UR 2003, 585; BFH-Urteil vom 19.12.2002 V R 28/00, UR 2003, 284; BFH-Urteil vom 01.04.2004 V R 54/98, UR 2004, 472). Heilbehandlungen im Sinne des Art. 13 A Abs. 1 Buchst. c) der 6. EG-Richtlinie sind danach Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen. Nicht unter die Befreiung fallen danach Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzepts sind.
    Die Leistungen, welche der Kläger im Rahmen seines Vertrages mit der KVNo erbracht hat, waren zwar Voraussetzung für die erforderlichen ärztlichen Notbehandlungen, dienten aber selbst im Wesentlichen nicht der Behandlung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen und werden daher nicht von § 4 Nr. 14 UStG erfasst. Soweit man in der Verpflichtung der Fahrer, dem jeweilig behandelnden Arzt im Bedarfsfall zu assistieren, eine Heilbehandlungsleistung i.S. des § 4 Nr. 14 UStG annehmen wollte, handelt es sich hierbei lediglich um einen unselbständigen Teilbereich der nach dem Vertrag mit der KVNo insgesamt geschuldeten Leistungen.
    IV. Der Kläger beruft sich aber zu Recht bezüglich der hier streitigen Leistungen auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 18 UStG.
    Nach dieser Vorschrift sind „die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, steuerfrei, wenn
    a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,
    b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und
    c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben”.
    1. Bei dem Kläger handelt es sich um einen „amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege” i.S. des § 4 Nr. 18 UStG i.V.m. § 23 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung - UStDV -, der nach seiner Satzung ( ) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolgt. Zweck des Klägers ist hiernach die Förderung mildtätiger Zwecke, der Wohlfahrtspflege, der Jugend- und Altenhilfe sowie der Gesundheitshilfe.
    2. Entgegen der in der früheren Senatsentscheidung vom 24. Oktober 2001 - 5 K 3/97 U - (EFG 2002, 355) vertretenen Ansicht hält das Gericht nicht mehr an der Auffassung fest, wonach die hier in Frage stehenden Leistungen des Klägers aus seiner Beteiligung am ärztlichen Notdienst bereits deshalb nicht nach § 4 Nr. 18 UStG steuerbefreit seien, weil der Kläger aufgrund des mit der KVNo bestehenden Vertrages nur dieser gegenüber als deren Erfüllungsgehilfe zu den streitigen Leistungen zivilrechtlich verpflichtet war.
    Das Gericht folgt vielmehr der Entscheidung des BFH in dessen Urteil vom15. September 2011 - V R 16/11 - (BFH/NV 2012, 354), wonach die Voraussetzung des § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG, dass die Leistungen unmittelbar dem begünstigten Personenkreis zugute gekommen sein müssen, unabhängig von der Frage zu klären ist, wer Vertragspartner der Wohlfahrtseinrichtung geworden ist.
    Das Merkmal der Unmittelbarkeit i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG ist nach der Rechtsprechung des BFH leistungsbezogen auszulegen. Daher muss die Leistung dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis selbst unmittelbar und nicht nur mittelbar zugute kommen (BFH-Urteile vom 7. November 1996 V R 34/96, BFHE 181, 532, BStBl II 1997, 366, und vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798, jeweils Leitsatz 1).
    Diese Voraussetzung ist im Hinblick darauf, wie die Beteiligung des Klägers am ärztlichen Notdienst vorliegend tatsächlich ausgestaltet war, erfüllt, da der Kläger durch seine Hilfspersonen im Wesentlichen seine Leistungen ohne Zwischenschaltung Dritter - tatsächlich - an die Notfallpatienten und damit an nach seiner Satzung begünstigte Personen (siehe Abs. 3 Abschn. III) der Satzung des Klägers) erbracht hat.
    Die Leistungen des Klägers beschränkten sich nicht auf die bloße Organisation und Durchführung der Beförderung der diensthabenden Ärzte zu den Notfallpatienten, wie dies etwa bei der Organisation des ärztlichen Notdienstes mithilfe von Taxen und einer Taxizentrale der Fall wäre.
    Unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten „Dienstanweisung für den ärztlichen Notdienst” vom 1.4.1993 (Bl. 202 - 203 der Akte), in der die Aufgaben des Klägers dezidiert aufgeführt sind, trat der Kläger mit seinen Hilfspersonen in mehrerer Hinsicht unmittelbar, im eigenen Namen und zusätzlich zu der jeweiligen Behandlungsleistung des diensthabenden Notarztes gegenüber den Patienten in Erscheinung:
    Für die Notfallpatienten waren die Mitarbeiter des Klägers durch Entgegennahme der Notfallanrufe erste Ansprechstation. Hat der Kläger, wovon auszugehen ist, seine Beteiligung am ärztlichen Notdienst entsprechend der vorliegenden Dienstanweisung ausgestaltet, so stellte sich dessen Mitwirkung aus Sicht des Patienten als zusätzliche Leistung im Zusammenwirken mit der angefragten ärztlichen Behandlungsleistung im Sinne einer optimalen Patientenversorgung dar. Die Mitarbeiter des Klägers hatten hiernach die Patientenanrufe in dringende und weniger dringende Fälle einzuteilen, um aufgrund dieser Einteilung die entsprechenden angemessenen Maßnahmen einzuleiten (siehe Ausführungen in der Dienstanweisung unter 3. Aufgabe, 5. Dokumentation und 6. Akuter Notfall). Das vermittelte Gespräch mit dem Notarzt sollten die Mitarbeiter des Klägers mit verfolgen, um im Hintergrund bereits alles Erforderliche in die Wege zu leiten (siehe Dienstanweisung unter 5. Dokumentation: „Mit dem Hinweis „Ich verbinde Sie jetzt mit dem behandelnden Arzt, bleibe aber in der Leitung” wird dem Anrufer deutlich gemacht, dass die Leitstelle mithört, um aus dem Verlauf des Gesprächs die erforderlichen Maßnahmen herzuleiten.”).
    Auch die sich an die Konsultation der Leitstelle anschließende notärztliche Behandlung dürfte sich aus Sicht des Patienten und auch tatsächlich als arbeitsteiliges Handeln des Arztes und des Mitarbeiters im Sinne einer qualitativ besseren Patientenversorgung dargestellt haben: Auf der einen Seite die Behandlung durch den Arzt, auf der anderen Seite die Assistenz durch den vom Kläger eingesetzten Fahrer und ausgebildeten Rettungshelfer, der zugleich sich eventuell an die Behandlung anschließende notwendige Maßnahmen einzuleiten hatte (siehe Dienstanweisung unter 3. Aufgabe und 8. Fahrdienst).
    Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts OVG Münster 25 A 2400/96 vom 11.3.1998, in dem das OVG mit einer ausführlichen Begründung darlegt, dass die hier streitige Tätigkeit des Klägers der Förderung des Wohlfahrtswesens und des öffentlichen Gesundheitswesens dient und deshalb der Einsatz von Zivildienstleistenden im Rahmen des ärztlichen Notdienstes durch § 1 des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer - ZDG - gedeckt ist, wonach Zivildienstleistende dem Allgemeinwohl dienende Aufgaben zu erfüllen haben.
    In seinem Urteil führt das OVG wie folgt aus:
    „Die eigenständige, wohlfahrtspflegerische Funktion des Klägers und seiner Zivildienstleistenden bei der Krankenhilfe für Notfallpatienten ergibt sich inhaltlich daraus, dass durch die Unterstützungsleistungen in der Stadt A die Effektivität der ärztlichen Notfallhilfe gegenüber der sonst üblichen Notfalldienstpraxis zugunsten der Patienten deutlich gesteigert wird. Der Einsatz des Klägers besitzt gegenüber dem ärztlichen Beitrag zur Krankenversorgung in Notfällen ein eigenes, den Gemeinwohlbezug durch die eigenständige Förderung der Gesundheit und der Krankenhilfe verdeutlichendes Gewicht. Durch ihn werden Hilfeleistungen zugunsten außerhalb der üblichen Praxiszeiten Erkrankter oder Verletzter möglich, die von der Ärzteschaft in diesem Umfang und in dieser Effektivität nicht erbracht werden könnten und müssten.” (siehe S. 25 des OVG-Urteils 25 A 2400/96; Bl. 118 der Akte).
    Weiter führt das OVG Münster auf Seite 28 seines Urteils aus (Bl. 120 der Akte):
    „Die Unterstützungsleistungen des Klägers und damit der Zivildienstleistenden im ärztlichen Notfalldienst gehen weit über das hinaus, was die Ärzteschaft bei Einsatz von privateigenen Personenkraftwagen oder Taxen selbst leisten könnte; sie beschränken sich keineswegs auf Leistungen, die der den Notdienst verrichtende Arzt mit den ihm normalerweise zur Verfügung stehenden Mitteln auch nur annähernd gleich effektiv erbringen könnte. Der Kläger stellt mithin nicht nur Ärzten für ihren Notfalldienst bloße Chauffeure zur Verfügung; sein Einsatz verleiht dem ärztlichen Notfalldienst in der Stadt A ein besonderes, dem gesundheitlichen Wohl der dortigen Bevölkerung außerordentlich effektiv dienendes Gepräge.”
    Das Gericht folgt dem OVG darin, dass der Kläger mit seiner Unterstützung des ärztlichen Notdienstes eine auf die Förderung des Wohlfahrtswesens in Form der Krankenhilfe gerichtete eigengewichtige Tätigkeit erbracht hat, welche allen potentiellen Notfallpatienten zugute kam (vergl. Urteil des OVG Münster 25 A 2400/96 vom 11.3.1998; u.a. S. 31-32; Bl. 121 der Akte). Das Merkmal der „Unmittelbarkeit” i.S. des § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG ist damit erfüllt.
    3. Die Steuerfreiheit ihrer Leistungen im Rahmen der Beteiligung am ärztlichen Notdienst ist dem Kläger auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das sog. „Preisabstandsgebot” des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG zu versagen:
    Hiernach ist weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung, dass die Entgelte für die hier streitigen Leistungen des Klägers hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben.
    Ein solcher Preisvergleich setzt allerdings voraus, dass nach Art und Umfang gleichartige Leistungen entsprechender Erwerbsunternehmen festzustellen sind (Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG - Kommentar, § 4 Nr. 18, Anm. 71).
    Dies ist vorliegend nicht der Fall: Die Leistungen des Klägers, wie sie in dem Vertrag mit der KVNo und in der Dienstanweisung für den ärztlichen Notdienst konkretisiert werden, werden in ihrer Gesamtheit - soweit dem Senat bekannt ist - von keinem Erwerbsunternehmen, welches seine Umsätze nach kaufmännischen Grundsätzen kalkuliert (vergl. Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG - Kommentar, § 4 Nr. 18, Anm. 70), angeboten. Insbesondere hält der Senat nicht mehr an der in seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2001 - 5 K 3/97 U - (EFG 2002, 355) vertretenen Ansicht fest, wonach die Tätigkeit des Klägers mit der Beauftragung von Taxiunternehmen unter Einschaltung einer Taxizentrale zu vergleichen sei: Wie das OVG Münster in seinem Urteil 25 A 2400/96 vom 11.3.1998; Bl. 106 ff. der Akte) dezidiert herausgestellt hat, stellen die Fahrdienstleistungen für die Notdienst leistenden Ärzte und deren Vermittlung durch die vom Kläger betriebene Leitstelle lediglich einen Teilbereich im Rahmen seiner Beteiligung am ärztlichen Notdienst dar, erschöpfen sich aber längst nicht darin. Vielmehr erbringt der Kläger durch den Einsatz qualifizierten Personals - welches einem gewerblichen Taxiunternehmen gar nicht zur Verfügung stehen dürfte - zusätzliche Unterstützungsleistungen u.a. durch Einordnung der Dringlichkeit bei Entgegennahme der Anrufe hilfesuchender Patienten und durch die Assistenz seiner Fahrer im Rahmen der Patientenbehandlungen (s.o. unter IV. 2.), durch welche die Effektivität des ärztlichen Notdienstes deutlich gesteigert wird (vergl. Urteil des OVG Münster vom 11. März 1998 25 A 2400/96, S. 29; Bl. 120 der Akte).
    Neben der fehlenden Vergleichbarkeit der Tätigkeit des Klägers mit kaufmännisch kalkulierenden Erwerbsunternehmen, insbesondere Taxiunternehmen, steht das Preisabstandsgebot hier der Steuerfreiheit der Umsätze des Klägers auch deshalb nicht entgegen, weil dieses bei gesetzlich oder behördlich genehmigten Preisen nicht richtlinienkonform i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG ist (siehe hierzu ausführlich Urteile des BFH vom 17.02.2009 XI R 67/06, BFHE 224, 183, BFH/NV 2009, 869 und vom 11. März 2009 XI R 68/06, BFH/NV 2009, 1464).
    Vorliegend wurde die Vereinbarung über die Beteiligung des Klägers am ärztlichen Notdienst gegen Zahlung eines jährlichen Pauschalbetrages mit der KVNo getroffen. Bei der KVNo handelt es sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die hinsichtlich der ordnungsgemäßen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung der Aufsicht durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen unterliegt. Der KVNo obliegt gemäß § 75 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch - SGB V - die Sicherstellung des ärztlichen Notdienstes und sie ist gemäß § 12 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der KVNo (vorgelegt vom Kläger in der Fassung vom 23.12.2006; Bl. 188 ff. der Akte) Kostenträger bezüglich Organisation und Durchführung des Notfalldienstes. Daher handelt es sich bei dem zwischen der KVNo und dem Kläger vereinbarten Entgelt nach dem Sinn und Zweck des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG, wonach staatlich kontrollierte Preise begünstigt behandelt werden sollen (vergl. Urteil des BFH vom 11. März 2009 XI R 68/06, BFH/NV 2009, 1464), um „behördlich genehmigte Preise”.
    V. Schließlich sind die Umsätze des Klägers aus seiner Beteiligung am ärztlichen Notdienst auch deshalb steuerbefreit zu belassen, weil sich dieser zu Recht unmittelbar auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG beruft:
    Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:
    „Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
    g) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen;
    ...”
    Das UStG hatte diese Richtlinienbestimmung --wie auch die anderen in Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Steuerbefreiungen-- bisher lediglich dadurch „umgesetzt”, dass es die bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat (vgl. Urteile des BFH vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 und vom 11. März 2009 XI R 68/06, BFH/NV 2009, 1464).
    Ein Einzelner kann sich in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (vgl. ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, z.B. Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Kügler--, Slg. 2002, I-6833, Randnr. 51).
    Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG zählt die Tätigkeiten, die steuerfrei sind, hinreichend genau und unbedingt auf (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-6833, Randnr. 53).
    Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar
    - zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
    - zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143).
    Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
    Bei dem Kläger handelt es sich wegen seiner Zugehörigkeit zu einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege i.S. von § 23 Nr. 4 UStDV um eine in der Bundesrepublik Deutschland anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter.
    Die hier streitigen Umsätze des Klägers, die er im Rahmen seiner Beteiligung am ärztlichen Notdienst erbracht hat, sind, da sie nach der hier vertretenen Auffassung das Merkmal der „Unmittelbarkeit” des § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG erfüllen, unter Bezugnahme auf die oben unter IV.2. ausgeführten Gründe auch i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG „eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit” in Gestalt der Gesundheitsfürsorge verbunden (vergl. BFH-Urteil vom 23.Juli 2009 V R 93/07, BFHE 226, 435, BFH/NV 2009, 2073, in dem der BFH bezüglich der dort streitigen Umsätze zwar die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG wegen der fehlenden „Unmittelbarkeit” ablehnt, gleichwohl aber das Merkmal des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG „eng mit der Sozialfürsorge verbunden” als erfüllt ansieht).
    Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - stattzugeben.
    Im Hinblick darauf, dass die Rechtsauffassung des Gerichts bezüglich des Merkmals der „Unmittelbarkeit” (§ 4 Nr. 18 Buchst. b UStG) möglicherweise im Widerspruch zu der vom BFH in seinem Urteil vom t1. Dezember 2010 XI R 46/08 (DStR 2011, 362) vertretenen Auffassung steht, war die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

    VorschriftenUStG § 4 Nr.18, RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a