06.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111455
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 18.01.2011 – 25 W 14/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
25 W 14/10
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten vom 18.08.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 26.07.2010 wird nach einem Wert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
A. Im Mai 2010 meldet der Beteiligte die Eintragung seiner Gründungssatzung beim Amtsgericht Charlottenburg an. Nach § 2 1. der Satzung ist Vereinszweck die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Der Zweck soll u.a. durch Gründung oder den Betrieb von Einrichtungen zur Tagesbetreuung von Kindern, Jugend- und Familienzentren erreicht werden. Mit Zwischenverfügung vom 09.06.2010 rügte das Amtsgericht Charlottenburg, der Verein sei wegen des geplanten Betriebs von Betreuungszentren kein ideeller Verein. Darauf wurde § 2 1. der Satzung geändert. Dieser lautet nun dahin, dass der Satzungszweck insbesondere verwirklicht werden soll durch Unterhaltung von Kindergärten, Jugend- und Familienzentren sowie die Durchführung von Veranstaltungen zur Jugendbildung, Familienberatung und von Sportveranstaltungen.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat die geänderte Anmeldung mit Beschluss vom 26.07.2010 zurückgewiesen. Das Amtsgericht geht immer noch von einem wirtschaftlichen Verein aus.
Gegen den Beschluss hat der Beteiligte mit am 19.08.2010 eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, man sei ein Trägerverein u.a. für Kindertagesstätten. In Berlin gebe es auch andere solcher Träger in der Rechtsverfassung eines eingetragenen Vereins. Der Umstand, dass die Leistungen der Kinderbetreuung nicht unentgeltlich erbracht werden, läge daran, dass dies nach § 1 Tagesbetreungskostenbeteiligungsgesetz so vorgesehen sei. Die staatlichen Fördergelder seien gleichfalls gesetzlich vorgesehen. Auch ein ehrenamtlicher Betrieb müsse wirtschaftlich arbeiten. Gewinnerzielung sei nicht geplant. Man dürfe schließlich nicht außer Acht lassen, dass der Betrieb von Kindergärten nur ein Teil der geplanten Vereinstätigkeit sei.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde durch Beschluss vom 24.08.2010 nicht abgeholfen.
B. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
I) Die Beschwerde ist zwar zulässig. Sie ist nach § 58 Abs.1 FamFG statthaft, gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beteiligte ist nach § 59 Abs.1 FamFG auch beschwerdebefugt.
II) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die Anmeldung war entsprechend § 60 BGB zurückzuweisen, weil davon auszugehen ist, dass kein Idealverein (§ 21 BGB), sondern ein wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) vorliegt (vgl. OLG Hamm, Rpfleger 2008, 141/142 m.w.N.). Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht nur der Wortlaut der Satzung, sondern die tatsächlich ausgeübte bzw. beabsichtigte Tätigkeit (allg. Ansicht; vgl. nur KG, NJW-RR 2005, 339/340, OLG Hamm, aaO., jeweils m.w.N.). Die Annahme eines Idealvereins ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verein irgend eine wirtschaftliche Betätigung vornimmt. Gemäß dem sog. Nebenzweckprivileg darf der Verein auch unternehmerische Tätigkeiten entfalten, soweit diese dem idealen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (BGH, NJW 1983, 569/571; KG, aaO.; OLG Hamm, aaO., m.w.N.).
Ob aber ein wirtschaftlicher Hauptzweck verfolgt wird, ist typologisch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB zu ermitteln. Der Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB ist es, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, Vereinigungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und eine wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit diese den Rahmen des so genannten Nebenzweckprivilegs überschreitet (vgl. BGH NJW 1986, 3201 [3202]). Eine wirtschaftliche Betätigung i.S. des § 22 BGB liegt dabei vor, wenn der Verein am Markt gegenüber Dritten unternehmerisch tätig wird, für seine Mitglieder unternehmerische Teilfunktionen wahrnimmt oder allein gegenüber seinen Mitgliedern unternehmerisch auftritt.
Ist zweifelhaft, ob die Eintragungsvoraussetzungen nach § 21 BGB gegeben sind, hat der anmeldende Vorstand gegenüber dem Registergericht eine Pflicht zur Darlegung aller Umstände, welche die insgesamt nichtwirtschaftliche Betätigung des Vereins begründen sollen, da nur dieser Aussagen dazu treffen kann, was der Verein in Zukunft tun wird (BayObLGZ 1989, 126/131; OLG Düsseldorf, NJW 1996, 989/990; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn.124).
Nach diesen Grundsätzen kann nicht ausreichend festgestellt werden, dass es sich beim Beteiligten um einen Idealverein handelt.
Zur Bejahung eines Idealvereins reicht es nicht aus, dass ein Zweck verfolgt wird, der ideeller Natur ist. Dass der hier verfolgte Zweck laut Satzung ideeller Natur ist (vgl. etwa Reichert, aaO., Rn.125) und obendrein gesellschaftlich begrüßenswert ist, ist daher unerheblich. Solche Zwecke können ebenso wie nicht ideelle Zwecke kommerzialisiert werden. Durch die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln sowie der entgeltlichen Anbietung von Leistungen kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb entstehen, weshalb es auch gerade im Bereich von Kindergärten/-tagesstätten zahlreiche gewerbliche Betreiber gibt (z.B. St.Augustinus Kindergarten GmbH, LebensWelt Kita Neukölln-Donaustr. GmbH, Kinder im Kiez GmbH Kita Lichtenzwerge; vgl. auch Susanne Amann, Gute Geschäfte mit der Kita-GmbH, Spiegel-Online vom 05.05.2007). Es ist deshalb zu fragen, in welcher Art und Weise der Zweck verfolgt wird.
Der beabsichtigte planmäßige, auf Dauer angelegte entgeltliche Betrieb von Kinderbetreuung ist grundsätzlich, wie das Amtsgericht Charlottenburg zutreffend annimmt, eine entgeltliche unternehmerische Betätigung, was nicht zuletzt die vielen Kindergärten in Form einer GmbH zeigen. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht des Vereins selbst kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, aaO.; Reichert, aaO., Rn.143; LG Hamburg, ZIP 1986, 228). Es ist auch unerheblich, in welcher Art und Weise die Entgelte fließen, ob ausschließlich durch die Leistungsnehmer oder staatliche Leistungs-träger. Es kommt auch nicht darauf an, ob gesetzlich Ansprüche auf Fördermittel vorgesehen sind, ob ein kostendeckender Betrieb etwa durch die Landeshaushaltsordnung vorgeschrieben ist, ob Mitglieder des Vereins ehrenhalber ihre Arbeitsleistung anbieten. Denn maßgeblich ist allein, dass nicht als Verein eingetragen werden soll, wer entgeltlich, auf Dauer und planmäßig Leistungen an Dritte erbringen will, die eine unternehmerische Betätigung darstellen. Dass die Personen, die für den Verein diese unternehmerische Leistung ausführen, dafür selbst kein Entgelt erhalten, nimmt der ausgeübten Tätigkeit nicht das Unternehmerische. Eine unternehmerische Betätigung entfällt auch nicht dadurch, dass kommunale Einrichtungen ebenfalls Kindergärten betreiben. Ob sich eine Kommune entschließt, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen oder nicht und - wenn ja - in welcher Rechtsform, betrifft nicht die Frage, ob es sich um eine wirtschaftliche Betätigung i.S.d. § 22 BGB handelt.
Soweit der Beteiligte ausführt, er sei ein Träger von Kindertagesstätten, so läge auch kein ideeller Verein vor. Wäre der Beteiligte auf die bloße Trägerschaft reduziert, würde sich seine Funktion erst Recht als auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet zeigen. Er würde dann nämlich bloßer Dienstleister für die Einzelkindertagesstätten.
Die hier in Rede stehende wirtschaftliche Betätigung fällt nicht unter das sog. Nebenzweckprivileg. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins funktional untergeordnet ist (vgl. KG, Beschluss vom 08.04.2008, 1 W 338/07; OLG Hamm, Rpfleger 2008, 141/142). Der Beteiligte hat trotz Hinweises auf die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme des Nebenzweckprivilegs nichts dazu ausgeführt, in welcher Form die Unterhaltung der Kindergärten, die in der Satzung an erster Stelle genannt ist, hinter den übrigen geplanten Aktivitäten zurück bleibt.
Ob es zutrifft, dass für einen Verein, der nach seiner Satzung (hier § 3) ausschließlich steuerbegünstigte (gemeinnützige) Zwecke i.S.v. §§ 51 ff. AO verfolgt, bei entsprechender Anerkennung durch die Finanzverwaltung regelmäßig anzunehmen ist, dass das Nebenzweckprivileg nicht überschritten wird (KG, NZG 2005, 360, 361), bedarf hier keiner Klärung. Eine solche Anerkennung ist noch nicht erfolgt.
Der Beteiligte kann sich auch nicht mit Erfolg unter Hinweis auf Art.3 Abs.1 GG darauf berufen, dass entsprechende Vereine anderswo im Register eingetragen sind. Zum Einen ist hier nicht nachprüfbar, ob es sich tatsächlich um einen gleichgelagerten Fall handelt, zum Anderen gibt es nicht die sog. Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. nur BVerwGE 34, 278/283; Heun in Dreier, GG, 2. Aufl., Art.3, Rn.60 m.w.N.).
C. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs.4, 30 Abs.2 KostO.