· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Umsatzsteuerbefreiung für sportliche Betätigung auch ohne Teilnahme an Sportwettkämpfen
| Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Begriff „Sportliche Veranstaltungen“, die von der Umsatzsteuer befreit wird, in einer aktuellen Entscheidung weit gefasst. Es fallen darunter auch sportliche Betätigungen, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen und somit nicht organisiert und nicht planmäßig stattfinden. Weil der EuGH den Begriff damit weiter zieht als der nationale Gesetzgeber, können sich Vereine in Zweifelsfällen auf die aktuelle EuGH-Rechtsprechung berufen. |
Die bisherige Rechtslage
Sportliche Veranstaltungen gemeinnütziger Anbieter sind nach deutschem Recht umsatzsteuerbefreit (§ 4 Nr. 22b UStG). Das Gemeinschaftsrecht befreit „bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben (Artikel 132 Abs. 1m Mehrwertsteuersystemrichtlinie [MwStSystRL]). Beide Regelungen decken sich aber nicht - insbesondere was die Behandlung der bloßen Überlassung von Sportanlagen betrifft.
Im Einzelfall kann allerdings strittig sein, ob wirklich eine sportliche Betätigung vorliegt. Während der BFH in mehreren Urteilen klargestellt hat, was eine „Veranstaltung“ ist (BFH, Urteil vom 30.3.2000, Az. V R 30/99; Abruf-Nr. 000758), ist der Begriff Sport nicht letztinstanzlich definiert.
Die Finanzverwaltung sieht als wesentliches Element des Sports die „körperliche Ertüchtigung“ (AEAO, Ziffer 1.3.2 Nr. 6 zu § 52) und bezieht sich damit noch auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. Wegen der Abgrenzung zu bloßer Freizeitbetätigung und Wellness verlangt sie in bestimmten Fällen sogar eine Teilnahme an Wettkämpfen. Das gilt etwa für Tanz oder andere Bestätigungen mit geringem körperlichen Einsatz - etwa Ballonfahren (OFD Erfurt, Schreiben vom 28.11.1996, Az. S 0170 A - 21 - St 312).
EuGH: Sport muss nicht wettkampfbezogen stattfinden
Der EuGH hat für diese Frage nun eine Klarstellung getroffen, die auch für Deutschland verbindlich ist. Demnach gilt die Umsatzsteuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1m MwStSystRL auch für nicht organisierte und nicht planmäßige sportliche Betätigungen, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen (EuGH, Urteil vom 21.2.2013, Rs. C-18/12; Abruf-Nr. 132045).
Die Argumentation des EuGH
Der EuGH vertritt die Auffassung, dass die Steuerbefreiung nicht lediglich bestimmten Arten von Sport zugutekommen darf. Art. 132 Abs. 1m MwStSystRL setze auch nicht voraus, dass die sportliche Betätigung auf einem bestimmten Niveau, beispielsweise auf professionellem Niveau, oder in einer bestimmten Art und Weise, nämlich regelmäßig oder organisiert oder im Hinblick auf die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen, ausgeübt wird. Sie muss lediglich über bloße Erholung oder Unterhaltung hinausgehen.
Auffassung des FG Köln wird nachträglich bestätigt
Das deckt sich mit der Auffassung, die das FG Köln schon 2009 vertreten hat. Danach ist unter Sport nicht allein die Vorbereitung auf einen Wettbewerb zu verstehen, sondern eine allgemeine körperliche Ertüchtigung über das gewöhnliche Maß hinaus. Dazu gehöre jede konzentrierte körperliche Bewegung in dem Maß, wie es sich der einzelne Teilnehmer zutraut. Ein bestimmtes Leistungsniveau ist also nicht vorausgesetzt. Auch Trendsportarten fallen darunter, weil sie einen großen Kreis von Interessenten ansprechen, die sich durch die Teilnahme an solchen Kursen zur Bewegung motiviert fühlen (FG Köln, Urteil vom 8.10.2009, Az. 10 K 3794/06; Abruf-Nr. 094075).
Maßgebend ist nach Auffassung des FG aber, dass die Bewegung vorrangig mit dem Ziel ausgeübt wird, sich körperlich zu ertüchtigen. Deshalb stellt zum Beispiel Wandern, auch wenn es unzweifelhaft der körperlichen Ertüchtigung dient, im Gegensatz zum Nordic Walking keinen Sport dar, weil hier trotz einer körperlichen Anstrengung das Naturerlebnis im Vordergrund steht. Ähnliches gilt für Radtouren im Gegensatz zum Radstreckenfahren.
Auch die bloße Überlassung von Sportanlagen ist begünstigt
Erneut bestätigt der EuGH, dass schon die bloße Überlassung von Sportanlagen die Voraussetzung für die Steuerbefreiung erfüllt. Hier weicht das Gemeinschaftsrecht von der nationalen Regelung des § 4 Nr. 22b UStG ab. Danach ist unter „sportlicher Veranstaltung“ eine organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen, die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben (BFH, Urteil vom 30.3.2000, Az. V R 30/99; Abruf-Nr. 000758). Das verlangt ein gewisses Organisationsniveau, also einen organisatorischen Rahmen, innerhalb dessen mehr geleistet wird als nur die Überlassung von Sportgeräten oder Sportanlagen oder Einzeltraining.
Die deutsche Rechtsprechung hat aber bereits bestätigt, dass sich deutsche Anbieter auf Gemeinschaftsrecht berufen können, um solche Leistungen umsatzsteuerfrei zu erbringen (BFH, Urteil vom 3.4.2008, Az. V R 74/07; Abruf-Nr. 082350).
Gemischte Angebote und die Einschätzung des EuGH
Der EuGH hat sich auch mit der Frage beschäftigt, welche umsatzsteuerlichen Folgen bei gemischten Angeboten entstehen, wenn also nicht nur reine Sportanlagen überlassen werden, sondern auch Freizeit- und Unterhaltungsangebote enthalten sind.
Städtischer Aquapark mit Sport- und Freizeitanlagen
Im konkreten Fall ging es um einen städtischen Aquapark, in dem sich unter anderem ein in mehrere Schwimmbahnen eingeteiltes und mit Sprungbrettern versehenes Schwimmbecken, ein Kinderplanschbecken, Wasserrutschen, ein Massagebad, ein Naturschwimmbad, ein Beachvolleyball-Feld, Tischtennisplatten und Sportgeräte zur Miete befinden.
Nach Auffassung des EuGH ist es für die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1m MwStSystRL unschädlich, wenn das Angebot nicht nur Einrichtungen umfasst, die die Ausübung sportlicher Betätigungen ermöglichen, sondern auch andere Arten der Unterhaltung oder Erholung. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an.
Entscheidungskriterien für die steuerliche Beurteilung
Zunächst ist für die steuerliche Behandlung zu klären, ob es sich um eine einheitliche und unter die Steuerbefreiung fallende Leistung handelt.
PRAXISHINWEIS | Das ist der Fall, wenn die Einrichtungen eine Gesamtheit bilden, sodass der Zugang zu dieser Gesamtheit eine einzige Leistung darstellt, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dass nur eine Art von Eintrittskarten verkauft wird, die den Zugang zu sämtlichen Einrichtungen erlaubt, spricht für das Vorliegen einer komplexen einheitlichen Leistung. Dominieren bei einer solchen komplexen einheitlichen Leistung die sportlichen Angebote, kann das Eintrittsgeld insgesamt als umsatzsteuerfrei behandelt werden. |
Dabei ist die Konzeption der jeweiligen Anlage zu berücksichtigen; das heißt die verschiedenen Arten der angebotenen Einrichtungen, ihre Anordnung, ihre Zahl und ihre Bedeutung im Verhältnis zur Anlage insgesamt.
|
Bei Schwimmbecken betrifft das die Unterteilung in Schwimmbahnen, die Ausstattung mit Startblöcken, eine angemessene Tiefe und entsprechende Ausmaße, oder ob sie vielmehr so angelegt sind, dass sie sich vor allem für eine spielerische Nutzung eignen. Ist Letzteres der Fall, dürfte das Eintrittsgeld für die Anlage umsatzsteuerpflichtig sein, weil das Schwimmbecken als „Sportbetätigungsstätte“ ausfällt und die übrigen Einrichtungen (Kinderplanschbecken, Wasserrutschen, Massagebad, Naturschwimmbad, Beachvolleyball-Feld, Tischtennisplatten, Sportgeräte) mit Ausnahme des Beachvolleyball-Felds und der Sportgeräte ja auch eher Erholungscharakter haben. |
Darauf, wie die Besucher die vorhandenen Angebote tatsächlich nutzen, kommt es dabei nicht an. Es ist auf die objektive Natur des betreffenden Umsatzes abzustellen, nicht auf die Absicht des einzelnen Besuchers bei der Nutzung.