· Fachbeitrag · Vereinspraxis/Umsatzsteuer
Musterfall: So werden Bildungs- und Erziehungsleistungen umsatzsteuerlich optimiert angeboten
| Bildung und Erziehung gehören zu den wichtigsten Arbeitsfeldern gemeinnütziger Einrichtungen. Während die ertragsteuerliche Einordnung von Umsätzen ‒ als Zweckbetrieb ‒ in der Regel unproblematisch ist, ist die umsatzsteuerliche Bewertung teils recht unübersichtlich. VB macht Sie deshalb anhand eines Musterfalls aus der Praxis mit den Regelungen und deren Handhabung durch die Rechtsprechung vertraut, um auch andere Anwendungsfälle umsatzsteuerlich optimieren zu können. |
Musterfall: Verein will auf Erhebung von USt verzichten
Der Verein „NaturBildungsWerkstatt Birkenhof e.V.“ betreibt ein Bildungszentrum mit einem kleinen Erlebnisbauernhof. Dort macht er Bildungsangebote im Bereich Natur und Landwirtschaft für verschiedene Zielgruppen. Sein Angebot umfasst
- 1. Tagesveranstaltungen für Schulen (z. B. „Vom Schaf zur Wolle“),
- 2. die frühkindliche Bildung für Kindergartengruppen,
- 3. naturpädagogische Seminare für Lehrer und Erzieherinnen und
- 4. Freizeitveranstaltungen für Erwachsene (z. B. Imkerkurse, Apfelernte und -verarbeitung) sowie Nachmittagsveranstaltungen für Kinder und Jugendliche in offenen Gruppen, die von den Eltern bezahlt werden.
Im Jahr 2023 werden die Einnahmen des Vereins aus diesen verschiedenen Aktivitäten voraussichtlich erstmals die Kleinunternehmergrenze (22.000 Euro) überschreiten. Der Verein will nach Möglichkeit auch weiterhin auf die Erhebung von Umsatzsteuer verzichten und lässt deshalb mögliche Steuerbefreiungen prüfen.
So kann eine steueroptimierte Lösung aussehen
Für die meisten Bildungs- und Erziehungsleistungen des Vereins gelten unterschiedliche Steuerbefreiungsregelungen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Aufgabe des Beraters ist es, hier eine verlässliche Einordnung vorzunehmen.
Ein Teil der Leistungen ist nicht umsatzsteuerbefreit. Dafür kann aber nach Abzug der steuerfreien Umsätze die Kleinunternehmerregelung greifen. Im Einzelnen stellt sich die Situation wie folgt dar:
1. Veranstaltungen für Schulen
Soweit der Verein Bildungsangebote für staatliche Schulen oder anerkannte Ersatzschulen durchführt, fallen sie unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG. Befreit sind nach dieser Regelung „die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer“ an öffentlichen Schulen und staatliche anerkannten Ersatzschulen. Als selbstständige Lehrer gelten dabei nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen ‒ hier der Verein (UStAE, Abschnitt 4.21.3., Nr. 1).
Eine Unterrichtstätigkeit liegt vor, wenn Kenntnisse im Rahmen festliegender Lehrprogramme und Lehrpläne vermittelt werden. Diese Anforderung ist damit erfüllt, dass die Bildungsangebote in den Schulunterricht eingebunden sind, die entsprechenden Schulklassen die Vereinsangebote also im Rahmen der Unterrichtszeit besuchen. Die Leistungen dienen Schul- und Bildungszwecken unmittelbar, wenn sie den Schülern tatsächlich zugutekommt. Das steht hier nicht in Frage. Ob die Angebote unmittelbar von der Schule oder Dritten (z. B. Schulfördervereinen) beauftragt und bezahlt werden, spielt keine Rolle.
Es ist auch nicht erforderlich, dass der Verein ein schultypisches breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen vermitteln. Es genügt, dass sich die Unterrichtseinheiten auf den Schulunterricht beziehen (BFH, Urteil vom 15.12.2021, Az. XI R 31/21, Abruf-Nr. 230261).
Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss die Tätigkeit regelmäßig und für eine gewisse Dauer ausgeübt werden. Einzelne Vorträge fallen demnach nicht unter die Steuerbefreiung (UStAE 4.21.3. Abs. 2). Diese Auffassung kann aber aus der Gesetzesvorschrift nicht abgeleitet werden. Zudem lässt die Finanzverwaltung offen, ob die Tätigkeit regelmäßig für die gleichen Bildungsträger erbracht werden muss.
2. Veranstaltungen für Kindergärten
Für Bildungsangebote für Vorschulkinder gilt die Befreiungsregelung des § 4 Nr. 23a UStG. Sie befreit von der Umsatzsteuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen und vergleichbare Einrichtungen ohne eine systematische Gewinnerzielungsabsicht.
Erziehung umfasst ‒ so der Kommentar zum Gesetzesentwurf ‒ die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Dazu gehören insbesondere altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung, Angebote von Musik-, Kunst- und Bewegungserziehung sowie die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Werten. Bezüglich der Bildungsinhalte gibt es also keine Bedenken.
§ 4 Nr. 23 a UStG verlangt keine staatliche Anerkennung wie § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG. Die Regelung beschränkt die Befreiung aber auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Einrichtungen, deren Zielsetzung mit diesen vergleichbar ist und die keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Darunter fallen in jedem Fall gemeinnützige Organisationen. Da private Kindergärten unter die Steuerbefreiung fallen, muss das auch für die Angebote des Vereins gelten.
3. Naturpädagogische Seminare für Lehrer und Erzieherinnen
Berufsbezogene Kurse fallen unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 22 a UStG. Nach dieser Regelung sind umsatzsteuerbefreit Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von gemeinnützigen Einrichtungen, oder Berufsverbänden durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.
Auf den Umfang der Weiterbildung kommt es dabei nicht an. Auch Tagesveranstaltungen sind begünstigt (BFH, Urteil vom 07.10.2010, Az. V R 12/10, Abruf-Nr. 110345).
Die Rechtsprechung legt den Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ aber eng aus. Darunter ist ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zu verstehen, dass sich auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten bezieht. Diese Ausbildung muss je nach Fortschritt und Spezialisierung der Lernenden ein Stufensystem (z. B. in Form von Jahrgangsstufen oder Semestern) bilden (EuGH, Urteil vom 21.10.2021, Rs. C-373/19, Abruf-Nr. 225477). Nicht begünstigt sind insbesondere freizeitbezogene Bildungsveranstaltungen.
Bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist dagegen kein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen erforderlich. Hier können auch kleinere Kurseinheiten und ein punktuell vermittelter Unterricht steuerbefreit sein (BFH, Urteil vom 30.06.2022, Az. V R 32/21, Abruf-Nr. 232102). Demnach sind die Seminare für Lehrer und Erzieherinnen umsatzsteuerbefreit. Ob die Teilnehmer die erworbenen Kenntnisse tatsächlich beruflich nutzen, spielt keine Rolle. Es genügt, dass sie sich dafür eignen.
4. Freizeitbezogene Angebote
Freizeitbezogene Bildungsangebote für Erwachsene sind nicht nach der Regelung des § 4 Nr. 22a UStG umsatzsteuerbefreit. Sie fallen aber grundsätzlich in den Zweckbetrieb und unterliegen dann dem ermäßigten Umsatz-steuersatz.
Auch für freizeitbezogene Bildungsangebote für Kinder- und Jugendliche außerhalb der Einbindung in den Schulunterricht bzw. frühpädagogische Angebote, wie sie von Kindergärten erbracht werden, gibt es keine einschlägige Steuerbefreiung. Soweit die Kleinunternehmergrenze mit den steuerpflichtigen Umsätzen nicht überschritten wird, entfällt aber auch hier die Umsatzbesteuerung.
FAZIT | Für gemeinnützige Einrichtungen ist ein Nebeneinander von steuerpflichtigen und steuerbefreiten Umsätzen typisch. Werden die möglichen Steuerbefreiungen genutzt, bleibt der nicht befreite Teil oft unter der Kleinunternehmergrenze. |
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Praxisfall: So gelingt der Umbau eines Vereins von der Mitgliederorganisation zum Dienstleister“, VB 1/2023, Seite 8 → Abruf-Nr. 48961107