· Fachbeitrag · Sozialversicherung
Trainervergütung kann Aufwandsersatz für Ehrenamt und damit sozialversicherungsfrei sein
| Wann ist ein Trainer selbstständig tätig? Wann ist er abhängig tätig? Wann muss der Verein auf Vergütungen Sozialbeiträge entrichten? Eine neue ‒ und für Vereine interessante ‒ Antwort auf diese Fragen hat das Sozialgericht (SG) Hannover gefunden. Nach seiner Auffassung kann eine Trainervergütung auch Aufwandsersatz und damit sozialversicherungsfrei sein. |
SG Hannover: Schwimmtrainerin ist ehrenamtlich tätig
Im konkreten Fall ging es um eine Schwimmtrainerin, die pro Übungsstunde 10 Euro erhielt und damit auf einen Betrag von 80 bis 250 Euro im Monat kam. Ein Statusfeststellungsverfahren bei der Rentenversicherung Bund ergab, dass eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung vorlag. Der Verein dagegen ging von einer selbstständigen Tätigkeit aus und zog vor Gericht.
Das SG Hannover sah zwar Anhaltspunkte für eine abhängige Tätigkeit. Letztlich kam es aber zum Ergebnis, dass die Zahlungen an die Trainerin sozialversicherungsfrei seien. Es liege eine ehrenamtliche Tätigkeit vor und die Zahlungen seien ein bloßer pauschaler Ersatz von Aufwendungen (SG Hannover, Urteil vom 28.06.2017, Az. S 14 R392/15, Abruf-Nr. 195918).
Kein Arbeitsverhältnis
Arbeit und damit Beschäftigung setzen nämlich i. d. R. ein aktives Verhalten voraus, mit dem eine Dienstleistung erbracht und ein Arbeitserfolg herbeigeführt werden soll. In einem wirksamen Arbeitsverhältnis wird dieses Verhalten von Arbeitnehmern geschuldet und muss vom Arbeitgeber angenommen werden. Das konnte das SG in diesem Fall nicht feststellen.
Arbeit im Sinne von § 7 SGB IV ist eine Tätigkeit nämlich erst, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll ist und für den Betreffenden ‒ zumindest teilweise ‒ Lebensaufgabe und -grundlage ist. Der Begriff der Arbeit ist damit verbunden, dass man für sein Tun ein Entgelt erwartet. Demgegenüber sind Tätigkeiten, die lediglich aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtungen geleistet werden, keine Arbeit und kommen somit auch nicht als Beschäftigung in Frage. Sport und Spiel kann ‒ so das SG ‒ grundsätzlich nicht als Arbeit betrachtet werden; es sei denn, dass diese Tätigkeit dem Lebensunterhalt dient.
Anlehnung an die Behandlung von Sportlern
Für Zahlungen an Amateursportler haben die SV-Träger eine pauschale Nichtaufgriffsgrenze festgelegt. Danach wird bei monatlichen Zahlungen bis 200 Euro keine sozialversicherungsrechtlich relevante Beschäftigung ausgeübt (Vereinbarung über gemeinsamen Beitragseinzug vom 13.03.2013, Abruf-Nr. 142583). Voraussetzung ist, dass
- keine gesonderte schriftliche Vertragsvereinbarung besteht und
- die Sportler nur wegen ihrer mitgliedschaftlichen Bindungen tätig werden.
Kriterien für ein fehlendes Dienstverhältnis bei Trainern
Für andere Tätigkeiten in (Sport-)Vereinen gibt es zwar (noch) keine pauschalen Nichtaufgriffsgrenzen. Das SG legt aber bei Trainern im Wesentlichen die gleichen Kriterien an. Demnach muss geprüft werden ob,
- 1. sich die Tätigkeit aus einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung ergibt,
- 2. dem Mitarbeiter entsprechende Aufwendungen entstanden sind, die auf einen pauschalen Aufwandsersatz schließen lassen,
- 3. die Höhe der Zahlungen nicht vorwiegend für einen Gelderwerb spricht.
1. Tätigkeit aus mitgliedschaftlicher Verpflichtung
Dass die Trainerin mit ihrer Tätigkeit das Vereinsinteresse als Vereinsmitglied fördern wollte, ergab sich auch daraus, dass
- Training nur in Sportstätten des Vereins stattfand und der Verein die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Hallenbetreiber geschlossen hatte,
- die Trainerin im Krankheits- oder Urlaubsfall von Trainern der Vereine vertreten wurde. Das alles sprach dafür, dass der Zweck der Schwimmvereine ‒ die Förderung der Schwimmausbildung ‒ im Vordergrund stand.
2. Vorwiegend Aufwandsersatz
Die Einnahmen von 10 Euro je Übungsstunde können nach Auffassung des SG als pauschaler Aufwendungsersatz angesehen werden. Die Tätigkeit war immer unterhalb der Übungsleiterpauschale (die aber von der Trainerin offensichtlich schon anderweitig in Anspruch genommen wurde). Neben dem Stundensatz wurde zudem kein weiterer Aufwandsersatz abgerechnet, obwohl für Hin- und Rückfahrt erhebliche Fahrtkosten und ein erheblicher Zeitaufwand anfielen.
3. Kein Gelderwerb
Die Höhe der gezahlten Entgelte zwischen 80 und 250 Euro pro Monat legen nach Auffassung des Gerichts nahe, dass der Gelderwerb für die Trainingstätigkeit nicht maßgeblich war. Die Zahlungen können als pauschaler Aufwendungsersatz gewertet werden. Es lag weder eine selbstständige Tätigkeit noch eine Beschäftigung vor.
Die steuerliche Behandlung
Die steuerliche Bewertung kann von der sv-rechtlichen abweichen, auch wenn in etwa die gleichen Kriterien angelegt werden. Liegt kein Arbeitsverhältnis im lohnsteuerlichen Sinn vor, kann es sich bei der Trainervergütung um Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit oder um sonstige Einkünfte handeln. Sonstige Einkünfte liegen regelmäßig bei gering vergüteten ehrenamtlichen Tätigkeiten vor. Hier fehlt es an einem Arbeitsverhältnis. Stattdessen besteht ein Auftragsverhältnis i. S. v. § 662 BGB. Sind die Einkünfte nicht höher als 256 Euro pro Jahr, bleiben sie nach § 22 Nr. 3 EStG steuerfrei.
Steuerlich gibt es keine Nichtaufgriffsgrenze
Die Finanzverwaltung gibt hier aber anders als die Sozialversicherungsträger keine Nichtaufgriffsgrenze vor. Ein steuerfreier Aufwandsersatz für Fahrten zu ersten Tätigkeitstätte ist ebenfalls nicht möglich.
Bei Vergütungen bis zu 250 Euro pro Monat und einem Stundensatz von zehn Euro wird man aber nicht mehr von Sonstigen Einkünften ausgehen können. Die Einnahmen unterliegen je nach Art des Dienstverhältnisses (selbstständig oder abhängig) der Lohnsteuer oder sind beim Trainier einkommensteuerpflichtig. Im vorliegenden Fall wird eine Lohnsteuerpflicht bestehen, weil ‒ wie auch das SG feststellt ‒ vieles für eine abhängige Beschäftigung spricht.
Abdeckung über die Übungsleiterpauschale macht Steuern hinfällig
Bei Trainervergütungen wie im vorliegenden Fall stellt sich die Frage nach der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht oft gar nicht, weil die Zahlungen in gemeinnützigen Vereinen unter den Übungsleiterfreibetrag fallen. Bis 200 Euro im Monat bzw. 2.400 Euro im Jahr sind Zahlungen dann einkommensteuer- und sozialversicherungsfrei. Es kann dann offen bleiben, ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung handelt. Auch ein pauschaler Aufwandsersatz ‒ ohne Nachweis der einzelnen Aufwendungen ‒ ist über die Übungsleiterpauschale möglich.
PRAXISHINWEIS | Interessant ist die Gestaltungsmöglichkeit, die sich durch das Urteil des SG Hannover eröffnet, aber
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Bis zu welcher Höhe bleiben Zahlungen sv-frei?
Unklar bleibt, aber welcher Vergütungshöhe kein bloßer pauschaler Aufwandsersatz mehr vorliegt, die Tätigkeit also nicht mehr als ehrenamtlich, sondern als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat Zahlungen an Amateurfußballer sogar bis 350 Euro pro Monat als sozialversicherungsfrei bewertet (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12.11.2013, Az. L 4 KR 383/13 B ER, Abruf-Nr. 142582).
Bei Zahlungen, die weit über die 200-Euro-Grenze hinausgehen, muss dagegen von einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden. Laut dem SG Leipzig (Landesliga-Spieler) liegt zumindest ein Nebenerwerb vor, wenn die Zahlungen eine bestimmte Höhe erreichen ‒ hier 800 Euro im Monat (LG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 07.07.2014, Az. S 23 U 20/11, Abruf-Nr. 195919; VB 4/2015, Seite 12 → Abruf-Nr. 43281753).
FAZIT | Das Urteil des SG Hannover zeigt erneut, dass die Sozialrechtsprechung Einnahmen aus Nebentätigkeiten in Vereinen recht großzügig bewertet. Auch dort wo keine Freibeträge greifen, können Zahlungen an Mitglieder bis zu gewissen Grenzen sozialversicherungsfrei blieben. Für die steuerliche Behandlung gibt es aber keine entsprechenden Vorgaben. |