· Fachbeitrag · Vereinsführung
Das Mindestlohngesetz und seine Folgenfür gemeinnützige Einrichtungen - Teil 2
von Ulrich Goetze, Steuerberater, Wunstorf
| Der gesetzliche Mindestlohn kommt. Am 15. August 2014 ist das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, dessen zentraler Punkt das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ist, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Ehrenamtliche Tätigkeit bleibt vom Mindestlohn zwar weitgehend verschont. Aber der Teufel steckt im Detail. Erfahren Sie deshalb in Ergänzung zum Beitrag aus VB 8/2014, Seite 3 , wann Gemeinnützige die Vorgaben des MiLoG beachten müssen. |
Regelungen des MiLoG im Einzelnen
Dem MiLoG liegt der allgemeine schuldrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde (§§ 611 ff BGB). Der Mindestlohn gilt auch für Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte (Mini-Job).
Zur Höhe des Mindestlohns
Jeder Arbeitnehmer hat ab dem 1. Januar 2015 Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts, das mindestens 8,50 Euro je Stunde beträgt (§ 1 MiLoG). Erfolgsabhängige Vergütungen sind zulässig, wenn gewährleistet ist, dass der gesetzliche Mindestlohn erreicht wird. Der Mindestlohn muss bis zum Ende des darauf folgenden Monats ausgezahlt werden (§ 2 MiLoG).
Zulässig wäre eine Verschiebung auf einen späteren Auszahlungszeitpunkt nur für den Teil der Lohnansprüche, der über 8,50 pro Stunde liegt. Ausnahmen sind für ein Arbeitszeitkonto geregelt (§ 3 Abs. 2 MiLoG).
Welche Lohnbestandteile sind Mindestlohn?
Als Bestandteile des Mindestlohns gelten alle Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der von ihm erhaltenen Gegenleistung verändern. Somit sind Zahlungen, die ein Arbeitnehmer als Ausgleich für zusätzliche Leistungen erhält, wenn er ein Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen leistet (Sonntags-, Feiertags-, Nachtarbeits-, Schichtarbeits-, Überstundenzuschläge), nicht berücksichtigungsfähig. Leistungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld werden nur dann als Bestandteil des Mindestlohns gewertet, wenn der Arbeitnehmer den anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält. Ein Wegegeld, das als Fahrtkostenersatz gezahlt wird, kann nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
Wichtig | In Integrationsunternehmen (§§ 132 ff SGB IX) arbeiten auch nicht behinderte Menschen. Entsprechend dem Grundsatz der Inklusion werden alle Beschäftigten zu den gleichen Bedingungen beschäftigt. Wie in anderen Unternehmen gelten also arbeitsrechtliche, tarifvertragliche und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften und damit künftig auch der Mindestlohn für alle Beschäftigen eines Integrationsunternehmens. Ein Ausgleich kann durch Lohnkostenzuschüsse der Integrationsämter der Länder aufgrund der Schwerbehindertenausgleichsabgabeverordnung (§ 27) erfolgen.
Einvernehmliche Unterschreitungen sind unwirksam
Vereinbarungen, die den Anspruch auf Zahlung eines Mindestlohns unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind unwirksam (§ 3 MiLoG). Auch ein Verzicht auf den Mindestlohnanspruch von Seiten des Arbeitnehmers ist unzulässig. Bei „Auslagerung“ von Beschäftigungsverhältnissen auf andere Dienstleister und Einsatz von Beschäftigten nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz haftet der Verein für die Verpflichtung der Lohnzahlung (§ 13 MiLoG).
Wie kommen Verstöße ans Licht?
Verstöße gegen die Zahlung des Mindestlohns können auf zweierlei Art und Weise aufgedeckt werden:
- Die Zollverwaltung prüft, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Deren Mitarbeiter kontrollieren die Betriebe bisher schon auf der Grundlage des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (§ 15 MiLoG).
- Der Mitarbeiter kann jederzeit eine Lohnzahlung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde einfordern oder Verstöße anzeigen.
Aufzeichnungspflichten zum MiloG im Verein
Der Verein ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer innerhalb einer Woche aufzuzeichnen und mindestens zwei Jahre aufzubewahren (§ 17 MiLoG). Er muss also die Verträge bzw. die Zeiten der Beschäftigten seiner Mitarbeiter gesondert erfassen, soweit deren Vergütung über den Sätzen der Freibeträge nach §§ 3 Nr. 26 und Nr. 26a EStG (Übungsleiter- und Ehrenamtsfreibetrag) liegen. Monats- oder andere Pauschalvergütungen müssen auf einen Stundensatz umgerechnet werden. Dieser darf im Ergebnis nicht weniger als 8,50 Euro pro Stunde betragen.
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Eine Mitarbeiterin arbeitet 2 Tage in der Woche für je 4 Stunden in der Geschäftsstelle des Vereins. Zusätzlich erledigt sie zuhause die Buchführung des Vereins. Im Durchschnitt benötigt sie dafür 5 Stunden im Monat. Ihre pauschale Monatsvergütung beträgt 350 Euro monatlich. Der Stundenlohn berechnet sich wie folgt: | ||||||||||||
Die Mitabeiterin verdient 8,75 Euro pro Stunde. Der Verein erfüllt das Mindestlohnerfordernis. |
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Ein Trainer hat nach dem Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von acht Stunden. Er erhält neben einer Vergütung von 254 Euro weitere als Auslagen bezeichnete Beträge: 103,50 Entfernungspauschale für Fahrten zum Training und zu Heimspielen, 22,50 Euro Reisekostenersatz für Fahrten zu Auswärtsspielen, 20,00 Euro Auslagenersatz für Telefonkosten, insgesamt 400 Euro.
Lösung: Der Mindestlohn wird nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen berechnet. Die Entfernungspauschale, die Reisekosten und die Telefonauslagen sind vertraglich vereinbarter Aufwendungsersatz. Die Beträge werden nicht auf den Mindestlohn angerechnet. Mindestlohnrelevant ist also nur die Vergütung für das Training in Höhe von 254 Euro. Der Stundenlohn berechnet sich wie folgt:
Folge: Da die Vergütung nur 254 Euro beträgt, ist sie ab dem 1. Januar 2015 um 41 Euro monatlich zu erhöhen, um das Mindestlohnerfordernis zu erfüllen. |
Weitere Anmerkungen: Der Verein muss nachweisen, dass die Arbeitszeit von 8 Stunden pro Woche nicht überschritten wird, weil sich der Mindestlohn sonst entsprechend erhöht. Eventuell geleistete Überstunden müssen im Folgemonat entweder ausbezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Einen Ausweg bietet die Vereinbarung eines Jahres- bzw. Saisonarbeitskontos mit entsprechenden Aufzeichnungen und Nachweisen. Die Aufwandserstattungen müssen in einer gesonderten Aufzeichnung plausibel erläutert werden, damit sie steuerrechtlich anerkannt werden. Es besteht möglicherweise ein Anspruch auf Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26 EStG von 2.400 pro Jahr, sofern die schriftliche Bestätigung vorliegt, dass der Trainer den Freibetrag nicht anderweitig geltend macht.
Wann gilt das MiLoG?
Das MiLoG gilt für alle Arbeitnehmer. Für Praktikanten, Arbeitnehmer im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach § 54 SGB III, Jugendliche (§ 2 Abs. 1 und 2 JArbSchG) und Auszubildende gelten als Ausnahmen (§ 22 MiLoG).
Vom Mindestlohngesetz nicht geregelt wird die Vergütung von ehrenamtlich Tätigen (§ 22 Abs. 3 MiLoG). In der Erläuterung des Gesetzentwurfs wird da-rauf hingewiesen, dass diese Vorschrift nur klarstellenden Charakter hat. Ehrenamtliche sind nämlich statusrechtlich nicht in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt (Deutscher Bundestag, Drucksache 18/1558 vom 28.5.2014). Nichtsdestotrotz ist das MiLoG auch für gemeinnützige Organisationen relevant. Wann das der Fall ist, ist in VB 8/2014 (Seite 3 bis 6) erläutert worden.
PRAXISHINWEIS | Das MiLoG sieht Ausnahmen von der Mindestlohnregelung vor. Bestimmte Zahlungen an Mitarbeiter sind ebenfalls nicht betroffen, weil sie keinen Arbeitslohn darstellen. Die folgende Übersicht fasst noch einmal zusammen, wann gemeinnützige Organisationen vom MiLoG befreit sind: |
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Form der Vergütung/ Art des Beschäftigungsverhältnisses | Einzelfälle/Voraussetzungen | Anmerkungen |
Ehrenamtliche Tätigkeiten |
| Vergütungen bis zur Höhe dieser Pauschalen dürfen unter 8,50 Euro pro Stunde liegen |
Selbstständige Tätigkeiten |
| Es gelten die allgemeinen Regelungen hinsichtlich der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht |
Sonstige Einkünfte von Vereinsmitgliedern | Gering bezahlte Tätigkeiten aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtungen | |
Aufwandsersatz |
| Dürfen nicht auf die Vergütung angerechnet werden |
Weitere Vergütungen | Trinkgelder | Dürfen nicht auf die Vergütung angerechnet werden |
Einzelfälle |
| Vergütungen dürfen unter 8,50 Euro pro Stunde liegen |
Diese Sanktionen drohen bei Verstößen
Verstöße gegen das MiLoG gelten als Ordnungswidrigkeit und werden mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet (§ 21 MiLoG). Ordnungswidrig handelt danach unter anderem, wer
- den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt,
- Aufzeichnungen zur Arbeitszeit nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt,
- diese Aufzeichnungen nicht zur Einsichtnahme bereithält,
- eine Prüfung nicht duldet oder bei einer Prüfung nicht mitwirkt,
- das Betreten eines Grundstücks oder der Geschäftsräume nicht duldet.
Für gemeinnützige Organisationen gilt zusätzlich die Verpflichtung, die Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung zu erfüllen (§ 63 AO). Im AEAO zu § 62 Nr. 5 heißt es hierzu: Die tatsächliche Geschäftsführung muss sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten, da die Rechtsordnung als selbstverständlich das gesetzestreue Verhalten aller Rechtsunterworfenen voraussetzt. Folge: Ein gravierender Verstoß gegen die Bestimmungen des MiLoG kann zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Das Mindestlohngesetz und seine Folgen für gemeinnützige Einrichtungen“, VB 8/2014, Seite 3
- Beitrag in Vorbereitung „Der Mindestlohn in der Praxis: Diese Gestaltungsmöglichkeiten können gemeinnützige Organisationen nutzen“, VB 10/2014