Der Zahnarzt und die Umsatzsteuer, Teil 1
Welche Einnahmen des Zahnarztes unterliegen der Umsatzsteuer?
Zwar sind alle rein zahnärztlichen Leistungen von der Umsatzsteuer (USt) befreit, aber auch Zahnärzte erzielen umsatzsteuerpflichtige Einnahmen, zum Beispiel aus Nebentätigkeiten und Hilfsgeschäften sowie vor allem im Prothetikbereich. Im folgenden Beitrag gehen wir daher zusammenfassend auf die für alle Zahnärzte wichtigen Grundlagen der Umsatzsteuer ein.
Das Prinzip der Umsatzsteuer
Von der Umsatzsteuer werden grundsätzlich alle Lieferungen und Leistungen eines Unternehmers erfasst, die dieser im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (= steuerbare Umsätze). Dazu gehört auch der so genannte „Eigenverbrauch“ des Unternehmers, also die Entnahme von Waren und Leistungen für private Zwecke. Mit der von ihm an das Finanzamt abzuführenden Umsatzsteuer kann der Unternehmer die so genannte „Vorsteuer“ verrechnen. Das sind die Umsatzsteuerbeträge, die dem Unternehmer von anderen Unternehmern in Rechnung gestellt wurden, die er also gezahlt hat.
Endgültig mit Umsatzsteuer belastet wird im Ergebnis nur der Endverbraucher. Das ist zum einen jeder „private“ Käufer, zum anderen aber auch ein Unternehmer, der per Gesetz von der Umsatzsteuer befreit worden ist und bei dem deshalb ein Vorsteuerabzug entfällt (Wer keine Umsätze versteuert, erhält auch keinen Vorsteuerabzug.).
Grundsatz: Heilberufe sind von der Umsatzsteuer befreit
Wie bei allen Ärzten sind auch die Einnahmen aus der Tätigkeit als Zahnarzt oder Kieferorthopäde grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit (= steuerbefreite – an sich aber steuerbare – Umsätze). Tätigkeit als Zahnarzt ist die berufsmäßige, auf zahnärztlich wissenschaftliche Kenntnisse gegründete Ausübung der Zahnheilkunde unter der Berufsbezeichnung „Zahnarzt“ bzw. „Zahnärztin“, egal ob sie in einer Einzel- oder Gemeinschaftspraxis oder in einer Praxisgemeinschaft ausgeübt wird. Selbst die Umsätze einer GmbH aus ambulanter Zahnbehandlung, die der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer als approbierter Zahnarzt ausführt, sind – laut Bundesfinanzhof – umsatzsteuerfrei. Zur Ausübung der Zahnheilkunde gehört jede Leistung eines Zahnarztes, die der zahnmedizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und das Behandeln von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dient.Da unter die Umsatzsteuerfreiheit ausschließlich die Humanmedizin fällt, sind Einnahmen aus der Tätigkeit als Tier(zahn-)arzt umsatzsteuerpflichtig (Steuersatz von 16 Prozent).
Unter die umsatzsteuerbefreite Tätigkeit fallen auch Einnahmen aus der vorbeugenden Gesundheitspflege, Untersuchungen nach dem Jugendschutzgesetz und die Schulzahnpflege sowie die Anpassung von kieferorthopädischen Apparaten. Eine Sonderregelung gibt es für Prothetikumsätze und die Lieferung von kieferorthopädischen Apparaten, auf die wir später noch ausführlicher eingehen werden.
Einnahmen aus Nebentätigkeiten des Zahnarztes sind nicht immer begünstigt
Umsatzsteuerfrei ist nicht nur das Honorar, sondern auch die notwendige Nebenleistung im Zusammenhang mit der zahnärztlichen Tätigkeit, zum Beispiel Röntgenaufnahmen, die Verabreichung von Medikamenten in Notfällen etc. Dies gilt auch dann, wenn eine Röntgenaufnahme nur der Dokumentation dient oder von der Helferin gemacht wird.
Einnahmen aus zahnärztlichen Gutachten sind nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Daher fallen auf Grund eines EuGH-Urteils vom 14. September 2000 (Az: Rs. C - 384/98) und eines entsprechenden BMF-Anwendungsschreibens vom 13. Februar 2001 (Az: IV D 1 - S 7170 - 4/01) seit dem 8. März 2001 Gutachten, die zum Beispiel als Grundlage für Schadenersatzprozesse erstellt werden, nicht mehr unter die Umsatzsteuerbefreiung.
Nicht umsatzsteuerfrei ist auch die entgeltliche Abgabe von Medikamenten an Patienten aus der Hausapotheke. Ebenfalls nicht begünstigt ist die Lieferung von Hilfsmitteln, die Vortragstätigkeit, selbst wenn der Vortrag vor Zahnärzten im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung gehalten wird, oder die schriftstellerische Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um Beiträge für zahnärztliche Fachzeitschriften handelt. Umsatzsteuerpflichtig ist auch der Verkauf von Mundhygiene- und -pflegeartikeln in der Zahnarztpraxis. Der Steuersatz für diese Einnahmen beträgt derzeit 16 Prozent, für Einnahmen aus schriftstellerischer Tätigkeit nur 7 Prozent.
Für Prothetikumsätze gibt es eine Sonderregelung
Nach den bisher genannten Grundsätzen wären die meisten Zahnärzte wegen ihrer überwiegend steuerfreien heilberuflichen Tätigkeit von der Umsatzsteuer gar nicht berührt. Um Wettbewerbsverzerrungen mit den gewerblichen Dentallabors zu vermeiden, hat der Gesetzgeber im Umsatzsteuergesetz allerdings die Lieferung von in der Praxis des Zahnarztes hergestellten oder wiederhergestellten Zahnprothesen, anderen Waren der Zahnprothetik sowie kieferorthopädischen Apparaten und Vorrichtungen von der Steuerbefreiung ausgenommen. Dabei ist es unerheblich, ob diese Arbeiten vom Zahnarzt selbst oder von einem angestellten Zahntechniker durchgeführt werden. Zu den Zahnprothesen zählen auch Brücken, Stiftzähne oder Kronen. Die Anfertigung von Zahnplomben gehört jedoch nicht dazu und bleibt umsatzsteuerfrei.
Umsatzsteuerfrei bleiben auch die folgenden Umsätze, die nicht zu den Prothetikumsätzen gehören und für die der Zahnarzt Pauschbeträge oder die tatsächlich entstandenen Kosten gesondert berechnen kann:
- Abformmaterial zur Herstellung von Kieferabdrücken,
- Hülsen zum Schutz beschliffener Zähne für die Zeit von der Präparierung der Zähne bis zur Eingliederung der Kronen,
- nicht individuell hergestellte provisorische Kronen,
- Material für direkte Unterfütterungen von Zahnprothesen und
- Kosten für die Übersendung von Abdrücken etc. an das Fremdlabor.
Bei den umsatzsteuerpflichtigen Prothetikumsätzen sind drei Fälle zu unterscheiden:
Fall 1: Der Zahnersatz wird im eigenen Praxislabor hergestellt
Die Lieferung des Zahnersatzes an die Patienten muss insgesamt versteuert werden (Material- und Laborkosten). Der Steuersatz beträgt 7 Prozent. Das Honorar für die übrige zahnärztliche Leistung bleibt umsatzsteuerfrei. Auch die Einnahmen aus dem für die Praxis eines anderen Zahnarztes her-/wiederhergestellten Zahnersatzes unterliegen der Umsatzsteuer (Steuersatz ebenfalls 7 Prozent).
Fall 2: Der Zahnarzt lässt den Zahnersatz im Fremdlabor fertigen
Der im Fremdlabor hergestellte Zahnersatz wird dem Zahnarzt zuzüglich 7 Prozent Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Da die Weiterlieferung des Zahnersatzes an die Patienten dann umsatzsteuerfrei ist, kann der Zahnarzt die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer auch nicht als Vorsteuer abziehen. Im Ergebnis bleibt der Zahnarzt auf der Umsatzsteuer jedoch nicht „sitzen“, da er eine Rechnung ausstellt, die in der Summe die Fremdlaborkosten und die Umsatzsteuer abdeckt.
Fall 3: Der Zahnersatz wird teils durch ein Fremdlabor, teils im eigenen Labor des Zahnarztes hergestellt
In diesem Fall ist nur der Leistungsteil, der auf das eigene Labor entfällt, umsatzsteuerpflichtig. Die vom Fremdlabor angefertigte Prothetik wird ohne zusätzliche Umsatzsteuerberechnung an den Patienten weitergeliefert. Da aber bereits die Fertigung von Modellen, Bissschablonen, Bisswällen und Funktionslöffeln sowie die Verwendung der vom Zahnarzt individuell hergestellten provisorischen Kronen und die von ihm durchgeführten indirekten Unterfütterungen des Zahnersatzes zur Herstellung des Zahnersatzes zählen, wird der Zahnarzt mindestens zu einem geringen Teil umsatzsteuerpflichtige Leistungen ausführen. Das gilt auch dann, wenn der eigentliche Zahnersatz vom Fremdlabor hergestellt wird.
Beispiel
Bei der Anfertigung einer Krone führt der Zahnarzt selbst folgende Leistungen aus: Anfertigung eines Modells, Sägemodells und Sägestumpfes. Die übrigen Arbeiten überlässt er dem Fremdlabor, das ihm dafür eine Rechnung über 850,65 DM (795 DM zuzüglich 7 Prozent Umsatzsteuer = 55,65 DM) ausstellt. Die Leistungen des Fremdlabors stellt der Zahnarzt ohne zusätzliche Umsatzsteuer in Rechnung. Die Gesamtrechnung sieht wie folgt aus:
Die in dieser Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer von 1,74 DM muss der Zahnarzt an das Finanzamt abführen, während er die Umsatzsteuer des Fremdlabors nicht als Vorsteuer abziehen kann, weil dieser Umsatz für ihn steuerfrei ist.
Eine praktikablere Regelung hat der Bundesfinanzhof für die im zahnarzteigenen Labor hergestellten kieferorthopädischen Apparate gefunden: Wenn solche Apparate für die Behandlung eigener Patienten unentbehrlich oder zumindest von erheblicher Bedeutung sind, können sie umsatzsteuerfrei überlassen werden (BFH, Urteil vom 23. Oktober 1997, Az: V R 36/96). Die früher entscheidende Frage, ob durch die Über1997, Az: V R 36/96). Die früher entscheidende Frage, ob durch die Überlassung die Patienten Eigentümer werden, spielt jetzt keine Rolle mehr.
Auch eine Materialbeistellung führt zur Umsatzsteuer
Lässt der Zahnarzt den Zahnersatz außerhalb seiner Praxis anfertigen, stellt er aber dem Fremdlabor hierfür Material (Zahngold, Zähne) zur Verfügung, so wird diese Beistellung umsatzsteuerlich wie eine Herstellung der Zahnprothetik durch den Zahnarzt selbst behandelt. Der Zahnarzt wird dadurch so gestellt, als hätte er das beigestellte Material direkt und ohne den Umweg über das Fremdlabor an den Patienten geliefert. Der Steuersatz beträgt ebenfalls 7 Prozent.
Beispiel
Das Fremdlabor fertigt eine dreigliedrige Brücke an. Das dafür erforderliche Edelmetall (8 gr. Degulor M x 24,50 DM = 196 DM zuzüglich 7 % USt = 209,72 DM) liefert der Zahnarzt an das Dentallabor. Über das beigestellte und vom Fremdlabor verarbeitete Zahngold fertigt der Zahnarzt für KZV/Patient eine eigene Abrechnung. Die Gesamtrechnung könnte dann so aussehen:
Beim CEREC-Gerät ist der Einsatz entscheidend
Der Einsatz der intraoralen Videokamera eines CEREC-Gerätes für diagnostische Zwecke gehört als Ausübung der Zahnheilkunde zu den umsatzsteuerfreien Leistungen des Zahnarztes. Wie umsatzsteuerpflichtiger Zahnersatz werden jedoch die computergesteuert im CEREC-Verfahren gefertigten Füllungen (Inlays), Dreiviertelkronen (Onlays) und Verblendschalen für die Frontzähne (Veneers) aus Keramik behandelt (Steuersatz von 7 Prozent). Es empfiehlt sich, die abzurechnenden Leistungen, die auf den Einsatz des CEREC-Gerätes entfallen, nach steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen unter Angabe der Leistungsnummern der GOZ oder anderer Angaben getrennt aufzuzeichnen.
Auf Hilfsgeschäfte kann ebenfalls Umsatzsteuer anfallen
Unter Hilfsgeschäften versteht man Umsätze, die eigentlich nicht in den zahnärztlichen Tätigkeitsbereich gehören, die aber dennoch zwangsläufig dann und wann in einer Praxis vorkommen. Beispielsweise könnte ein Zahnarzt ein gebrauchtes Behandlungsgerät verkaufen, die alte EDV-Anlage beim Erwerb einer neuen in Zahlung geben oder den überwiegend beruflich genutzten Pkw veräußern. Diese als „Hilfsgeschäfte“ bezeichneten Umsätze fallen nicht unter die Befreiungsvorschrift, weil insoweit keine Umsätze aus der zahnärztlichen Tätigkeit vorliegen. Dennoch können auch diese Einnahmen umsatzsteuerfrei bleiben. Das setzt allerdings voraus, dass die veräußerten Gegenstände ausschließlich oder zumindest fast ausschließlich für die umsatzsteuerfreie zahnärztliche Tätigkeit verwendet wurden. Aus Vereinfachungsgründen lässt die Finanzverwaltung einen steuerfreien Verkauf zu, wenn das veräußerte Wirtschaftsgut vorher mindestens zu 95 Prozent für die umsatzsteuerfreie Tätigkeit verwendet worden ist und Vorsteuern beim Kauf nicht berücksichtigt wurden, was zum Beispiel beim Praxis-Pkw der Fall sein dürfte. Werden jedoch Altgeräte aus dem zahnarzteigenen Labor veräußert, fällt grundsätzlich Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 16 Prozent an.
Zahnärzte können von der „Kleinunternehmer-Regelung“ profitieren
Zahnärzte werden vielfach umsatzsteuerpflichtige Einnahmen erzielen, wenn auch mitunter nur in geringem Umfang. Der Gesetzgeber hat deshalb den so genannten „Kleinunternehmer“ von allen umsatzsteuerlichen Pflichten freigestellt. Kleinunternehmer ist jeder Unternehmer, dessen steuerpflichtige Umsätze einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Vorjahr 32.500 DM (brutto) nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 100.000 DM voraussichtlich nicht übersteigen werden. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Zahnarzt die Kleinunternehmer-Regelung für sich in Anspruch nehmen. Außerordentliche Umsätze aus dem Verkauf von Anlagevermögen – zum Beispiel eines gebrauchten Behandlungsgerätes – werden bei der Ermittlung dieser Umsatzgrenzen von Kleinunternehmern nicht berücksichtigt.
Beispiel
Ein Zahnarzt hat in den zurückliegenden Jahren folgende Umsätze erwirtschaftet:
In allen drei Jahren kann der Zahnarzt die Kleinunternehmer-Regelung für sich in Anspruch nehmen, da der steuerpflichtige Vorjahresumsatz die Grenze von 32.500 DM nicht übersteigt (Annahme: Für 1997 trifft dies ebenfalls zu). Die steuerfreien Umsätze aus der Heilbehandlung einschließlich Zahnersatz aus dem Fremdlabor und der außerordentliche Umsatz aus dem Verkauf des Behandlungsgerätes werden nicht mit einbezogen. Im Jahr 2001 kann der Zahnarzt jedoch die Kleinunternehmer-Regelung nicht mehr anwenden, weil die steuerpflichtigen Umsätze im Vorjahr mehr als 32.500 DM betragen haben.
Hinweis: Ein Zahnarzt, der seine steuerpflichtigen Umsätze als Kleinunternehmer nicht versteuert, darf in seinen Abrechnungen auch keine Umsatzsteuer ausweisen und keine Vorsteuer abziehen. Er kann allerdings – auch wenn er dauerhaft unter der 32.500-DM-Grenze bleiben wird – zur Umsatzsteuer optieren und ohne zwingende Verpflichtung Umsatzsteuer in Rechnung stellen, um damit auch die Vorsteuer – etwa bei größeren Investitionen im umsatzsteuerpflichtigen Bereich – abziehen zu können. Ob das in Ihrem Fall letztlich sinnvoll ist – die Bindungsfrist für die Optierung beträgt fünf Jahre –, sollten Sie gegebenenfalls mit Ihrem Steuerberater besprechen.
Quelle: Zahnärzte-Wirtschaftsdienst - Ausgabe 07/2001, Seite 5