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  • Urlaubsrecht, Teil 1

    Das sollten Sie zum Urlaubsanspruch Ihrer Mitarbeiter wissen

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Ulrich Rehborn, Sozietät Dr. Rehborn, Dortmund

    „Urlaub – die schönste Zeit des Jahres“. Dieser Slogan blendet aus, dass das Thema „Urlaub“ eine Menge Konfliktstoff zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereithält – für den Arbeitgeber oft mit überraschenden Ergebnissen. In dieser und in der nächsten Ausgabe erläutern wir, was Sie als Arbeitgeber zum Urlaubsrecht unbedingt wissen sollten.

    Ansprüche auf Befreiung von der Arbeitspflicht

    Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub1 Bundesurlaubsgesetz; BUrlG). Zu den Arbeitnehmern zählen dabei auch Aushilfen, Auszubildende, freie Mitarbeiter und Teilzeitkräfte (zum Beispiel Minijobber).

    Das Bundesurlaubsgesetz regelt den Mindestanspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub – nämlich auf 24 Werktage. Daneben bestehen zusätzliche Ansprüche für Jugendliche (§ 19 Jugendarbeitsschutzgesetz) und Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX). Selbstverständlich kann im Arbeitsvertrag auch mehr Urlaub vereinbart werden als gesetzlich vorgesehen ist. Höhere Urlaubsansprüche können sich auch – bei beidseitiger Tarifbindung – aus dem Tarifvertrag oder aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung ergeben, die auf eine derartige Regelung im Tarifvertrag Bezug nimmt.

    Vom Erholungsurlaub sind der Sonderurlaub und ein Ruhen der Arbeitspflicht – mit und ohne Entgeltzahlungspflicht – zu unterscheiden.

    Ohne entsprechende gesetzliche, vertragliche oder tarifvertragliche Regelung ist der Zahnarzt nicht zur Gewährung von Sonderurlaub verpflichtet. Gesetzliche Anwendungsfälle des Ruhens der Arbeitspflichten sind die – unbezahlte – Elternzeit (§§ 15, 16 Bundeserziehungsgeldgesetz) und die – unbezahlte – Freistellung bei Erkrankung eines Kindes (§ 45 Abs. 3 SGB V). Einen Anspruch auf – bezahlte – Arbeitsbefreiung gewährt § 12 Manteltarifvertrag für zahnmedizinische Fachangestellte, der bei beiderseitiger Tarifbindung bzw. bei Bezugnahme im Arbeitsvertrag zur Anwendung kommt. Danach sind bei Eheschließung, Niederkunft, schwerer Erkrankung oder Tod von Angehörigen und beim Wohnungswechsel bis zu drei Tage Arbeitsbefreiung zu gewähren. Nimmt der Arbeitsvertrag nicht auf den Tarifvertrag Bezug, kann die ähnlich gelagerte gesetzliche Regelung des § 616 (1) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) arbeitsvertraglich abgedungen werden. § 616 (1) BGB kommt dann nicht zur Anwendung und es muss keine Freistellung gewährt werden.

    Zahlreiche Bundesländer haben darüber hinaus Arbeitnehmerweiterbildungsgesetze erlassen, die den Arbeitnehmern berufliche und politische Weiterbildung ermöglichen (Bildungsurlaub) und den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung während der Freistellung verpflichten (zum Beispiel § 7 Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW).

    Weder der Bildungs- noch der Sonderurlaub noch die erwähnten Freistellungen sind auf die Erholungsurlaubszeiten anzurechnen. Gleiches gilt für Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, soweit ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.

    Voraussetzungen des Anspruchs auf Erholungsurlaub

    Ein Anspruch auf Erholungsurlaub entsteht, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht und die in § 4 BUrlG vorgesehene sechsmonatige Wartezeit abgelaufen ist. Mit Ablauf der Wartezeit erwirbt der Arbeitnehmer grundsätzlich den vollen Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr. Der volle Urlaubsanspruch entsteht auch dann, wenn der Mitarbeiter in der zweiten Jahreshälfte gleichzeitig mit der Erfüllung der Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Gegebenenfalls muss der Urlaub dann in Geld abgegolten werden. Nach Ablauf der Wartezeit entsteht der Anspruch jeweils mit Beginn des Urlaubsjahres (= Kalenderjahr).

    Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält § 6 BUrlG: Bei einem Wechsel des Arbeitsverhältnisses besteht beim neuen Arbeitgeber kein Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer vom alten Arbeitgeber bereits den vollen Urlaub erhalten hat. Der Zahnarzt ist daher verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über bereits gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen.

    Für den Beginn der Wartezeit kommt es auf den im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt des rechtlichen Bestehens des Arbeitsverhältnisses an und nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Beschäftigungsaufnahme. Der Urlaubsanspruch entsteht daher auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer Krankheit während der Wartezeit gar nicht gearbeitet hat. Auch nach Ablauf der Wartezeit haben selbst langfristig Erkrankte einen vollen Urlaubsanspruch. Zeiten der Ausbildung in der Praxis werden auf die Wartezeit angerechnet.

    Zu Gunsten des Arbeitsnehmers kann von der gesetzlichen Wartefrist abgewichen werden. Der Arbeitgeber kann daher schon während der vereinbarten sechsmonatigen Probezeit Urlaub gewähren. Doch Vorsicht: Zu viel gewährten Urlaub kann der Arbeitgeber nicht zurückfordern.

    Besonderheiten bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs

    Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage pro Kalenderjahr. Als Werktage gelten dabei alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind, also auch die Samstage. Bei einer Fünf-Tage-Woche ist eine Umrechnung des Mindesturlaubsanspruchs nötig, sofern sich der Urlaubsanspruch laut Arbeitsvertrag nicht schon ausdrücklich auf Arbeitstage bezieht. Bei einer Fünf-Tage-Woche beträgt der gesetzliche Mindesturlaub dann 20 Arbeitstage. Der Tarifvertrag sieht einen höheren Urlaubsanspruch vor und enthält auch eine auf das Lebensalter bezogene Staffelung. Zugleich trifft er die Unterscheidung zwischen Werk- und Arbeitstagen.

    Eine Umrechnung ist auch dann notwendig, wenn eine Teilzeitkraft nicht an allen Werktagen der Woche arbeitet. Die Formel lautet:

    Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden (§ 5 Abs. 2 BUrlG).

    Bei Teilzeitkräften ist nicht auf die Stundenzahl, sondern auf die Arbeitstage abzustellen. Eine Teilzeitkraft, die an drei Wochentagen arbeitet und den gesetzlichen Mindesturlaub beanspruchen kann, hat danach einen Anspruch auf zwölf Arbeitstage Urlaub. Im Ergebnis muss jeder Arbeitnehmer mindestens vier Wochen pro Jahr Urlaub machen können.

    Hat ein Arbeitnehmer die sechsmonatige Wartezeit noch nicht erfüllt oder scheidet er vor Ablauf der Wartezeit aus der Praxis aus, so erwirbt er keinen Anspruch auf vollen Jahresurlaub, sondern nur einen Teilurlaubsanspruch. Gleiches gilt für ein Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit in der ersten Jahreshälfte. Der Teilurlaubsanspruch beträgt ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Endet ein Arbeitsverhältnis zum Beispiel am 15. Mai, entsteht der Urlaubsanspruch nur für die Monate Januar bis April und beträgt somit – bei Anwendung des gesetzlichen Mindesturlaubs – 8 Werktage.

    Ist hingegen die Wartezeit erfüllt und endet das Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni – also in der zweiten Jahreshälfte –, so behält der Arbeitnehmer den vollen gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch.

    Festlegung der Urlaubszeiten

    Der Arbeitnehmer kann seinen Urlaub jederzeit vom Arbeitgeber einfordern. Die Festlegung der Urlaubszeit erfolgt aber einseitig durch den Arbeitgeber. Dieser muss dabei die Urlaubswünsche des Mitarbeiters berücksichtigen. Der Urlaub muss zusammenhängend gewährt werden (§ 7 Abs. 2 BUrlG). In der Praxis kommt es allerdings auch oft vor, dass einzelne Urlaubstage gewährt werden, obwohl dies urlaubsrechtlich nicht vorgesehen ist. Der Zahnarzt kann die Urlaubsgewährung zum beantragten Zeitpunkt nur verweigern, wenn dies auf Grund dringender Belange der Praxis oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, erforderlich ist.

    Dringende betriebliche Belange können vorliegen, wenn der Zahnarzt Praxisferien festgelegt hat oder auf Grund der Erkrankung anderer Mitarbeiter sonst der Praxisbetrieb nicht aufrecht erhalten werden kann. Ob Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer sozial vorrangig sind, muss unter Berücksichtigung von Alter und Dauer der Praxiszugehörigkeit des Mitarbeiters, der Anzahl und Schulpflicht der Kinder des Mitarbeiters und eventueller Berufstätigkeit des Mitarbeiterehegatten im Einzelfall ermittelt werden. Eine Entscheidung anhand des Zeitpunktes des Eingangs der Urlaubsanträge – so das Arbeitsgericht Frankfurt – erfüllt diese Anforderungen nicht.

    Der Arbeitgeber muss allerdings immer Urlaub gewähren, wenn dieser vom Arbeitnehmer im Anschluss an eine medizinische Vorsorgemaßnahme oder Rehabilitation beantragt wird. Praxisbelange oder Belange anderer Mitarbeiter können hier nicht entgegengehalten werden.

    Um einen angemessenen Ausgleich zu finden, sieht der Tarifvertrag bei der Anordnung von Praxisferien vor, dass diese Zeiten sechs Monate vorher bekannt gemacht werden. Darüber hinaus ist den Angestellten mindestens zwei Wochen Jahresurlaub unter Berücksichtigung eigener zeitlicher Wünsche zu gewähren. Auch wenn der Tarifvertrag nicht zur Anwendung kommt, hat der Arbeitnehmer das Recht, einen Teil seines Urlaubs unabhängig von den Praxisferien zu nehmen.

    Urlaubsanspruch kann nicht „abgekauft“ werden

    Da § 13 Abs. 1 BUrlG vorschreibt, dass der gesetzliche Mindesturlaub durch Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarungen nicht verkürzt werden darf, muss der Arbeitgeber die nicht genehmigten Urlaubsansprüche auf Antrag zu einem späteren Zeitpunkt – gegebenenfalls im Folgejahr – gewähren. Ein „Abkaufen“ von Urlaubstagen ist nicht erlaubt. Der Urlaubsanspruch bliebe in diesem Fall trotz Zahlung bestehen.

    Oft werden Urlaubspläne ausgehängt, in welche die Mitarbeiter ihre Urlaubswünsche eintragen können. Von einer (stillschweigenden) Genehmigung des so beantragten Urlaubes kann der Mitarbeiter aber nur ausgehen, wenn dies in der Praxis bereits mehrmals so gehandhabt wurde („betriebliche Übung“) und wenn der Zahnarzt den Urlaubswünschen innerhalb einer angemessenen Frist (maximal drei bis vier Wochen) nicht widersprochen hat. Anderenfalls ist die ausdrückliche Genehmigung des Urlaubs erforderlich.

    Weigert sich der Zahnarzt grundlos, für einen bestimmten Zeitraum Urlaub zu gewähren, kann der Arbeitnehmer auf Urlaubsgewährung klagen oder eine „einstweilige Verfügung“ beantragen. Ein Selbstbeurlaubungsrecht besteht hingegen nicht. Der eigenmächtige Urlaubsantritt ist eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung und kann zu Schadenersatzansprüchen oder gar zur Kündigung führen. Bleibt der Arbeitnehmer eigenmächtig der Arbeit fern, zählt dies nicht als Erholungsurlaub und der Arbeitnehmer hat keinen Entgeltanspruch. Eine nachträgliche Anrechnung auf den Urlaub ist nur im beiderseitigen Einvernehmen möglich.

    Rücknahme der Urlaubsgenehmigung nur im Ausnahmefall

    Bei bereits genehmigtem Urlaub kann der Arbeitgeber diese Genehmigung nur zurücknehmen (juristisch: „anfechten“ der Urlaubserklärung), wenn außergewöhnliche betriebliche Gründe bestehen und eine Situation eingetreten ist, die nicht durch eine weniger gravierende Maßnahme geregelt werden kann. Gegebenenfalls entstehenden Schaden – zum Beispiel Stornokosten oder ein höherer Saisonzuschlag für einen anderen Reisetermin – hat der Arbeitgeber zu ersetzen. Umgekehrt kann es auch dem Arbeitnehmer gestattet sein, einen bereits genehmigten Urlaub zu verschieben, beispielsweise bei eigener Erkrankung. Der Arbeitgeber hat die Wünsche des Mitarbeiters zu berücksichtigen, soweit betriebliche Belange oder andere Urlaubswünsche dem nicht entgegenstehen.

    Ausblick: In der nächsten Ausgabe werden die Konsequenzen von Resturlaub, der Urlaubsgeldzahlung, einer Erkrankung während des Urlaubs sowie der Urlaubsansprüche vor und nach der Elternzeit aufgezeigt.

    Quelle: Zahnärzte-Wirtschaftsdienst - Ausgabe 05/2003, Seite 17

    Quelle: Ausgabe 05 / 2003 | Seite 17 | ID 109088