· Statistik
Zahnärztliches Investitionsverhalten bei der Existenzgründung 2019
von Dipl-Vw. Katja Nies und Dr. med. dent. Detlev Nies, Köln, praxisbewertung-praxisberatung.com
| Schon seit mehr als fünf Jahren entfallen auf Neugründungen von Einzelpraxen meist weniger als 10 Prozent der Niederlassungen, während Übernahmen von Einzelpraxen im gleichen Betrachtungszeitraum ziemlich konstant zwischen 65 und 67 Prozent der Niederlassungen ausmachen. Die restlichen 26 bis 30 Prozent der Niederlassungen finden in Form einer Gründung von oder eines Beitritts in eine Gemeinschaftspraxis statt. Der Fokus des folgenden Beitrags liegt auf der Kostenanalyse von Neugründung, Übernahme und Beitritt der jeweiligen Niederlassungsform. |
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Die Veröffentlichung von statistischen Daten zum wirtschaftlichen Geschehen rund um die Zahnarztpraxis befindet sich im Umbruch und wird derzeit neu gegliedert. Bisher gab es im Wesentlichen drei Säulen:
In Zukunft werden die Statistiken anders aufgeteilt und gegliedert:
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Merke | Dieser Beitrag beschäftigt sich hauptsächlich mit den Daten, die dem InvestMonitor des IDZ, Ausgabe 2020, entnommen werden können. In der nächsten Ausgabe erscheint ein Beitrag, der praxisrelevante Daten aus dem Jahrbuch 2019/2020 der BZÄK enthält.
Rahmendaten
Die Verhältnisse zwischen Neugründungen und Übernahmen von Einzelpraxen sowie Gründungen von oder Beitritten zu Gemeinschaftspraxen erklären sich zum einen aus den hohen Kosten einer Praxisneugründung, zum anderen aber natürlich auch daraus, dass bei einer Neugründung ein eigener Patientenstamm vollständig neu aufgebaut werden muss, der bei einer Praxisübernahme und insbesondere bei dem Eintritt in eine bestehende Gemeinschaftspraxis zumindest teilweise übernommen werden kann.
Dabei entfallen auf Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern und Ballungsräume zwischen 35 und 40 Prozent aller Niederlassungen mit leicht steigender Tendenz, obwohl dort nur 31,8 Prozent der Wohnbevölkerung leben. Die Gründe für diese Präferenz sind vielfältig, aber nicht genau bezifferbar: als wichtige Bestimmungsgrößen werden z. B. das Angebot an kulturellen Einrichtungen, Schulen und Freizeitgestaltung genannt, aber auch die in Ballungsgebieten höhere Kaufkraft der Bevölkerung. Auch Großpraxen und MVZ werden vor allem in Großstädten gegründet und betrieben.
Der „mittelstädtische Raum“ umfasst Gemeinden mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern, in denen 28,6 Prozent der Bevölkerung leben. In den letzten Jahren fanden hier 26 bis 30 Prozent der Niederlassungen statt, was in etwa dem dort lebenden Bevölkerungsanteil entspricht. Zum „ländlichen Raum“ zählen alle Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern. Hier leben zwar 39,6 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber nur etwa 32 bis 35 Prozent der Niederlassungen wurden hier realisiert.
Deshalb nimmt in den Großstädten und Ballungsgebieten die Zahnarztdichte tendenziell allmählich zu und in den ländlichen Regionen allmählich ab.
Die bekannten Trends, dass das Durchschnittsalter der Praxisgründer allmählich zunimmt (es liegt im Bundesdurchschnitt mittlerweile bei 36,1 Jahren) und die Zahnmedizin immer „weiblicher“ wird (bei den Niederlassungen halten sich Männer und Frauen die Waage, bei den angestellten Zahnärzten überwiegen die Frauen deutlich), sind ungebrochen.
Für alle nachfolgend dargestellten Tabellen gilt, dass größere jährliche Schwankungen bei einzelnen Positionen zum Teil der vergleichsweise geringen Zahl beobachteter Fälle zuzuschreiben sind. Für die Interpretation der Daten wichtiger ist die generelle Tendenz, die die Durchschnittswerte zeigen.
Einzelpraxen
Für die Neugründung von Einzelpraxen wurden folgende durchschnittliche Kosten ermittelt:
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | |
Modernisierung/Umbau Praxisräume | 66 | 48 | 83 | 95 | 71 |
Medizintechnik, Einrichtung, EDV | 288 | 280 | 280 | 321 | 300 |
Sonstige Investitionen | 67 | 142 | 78 | 106 | 122 |
Praxisinvestitionen gesamt | 421 | 470 | 441 | 522 | 493 |
Betriebsmittelkredit | 63 | 58 | 63 | 76 | 64 |
Finanzierungsvolumen gesamt | 484 | 528 | 504 | 598 | 557 |
Bei der Übernahme einer Einzelpraxis wurden die nachfolgend aufgeführten Beträge ausgewiesen:
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | |
Ideeller Praxiswert (Goodwill) | 124 | 117 | 128 | 129 | 116 |
Materieller Praxiswert (Substanzwert) | 48 | 44 | 56 | 49 | 60 |
Übernahmepreis | 172 | 161 | 184 | 178 | 176 |
Modernisierung/Umbau Praxisräume | 18 | 20 | 18 | 25 | 25 |
Medizintechnik, Einrichtung, EDV | 60 | 69 | 73 | 91 | 98 |
Sonstige Investitionen | 23 | 34 | 34 | 46 | 55 |
Praxisinvestitionen gesamt | 273 | 284 | 309 | 340 | 354 |
Betriebsmittelkredit | 53 | 58 | 58 | 54 | 56 |
Finanzierungsvolumen gesamt | 326 | 342 | 367 | 394 | 410 |
Interessant ist auch der Vergleich der Kosten einer Praxisneugründung mit den Kosten einer Praxisübernahme:
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | |
Finanzierungsvolumen Neugründung | 484 | 528 | 504 | 598 | 557 |
Finanzierungsvolumen Übernahme | 326 | 342 | 367 | 394 | 410 |
Differenz | 158 | 186 | 137 | 204 | 147 |
Leider liegen keine aussagekräftigen Statistiken vor, welche die Frage beantworten können, ob die höheren Kosten einer Praxisneugründung in den Folgejahren durch höhere Praxisgewinne ausgeglichen oder übertroffen werden. Auf lange Sicht ist das Investitionsvolumen bei beiden Niederlassungsformen vergleichbar (der Praxisübernehmer wird höhere Ersatzinvestitionen als der Praxisgründer stemmen müssen, der Praxisgründer wird einen eigenen Goodwill aufbauen, für den er kein Geld ausgeben musste), ob aber diese „Vorteile“ bzw. „Nachteile“ bei der Existenzgründung dem Unterschiedsbetrag des Finanzierungsvolumens entsprechen, ist nicht bekannt.
Berufsausübungsgemeinschaften (BAG)
Bei BAG werden drei Fallkonstellationen unterschieden:
- Neugründung (Tabelle: NG): Zwei oder mehr Zahnärzte gründen eine BAG. Dies ist der am wenigsten übliche Weg in die Niederlassung.
- Übernahme (Tabelle: ÜB): Zwei oder mehr Zahnärzte übernehmen eine BAG. Dies kommt etwas häufiger vor als eine Neugründung, ist aber nur möglich, wenn alle „altenc“ Eigentümer der BAG gemeinsam aus dem Berufsleben ausscheiden möchten.
- Beitritt/Einstieg (Tabelle BE): Ein Zahnarzt tritt einer BAG bei, entweder, indem er die Anzahl der Teilhaber vergrößert, oder indem er einen ausscheidenden Partner ersetzt. Dies ist die häufigste Form der Niederlassung im Rahmen einer BAG.
Interessant ist in Tab. 4 die Beobachtung, dass der Beitritt zu einer BAG von allen Niederlassungsformen die günstigste Alternative ist, auch dann, wenn man die Niederlassungsmöglichkeiten als Einzelpraxis miteinbezieht:
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | |||||||||||
NG | ÜB | BE | NG | ÜB | BE | NG | ÜB | BE | NG | ÜB | BE | NG | ÜB | BE | |
Goodwill | 0 | 116 | 195 | 0 | 123 | 134 | 0 | 135 | 160 | 0 | 145 | 159 | 0 | 95 | 145 |
Substanzwert | 0 | 41 | 58 | 0 | 39 | 46 | 0 | 41 | 49 | 0 | 92 | 47 | 0 | 33 | 79 |
Übernahmepreis | 0 | 157 | 253 | 0 | 162 | 180 | 0 | 176 | 209 | 0 | 237 | 206 | 0 | 128 | 224 |
Modernisierung/Umbau | 45 | 25 | 11 | 53 | 29 | 4 | 60 | 20 | 1 | 57 | 25 | 10 | 168 | 42 | 11 |
Praxiseinrichtung | 202 | 53 | 18 | 193 | 68 | 16 | 154 | 60 | 12 | 197 | 24 | 23 | 217 | 88 | 42 |
Sonstige Investitionen | 50 | 15 | 7 | 56 | 17 | 9 | 162 | 43 | 14 | 112 | 37 | 21 | 85 | 30 | 15 |
Investitionen gesamt | 297 | 250 | 289 | 302 | 276 | 209 | 376 | 299 | 236 | 366 | 323 | 260 | 470 | 288 | 292 |
Betriebsmittelkredit | 33 | 42 | 21 | 37 | 42 | 29 | 36 | 43 | 27 | 45 | 39 | 27 | 41 | 53 | 29 |
Finanzierungsvolumen | 330 | 292 | 310 | 339 | 318 | 238 | 412 | 342 | 263 | 411 | 362 | 287 | 511 | 341 | 321 |
Kieferorthopädische und oralchirurgische Fachpraxen
Die statistischen Daten für kieferorthopädische bzw. oralchirurgische/kieferchirurgische Praxen sind wegen der geringen Fallzahlen nur eingeschränkt aussagekräftig, zeigen aber dennoch die zu erwartenden Entwicklungen auf. Unterschieden wird in beiden Gruppen lediglich zwischen Praxisneugründungen (Tabelle: NG) und Praxisübernahmen inkl. Beitritt in eine BAG (Tabelle: BAG).
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | ||||||
NG | BAG | NG | BAG | NG | BAG | NG | BAG | NG | BAG | |
Goodwill | 0 | 227 | 0 | 182 | 0 | 266 | 0 | 200 | 0 | 184 |
Substanzwert | 0 | 68 | 0 | 71 | 0 | 85 | 0 | 79 | 0 | 96 |
Übernahmepreis | 0 | 295 | 0 | 253 | 0 | 351 | 0 | 279 | 0 | 280 |
Modernisierung/Umbau | 81 | 4 | 96 | 31 | 89 | 11 | 118 | 21 | 155 | 27 |
Praxiseinrichtung | 211 | 13 | 261 | 50 | 215 | 77 | 302 | 53 | 287 | 73 |
Sonstige Investitionen | 133 | 27 | 100 | 43 | 126 | 46 | 137 | 48 | 95 | 54 |
Investitionen gesamt | 425 | 339 | 457 | 377 | 430 | 485 | 557 | 401 | 537 | 434 |
Betriebsmittelkredit | 59 | 64 | 60 | 45 | 68 | 48 | 79 | 57 | 64 | 63 |
Finanzierungsvolumen gesamt | 484 | 403 | 517 | 422 | 498 | 533 | 636 | 458 | 601 | 497 |
Wie schon bei den (Allgemein-)Zahnärzten beobachtet, sind die Kosten bei einer Praxisübernahme in der Regel geringer als die Kosten bei einer Praxisneugründung. Die Kosten der Neugründung einer kieferorthopädischen Praxis entsprechen dabei in etwa den Kosten, die bei der Neugründung einer Zahnarztpraxis anfallen (vgl. Tab. 1). Bei Praxisübernahmen sind die Zahlen nicht direkt mit allgemeinzahnärztlichen Praxen vergleichbar, tendenziell muss aber für die Übernahme einer kieferorthopädischen Praxis mehr investiert werden als für die Übernahme einer Zahnarztpraxis.
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2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | ||||||
NG | BAG | NG | BAG | NG | BAG | NG | BAG | NG | BAG | |
Goodwill | 0 | 299 | 0 | 374 | 0 | 339 | 0 | 265 | 0 | 236 |
Substanzwert | 0 | 96 | 0 | 48 | 0 | 140 | 0 | 115 | 0 | 76 |
Übernahmepreis | 0 | 395 | 0 | 422 | 0 | 479 | 0 | 380 | 0 | 312 |
Modernisierung/Umbau | 141 | 19 | 122 | 28 | 143 | 12 | 125 | 21 | 124 | 9 |
Praxiseinrichtung | 272 | 38 | 329 | 41 | 384 | 39 | 330 | 107 | 418 | 46 |
Sonstige Investitionen | 71 | 47 | 106 | 15 | 69 | 70 | 163 | 43 | 107 | 92 |
Investitionen gesamt | 484 | 499 | 557 | 506 | 596 | 600 | 618 | 551 | 649 | 459 |
Betriebsmittelkredit | 58 | 57 | 83 | 40 | 64 | 49 | 42 | 48 | 49 | 45 |
Finanzierungsvolumen gesamt | 542 | 556 | 640 | 546 | 660 | 649 | 660 | 599 | 698 | 504 |
Von allen untersuchten Praxisarten sind die oral- bzw. kieferchirurgischen Niederlassungen am teuersten, was aber in Anbetracht der hohen Kosten für die medizintechnische Ausstattung nicht überrascht. Schwerer verständlich ist, dass bei der Übernahme kieferchirurgischer Praxen für den Goodwill mehr als das Doppelte des Preises als für den Goodwill einer Zahnarztpraxis entrichtet wird, obwohl eine kieferchirurgische Praxis im klassischen Sinn keine „Stammpatienten“ hat. Für oralchirurgische Praxen sieht das etwas anders aus, weil Oralchirurgen auch allgemeinzahnärztliche Tätigkeiten ausführen dürfen. Aber ich kenne niemanden, der freiwillig in regelmäßigen zeitlichen Abständen immer den gleichen Kieferchirurgen aufsucht.
FAZIT | Obwohl der „Praxismarkt“ derzeit ein „Käufermarkt“ ist, weil mehr Zahnärzte sich zur Ruhe setzen als niederlassen wollen, bleiben die Kaufpreise bei Praxisübernahmen bisher auf fast konstantem Niveau. Trotzdem steigt das Gesamtfinanzierungsvolumen allmählich. Zu einem beträchtlichen Teil dürfte dies auf gestiegene Preise für die (zahn-)medizintechnische und EDV-technische Ausstattung der Praxis zurückzuführen sein. Die Kosten für den Betriebsmittelkredit sind in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben, was in Anbetracht der anhaltenden Niedrigzinspolitik nicht überrascht. Bei Praxisneugründungen fällt auf, dass die Kosten für den Umbau der Praxisräume deutlich steigen. |