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  • · Interview

    „Die Umwelt-Zahnmedizin verändert das Leben der Patienten vollkommen!“

    Bild: Ginkgo biloba leaf with raindrop / Forest & Kim Starr / CC CC BY 2.0

    | Ein Ginkgoblatt hinter einem Zahn ‒ das ist das Logo der Deutschen Gesellschaft für Umwelt-Zahnmedizin (DEGUZ, deguz.de ). Sie betrachtet zahnmedizinische Patienten ganzheitlich und hat dementsprechend neue Diagnose- und Therapiemethoden entwickelt. Ursula Katthöfer ( textwiese.com ) fragte ZA Lutz Höhne, den Vorstandsvorsitzenden der DEGUZ, zum Zusammenhang zwischen oraler Gesundheit und chronischen Erkrankungen. |

    Frage: Die Umwelt-Zahnmedizin stößt in der Zahnheilkunde zunehmend auf Interesse. Warum?

     

    Antwort: Mindestens 30 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung sind Allergiker, 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind aktuellen Studien zufolge chronisch krank. Deshalb müssen wir uns als Zahnärzte gut überlegen, welche Werkstoffe wir verarbeiten. Wer allergisch ist oder seine Immuntoleranz verloren hat, verträgt möglicherweise bestimmte Kunststoffe, Metalle oder Wurzelmaterialien nicht. Das muss gar nicht an der Mundschleimhaut erkennbar sein, sie ist extrem tolerant. Es kann sich aber z. B. durch Hauterkrankungen, Mund- und Zungenbrennen oder entzündliche Magen- oder Darmerkrankungen bemerkbar machen. Wenn diese Stoffe dann über die Darmschleimhaut in den ganzen Körper gelangen, haben wir eine systemische Reaktion, bei der u. a. T-Zellen oder Histamin freigesetzt werden.

     

    Frage: Wie häufig besteht ein Zusammenhang zwischen oraler Gesundheit und chronischer Erkrankung?

     

    Antwort: Aus Erfahrung kann ich sagen, dass wir bei 90 bis 95 Prozent der chronisch Kranken auch orale Trigger oder Entzündungen finden. Sie reagieren zunehmend auf verschiedenste Werkstoffe aus der Zahnmedizin, die über den Speichel herausgelöst und geschluckt werden. Anders als bei einem Heuschnupfen kann der Patient dem nicht ausweichen. Er hat einen unverträglichen Zahnersatz 24 Stunden am Tag im Mund. Dazu kommen problematische, wurzelbehandelte Zähne oder schmerzfreie, chronisch entzündliche Erkrankungen im Kieferknochen, die Symptomatiken im restlichen Körper entfalten können.

     

    Frage: Wie gut sind diese Erkenntnisse wissenschaftlich belegt?

     

    Antwort: Die Umwelt-Zahnmedizin kann diese Zusammenhänge über eine Vielzahl von wissenschaftlich basierten Diagnosemethoden nachweisen. Sie hat die Entwicklung neuer Diagnosemethoden initiiert und begleitet, wie z. B. die differenzierte quantitative Untersuchung des Speichels auf Kunststoffmonomere.

     

    Frage: Die Umwelt-Zahnmedizin agiert interdisziplinär. Wer ist im inneren, wer im äußeren Zirkel?

     

    Antwort: Zunächst muss das eigene ZFA-Team verstehen, was der Zahnarzt tut. Wenn ZFA von Patienten befragt werden, müssen sie wissen, dass ein Allergietest über die Haut keine klare Aussage über eine systemische Sensibilisierung bringt ‒ ein Bluttest ist nötig. Die Zahnersatzplanung kann nur gelingen, wenn der Zahntechniker die allergene Wirkung von Werkstoffen im Blick hat. Die Auswahl dieser Werkstoffe geht nur im Team mit der Zahntechnik. Für die Anamnese brauchen wir Unterlagen zum gesamten Krankheitsbild. Deshalb gehören alle Fachärzte, zu denen das Symptombild des Patienten passt, in den äußeren Kreis: Gastroenterologen, Dermatologen, Neurologen und Psychiater, wenn der Patient z. B. unter einer Depression leidet. Hinzu kommen Heilpraktiker, Psycho- und Physiotherapeuten. Wir hatten schon einen Podologen, der über die Fußdiagnostik Entzündungsbereiche im oralen Bereich korrekt herausfand. Die Umwelt-Mediziner spielen als Co-Therapeuten eine wichtige Rolle. Braucht der Patient eine Entgiftung? Welche Vitamine oder Mineralstoffe müssen substituiert werden? Es ist auch kein seltenes Problem, dass Patienten Schimmelpilze in der Wohnung haben, die sich auch auf die Mundgesundheit auswirken.

     

    Frage: Was sagen die Krankenversicherungen zu diesem Ansatz?

     

    Antwort: Die Umwelt-Zahnmedizin ist in der Gebührenordnung nicht verankert. Bei gesetzlichen und privaten Versicherungsträgern ist die Anamnese, für die man sich durchaus eine Stunde Zeit nehmen muss, irgendwo unter „Beratung“ untergebracht. Deshalb muss man Wege zu Sondervereinbarungen mit den Patienten finden. Für Auseinandersetzungen mit den Versicherungsträgern braucht man profunde Abrechnungskenntnisse.

     

    Frage: Und wie beurteilen Ihre Standesvertreter Ihre Methoden?

     

    Antwort: Auch die eigene Standespolitik versteht oft nicht, was wir tun. Oft fordert sie von uns mehr Medizin in der Zahnmedizin, blockiert aber schon bei der einfachen venösen Blutentnahme. Wir hatten einen sehr hohen Aufwand, diverse Kammerjuristen zu überzeugen, dass die Blutentnahme in der Zahnarztpraxis legal und eine an die ZFA delegierbare Leistung ist.

     

    Frage: Stehen Ihre Erkenntnisse in den Leitlinien?

     

    Antwort: Die DEGUZ wurde in die Leitlinienkonferenzen aufgenommen. Doch es ist schwierig, die Umwelt-Zahnmedizin in der klassischen Zahnheilkunde unterzubringen. Sie ist ganz anders strukturiert. Das Zahnheilkundegesetz stammt aus dem Jahr 1952 und nimmt keine Rücksicht auf die medizinischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte zu Genetik, Toxikologie, Immunologie und Allergologie.

     

    Frage: Wo ist der Gewinn für eine Zahnarztpraxis?

     

    Antwort: Mir macht die Zahnmedizin wieder richtig Spaß. Wir haben gesunde, dankbare Patienten. Es verändert ihr Leben vollkommen, wenn sie nach Jahren z. B. keine Kopfschmerzen mehr haben oder wieder essen können, was sie möchten. Das macht mich viel zufriedener als eine schöne Krone.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 8 | ID 47342560