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  • · Interview ‒ Fortsetzung

    Zweigpraxis: Standortauswahl, Versicherungen, Generationenübergang

    Bild: ©Wilfried Pohnke - pixabay.com

    ein Interview mit Stephan Hinzen, Finanzberater der Zahnärzte, Münster und Dr. Sebastian Schulz, ieQ-health, Münster

    | Die eigene Praxis läuft sehr gut, das Team harmoniert miteinander, die Patienten sind zufrieden und spiegeln dies auch durch positive Bewertungen auf Jameda oder Google. Es reift die Idee einer Zweigpraxis. Vielleicht fehlt am aktuellen Standort die Fläche, der (finanzielle) Aufwand ist zu groß, und/oder es soll eine andere/neue Klientel angesprochen werden. Worauf kommt es dann an und was gilt es zu beachten? Ging es in Teil 1 des Interviews um Standortauswahl, Versicherungen, Generationenübergang, klären wir in Teil 2 Fragen zum Thema „Versicherungen“ und Praxisabgabe. |

     

    Frage: Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Thema, das vielen Praxisinhabern, besonders auch in der Situation einer möglichen Expansion, wieder unter den Nägeln brennt: Was würden Sie in puncto Versicherungen empfehlen?

     

    HINZEN: Diese Frage hängt zunächst einmal von der gewählten Rechtsform ab und knüpft an die Ausführungen in ZP 07/2022, Seite 16 an. Der wesentliche Unterschied besteht hier darin, dass bei einer MVZ-Lösung dieses auch als Versicherungsnehmer auftritt und alle dort beschäftigten Zahnärzte in einem Vertrag mit der gesetzlich vorgeschriebenen Berufshaftpflicht versichert werden.

     

    Zusätzlich zur verpflichtenden Berufshaftpflicht gehört das Inventar sowie ein Umsatzausfall infolge eines Brandes, eines Leitungswasserschadens, eines Einbruchdiebstahls sowie bei Sturm und Hagelereignissen ‒ auch gegen Elementarschäden ‒ abgesichert. Wichtig hierbei ist, dass die Leistungsdauer ausreichend lange vereinbart ist (12 Monate), zum Neuwert entschädigt wird und eine Unterversicherung ausgeschlossen ist. Hierzu bedarf es einer regelmäßigen und konstanten Überprüfung und Pflege der entsprechenden Versicherungssummen. Zwingend erfolgt dies mindestens einmal pro Jahr und gilt dann für alle Standorte zusammen. Idealerweise reicht dazu nur die Angabe eines Wertes (z. B. Anzahl der Behandlungsstühle oder die Höhe des reinen Honorarumsatzes), um den Anforderungen der Versicherung Genüge zu tun.

     

    Frage: Wie steht es um Elektronik- und sog. Cyber-Versicherungen?

     

    HINZEN: Da in einer Zahnarztpraxis heutzutage in nahezu jedem Gerät auch Elektronik verbaut ist, gilt die dringende Empfehlung, auch dieses Risiko mit abzusichern. Es stellt zwar einen eigenen Baustein dar, wird aber von den guten Versicherern am Markt als Allgefahrendeckung konzipiert. D. h., neben den vorstehend erwähnten Sachrisiken gilt auch die Fehlbedienung als mitversichert. Dazu zählt z. B. eine Unachtsamkeit beim Betätigen des Stuhls, das Herunterfallen eines Hand- oder Winkelstücks und dergleichen.

     

    Last but not least gewinnt die Absicherung gegen Cyberrisiken immer mehr an Bedeutung. Auch wenn oft die Aussage kommt „Ich bin so klein oder unbedeutend. Für mich interessiert sich niemand“, zeigt die Praxis dramatisch andere Ergebnisse. Gerade im Gesundheitswesen werden extrem sensible Daten gespeichert und verarbeitet. Der „Reiz“ für Cyberkriminelle, sich diesen „Schatz“ zu eigen zu machen, steigt nicht erst durch die zunehmende Digitalisierung deutlich an.

     

    Im Zusammenhang mit den Auflagen durch die DSGVO bestehen sehr strenge und eindeutige Vorgaben, wie mit Cyberangriffen bzw. deren Folgen umgegangen werden muss. So muss beispielsweise bei Bekanntwerden eines Hackerangriffs auf die Praxis innerhalb von 72 Stunden der Datenschutzbeauftragte des jeweiligen Bundeslands informiert werden. Auch wenn unklar ist, ob Patientendaten abgegriffen wurden, sind diese darüber prophylaktisch zu informieren. Da das nicht nur die aktive Patientenkartei betrifft, sondern die vollständige, kommen hier selbst bei einer recht kleinen Praxis schnell mehrere tausend Briefe zusammen, die innerhalb kürzester Zeit versandt werden müssen. Hinzu kommt, dass die gesamte Praxis-EDV durch entsprechende Forensikspezialisten (Tagessatz in der Regel 3.000 bis 5.000 Euro) für mehrere Tage überprüft und damit komplett stillgelegt wird. Jeder mag selbst einschätzen, wie und ob dann noch eine Patientenbehandlung möglich ist.

     

    Durch einen besonnenen Umgang mit der Hardware und in Kombination mit einer Cyberversicherung erreiche ich zwar auch keinen hundertprozentigen Schutz, aber ich kann damit sowohl den Reputations- als auch den finanziellen Schaden deutlich in Grenzen halten.

     

    SCHULZ: Auch wir beobachten bei unseren Kunden, aber auch bei uns selbst, zunehmend Hackerangriffe, denen wir durch verschiedene Maßnahmen bisher erfolgreich vorbeugen konnten. Leider habe ich aber auf Ebene der Praxen auch schon erfolgreiche Angriffe erlebt, bei denen sensible Daten geklaut und Praxen erpresst wurden. Ich würde die Gefahr, die von Hackerangriffen ausgeht, sogar höher einschätzen als andere einschlägig bekannte Gefahren. Vor allem, weil die Zahl in den vergangenen Jahren und damit auch das Risiko stark zunehmen.

     

    Frage: Bisher haben wir im Wesentlichen über den „jungen, dynamischen und expansionsfreudigen“ Zahnarzt (m, w, d) gesprochen. Allerdings gibt es natürlich auch den älteren, abgabewilligen Zahnarzt (m, w, d), der sich Gedanken darüber macht: Wie und an wen gebe ich mein Lebenswerk nun ab?

     

    HINZEN: Absolut ‒ und davon habe ich einige Mandantinnen und Mandanten. Die Erfahrungen der letzten gut zehn Jahre zeigen, dass sich der Markt für die ältere Generation leider deutlich verschlechtert hat. Der früher nennenswerte Vermögenswert in Form der abgezahlten Praxis gleicht seit geraumer Zeit dem berühmten Schnee in der Frühjahrssonne: Praxen an unattraktiven Standorten mit Investitionsstau, veralteter Technik und nicht mehr zeitgemäßen Behandlungsschwerpunkten sind heute nur mit deutlichen Abschlägen oder teilweise gar nicht mehr zu verkaufen. Umso wichtiger wird/ist es, laufend in die Praxis zu investieren und idealerweise einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin frühzeitig aufzubauen. Hierzu bedarf es intelligenter Konzepte gerade für die Einbindung der weiblichen Kolleginnen: Familienplanung, die viel zitierte Work-Life-Balance und attraktive Teilzeitmodelle sind unverzichtbar, bedürfen aber eines längeren Vorlaufs. Reichten früher ein bis zwei Jahre leicht aus, erfordert die aktuelle Situation auch gerne einmal eine Planung von fünf oder gar mehr Jahren. So kann die junge Kollegin oder auch der Kollege in die Verantwortung hineinwachsen, eigene Ideen zu Veränderungen am Behandlungskonzept oder der Praxisstrategie einbringen und erste Erfolge direkt spüren. Hierfür ist es unabdingbar, Kompetenzen und Entscheidungsmöglichkeiten abzugeben bzw. mitzutragen. Nicht immer gelingt dies ohne Reibungsverluste oder gar Streit. Ein Mediator, idealerweise mit Know-how und betriebswirtschaftlichem Spezialwissen für Zahnarztpraxen, kann hier unterstützen und die beiden Seiten zusammenhalten bzw. wieder zusammenbringen. Dies gilt auch für Nachfolgeregelungen, die innerfamiliär erfolgen sollen.

     

    SCHULZ: Auch aus Marketingsicht sind der zeitliche Vorlauf und das schon genannte behutsame Vorgehen in Veränderungssituationen sehr wichtig. Beispielsweise kann ich durch den frühen Aufbau und das frühe Einbeziehen des potenziellen Nachfolgers (m, w, d) seine bzw. ihre Schwerpunkte, Interessen und Eigenarten sukzessive in der Praxis selbst und dann in der Folge auch in der internen und externen Kommunikation etablieren. Team, Patienten und Praxispartner werden dafür sehr dankbar sein, und Abwanderungstendenzen vor allem auf Ebene von Personal und Patienten werden verringert.

     

    Frage: Herr Hinzen, Sie haben soeben „innerfamiliär“ als ein spannendes Stichwort angesprochen. Was gibt es hier ggf. für Besonderheiten?

     

    HINZEN: In diesem Zusammenhang sollte über die für viele unangenehmen, aber sehr wichtigen Themen wie „Vorsorgevollmachten“ und „Patientenverfügungen“ nachgedacht werden. Denn alle Gedanken, Ideen und Absprachen sind spätestens dann nichts mehr wert, wenn eine handelnde Person nicht mehr in der Lage ist, ihren Willen eigenständig zu äußern. Erfolgt keine schriftliche Niederlegung, wird ein gerichtlicher Betreuer eingesetzt. Dieser ist weder auf die Besonderheiten einer Zahnarztpraxis spezialisiert noch sieht der Gesetzgeber betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten als wichtig an. Kurzum: Es geht ausschließlich darum, das Vermögen zu sichern, und nicht darum, eine Praxis weiterzuführen. Umso wichtiger ist es, hier eine Person zu benennen, die den Blick auch für die zuvor geplante Strategie nicht aus den Augen verliert.

     

    Wichtig ist es auch hier wieder, auf entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte zurückzugreifen. Diese sollten die aktuelle Rechtsprechung bei der Vorsorgevollmacht verfolgen und berücksichtigen. Mit dieser Vollmacht regele ich, wer in meinem Namen für mich Entscheidungen treffen kann, wenn ich selbst meinen Willen nicht mehr äußern kann (z. B. vorübergehendes Koma). Das umfasst im Wesentlichen die Dinge des privaten Lebens wie Aufenthalt und Betreuung, aber auch finanzielle Vorgänge. So sollte ein Bevollmächtigter einen Überblick über bestehende Verträge und Verpflichtungen haben oder im Zweifel auch Mietverträge abschließen können. Ist diesbezüglich nichts im Vorfeld geregelt, ist jeder dann vom Gericht eingesetzte Betreuer (auch die unmittelbare Vertrauensperson ohne eigene Vollmacht) einmal jährlich zur Rechenschaft verpflichtet. D. h., es müssen alle Ausgaben und Einnahmen nachgewiesen werden, die für den Betreuten getätigt wurden.

     

    Während diese Dinge den privaten Rahmen abdecken, muss auch die Praxis weiterlaufen. Wer korrespondiert in solch einem Fall rechtswirksam mit der KZV, den Krankenkassen, dem Vermieter oder dem Personal? Eine spannende Frage in der Einzelpraxis. Aber auch in einer Gemeinschaftspraxis auf Dauer kein einfaches Unterfangen. Auch solche Aspekte sollten in einer entsprechenden (Unternehmer-)Vollmacht berücksichtigt werden.

     

    Wenn eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie vorgesehen ist, ergibt es in diesem Fall natürlich besonders viel Sinn, diese Person eng mit einzubinden bzw. mit den notwendigen Vollmachten auszustatten.

     

    Die vorstehenden Ausführungen betreffen den Fall eines (vorübergehenden) Verlusts der Selbstbestimmung. Eine Patientenverfügung wiederum regelt, was der/die Betroffene sich wünscht, wenn er/sie seinen Willen ebenfalls nicht mehr selbst äußern kann, sich aber zudem in einem medizinisch eindeutig unumkehrbaren Sterbeprozess befindet. So wird darin u. a. geregelt, wie die Einstellung zur künstlichen Ernährung oder Beatmung ist, ob die Organe gespendet werden sollen oder wo bzw. wie die betreffende Person untergebracht werden möchte.

     

    Es wird deutlich, dass es sowohl im „innerfamiliären“, aber auch im übrigen Bereich viele eher unangenehme Themen gibt, die auch geregelt werden sollten. Idealerweise gibt es einen Koordinator für diese vielschichtigen Themen, der dabei den Überblick behält und auf ein funktionierendes Netzwerk zurückgreifen kann.

     

    Weiterführende Links

    • Vorsorgevollmachten für die Praxis: So bleiben Sie im Krisenfall handlungsfähig! (ZP 09/2017, Seite 18)
    • Private Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung mit Betreuungsverfügung ‒ was zu regeln ist (ZP 10/2017, Seite 18)
    • Praxisabgabe (Teil 5): Der Praxisverkauf ‒ Umsatzsteuer bei Aufnahme eines Partners zur Vorbereitung der Praxisabgabe (ZP 10/2018, Seite 19)
    • Praxisabgabe (Teil 4): Der Praxisverkauf ‒ Grundsätze des Risikos Umsatzsteuer“ (ZP 09/2018, Seite 16)
    • Praxisabgabe (Teil 3): Der Praxisverkauf ‒ Gestaltungsalternativen für die Familiennachfolge“ (ZP 08/2018, Seite 16)
    • Praxisabgabe (Teil 2): Der Praxisverkauf ‒ Gestaltungen bei der Aufnahme eines Partners in eine Einzelpraxis“ (ZP 07/2018, Seite 10)
    • Praxisabgabe (Teil 1): Der Praxisverkauf ‒ allgemeine steuerliche Behandlung“ (ZP 06/2018, Seite 8)
    Quelle: Ausgabe 08 / 2022 | Seite 17 | ID 48342167