24.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121255
Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 01.09.2011 – 5 U 862/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 U 862/11
10 O 151/09 LG Koblenz
Oberlandesgericht Koblenz
Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO
In dem Rechtsstreit XXX
XXX
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch XXX am 01.09.2011 beschlossen:
Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16.06.2011, Az. 10 O 151/09, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:
1. Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht der Zahnarztpraxis Dres. ...[A]. Sie hat wegen offener Honorarforderungen von insgesamt 7.251,08 €, Mahnkosten von 18 € und vorgerichtlicher Anwaltskosten von 535,60 € einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte erwirkt. Anknüpfungspunkt sind zahnärztliche Leistungen, die im Jahr 2007 erbracht wurden.
Seinerzeit waren der Beklagten in der …[A] Teleskop-Prothesen im Unterkiefer (Bereich 37 bis 46) und sodann im Unterkiefer (Bereich 17 bis 27) eingesetzt worden. Die Prothesen wurden - außer an verbliebenen eigenen Zähnen - an Implantaten befestigt, die vorher ein anderer Zahnarzt gesetzt hatte. Aus der Sicht der Beklagten war die Versorgung bereits im Ansatz verfehlt, weil eine fest sitzende Brückenkonstruktion hätte gewählt werden müssen. Außerdem seien kein ordentlicher Biss und keine horizontale Kauebene erreicht worden. Des Weiteren habe man den Zahn 33 irreparabel geschädigt.
Im Hinblick darauf hat die Beklagte jedweden Vergütungsanspruch geleugnet. Hilfsweise hat sie mit Forderungen auf den Ersatz von Nachbesserungskosten, die sich auf insgesamt 18.797,45 € beliefen, und auf ein Schmerzensgeld, das mit mindestens 10.000 € zu beziffern sei, die Aufrechnung erklärt. Darüber hinaus hat sie in Höhe von 7.000 € Widerklage erhoben. Der Betrag stehe ihr aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin zu, weil sie bereits eine entsprechende Zahlung im Hinblick auf die Arbeiten der …[A] geleistet habe, die nicht geschuldet worden sei.
Das Landgericht hat einen Sachverständigen befragt und die Klage sodann in Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids unter gleichzeitiger Abweisung der Widerklage zugesprochen. Seiner Beurteilung nach sind die von der Beklagten eingewandten Mängel der zahnärztlichen Arbeit nicht geeignet, den streitigen Honoraransprüchen den Boden zu entziehen, da es um Forderungen aus einem Dienstvertrag gehe. Genauso wenig dringe die auf eine Aufrechnung gestützte Rechtsverteidigung durch: Für den behaupteten Nachbesserungsaufwand fehle es an einer gesicherten Grundlage, und die geltend gemachten Schmerzen ließen sich nicht ursächlich auf die Behandlung in der …[A] zurückführen. Angesichts der bestehenden Zahlungspflichten der Beklagten sei schließlich auch kein Raum für die widerklagend verfolgte Honorarrückgewähr.
Das greift die Beklagte mit der Berufung an. Sie erstrebt die Abweisung der Klage und die Zuerkennung der Widerklage. Ihrer Auffassung nach muss das Verlangen der Klägerin an der Unbrauchbarkeit der streitigen zahnärztlichen Leistungen scheitern, und im Hinblick darauf rechtfertige sich umgekehrt der von ihr erhobene Bereicherungsanspruch. Die prothetische Versorgung sei ungenügend geplant und vorbereitet worden. So habe man insbesondere eine paradontale Sanierung und Vorgaben zur Mundhygiene versäumt. Darüber hinaus seien große Aufklärungsdefizite vorhanden gewesen. Der geschaffene Zahnersatz habe im Hinblick auf die Implantat- und Knochensituation, auf der er aufgebaut habe, keine dauerhafte Lösung darstellen können und eine vollständige Neuversorgung mit Kosten von 14.496,75 € erfordert.
2. Damit vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Die erstinstanzliche Entscheidung hat Bestand.
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die gegen die Beklagte gerichteten Honoraransprüche der …[A], die auf die Klägerin übergegangen sind, ihre rechtliche Grundlage in § 611 Abs. 1 BGB finden. Die …[A] war - anders als ein Zahntechniker - nicht mit der bloßen Anfertigung eines Zahnersatzes nach einem vorgegebenen Abdruck beauftragt, sondern mit der Herstellung von Prothesen für den Unter- und Oberkiefer betraut, die nach der individuellen Situation der Beklagten konzipiert und in Würdigung eben dieser Situation eingepasst werden mussten. Insofern wurde eine Leistung geschuldet, die nur bedingt objektivierbar und deshalb dienstvertraglich einzuordnen ist (Senat, Urteil vom 21.10.2010 - 5 U 548/10; OLG Naumburg NJW-RR 2008, 1056; OLG Oldenburg MDR 2008, 553).
Anders als das Werkvertragsrecht kennt das Dienstvertragsrecht keine Mängelhaftung (BGH NJW 1963, 1301; BGH NJW 1981, 1211, Richardi/Fischinger in Staudinger, BGB, 2011, § 611 Rn. 716). Der Dienstleistende schuldet eine Tätigkeit, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg. Deshalb kann der Vergütungsanspruch bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung nicht gekürzt werden oder in Fortfall geraten (BGH NJW 2004, 2817; Richardi/Fischinger a.a.O. Rn. 718). Genauso wenig ist es möglich, den Dienstleistenden auf Nachbesserung in Anspruch zu nehmen oder im Wege der Ersatzvornahme mit den Kosten der Korrektur oder einer Neuanfertigung zu belasten (OLG-R München 1998, 247). Insofern trifft die Auffassung des Landgerichts, die streitigen Vergütungsforderungen wären entfallen, wenn in der …[A] ein grober Behandlungsfehler unterlaufen wäre, nicht zu. Vielmehr würden die Forderungen auch in einem solchen Fall grundsätzlich unberührt bleiben. Anders wäre dies nur, wenn die Leistung der …[A] unbrauchbar gewesen wäre. Das hat das Landgericht nicht festgestellt.
Das bedeutet, dass die Beklagte das eingeklagte Honorar schuldet und dem weder aufrechnungsweise mit Ersatzvornahmekosten noch widerklagend mit der Rückforderung von Zahlungen begegnen kann, die sie für die - aus ihrer Warte fehlerhafte - Prothetik bereits erbracht hat. Allerdings ist es der Beklagten nicht verwehrt, aus Pflichtverletzungen der …[A] Ansprüche auf den Ausgleich von Schäden herzuleiten, die sie jenseits der Belastung mit dem Dienstleistungsentgelt und der Aufwendungen für die Nachbesserung erlitten hat (OLG Koblenz NJW-RR 2006, 1358; OLG München a.a.O.). Damit ist sie zur Geltendmachung eines Schmerzensgelds wegen der körperlichen Beeinträchtigungen befugt, die Folge eines vorwerfbaren zahnärztlichen Fehlverhaltens sind. Das kann sie auch grundsätzlich aufrechnungsweise einwenden.
b) Aber diese Rechtsverteidigung stößt mittlerweile auf ein prozessuales Hindernis. Denn das Landgericht hat einen Schmerzensgeldanspruch verneint, und dagegen ist kein Berufungsangriff geführt; dem lässt sich mittlerweile - nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist - auch nicht mehr abhelfen. Gleichwohl sei in der Sache angemerkt:
Das Landgericht hat einen Kausalzusammenhang zwischen der prothetischen Behandlung in der …[A] und den Schmerzen der Beklagten nicht für erwiesen erachtet. Das kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) allenfalls insoweit begegnen, als es um die Auswirkungen geht, die die funktionelle Fehlbelastung und der nachfolgende Verlust des Zahns 33 hatten, weil die im Übrigen von der Beklagten angeführten Schmerzen angesichts des bereits primär vorhandenen Leidensdrucks nicht abgrenzbar auf die zahnärztliche Behandlung in der …[A] zurückgeführt werden können und darüber hinaus in keiner Weise objektivierbar sind (Gutachten Dr. ...[B] vom 5.02.2010, S. 41 = Bl. 178 GA).
Aus der Schädigung des Zahns 33 lässt sich jedoch kein Vorwurf gegenüber der …[A] erheben. Sie beruht zu einem erheblichen Teil auf einer vorgegebenen Elongation (Gutachten Dr. ...[B] vom 23.06.2010, S. 6 = 239 GA), die nicht behebbar war, wenn die Vitalität des Zahns nicht gefährdet werden sollte (Gutachten Dr. ...[B] vom 5.02.2010, S. 45 = Bl. 182 GA und vom 23.06.2010, S. 6 = Bl. 239 GA). Freilich dürfte daneben auch eine okklusale Fehlbelastung schadensverantwortlich gewesen sein (Gutachten Dr. ...[B] vom 23.06.2010, S.5 = 238 GA). Das lässt sich aber nicht quantifizierbar ausgrenzen, so dass ein bestimmter Schmerzensgeldanspruch daran festgemacht werden könnte. Zudem war die Fehlbelastung durch die a priori vorhandene Implantatlage bedingt, mit der man in der …[A] im Rahmen "des möglich Machbaren" (Gutachten Dr. ...[B] vom 23.06.2010, S. 6 = Bl. 239 GA) umging. Die Einbringung neuer Implantate, die eine Prothetik mit einer besseren Okklusion ermöglicht hätte, schied aus. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 25.06.2009, S. 8 = Bl. 58 GA) wollte die Beklagte "gerade nicht", dass neue Implantate eingesetzt wurden. Von daher musste man sich mit der vorhandenen Situation arrangieren.
3. Nach alledem soll die Beklagte die Rücknahme ihres Rechtsmittels erwägen. Bis zum 28.09.2011 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.
Aktenzeichen: 5 U 862/11
10 O 151/09 LG Koblenz
Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss
In dem Rechtsstreit
XXX
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch XXX am 30.09.2011 beschlossen:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 16.06.2011, Aktenzeichen 10 O 151/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird unter Berücksichtigung von § 45 Abs. 1 und 3 GKG auf 22.055,76 € (= 7.251,08 € zugesprochene Klagehauptforderung + 7.804,68 € sachlich beschiedene Hilfsaufrechnung mit Nachbesserungskosten bis zur Höhe des Klageverlangens , vgl. Meyer, GKG, 12. Aufl., § 45 Rn 37 + 7.000 € Widerklage) festgesetzt.
Gründe:
Das Rechtsmittel ist gemäß § 522 Abs. 2 mit der Kostenfolge aus § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen. Die dafür tragenden Erwägungen hat der Senat in seinem Beschluss vom 01.09.2011 niedergelegt, der nicht angegriffen worden ist.