05.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140368
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 08.11.2013 – 26 U 51/13
Ein Zahnarzt, den ein Patient mit Zahnbeschwerden im Oberkieferfrontbereich aufsucht, handelt grob fehlerhaft, wenn er den Patienten zur Befunderhebung nur röntgt und eine Vitalitäts- und Perkussionsprüfung der schmerzenden Zähne vers äumt.
Gründe:
I.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen ( § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ).Ergänzend wird auf das Vorbringen der Parteien in den zweitinstanzlichen Schrifts ätzen verwiesen.
Der Senat hat die Partein sowie den Sachverständigen Dr. H nochmals angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 08.11.2013 verwiesen. Einzelheiten ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht aufgrund eines groben Befunderhebungsfehlers Ansprüche der Klägerin gemäß §§ 280 Abs. 1, 823, 253 Abs. 2, 249 ff BGB bejaht.
Auch nach nochmaliger Anhörung des Sachverständigen hat sich ergeben, dass dem Beklagten am 02.12.2008 ein grober Fehler unterlaufen ist, weil er es unterlassen hat, den Zustand der Zähne klinisch zu befunden. Der Sachverständige, an dessen Fachkunde der Senat keinen Anlass hat zu zweifeln, hat ausgeführt, dass eine Vitalitätsprüfung das Wichtigste ist, was jeder Zahnmediziner lernt. Es gehört damit zum elementaren Grundwissen. Erst durch diese Vitalitätsprüfung und eine Perkussionsprüfung, die einfach durchzuführen sind, sowie durch ein Röntgenbild, erhält man ein Gesamtbild über den Zustand der Zähne. Dabei sind die Ergebnisse einer Vitalitätsprüfung und ein positiver Perkussionsbefund dokumentationspflichtig.
Eine Dokumentation über die Vitalität der Zähne liegt nicht vor, so dass der Senat auch nicht von einer durchgeführten Vitalitätsprüfung ausgehen kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass eine 01-Abrechnung vorgenommen worden ist, weil es für eine Vitalitätsprüfung eine eigene Abrechnungsziffer gibt. Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen lässt sich auch aus dem Umstand, dass im Februar 2009 Vitalexstirpationen an den Zähnen 11, 12 und 22 vorgenommen worden sind, kein sicherer Rückschluss auf den Zustand der Zähne im Dezember 2008 ziehen, weil es sich dabei auch um eine Restvitalität gehandelt haben kann, die
eine entsprechende Abrechnungsmöglichkeit erlaubt und gängige Abrechnungspraxis ist.
Soweit hinsichtlich des Zahns 21, der mit dem eingebrachten Stift bereits tot war, eine Vitalitätsprüfung nicht mehr möglich gewesen ist, war nach Auffassung des Sachverständigen aber eine Perkussionsprüfung möglich und auch erforderlich, um dem Verdacht auf eine periapikale Entzündung nachzugehen. Dies war schon deswegen notwendig, weil ein Röntgenbild gerade nicht immer ausreichend ist, um sich ein zutreffendes Bild über den Zustand der Zähne zu verschaffen. Insoweit glaubt der Senat auch nicht, dass der Beklagte zumindest die erforderliche Perkussionsprüfung vorgenommen hat, weil er eingeräumt hat, dass er nicht immer ein positives Ergebnis dokumentiert und stattdessen das Ergebnis manchmal durch ein entsprechendes Röntgenbild ersetzt. Dies reicht aber nicht aus, wenn nach Darstellung des Sachverständigen allein aus einem Röntgenbild keine ausreichenden Schlüsse gezogen werden können, weil dies erst dann Auffälligkeiten darstellt, wenn die Entzündung bereits den Knochen angegriffen hat.
Vor diesem Hintergrund verbleibt es dabei, dass den Beklagten die Beweislast dafür trifft, dass der weitere Verlauf sich auch bei entsprechender Befunderhebung und sodann erfolgter Behandlung nicht geändert hätte. Diesen Nachweis kann der Beklagte nicht erbringen.
Vor diesem Hintergrund haftet er für die längere Leidenszeit der Klägerin und den Verlust von Zähnen, die eine Neuversorgung im Oberkiefer erforderlich gemacht haben.
Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin mehrfach unterschiedliche Ärzte aufgesucht hat, wobei der Sachverständige auch ausgeführt, dass es schwierig ist, den oftmals ausstrahlenden Schmerz richtig zu orten, ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin längere Zeit unter sehr erheblichen Schmerzen leiden musste. Daher verbleibt es auch bei dem bereits ausgeurteilten Schmerzensgeld sowie dem Schadensersatz für die Oberkieferversorgung und dem Feststellungsbegehren. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen werden.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.