09.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143596
Finanzgericht München: Urteil vom 06.06.2014 – 8 K 3322/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht München
Urt. v. 06.06.2014
Az.: 8 K 3322/13
In der Streitsache
Klägerin
gegen
Beklagter
wegen
gesond. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011
hat der 8. Senat des Finanzgerichts München durch
sowie die ehrenamtlichen Richter und
ohne mündliche Verhandlung am 06.06.2014
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist, ob Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte oder aber Dienstfahrten vorliegen.
Die Klägerin ist Ärztin. Sie wohnt in D und arbeitet in einer eigenen Arztpraxis in G. Nach Angabe ist sie dort in der Regel an den Wochentagen von 9:00 bis 13:00 Uhr und von 15:00 bis 18:00 Uhr tätig. Hausbesuche führt sie nach Angabe vor den Sprechzeiten auf dem Weg zur Praxis und nach den Sprechzeiten auf dem Nachhauseweg durch, in Notfällen oder bei Terminlücken auch während der Sprechzeiten. Besuchswünsche vereinbaren die Patienten meist mit dem Praxispersonal oder sprechen diese auf den Anrufbeantworter.
Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit werden vom Beklagten - dem Finanzamt (FA) - gesondert festgestellt. Für das Streitjahr 2011 stellte es diese Einkünfte mit Bescheid vom 12.08.2013 mit 52.139,63 € fest. Dabei orientierte sich das FA im Wesentlichen an den Angaben der Klägerin. Es setzte lediglich wegen der Nutzung der beiden betrieblichen Pkw für die Fahrten zwischen Wohnung und Praxis einen geldwerten Vorteil gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2, Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 4.659,41 € an und zog im Gegenzug die Entfernungspauschale als Betriebsausgabe ab (-2.325 €). Dadurch erhöhte sich der Gewinn um 2.334,41 €.
Der Einspruch der Klägerin blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.10.2013 ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen den Ansatz eines geldwerten Vorteils wegen der Nutzung der betrieblichen PKW für die Fahrten von ihrer Wohnung zur Praxis. Sie ist der Auffassung, bei diesen Fahrten handele es sich wegen der bei diesen Fahrten durchgeführten Hausbesuche um Dienstfahrten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Feststellungsbescheid vom 12.08.2013 und die hierzu ergangene EE vom 30.10.2013 dahingehend zu ändern, dass ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 2.334,41 € niedriger festgestellt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die EE.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die Klage, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet.
Das FA hat zu Recht den Gewinn der Klägerin um den geldwerten Vorteil für die Nutzung der PKW für die Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte - abzüglich der Kilometerpauschale -erhöht.
1. Kann ein betriebliches Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (1%-Regelung) für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Über die Kilometerpauschale hinausgehende Aufwendungen dürfen den Gewinn nicht mindern (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist auch für die durch berufliche Anlässe unterbrochene Fahrt zwischen Wohnung und Betriebsstätte nur die Kilometerpauschale des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG zu gewähren und können lediglich für einen eventuell erforderlichen Mehrweg die tatsächlichen Kfz-Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden (BFH-Urteil vom 25.03.1988 III R 96/85, BStBl II 1988, 655). Der Charakter der Fahrt zwischen Wohnung und Betriebstätte ändert sich erst dann, wenn nicht das Aufsuchen der Betriebstätte, sondern andere Gründe für die Fahrt maßgebend waren. Entscheidend ist der eigentliche Zweck der Fahrt (BFH ebenda), was für die werktäglichen Fahrten als Ziel und Zweck der Fahrt im Vordergrund steht. Das ist für Arbeitnehmer und entsprechend für andere Steuerpflichtige in aller Regel das Aufsuchen der Arbeitsstätte, d.h. des Ortes, der den Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit bildet. Ob dabei nebenher durch Fahrtunterbrechungen besondere berufliche Angelegenheiten miterledigt werden, beeinflusst nicht den im Vordergrund stehenden eigentlichen Zweck der Fahrt und damit ihren Charakter als Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (BFH-Urteil vom 12.10.1990 VI R 165/87, BStBl II 1991, 134). So hat der BFH etwa die Fahrten eines Rechtsanwalts zu seiner Kanzlei als Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte beurteilt und nur den für anlässlich dieser Fahrten erforderlichen Mehrweg für miterledigte Gerichts- oder Behördentermine als Dienstreise (BFH-Urteil vom 17.02.1977 IV R 87/72, BStBl II 1977, 543). Ebenso erachtete er Aufwendungen eines Arztes für die Zurücklegung der regulären Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Praxis auch dann nur im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG abziehbar, wenn die Fahrten zur Erledigung von Hausbesuchen unterbrochen werden (BFH-Urteil vom 22.06.1995 IV R 74/94, BFH/NV 1996, 117).
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die Fahrten von der Wohnung zur Praxis im Streitfall als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte zu beurteilen. Die anlässlich dieser Fahrten durchgeführten Hausbesuche ändern den Charakter der Fahrt nicht in einem Maße, dass das grundsätzliche Ziel der Fahrten (die Praxis oder bei der Heimfahrt der Wohnort) als Zweck der Fahrt in einer Weise überlagert würde, dass die Hausbesuche im Vordergrund stünden. Die Klägerin musste in jedem Fall zur Ausübung ihrer Tätigkeit zu den Praxispräsenzzeiten in die Praxis und von dort wieder nach Hause gelangen. Daran ändern die Patientenbesuche nichts Grundsätzliches. Sie führen lediglich zu Mehrwegen, die nach den Dienstreisegrundsätzen als betrieblicher Aufwand zu beurteilen sind. Nach der Rechenweise des Finanzamts sind diese Mehrwege als betrieblicher Aufwand in der Gewinnermittlung enthalten.
Andere Gesichtspunkte, die womöglich im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände das Gericht veranlassen könnten, insgesamt von Dienstfahrten auszugehen, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin weder Aufzeichnungen in einem Fahrtenbuch geführt, noch sonst konkrete Angaben gemacht hat, die eine Würdigung etwa des Verhältnisses der Umwegstrecken zur gesamten Fahrstrecke ermöglichen würden. Auch zur Dauer der Hausbesuche hat sie keine Angaben gemacht. Beide Gesichtspunkte dürften allerdings angesichts der Praxisöffnungszeiten kein die Praxispräsenz überlagerndes Gewicht besitzen (vgl. hierzu BFH IV R 74/94, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.