04.07.2016 · IWW-Abrufnummer 186967
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 19.04.2016 – 26 U 199/15
Ein Zahnarzt kann für eine Behandlung mittels Infiltrations- oder Leitungsanästhesie haften, wenn er den Patienten über die als echte Alternative mögliche Behandlung mittels intraligamentärer Anästhesie nicht aufgeklärt hat und die vom Patienten f ür den zahnärztlichen Eingriff erteilte Einwilligung deswegen unwirksam gewesen ist.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. Oktober 2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 4.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. August 2013 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und derzeit nicht absehbaren immateriellen Schäden, die infolge der Behandlung vom 17. Juli 2013 zukünftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf den Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 413,64 Euro zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Der am 22.01.19xx geborene Kläger hat von dem Beklagten wegen vermeintlicher zahnärztlicher Behandlungsfehler in der Hauptsache die Zahlung eines mit mindestens 7.500,00 € für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes, die Feststellung weitergehender Ersatzpflicht und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € begehrt.
Der Beklagte führte am 17.7.2013 bei dem Kläger wegen starker Schmerzen eine Neuverplombung zweier Zähne im Unterkiefer durch. Zur Betäubung des Klägers, der Angstpatient ist, setzte der Beklagte eine Leitungsanästhesie für den zu behandelnden Bereich im Unterkiefer ein. Am Folgetag teilte der Kläger dem Beklagten telefonisch mit, dass seine Zunge kribbele und taub sei. Eine Nachuntersuchung in der Praxis des Beklagten lehnte er ab, weil er sich auf dem Weg in den Urlaub befand.
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, dass der Beklagte durch ein behandlungsfehlerhaftes Setzen der Spritze den Nervus lingualis verletzt habe. Seither leide er unter erheblichen Zungengefühlsstörungen in Form permanenter Gefühllosigkeit des Zungenbereichs mit Ausnahme der Zungenspitze.
Darüber hinaus hat der Kläger Aufklärungsmängel gerügt. Er sei nicht über das typische Risiko der Nervverletzung informiert worden. Wäre das geschehen, hätte er auf die Betäubung verzichtet. Überdies gebe es andere Methoden der Betäubung, bei denen das Risiko einer Nervverletzung deutlich geringer oder überhaupt nicht vorhanden sei.
Der Beklagte hat behauptet, die Behandlung sei behandlungsfehlerfrei durchgeführt worden. Er habe den Kläger überdies auch über mögliche Komplikationen einer Betäubungsspritze aufgeklärt. Weitere Aufklärungen habe der Kläger, der sich in Eile befunden habe, ausdrücklich nicht gewünscht. Sollte bei dem Kläger eine Verletzung des Nervus lingualis vorliegen, handele es sich um die Folge vorhergehender anderweitiger Behandlungen.
Widerklagend hat der Beklagte die Zahlung des bei der Behandlung des Klägers angefallenen zahnärztlichen Honorars in Höhe von 334,82 € begehrt.
Das Landgericht hat die Klage nach uneidlicher Vernehmung von Zeugen sowie sachverständige schriftliche und mündliche Begutachtung durch den Zahnarzt Dr. Q abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Behandlungsfehler ließen sich nicht feststellen. Die Betäubung mittels Leitungsanästhesie sei bei dem als Angstpatient anzusehenden Kläger aufgrund seines eigenen Wunsches indiziert gewesen. Die Leitungsanästhesie sei auch als Methode der Wahl bei der Behandlung mehrerer Zähne anzusehen; ihre Durchführung sei lege artis erfolgt. Bei der Nervschädigung handele es sich um die Verwirklichung eines typischen Risikos dieser Methode. Es gebe zwar als Alternative die intraligamentäre Anästhesie, die anders als die Leitungsanästhesie nicht mit dem Risiko der Nervschädigung versehen sei. Gleichwohl werde sie in Fällen wie dem vorliegenden von 90-95 % der Zahnärzte nicht eingesetzt. Es sei auch unklar, ob der Kläger als Angstpatient dieses Verfahrens akzeptiert hätte, obwohl hierfür mindestens 8 Einstiche in einem Zeitraum von bis zu 2 Minuten erforderlich gewesen wären, während die Leitungsanästhesie nur 15 Sekunden benötige.
Auch die Aufklärung sei nicht zu beanstanden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Arzthelferinnen sei davon auszugehen, dass über die Komplikationen hinreichend informiert worden sei. Eine Aufklärung über die Alternative der intraligamentären Anästhesie sei nicht erforderlich gewesen, weil es sich nicht um eine gleichwertige Behandlungsalternative gehandelt habe.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der das erstinstanzliche Klagebegehren weiter verfolgt und hilfsweise die Zurückverweisung an das Landgericht beantragt.
Er verbleibt dabei, dass er über die Risiken der Leitungsanästhesie nicht aufgeklärt worden sei. Darüber hinaus sei auch keine Aufklärung über die Behandlungsalternative der intraligamentären Anästhesie erfolgt. Wäre diese erfolgt, hätte er aus Angst vor Nervverletzungen die intraligamentäre Anästhesie begehrt. Als Angstpatient habe er Angst vor der Zahnbehandlung, nicht jedoch vor Spritzen gehabt.
Unstreitig hat der Kläger Widerklageforderung mittlerweile beglichen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und derzeit nicht absehbaren immateriellen Schäden, die infolge der Behandlung vom 17.7.2013 zukünftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf den Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen,
3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.500,00 € seit dem 20.8.2013 zu zahlen,
4. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 729,23 € zu erstatten,
5. die Widerklage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bielefeld zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen;
widerklagend, dem Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 334,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.9.2013 zu zahlen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Zutreffend sei das Landgericht auf der Basis der Zeugenvernehmungen von einer hinreichenden Aufklärung ausgegangen. Hinsichtlich der intraligamentären Anästhesie habe auch keine Aufklärungspflicht bestanden, weil diese keine gleichwertige Behandlungsalternative dargestellt habe. Für die konkrete Situation des Klägers - Angstpatient mit Vorerkrankungen - sei allein die Leitungsanästhesie adäquat gewesen.
Darüber hinaus bestreitet der Beklagte weiterhin, dass es infolge seiner Behandlung zu der behaupteten Verletzung des Nervus lingualis und den behaupteten Folgeerscheinungen gekommen sei. Insbesondere sei ein stechender Schmerz während der Behandlung als Anhaltspunkt für eine Nervverletzung nicht dokumentiert. Die Schmerzschilderung des Klägers bei der Anhörung vor dem Landgericht spreche vielmehr für die normalen Einstichschmerzen anlässlich einer Injektion.
Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des zahnärztlichen Sachverständigen Dr. Q. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 19.04.2016 verwiesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Auf die Berufung war dem Kläger ein Schmerzensgeld in der erkannten Höhe nebst Zinsen zuzusprechen und festzustellen, dass der Beklagte im tenorierten Umfang für die weiteren Folgen der Behandlung haftet. Die Widerklage war abzuweisen, weil der Kläger die Honorarforderung durch Zahlung zum Erlöschen gebracht hat.
1.
Die Klage ist teilweise begründet.
a.
Dem Kläger stehen allerdings keine Ansprüche wegen des Vorliegens von vermeintlichen Behandlungsfehlern gemäß den §§ 630a, 611, 280, 253 Abs.2 BGB zu.
Anhaltspunkte für fehlerhafte oder unvollständige Feststellungen des Landgerichts bestehen nicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten war die Leitungsanästhesie indiziert. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht lege artis durchgeführt worden ist. Die Nervverletzung stellt sich als Komplikation der Leitungsanästhesie dar, sodass insoweit auch keine Rückschlüsse von einer Schädigung auf einen Behandlungsfehler möglich sind.
Auch der Kläger wiederholt insoweit in der Berufungsinstanz seine Behandlungsfehlervorwürfe nicht.
b.
Die Beklagten haften jedoch gem. den §§ 280, 630d, 630e, 823, 253 Abs.2 BGB für sämtliche Folgen der Behandlung schon deshalb, weil die Behandlung mangels wirksamer Einwilligung des Klägers insgesamt rechtswidrig gewesen ist.
aa.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger vor der Behandlung hinreichend über die Risiken der Leitungsanästhesie - namentlich die Gefahr von Nervverletzungen - hingewiesen worden ist.
bb.
Der Beklagte haftet schon deshalb, weil der Kläger über die echte Behandlungsalternative der intraligamentäre Anästhesie nicht aufgeklärt worden ist und deshalb die von ihm erteilte Eingriffseinwilligung unwirksam gewesen ist.
(1)
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Wahl der Behandlungsmethode zwar primär Sache des Arztes. Gibt es allerdings mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten, dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. etwa das BGH-Urteil v. 15.02.2005 - VI ZR 313/03 -, Juris-Veröffentlichung unter Rz.10). Für das ab dem 26.02.2013 geltende Patientenrechtegesetz findet sich dies in § 630 e Abs. 1 S. 3 BGB wieder. Danach ist bei der Aufklärung auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlichen unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.
Um eine derartige echte Behandlungsalternative hat es sich für den vorliegenden Fall - Behandlung eines Angstpatienten im Jahre 2013 (vgl. Martis Winkhart , Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, Anm. A 1112b; zum Stand des Jahres 2007 das Urteil des OLG Hamm vom 29.10.2010 - I-3 U 169/09 - ; Jurisveröffentlichung unter Rz.28) - bei der intraligamentäre Anästhesie gehandelt.
(a)
Die Leitungsanästhesie und die ligamentäre Anästhesie weisen unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen auf.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten und anlässlich seiner Anhörungen vor dem Landgericht und vor dem Senat waren vorliegend insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:
Die von dem Beklagten eingesetzte Leitungsanästhesie hat den Vorteil, dass sie vergleichsweise schnell innerhalb von ca. 15 Sekunden durchgeführt werden konnte. Als gravierender Nachteil ist die Gefahr von - wenn auch sehr seltenen - Nervverletzungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines verzögerter Wirkungseintritts von zwei Minuten und länger, ein von ein bis zu vier Stunden anhaltendes Taubheitsgefühl mit entsprechenden Behinderungen beim Essen und Sprechen, infolge der Gefühllosigkeit selbst beigebrachte Bissverletzungen und eine Anästhesieversagerquote von bis zu 20 % für den Unterkiefer.
Die Vorteile der intraligamentären Anästhesie liegen insbesondere in der Unmöglichkeit von Nervverletzungen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nur geringe Mengen an Anästhesieflüssigkeit erforderlich sind, sich Risikopatienten problemlos behandeln lassen, ein fehlender oder nur geringer Einstiegsschmerz entsteht, die Wirkung alsbald eintritt, wegen der Vorsorgung des betroffenen Zahnes das umliegende Gewebe normal empfindlich bleibt, kein Taubheitsgefühl in der Wange, Zunge und Lippen eintritt und das Empfindungsvermögen schon nach ca. 30-45 Minuten wieder uneingeschränkt vorhanden ist. Als Nachteil war dagegen vorliegend anzusehen, dass eine - allerdings vermeidbare - Aufbissempfindlichkeit des betäubten Zahnes bis zu 24 Stunden bestehen konnte, weiterhin, dass es zu kleinen Schleimhautnekrosen und es zu Nekrosen der Interdentalpapille kommen könnte.
Dagegen war im konkreten Fall des Klägers mangels Vorliegens dieser Umstände nicht zu berücksichtigen, dass die intraligamentäre Anästhesie bei ausgeprägt parodontalen entzündeten Zähnen und tiefen Zahnfleischtaschen nicht anwendbar gewesen wäre. Eine solche Situation hat der Sachverständige – auch auf Vorhalt des Röntgenbildes – bei seiner mündlichen Anhörung nicht bestätigen können. Das Bild ließ vielmehr nur einen altersgemäßen horizontaler Knochenabbau ohne Hinweis auf das Vorliegen einer Parodontitis erkennen. Ebenso wenig war ein länger dauernder und tieferer chirurgische Eingriff vorgesehen, der als Kontraindikation zu bewerten gewesen wäre.
Hinsichtlich des Risikos einer Bakteriämie hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass diese für gesunde Patienten keine Gefahr darstelle. Nach seinen Ausführungen vor dem Senat hat auch die von der Beklagten geltend gemachte Hypertonie, Borreliose und Zahnarztangst keine Kontraindikation dargestellt.
Auf dieser Basis haben sich zwei Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Chancen und Risiken gegenübergestanden.
(b)
Die ligamentäre Anästhesie war jedenfalls im Jahr 2013 soweit in der ambulanten medizinischen Praxis angekommen, dass sie zum Standard gehörte und aufklärungspflichtig war.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen bei der Anhörung durch den Senat war diese Anästhesiemethode zum Behandlungszeitpunkt nicht mehr neu, also in der Praxis bekannt. Auch wenn die Häufigkeit der tatsächlichen Anwendung nicht durch Untersuchungen belegt ist und es sich nach der Erfahrung des in der ambulanten Praxis tätigen Sachverständigen nicht um eine regelmäßig und systematisch angewandte Methode handelt, so spricht die Häufigkeit der tatsächlichen Anwendung nicht dagegen, dass die Kenntnis von der ligamentären Anästhesie in der Praxis angekommen war und zum erörterungsbedürftigen Behandlungsspektrum gehört hat. Dementsprechend hat auch der Sachverständige die Notwendigkeit der Aufklärung des Patienten über diese Methode ausdrücklich bejaht.
Soweit der Sachverständige vor dem Landgericht darauf verwiesen hat, dass die Praxis umfassende Aufklärungsgespräche deswegen nicht durchführe, weil das zu viel Zeit erfordere und man im täglichen Ablauf wegen der sonst notwendigen Zeitdauer des Aufklärungsgesprächs nicht allen Anforderungen gerecht werden könne, sind das Begründungen für die tatsächlichen Handhabung, die für die Frage der zu fordernden Aufklärung nicht relevant sind und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht gerecht werden.
Bei juristischer Bewertung ist der Senat deshalb der Auffassung, dass eine Aufklärungspflicht bestanden hat. Es hat sich um eine Situation gehandelt, bei der es der Entscheidung des Klägers als Patienten überlassen werden musste, welche der Anästhesieformen er wählen wollte.
(2)
Eine Aufklärung über die Alternative der ligametären Anästhesie ist nicht erfolgt.
Der Beklagte hat sich nur darauf berufen, dass er diese Möglichkeit in Betracht gezogen, aber verworfen habe. Das spricht dagegen, dass er diese Möglichkeit mit dem Patienten besprochen hat. Dass er stattdessen den Kläger über die Möglichkeit der ligamentären Anästhesie aufgeklärt hat, hat der Beklagte auch nicht dargelegt.
(3)
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Behandlung nach den Grundsätzen der hypothetischen Einwilligung gerechtfertigt gewesen ist.
Der Kläger hat nach seinem persönlichen Eindruck bei der Anhörung durch den Senat das Vorliegen eines Entscheidungskonfliktes für den Fall der Aufklärung über die Alternative der ligamentären Anästhesie hinreichend glaubhaft gemacht. Es erscheint nachvollziehbar, dass sich der Kläger angesichts der Kenntnis von Schwierigkeiten Dritter mit Schädigungen von Gesichtsnerven für die insoweit sichere Methode der ligamentären Anästhesie entschieden hätte. Ebenso erscheint plausibel, dass der Kläger die Behandlung jedenfalls nicht wie geschehen durch den Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt hätte durchführen lassen. Denn der Kläger hatte die Behandlung bereits unter Zuhilfenahme von Medikamenten mehrere Tage aufgeschoben.
c.
Der Beklagte haftet damit für sämtliche kausalen Folgen der Behandlung.
Insoweit steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld zu.
Der Anspruch auf Schmerzensgeld soll dem Verletzten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen und Genugtuung für das bieten, was ihm der Schädiger angetan hat. Das Schmerzensgeld muss dabei der Höhe nach unter umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzungen stehen (vgl. nur Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 253 Rdn.4, 15 m.w.N. ; BGH NJW 1995, S.781).
Bei dem Kläger haben seit der Behandlung im Juli des Jahres 2013 eine Gefühllosigkeit der Zunge (mit Ausnahme der Spitze) sowie Kribbelparästhesien vorgelegen, die noch im April 2014 durch den Befundbericht zur ambulanten neurologischen Vorstellung im Klinikum Frankfurt bestätigt worden sind. Erst zum Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht war eine weitgehende Besserung eingetreten. Der Senat geht entsprechend den Angaben des Klägers davon aus, dass nunmehr nur noch eine leichte Taubheit bemerkbar ist, wenn der subjektive Fokus darauf gerichtet wird.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass diese Folgen auf eine Nervverletzung anlässlich der Leitungsanästhesie zurückzuführen sind. Zwar hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass ein Kausalzusammenhang nicht mit absoluter naturwissenschaftliche Gewissheit festgestellt werden kann. Für die Überzeugung des Senates reicht aber ein Grad von Überzeugung, der restlichen Zweifeln zu schweigen gebietet. Das ist hier der Fall, weil die von dem Kläger geschilderten Symptome zu einer Nervverletzung durch eine Leitungsanästhesie passen (Bezug zum Versorgungsgebiet des fraglichen Nerven), zeitnah geltend gemacht worden sind und anderweitige Ursachen nicht erkennbar sind. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger keinen elektrisierenden Einstichschmerz geltend gemacht hat, der bei einem Einstechen in den Nerven zu erwarten wäre. Denn der Sachverständige hat überzeugend darauf hingewiesen, dass eine Nervschädigung auch ohne Einstich durch den Druck der Injektionslösung oder durch eine Einblutung nach und nach entstehen kann und von dem Behandler während des Eingriffs aufgrund der Anästhesierung des Patienten nicht bemerkt werden muss.
Die danach festzustellenden und den Beklagten zuzurechnenden Folgen rechtfertigen ein Schmerzensgeld in der erkannten Höhe.
c.
Der Zinsausspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs.1 BGB.
d.
Darüber hinaus war festzustellen, dass der Beklagte für sämtliche aus der Behandlung herrührenden materiellen Schäden sowie weitere nicht vorhersehbare immaterielle Schäden haftet.
Es erscheint angesichts des nicht vollständigen Heilungsverlaufs hinreichend wahrscheinlich, dass dem Kläger weitere materielle und immaterielle Schäden entstehen können.
2.
Die Widerklage hat keinen Erfolg.
Zwar hat der Honoraranspruch des Beklagten ursprünglich bestanden, weil seine Leistung nicht völlig unbrauchbar gewesen ist . Unstreitig ist die Forderung inzwischen beglichen worden, sodass Erfüllung eingetreten ist.
Eine Haftung des Beklagten ist im erkannten Umfang gegeben. Die gegen die klageabweisende Entscheidung Landgerichts eingelegte Berufung hat deshalb teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713, 543 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.