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  • 21.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221861

    Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 07.04.2021 – 14 U 135/20

    Ein grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers kann zu einem anspruchsmindernden, ggf. sogar anspruchsausschließenden, Mitverschulden führen, das der Schuldner dem Versicherer entgegenhalten kann.

    Das Abdrehen des Hauptwasserhahns stellt keine Obliegenheit dar, die der Versicherungsnehmer nach dem Verlassen einer Wohnung vornehmen muss, um einem Schaden aus einem Rohrbruch entgegenzuwirken, wenn keinerlei Anhaltspunkte für einen drohenden Schaden bestehen.

    Gegen versteckte mangelhafte Werkleistungen muss ein Versicherungsnehmer keine Vorkehrungen treffen.


    Oberlandesgericht Celle

    Urteil vom 07.04.2021


    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.7.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden - 8 O 237/18 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Der Klageanspruch zu 1. gegen die Beklagte ist dem Grunde nach zu 100% begründet.
    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Zahnarztpraxis Dr. S. F. jedweden weiteren aus dem Leitungswasserschadenereignis vom 27.7.2018 in dem Objekt S. 8 in F. entstandenen Schaden dem Grunde nach zu 100% zu ersetzen.
    3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
    4. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.
    5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
    6. Die Revision wird nicht zugelassen.
    7. Der Streitwert wird auf 220.796,89 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden Klägerin) verlangt von der Beklagten, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) Schadensersatz und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren auf die Klägerin übergegangenen Schaden aus dem Leitungswasserschadensereignis vom 27.7.2018 zu ersetzen.

    Die Klägerin ist die Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung der Zahnarztpraxis Dr. S. F., S. 8, F.. Versichert sind auch Leitungswasserschäden. Der Versicherungsnehmer der Klägerin, Dr. S. F. (im Folgenden Versicherungsnehmer), beauftragte die Beklagte, ein Unternehmen, mit der Installation einer Desinfektionsanlage in seiner Zahnarztpraxis. Die Desinfektionsanlage wurde zusammen mit den an die Anlage anschließenden Rohrleitungen von der Beklagten am 27.10.2016 installiert. Im Nachgang zu der Installation der Anlage war die Beklagte auch mit der Wartung der Desinfektionsanlage beauftragt. Die letzte Wartung der Anlage erfolgte am 15.11.2017.

    Der Versicherungsnehmer schloss seine Praxis urlaubsbedingt für drei Wochen seit dem 6.7.2018. Das Hauptwasserventil für die Praxis wurde nicht abgesperrt.

    Am Abend des 27.7.2018 gegen 19 Uhr verließen die Zeuginnen S. und G. das Haus, in dem der Versicherungsnehmer seine Praxis im zweiten Obergeschoß hat. Zu diesem Zeitpunkt bemerkten die Zeuginnen noch kein Wasser im Treppenhaus. Als sie am Morgen des 28.7.2018 gegen 7 Uhr zurückkamen, bemerkten sie gleich beim Betreten des Treppenhauses schwallartiges Wasser, das aus der Praxis des Versicherungsnehmers herauslief. Das Treppenhaus war zu diesem Zeitpunkt bereits überflutet. Die herbeigerufene Feuerwehr stellte fest, dass die streitgegenständliche Rohrleitung einige Stunden vor der Entdeckung des Schadens undicht geworden sein müsse.

    Der Wasseraustritt erfolgte in einem Praxisraum, aus dem durch die Beklagte installierten Wasserrohr. Dort hatte sich ein Verbindungsstück (Winkelfitting) an dem mit der Desinfektionsanlage verbundenen Wasserrohr gelöst.

    Die Klägerin regulierte den Inhaltsschaden ihres Versicherungsnehmers und begehrt aus übergegangenem Recht von der Beklagten Schadensersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch zum Ersatz des weiteren Schadens verpflichtet sei.

    Sie hat behauptet, die Beklagte habe ein von ihr installiertes Rohr, das zur Desinfektionsanlage hinführt, entgegen den anerkannten Regeln der Technik installiert, so dass sich ein Fitting gelöst und den Wasseraustritt verursacht habe. Das Rohrende sei entgegen der Montageanweisung zu kurz in die Muffenaufnahme des Fittings eingesteckt worden, so dass die für die Fixierung und Kraftaufnahme notwendige Klebefläche zu klein ausgefallen sei. Der Kleber sei zudem nicht vollflächig auf der Außenseite aufgetragen worden, so dass Fehlstellen auf der Außenfläche verblieben seien. Entgegen der Montageanleitung sei der Kleberauftrag auch nicht in axialer Richtung, sondern quer zur Rohrlängsachse erfolgt.

    Sie hat beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 64.133,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und weitere 147.226,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten seit Zustellung des Schriftsatzes vom 29.7.2019 und weitere 15.082,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 12.3.2020 zu zahlen,

    2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden weiteren nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf die Klägerin übergehenden Schaden aus dem Leitungswasserschadensereignis vom 27.07.2018 im Objekt S. 8 in F. entstandenen Schaden in Höhe des Zeitwerts zu ersetzen,

    3. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Zahnarztpraxis Dr. S. F. jedweden weiteren aus dem Leitungswasserschadensereignis vom 27.07.2018 im Objekt S. 8 in F. entstandenen Schaden in Höhe des Zeitwerts zu ersetzen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat behauptet, es liege kein Installationsmangel vor. Die festgestellte Einschubtiefe sei ausreichend gewesen. Der Kleberauftrag sei ebenfalls genug gewesen, jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass fehlender Klebstoff schadensursächlich gewesen sei.

    Die Beklagte hat gemeint, die Klägerin müsse sich das Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers zurechnen lassen. Dieser habe während der dreiwöchigen Praxisschließung weder die Hauptwasserleitung noch die Wasserzufuhr der Desinfektionslage abgesperrt.

    Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens samt einer ergänzenden Stellungnahme und Anhörung des Sachverständigen S.-K. in der mündlichen Verhandlung.

    Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

    Das Landgericht hat zunächst in einem Zwischenurteil über den Anspruchsgrund entschieden und dabei eine Mitverschuldensquote von 50% für den Versicherungsnehmer der Klägerin berücksichtigt.

    Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Sachverständigen S.-K. ausgeführt, dass der Leitungswasserschaden durch die fehlerhafte Montage der Rohrleitung zur Desinfektionsanlage verursacht worden sei. Das Rohr sei nur ca. 12 mm in die Muffe geschoben worden und weise eine unvollständige Verklebung auf. Das Rohr hätte doppelt so tief gesteckt werden müssen. Eine richtig gefertigte Rohrverbindung sei eine unlösbare Verbindung. Das verwendete Anschlussrohr sei bis zu einem Betriebsdruck von 16 bar dauerhaft dicht; zum Vergleich hätten handelsübliche Mehrschichtverbundrohre eine Zulassung bis 10 bar.

    Die Klägerin müsse sich aber das Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers entgegenhalten lassen. Dieser habe es grob fahrlässig unterlassen, während seiner dreiwöchigen Betriebsschließung das Wasser abzusperren. Jedem vernünftigen Zahnarzt müsse klar sein, dass das Wasser mindestens bei längerer Abwesenheit zur Vermeidung größerer Wasserschäden abgestellt werden müsse. Das Landgericht bezieht sich auf einschlägige Rechtsprechung zur Begründung der Fahrlässigkeit zu den Anforderungen, die an Benutzer von Wasch- oder Spülmaschinen gestellt werden.

    Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung.

    Die Klägerin wendet sich gegen das 50%ige Mitverschulden zulasten ihres Versicherungsnehmers und meint, es gebe keine gesetzliche Verpflichtung, die wasserführenden Leitungen einer Zahnarztpraxis während einer Abwesenheit abzusperren. Es liege auch keine Vergleichbarkeit mit Schläuchen von Waschmaschinen oder Spülmaschinen vor. Diese flexiblen Schläuche seien - anders als hier - nicht für einen dauerhaften Druck ausgelegt. Es fehle im Hinblick auf die gerügte dreiwöchige Betriebsschließung an einer Schadenskausalität. Der Schaden sei unstreitig in der Nacht auf den 28.7.2018 aufgetreten und morgens durch Zeugen bemerkt worden. Es komme insofern überhaupt nicht darauf an, dass der Versicherungsnehmer während seiner dreiwöchigen Abwesenheit nicht den Hauptwasserhahn abgesperrt habe.

    Sie beantragt,

    unter Abänderung des am 22.7.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Verden Az. 8 O 237/18, festzustellen, dass:

    1. der Klageanspruch zu 1. gegen die Beklagte ohne Berücksichtigung einer Mitverschuldenshaftungsquote von 50% dem Grunde nach gerechtfertigt ist,

    2. die Beklagte verpflichtet ist, der Zahnarztpraxis Dr. Stefan Fischer jedweden weiteren aus dem Leitungswasserschadenereignis vom 27.7.2018 in dem Objekt S. 8 in F. entstandenen Schaden ohne Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 50% zu ersetzen.

    Die Beklagte beantragt,

    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

    Die Beklagte meint, das angefochtene Urteil habe nicht in Erwägung gezogen, dass das Leitungssystem auch bei der Reinigung, bspw. mit einem Staubsauger, hätte beschädigt werden können. Es sei auch möglich, dass der Leitungsdruck geschwankt habe. Insbesondere berücksichtige das Urteil aber nicht das grobe überwiegende Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin. Die Haftungsquote müsse daher deutlich zulasten der Klägerin ausfallen.

    II.

    Die Berufungen der Klägerin als auch der Beklagten sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. In der Sache hat allerdings nur die Berufung der Klägerin Erfolg.

    1. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen vollen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 631, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. 86 VVG.

    Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin bewiesen, dass die Beklagte aufgrund der fehlerhaften Installation eines Rohres dem Grunde nach für den entstandenen Schaden verantwortlich ist.

    Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (BGH, VersR 2005, 945 [BGH 19.04.2005 - VI ZR 175/04]; OLG München, Urteil vom 21. Juni 2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a.a.O.).

    Die Klägerin zeigt derartige konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung mit ihrer Berufung nicht auf. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Aufgrund der nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen S.-K., wie sie sich aus dessen Gutachten vom 3.2.2020, seinem Ergänzungsgutachten vom 20.5.2020 und seinen im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht festgehaltenen Angaben ergeben, steht auch für den Senat fest, dass der Mitarbeiter der Beklagten, dessen Verhalten sie sich gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss, nicht ausreichend und gleichmäßig Klebstoff auf beide Seiten des Rohres aufgebracht und zudem das Rohr nicht tief genug in die Muffe hineingeschoben hat. Aus diesem Grund hat es sich schließlich gelöst, und das Wasser ist ausgetreten.

    Andere Ursachen für die Ablösung hat der Sachverständige als sicher ausgeschlossen.

    Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 03.02.2020 (Seite 6) ausgeführt, eine richtig gefertigte GF-Rohrverbindung sei eine unlösbare Verbindung. Das Abwischen von Staub, selbst mit Kraftaufwand, könne eine GF-Rohrverbindung nicht zum Bersten bzw. zum Auseinanderreißen bringen. Solche Rohrverbindungen würden u.a. auch in Schweineställen eingesetzt und dort mit Hochdruckreinigern von Staub befreit.

    Soweit die Beklagte mit der Berufungsbegründung erstmals rügt, es sei denkbar, dass das "filigrane und empfindliche" Leitungssystem bei der Reinigung der Heizkörper - etwa mit einem Staubsauger - auseinandergerissen und beschädigt worden sei, hat der Sachverständige eine solche Schadensursache bereits nachvollziehbar und sachkundig verworfen, indem er ausgeführt hat, es handele sich um eine unlösbare Verbindung, die jedenfalls nicht mit Putztätigkeiten zum Bersten gebracht werden könne. In seiner persönlichen Anhörung am 17.6.2020 hat er ergänzend ausgeführt, normalerweise bekomme man als Mensch Rohr und Muffe nicht auseinander. Dies gehe nur, wenn man diese zerstöre, z.B. mit einer Säge (Protokoll vom 17.6.2020, Seite 3, Bl. 335).

    Soweit die Beklagte rügt, der Sachverstände habe das Wasserleitungssystem keiner Prüfung unterzogen, so dass auch Druckveränderungen für den Schaden verantwortlich sein könnten, hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung lediglich angegeben, er habe die dezentrale Warmwasserleitung keiner Überprüfung unterzogen. Diese ist für den vorliegenden Schaden auch nicht relevant. Die Frage nach Druckveränderungen in Bezug auf die Kaltwasserleitung hat er geprüft und in seiner persönlichen Anhörung beantwortet und sachkundig verworfen.

    Die Wasserdrücke lägen im Haus bei ca. 4 bar. Sogenannte Druckschläge, die durch schnelles Schließen von Ventilen entstehen können, hat er aber auch schon deswegen ausgeschlossen, weil die Wohnung zum Zeitpunkt des Wasserverlustes gar nicht genutzt worden sei, so dass kein erhöhter Druck hätte entstehen könne (Protokoll vom 17.6.2020, Seite 4, Bl. 336, Bd. II). Druckschläge könnten auch maximal eine Erhöhung auf 10 bar auslösen. Die GF-Rohrverbindung sei aber für einen Druck bis 16 bar zugelassen, so dass auch dieser - hypothetische - Einwand der Beklagten nicht verfängt.

    Der Sachverständige hat sich auch mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt, für eine punktuelle Schadensursache spreche der Umstand, dass die von den Beklagten hergestellte Verbindung mehr als zwei Jahre gehalten habe. Der Sachverständige hat dazu bekundet, dass eine - wie hier - nicht fachgerechte Verbindung einige Jahre halten könne. Es bleibe aber eine nicht fachgerechte Installation, die sich hier langsam gelöst habe und dann ganz rausgerutscht sei (Protokoll vom 17.6.2020, Seite 2, Bl. 334, Bd. II). Für eine punktuelle Schadensursache lägen daher keine Hinweise vor.

    2. Ein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1 BGB des Versicherungsnehmers der Klägerin liegt nach der Auffassung des Senats nicht vor.

    Die Vorschrift des § 254 Abs. 1 BGB dürfte auch im vorliegenden Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter anwendbar sein. Denn mit dem Übergang der Forderung gem. § 86 VVG bleiben dem Dritten die bestehenden Einwendungen erhalten (§ 404 BGB). Zu ihnen zählt das Mitverschulden gem. § 254 BGB (Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 86 Rn. 61, 62). Ein grob fahrlässiges Verhalten des eigenen Versicherungsnehmers kann zu einem anspruchsmindernden, u U. sogar anspruchsausschließenden Mitverschulden führen, das der Regressschuldner auch dem Versicherer entgegenhalten kann (Langheid/Wandt/Möller/Segger, 2. Aufl. 2016, VVG § 86 Rn. 299).

    Gemessen daran wäre ein Verschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen sich selbst dieser zuzurechnen und ihm Rahmen der Schadensquotierung im Verhältnis zur Beklagten zu berücksichtigen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Es ist auch nicht relevant, welche besonderen vertraglichen Pflichten ihm im Verhältnis zur Klägerin obliegen, die er für einen Versicherungsschutz hätte einhalten müssen.

    Sondern das Mitverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin kann der Klägerin von der Beklagten entgegengehalten werden, wenn der Versicherungsnehmer zumutbare Maßnahmen unterlassen hat, die jeder vernünftige wirtschaftlich denkende Mensch nach Lage der Dinge unternommen hätte, um einen Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern.

    Die Vorschrift des § 254 BGB setzt insoweit voraus, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat (Absatz 1), oder er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern (Absatz 2 Satz 1 letzter Halbsatz). Dieses Verschulden bedeutet nicht die vorwerfbare Verletzung einer gegenüber einem anderen bestehenden Leistungspflicht, sondern ein Verschulden in eigener Angelegenheit. Es handelt sich um ein Verschulden gegen sich selbst, um die Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2008 - VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55 Rn. 31 m.w.N.). Von der Verletzung einer Obliegenheit kann nur ausgegangen werden, wenn der Geschädigte unter Verstoß gegen Treu und Glauben diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlässt, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern (vgl. BGH, Urteile vom 12. März 2015 - VII ZR 173/13, BauR 2015, 1202 Rn. 43 = NZBau 2015, 368; vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12, BauR 2013, 1472 Rn. 29 = NZBau 2013, 515; vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 Rn. 27 f. = NZBau 2013, 244; vom 22. Dezember 2005 - VII ZR 71/04, BauR 2006, 522, 523, juris Rn. 10 = NZBau 2006, 995). Welche Maßnahmen zur Verhinderung eines Wasserschadens danach zu treffen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - VII ZR 74/15 -, Rn. 25, juris).

    Gemessen daran hat der Versicherungsnehmer der Klägerin keine Obliegenheitsverletzung begangen, die zu einem Mitverschulden der Klägerin führt.

    Im Einzelnen:

    a) Die dreiwöchige Betriebsschließung ohne Absperren des Hauptwasserhahns begründet bereits deswegen keine Obliegenheitsverletzung, weil die Beklagte nicht beweisen konnte, dass die dreiwöchige Betriebsschließung überhaupt kausal für den eingetretenen Schaden gewesen ist. Eine Obliegenheitsverletzung kann aber nur als Mitverschulden berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass und inwieweit sie überhaupt mitursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - VII ZR 74/15 -, Rn. 36, juris). Für einen begründeten Mitverschuldenseinwand wäre von der Beklagten zu beweisen gewesen, dass die dreiwöchige Betriebsschließung zu einer Schadensentstehung bzw. -vergrößerung beigetragen hat. Dies ist nicht erfolgt.

    Zwischen den Parteien ist insofern unstreitig, dass die Zeuginnen S. und G. am Abend des 27.7.2018 noch kein Wasser im Treppenhaus bemerkt haben, sondern erst am Morgen des 28.7.2018. Die herbeigerufene Feuerwehr hat festgestellt, dass die Leitung einige Stunden zuvor undicht gewesen sein musste. Der Sachverständige S.-K. hat in seinem Gutachten vom 3.2.2020 ausgeführt, dass er aufgrund des Leitungsquerschnitts nicht von tagelang unbemerkt austretendem Wasser ausgehe (Gutachten Seite 4, Ergänzungsgutachten, Seite 3). In seiner persönlichen Anhörung führt er aus, er könne nicht sagen, ob tagelang Wasser ausgetreten sei, bevor sich das Rohr gelöst habe. Er könne auch nicht angeben, wie lange es dauere, bis sich das Rohr ganz aus der Muffe gelöst habe. Nachdem das Rohr sich aber gelöst habe, müsse ein starkes Rauschen im gesamten Gebäude hörbar gewesen sein.

    Nach den Feststellungen des Landgerichts, die der Senat übernimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 - XII ZR 114/19 -, Rn. 6, juris), konnte der Sachverständige gerade nicht feststellen, dass es bereits vor der Nacht vom 27.7.2018 auf den 28.7.2018 zu einem Wasseraustritt gekommen war.

    Es wäre daher ebenso möglich, dass sich das Rohr erst am Abend des 27.7.2018 aus der Muffe zunächst leicht und sodann vollständig gelöst hat. Dann wäre der gesamte Schaden in der Nachtzeit - außerhalb des regulären Praxisbetriebs - entstanden und stünde in keinem Zusammenhang mit der Betriebsschließung. Die alleinige Möglichkeit, dass bereits über einen längeren Zeitraum Wasser ausgetreten ist, bevor sich das Rohr schließlich endgültig gelöst hat, reicht nicht aus, um ein Verschulden des Versicherungsnehmers festzustellen.

    b) Nach der Auffassung des Senats hat der Versicherungsnehmer der Klägerin auch keine Obliegenheitsverletzung begangen, indem er abends nach Praxisschluss nicht den Hauptwasserhahn abgesperrt hat.

    Welche Maßnahmen zur Verhinderung eines Wasserschadens zu treffen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, zum Beispiel nach dem Alter des Anwesens und seinen Versorgungsleitungen, nach der Aufteilung der Wohneinheiten, nach der Umgebung des Hauses sowie nach der jeweiligen jahreszeitlichen Witterung (BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - VII ZR 74/15 -, Rn. 25, juris). Schutz- und Obliegenheitspflichten, die ein Mitverschulden begründen, müssen danach der Vermeidung realistisch drohender Schäden dienen. Nicht jede denkbare, mögliche und ggf. sogar sinnvolle Schutzmaßnahme führt bei ihrem Unterlassen zu einem Mitverschulden des Versicherungsnehmers, wenn im Gegenzug der Schadenseintritt denkbar unrealistisch ist.

    Nach diesen Maßstäben erachtet der Senat die Anforderung, der Hauptwasserhahn müsse bei Verlassen der Praxis zugesperrt werden, um der Gefahr von Rohrbrüchen vorzubeugen, für überspannt. Denn das Abdrehen eines Hauptwasserhahnes nach dem Verlassen einer Wohnung, um einen Rohrbruch zu verhindern, ist weder üblich, noch kann es von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nach Treu und Glauben verlangt werden. Insofern hat der Sachverständige bekundet, es handele sich bei einer GF-Rohrverbindung um eine unlösbare Verbindung, die auf einen Druck bis 16 bar ausgelegt sei. In dem Haus habe aber gerade ein Wasserdruck von 4 bar geherrscht. Eine Kaltwasserleitung brauche auch nicht gegen eine mögliche Druckerhöhung abgesichert werden.

    In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2018 - VII ZR 74/15 - hatte ein Dichtungsschaden in einer unbewohnten Wohnung zu einem Wasserschaden geführt. Der Wasseraustritt war durch eine mangelhafte Werkleistung herbeigeführt worden. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Schutz- und Obhutspflichten überspannt, die einem Eigentümer einer unbewohnten Wohnung bei einer längeren Abwesenheit oblägen. Nach den vom Berufungsgericht verlangten Anforderungen wäre ein Wohnungsinhaber auch bei einer Dienstreise oder einem Kurzurlaub gehalten, für mehrfache Kontrollen in der Woche zur Abwendung eines Wasserschadens zu sorgen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - VII ZR 74/15 -, Rn. 27, juris). Diese Anforderungen erachtete der Bundesgerichtshof als zu hoch. Im Hinblick auf das Absperren der Hauptwasserleitung äußert er zwar, dass sich Kontrollen jedenfalls erübrigt hätten, wenn die Hauptwasserleitung abgesperrt gewesen wäre (BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 - VII ZR 74/15 -, Rn. 29, juris), dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass der Bundesgerichtshof das Unterlassen des Abstellens des Hauptwasserhahnes bei längerer Abwesenheit als Obliegenheitsverletzung wertet. Schon gar nicht kann aus diesem Urteil geschlossen werden, dass der Bundesgerichthof verlangt, bei nächtlicher Abwesenheit aus einer Wohnung den Hauptwasserhahn abzudrehen, um der Gefahr eines Wasserschadens durch einen Rohrbruch entgegenzuwirken.

    Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch keine generelle Pflicht besteht, Leitungen ohne konkreten Anlass einer Generalinspektion zu unterziehen (OLG Koblenz, Urteil vom 30. September 2010 - 2 U 779/09 -, Rn. 13, juris; ebenso zu Elektroleitungen BGH, Urteil vom 15. Oktober 2008 - VIII ZR 321/07 -, Rn. 11 ff., juris) und vorliegend kein konkretes Risiko eines Rohrbruchs, bspw. aufgrund des Alters der Sanitäranlagen, bestanden hat, war ein Absperren des Hauptwasserhahns bei alleiniger nächtlicher Abwesenheit nicht erforderlich. Im Gegenteil war das streitgegenständliche Rohr neu. Gegen mangelhafte Werkleistungen muss ein Versicherungsnehmer keine Vorkehrungen treffen.

    c) Es liegt auch keine Obliegenheitsverletzung vor, weil der Versicherungsnehmer der Klägerin die Praxis verlassen hat, ohne die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzusperren. Nach der Aussage des Sachverständigen wäre dies technisch bei korrekter Montage des GF-Rohrs nicht erforderlich gewesen, weil eine sachgerechte Installation des Rohres unlösbar sei. Das Rohr sei dauerhaft dicht (Gutachten vom 3.2.2020, Seite 4). Wenn bei einer sachgerechten Montage das Rohr dauerhaft dicht ist, gibt es keinen zwingenden Grund, die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzustellen.

    Die vom Beklagtenvertreter und dem Landgericht zitierte Rechtsprechung behandelt hingegen sämtlich nicht das Problem des hier unsachgemäßen installierten Rohres, das zum Schaden geführt hat, sondern einen Schaden, der durch einen defekten Zuleitungsschlauch zu einer Spül- oder Waschmaschine verursacht wurde. Die Rechtsprechung, die zu einer solchen Schlauchverbindung ergangen ist, kann aber nicht zur Begründung eines Mitverschuldens herangezogen werden, wenn das hier verwandte Rohr als unlösbar und dauerhaft dicht gilt. Auch nach der Aussage des Sachverständigen ist das streitgegenständliche Rohr nicht mit einer Schlauchverbindung vergleichbar (Gutachten vom 3.2.2020, Seite 4). Konkret bezieht sich die Beklagte auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16.8.1988 - 4 U 232/87. Dort platzte während einer dreiwöchigen Urlaubsreise der unter Wasserdruck stehende Zuleitungsschlauch des Geschirrspülers. Das Oberlandesgericht urteilte, es sei grob fahrlässig, eine mehrwöchige Urlaubsreise anzutreten, ohne das Kaltwasserventil abzusperren, an dem der zum Geschirrspüler führende Wasserschlauch angebracht sei (NJW-RR 1989, 798, beck-online).

    In dem weiteren zitierten Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 4.12.1986 - 12 U 173/86 - war das Kunststoffgewinde, das den Zuleitungsschlauch der Spülmaschine mit dem Wasserhahn verbindet, geplatzt. Die Versicherungsnehmerin hatte ihre Wohnung für zwei Stunden verlassen. Der Senat begründete die grobe Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmerin damit, dass es allgemein bekannt sei, dass die Schlauchverbindungen zu Geschirrspül- oder ähnlichen Maschinen und die dazugehörenden Teile besonders anfällig seien und bei einem Defekt erhebliche Wasserschäden auftreten können (NJW-RR 1987, 861, beck-online).

    Beide Oberlandesgerichte haben indes nicht verlangt, den Hauptwasserhahn abzusperren, sondern nur die Zuleitung zum jeweiligen Gerät. Begründet wurde die grobe Fahrlässigkeit damit, dass allgemein bekannt sei, dass flexible Schlauchverbindungen anfällig seien und es dann zu Wasserschäden kommen könne.

    Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese 30 Jahre alte Rechtsprechung heute überhaupt noch Gültigkeit besitzt, angesichts des technischen Fortschritts von Spül- und Waschmaschinen und den insoweit vorhandenen Schutzmechanismen zur Verhinderung eines Wasserschadens. Jedenfalls sind die in den vorgenannten Urteilen aufgestellten Anforderungen nicht auf die hier in Streit stehende feste Rohrverbindung übertragbar, denn es existiert gerade kein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass Rohrverbindungen grundsätzlich anfällig seien und ständigem Wasserdruck nicht standhielten.

    Der Schriftsatz der Beklagten vom 29. März 2021 begründet keine andere Beurteilung und gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

    III.

    Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

    Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.

    RechtsgebieteBGB, VVGVorschriftenBGB § 280 Abs. 1; BGB § 631; VVG § 86