07.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123334
Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 30.05.2012 – 7 U 14/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Karlsruhe, 30.05.2012
7 U 14/10
Im Rechtsstreit
,
- Klägerin / Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
gegen
1.
2.
- Beklagte / Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte
wegen Schmerzensgeld u. Feststellung
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2012 unter Mitwirkung von
für Recht erkannt:
Tenor:
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 09. Dezember 2009, Az. - 5 O 357/06 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III.
Das Urteil und das angefochtene sind vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Ansprüche wegen angeblich unzureichender Aufklärung und fehlerhafter Behandlung im Zusammenhang mit einer Anästhesie anlässlich einer Behandlung im September 2004 in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinikum geltend, bei der ihr im rechten Knie ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wurde.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren in vollem Umfang weiter verfolgt. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf die Sitzungsniederschrift vom 26.04.2012 (II 143). Der Senat hat gem. Beschluss vom 24.09.2010 (II 37-41) Beweis erhoben durch Einholung ergänzender schriftlicher Sachverständigengutachten sowie Anhörung der Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die ergänzenden Gutachten des Prof. Dr. ... vom 12.10.2011 (II 81-85) und des PD Dr. ... vom 01.11.2011 (II 95-111) sowie die Sitzungsniederschrift vom 26.04.2012 (II 143-153) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat weder aus Vertrag gem. §§ 280, 611, 253 BGB noch aus deliktischer Haftung gem. §§ 823 Abs. 1, 253 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und die begehrte Feststellung.
1. Die Beklagten haften der Klägerin nicht wegen eines Behandlungsfehlers.
a) Dem Landgericht sind bei seiner Entscheidung allerdings wesentliche Verfahrensfehler unterlaufen. Es hat die von ihm zu Recht angeordnete Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten verfahrensfehlerhaft nicht zu Ende geführt. Für dieses Nichtausschöpfen von angebotenen Beweismitteln gilt dasselbe wie für die vollständige Übergehung (Senat, OLGR 2002, 403 f., [...] Tz. 6 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 8a m.w.N.). Enthält das von einem gerichtlichen Sachverständigen erstellte Gutachten eine Beurteilungslücke, darf der Tatrichter diese nur hinnehmen und daran den von der beweisbelasteten Partei zu erbringenden Beweis scheitern lassen, wenn die Lücke durch eine Ausdehnung der Beweisaufnahme, d.h. durch die Erhebung weiterer angebotener Beweise nicht behoben werden kann. Falls die Unvollständigkeit des Gutachtens darauf beruht, dass dem Sachverständigen Tatsachengrundlagen, die so genannten Anknüpfungstatsachen, gefehlt haben, so ist es Aufgabe des Tatrichters, dem Sachverständigen die fehlenden Anknüpfungstatsachen nachträglich an die Hand zu geben und im Wege eines Ergänzungsgutachtens oder der Anhörung des Sachverständigen die Auswirkungen des geänderten Sachverhalts auf das Gutachten mit dem Sachverständigen zu klären (BGH, VersR 2002, 1258 ff., [...] Tz. 10 m.w.N.). Die eingeholten Sachverständigengutachten boten keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage eines Behandlungsfehlers und seiner Folgen sowie zur Beurteilung der Aufklärungsrüge.
aa) Im Arzthaftungsprozess hat das Gericht dem Sach- und Streitstand besondere Aufmerksamkeit zu widmen und die Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger sorgfältig und kritisch zu würdigen. Unklarheiten, Unvollständigkeiten oder Zweifel sind von Amts wegen auszuräumen. Die demnach gebotene vollständige Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht erfordert es in aller Regel, dass sich das Gericht die vollständigen Originalkrankenakten des beklagten Arztes vorlegen lässt und diese dem mit der Beurteilung des Behandlungsgeschehens betrauten medizinischen Sachverständigen zur Verfügung stellt. Darüber hinaus hat das Gericht, soweit es zur Beurteilung der medizinischen Fragen erforderlich ist, auch darauf hinzuwirken, dass sonstige Behandlungsunterlagen vorgelegt und dem Sachverständigen zugänglich gemacht werden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Vor- oder Anschlussbehandlung bei einem anderen Arzt oder in einem Krankenhaus in Frage steht, die Rückschlüsse darüber ergeben können, ob der in Anspruch genommene Arzt den medizinischen Standard gewahrt hat oder ob dessen Behandlungsmaßnahmen für die eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen ursächlich waren (vgl. Senat, OLGR 2002, 403 f.; OLG Saarbrücken, NJOZ 2004, 598; OLG Oldenburg, OLG-RR 1997, 535; KGR 2004, 474 f.).
Die Beweiserhebung durch das Landgericht wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Den Sachverständigen lagen keinerlei Behandlungsunterlagen im Original vor. Die in Kopie vorgelegten Unterlagen waren zudem unvollständig. Bereits aus ihnen ergibt sich, dass bildgebende Verfahren zum Einsatz kamen.
bb) Das Landgericht hat den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt nicht vollständig ausgeschöpft und seine Klärungspflicht bei Widersprüchen, Zweifeln bzw. Unklarheiten in den Ausführungen der Sachverständigen verfahrensfehlerhaft nicht hinreichend erfüllt.
Dem Landgericht oblag die Verpflichtung, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen in den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständiger von Amts wegen nachzugehen (BGH, NJW-RR 2011, 428 ff., Tz. 9; VersR 2009, 1406 ff., Tz. 7; VersR 2009, 499, Tz. 7, jeweils m.w.N.; Senat, OLGR 2002, 403 f. m.w.N.).
Dem ist das Landgericht nur unzul änglich nachgekommen. Zu Recht rügt die Berufung, es sei nicht hinreichend der Frage nachgegangen, ob im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... in seinem schriftlichen Gutachten vom 02.02.2009, S. 4/5 (I 85/86) durch die Medikamentierung die Klägerin die vom Landgericht vermissten Schmerzzustände nicht empfinden bzw. sich nicht daran erinnern konnte.
b) Der Senat hat die deshalb gebotene Ergänzung der Beweisaufnahme selbst vorgenommen. Auch danach gelingt der Klägerin jedoch nicht der ihr obliegende Beweis, dass die von ihr geklagten Beschwerden auf einen Behandlungsfehler im Rahmen der Anästhesie zurückzuführen sind. Die Sachverständigen Prof. Dr. ... und PD Dr. ... gehen übereinstimmend von einer Schädigungslokalisation annäherungsweise im Bereich des Austrittes der Wurzeln aus den Foramina intervertebralia als zumindest naheliegend aus (vgl. Gutachten PD Dr. ... vom 24.10.2008, 16/17, I 61/62; Anhörung vor dem Senat, Sitzungsniederschrift vom 26.04.2012, S. 5, II 151; Gutachten Prof. Dr. ... vom 02.02.2009, S. 4, I 85). Als Behandlungsfehler kommt hier nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... nur das wiederholte Herbeiführen nennenswerter Wurzelläsionen bei mehrfachen Punktionsversuchen bzw. das Fortsetzen einer mehrfachen Punktion, bei der Nervenwurzeln tangiert wurden, in Betracht. Davon geht auch die Klägerin in der Berufung aus (vgl. Berufungsbegründung vom 15.02.2010, S. 4, II 19). Ein solches Vorgehen als Ursache steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest.
aa) Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat - wie schon bei seiner Anhörung vor dem Landgericht (Sitzungsniederschrift vom 08.10.2009, S. 4/5, I 113/114) - bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt (II 147 ff.), dass er die Möglichkeit einer toxischen, nicht behandlungsfehlerhaften, sondern schicksalhaften Nervenläsion nicht ausschließen könne. Es sei zwar ungewöhnlich, weil hier drei Wurzeln betroffen seien auf einer Länge von 10-12 cm. Allerdings sei die Lokalanästhesie bei einer Rechtsseitenlage der Patientin erfolgt. Wenn die hyperbare Flüssigkeit in die Aussackungen hineinfließt, wo die Nervenwurzeln das Rückenmark verlassen, führt dies jedoch zu einer erhöhten Konzentration des Medikaments in den Wurzeltaschen und ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch eine toxische Läsion möglich. Dass drei Taschen betroffen sind, sei überraschend, aber nicht ausgeschlossen. Durch die Liquorzirkulation sei bei einer Punktion bei L3 und L4 unter Verwendung von 2,6 ml Lokalanästhesetikum auch zwei Etagen darunter die Verursachung der hier aufgetretenen Läsion zwar kurios, aber nicht auszuschließen. Die toxische Schädigung beruhe dann nicht auf einem Behandlungsfehler, denn es gebe keine Steuerung, wohin die Flüssigkeit fließe.
bb) Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat zu der grundsätzlichen Möglichkeit einer mechanischen Schädigung in Übereinstimmung mit seinem schriftlichen Gutachten vom 02.20.2009, S. 4/5 (I 85/86) und seiner Anhörung vor dem Landgericht (I 113) auch bei seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt (II 149), durch einen einzigen Punktionsversuch könnten nicht mehrerer Wurzeln verletzt werden. Dafür wären mehrere Punktionen erforderlich. Eine mehrfache Punktion sei nicht per se fehlerhaft. Nur, wenn man dabei jedesmal eine nennenswerte Nervenläsion herbeiführe bzw. die Nervenwurzeln tangiere und dennoch die Punktion fortsetze, sei dies behandlungsfehlerhaft. Dagegen spricht jedoch, dass hier keine mehrfachen Punktionsversuche dokumentiert sind. Auch hat die Klägerin unstreitig nicht über Schmerzzustände geklagt. Solche hätte indes die Klägerin nach den Ausführungen der Sachverständigen auch in Anbetracht ihrer Medikamentierung, insbesondere mit der hier eingesetzten Menge Fentanyl, verspüren müssen. Hinsichtlich der Auswirkungen der Medikamentierung auf das Schmerzempfinden und die Erinnerungsfähigkeit der Klägerin führen die Sachverständigen bereits in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 12.10.2011 und 01.11.2011 übereinstimmend aus (II 83/107), dass die bei einer ggf. wiederholten Berührung der Nerven mit der Nadelspitze auftretenden elektrisierenden Schmerzen auch bei der Gabe von Fentanyl hier hätten bemerkbar sein müssen. Die verabreichte Medikamentierung reicht nach den Erläuterungen von Prof. Dr. ... bei seiner Anhörung (II 149/151) nicht aus, um eine Schmerzempfindung, wie sie bei einer derartigen mechanischen Läsion hätte auftreten müssen, zu unterdrücken. Danach ist eine mechanische Läsion durch einen mehrfachen, fehlerhaften Punktionsversuch nicht bewiesen. Unter diesen Umständen, wenn ein mehrfacher Punktionsversuch nicht unterstellt werden kann, hält der Sachverständige eine toxische Läsion sogar für eher wahrscheinlich (II 151), die nach dem o. G. nicht behandlungsfehlerhaft wäre.
2. Die Beklagten haften der Klägerin auch nicht deshalb auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden, weil die Einwilligung der Klägerin in die Operation wegen unzureichender Aufklärung über die Narkoserisiken unwirksam war. Denn die Klägerin hat auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung durch die Beklagten bei ihrer Anhörung vor dem Senat einen Entscheidungskonflikt bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht hinreichend plausibel dargelegt.
a) Die Klägerin wurde allerdings nicht ordnungsgemäß aufgeklärt.
aa) Der Patient muss "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (BGH, NJW 2010, 3230 ff., Tz. 11 m.w.N.). Die ärztliche Aufklärung hat den Zweck, dem Patienten eine zutreffende Vorstellung davon zu verschaffen, worauf er sich einlässt, wenn er in die ärztliche Behandlung, welche im Falle eines operativen Eingriffs eine Körperverletzung darstellt, einwilligt. Er soll sein Selbstbestimmungsrecht sinnvoll wahrnehmen und über die Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken frei entscheiden können. Die Risikoaufklärung muss den Patienten über die Gefahren des ärztlichen Eingriffs informieren. Die Risiken brauchen nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen dargestellt werden. Ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Risikospektrums genügt, ist aber auch erforderlich (BGH, NJW 1992, 2351). Wichtig ist vor allem, dem Patienten einen zutreffenden Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen zu vermitteln, die für seine körperliche Integrität und Lebensführung auf ihn zukommen können. Eine Grundaufklärung ist in aller Regel nur dann erfolgt, wenn der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten hat (BGH, NJW 1996, 777 ff., [...] Tz. 18). Nicht ausreichend ist es, wenn der Arzt nur allgemein auf mögliche Komplikationen als Folge des Eingriffs hinweist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Arzt den Patienten über alle wesentlichen Punkte informiert. Dabei ist zu bedenken, dass der Patient als medizinischer Laie, komplizierte medizinische Einzelheiten ohnehin nicht wird beurteilen können (OLG Nürnberg, NJW-RR 2004, 1543 ff., [...] Tz. 27 m.w.N.). Der Arzt darf allerdings, sofern der Patient nicht offenbar die bevorstehende Operation für ganz ungefährlich hält, voraussetzen, dass dieser mit den mit jeder größeren, unter Narkose vorgenommenen Operation verbundenen allgemeinen Gefahren rechnet. Dazu gehört neben dem allgemeinen Risiko des Auftretens einer Wundinfektion und eines Narbenbruches auch etwa die jeder nicht nur banalen Operation anhaftende Gefahr einer Fettembolie (BGH, NJW NJW 1986, 780 f., [...] Tz. 8 m.w.N.).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt. Der unstreitig sowohl in dem von ihr am 09.09.2004 unterzeichneten Aufklärungsbogen (AH I) vom aufklärenden Arzt handschriftlich eingetragene Begriff der "Nervenläsion", hinsichtlich derer er der Klägerin auch bei dem mündlichen Aufklärungsgespräch mitteilte, dass dieses Risiko bestehe, war unzureichend. Er vermittelte ihr kein hinreichendes Bild hinsichtlich der Risiken des Eingriffs und der Art der Belastungen, die auf sie in Gestalt dauerhafter Lähmungen im Bereich der Beine zukommen konnten. Der Sachverständige Dr. ... hat bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend ausgeführt (Sitzungsniederschrift vom 28.04.2012, S. 2, II 145), dass die Folgen einer Nervenläsion in einer vorübergehenden oder dauerhaften Beeinträchtigung der Funktion der Nerven bestehen können bis hin zur Lähmung beider Beine. Zwar treten Läsionen nach den Ausführungen des Sachverständigen sehr selten auf (in etwa 6 von 10.000 Fällen), können dann allerdings gravierende Folgen auf die Lebensführung haben. Dies gilt auch für die Schädigung einzelner Nerven. Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat bei seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt (Sitzungsniederschrift vom 28.04.2012, S. 2/3, II 145/147), er würde auf die charakteristischen Komplikationen hinweisen, die darin bestehen, dass es zu einer Nervschädigung und zu einer Lähmung des Nervs kommen könne. Eine Aufklärung über mögliche weitere Folgen halte er nicht für erforderlich. Er könne nur die möglichen medizinischen Folgen nennen. Ob rechtlich hierüber eine Aufklärungspflicht bestehe, müsse das Gericht entscheiden. Aus medizinischer Sicht gebe es eine Grenze, ab der der Patient unnötig verunsichert werde. Der Sachverständige PD Dr. ... hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01.11.2011 ausgeführt (II 107/109), bei der statisch so geringen Komplikationsrate durch die epidurale Blockade sei eine dezidierte Aufreihung von Nervenläsionen mit detaillierten Folgen der Funktion vorbehaltlich einer anderen Bewertung durch den Anästhesisten nicht möglich.
Eine solche dezidierte Aufreihung ist danach zwar rechtlich nach den o. G. Grundsätzen im Rahmen der Aufklärung nicht geboten. Erforderlich ist aber jedenfalls ein allgemein gehaltener Hinweis, der der Klägerin die möglichen schweren Auswirkungen auf ihre Lebensführung hinreichend verdeutlichte. Auf die statistische Häufigkeit kommt es im Hinblick auf die möglichen gravierenden Folgen für die Lebensführung nach dem o. G. nicht an. Die Klägerin musste als medizinischer Laie mit dem Begriff der Nervenläsion nicht das Auftreten erheblicher dauerhafter Lähmungserscheinungen verbinden. Es handelt sich nicht um eine allgemeine, auch einem medizinischen Laien ohne weiteres bekannte Gefahr. Danach genügte hier der bloße Hinweis auf das Risiko von Nervenläsionen nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung (vgl. BGH, VersR 2006, 840 ff., [...] Tz. 15, zum Begriff der Nervenschädigung bei fremdnütziger Blutspende; OLG Nürnberg, a.a.O., Tz. 29, zur erforderlichen Aufklärung hinsichtlich dauerhafter Lähmungen infolge Nervenverletzungen; OLG Naumburg, MDR 2008, 26, [...] Tz. 36, Hinweis auf mögliche Muskelfunktions- oder Gefühlsstörungen anstelle von Lähmungen bei einer offenen Biopsie eines Brustwirbelkörpers ist unzureichend; vgl. auch OLG Düsseldorf, AHRS 2620/186, [...] Tz. 27, wonach der Hinweis auf das seltene Risiko einer "Nervenschädigung mit einer mehr oder weniger schweren Lähmung des Beines" bei der Implantation eine Hüftgelenkes ausreicht; vgl. OLG Oldenburg, VersR 1993, 580, bei Spinalanästhesie genügt hinsichtlich der Lähmungsgefahr der Hinweis auf die Möglichkeit einer dauerhaften Lähmung durch Nervenläsion jedenfalls dann, wenn der Patient hierzu keine weiteren Fragen stellt). Die übrigen handschriftlichen Eintragungen des aufklärenden Arztes beziehen sich erkennbar auf andere Narkoserisiken. Danach rechtfertigt, anders als das Landgericht meint, auch der allgemeine Hinweis auf das seltene Auftreten schwerer Anästhesiezwischenfälle (Herz, Kreislauf, Atmung, Nervensystem) im schriftlichen Aufklärungsbogen keine andere Entscheidung.
cc) Die Klägerin beruft sich erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2012, S. 3 (II 167) darauf, sie sei auch nicht ordnungsgemäß über die Möglichkeit einer Vollnarkose als Alternative aufgeklärt worden. Dieser neue Vortrag ist nicht zu berücksichtigen. Ihr vorangegangener Vortrag in der Klageschrift vom 28.12.2006, S. 6 (I 6) hinsichtlich anderer Narkoseverfahren erfolgte ersichtlich ausschließlich zur Darlegung eines Entscheidungskonfliktes. Nach allgemeinem Grundsatz macht sich zwar eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen (BGH, NJW-RR 2010, 495, Tz. 5). Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat jedoch ein Aufklärungserfordernis hinsichtlich einer Allgemeinanästesie bei seiner Anhörung vor dem Senat (II 145) verneint. Auch wenn insbesondere im Arzthaftungsprozess wegen dessen Besonderheiten selbst nach mündlicher Erläuterung eines Gutachtens durch den Sachverständigen bei neuem Vorbringen zu einem Behandlungsfehler Veranlassung bestehen kann, diesem nachzugehen, bietet hier der neue Vortrag der Klägerin zur Aufklärungsrüge gem. §§ 156, 296a ZPO keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arzthaftungsprozesses, in dem nur maßvolle Anforderung an die Substantiierungspflicht der Partei gestellt werden dürfen (vgl. nur BGH, NJW 2004, 2825, 2827), sind keine Gründe ersichtlich, warum die Klägerin ihr Begehren nicht zuvor dargetan hat. Es geht hier zunächst nicht um eine medizinische Frage, sondern darum, einen vollständig neuen Aspekt im Behandlungsverlauf zur Überprüfung des Gerichts zu stellen. Es ist auch einer medizinisch nicht gebildeten Partei zuzumuten, dem Gericht im ersten Rechtszug darzulegen, was sie dem Arzt hinsichtlich der Aufklärung vorwirft und auf welche Behandlungsalternativen sie hätte hingewiesen werden müssen (vgl.: Senat, OLGR Karlsruhe 2005, 375 f., [...] Tz. 10; OLG Köln, Beschluss vom 02.12.2009, Az. 5 U 76/09, [...] Tz. 5). Der Vortrag der Klägerin könnte im Übrigen ihrer Berufung aus den unter nachstehend 2.c)cc) und dd) dargelegten Gründen nicht zum Erfolg verhelfen.
b) Bei der Klägerin hat sich das aufklärungspflichtige Risiko verwirklicht. Der Sachverständige PD Dr. ... hat in seinem Gutachten vom 24.10.2008, insbesondere S. 14 (I 59), überzeugend die bei der Klägerin aufgetretene dauerhafte Schädigung peripherer Nervenanteile des rechten Beines mit Lähmungserscheinungen beschrieben. Der Senat ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die Schädigung durch den Eingriff verursacht wurde. Die Läsion ist zeitlich konzident mit der Operation eingetreten (vgl. Gutachten PD Dr. ... vom 24.10.2008, S. 14, I 59) und eine Ischämie des Plexus zu einem anderen Zeitpunkt wäre nach seinen Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 01.11.2011 (II 107) lediglich theoretisch vorstellbar. Danach kommt es nicht darauf an, ob insoweit zu Gunsten der Klägerin hinsichtlich der Kausalität bei der Haftung aus Verletzung der Aufklärungspflicht das Beweismaß des § 287 ZPO gilt (vgl. BGH, VersR 2010, 115, 116, Tz. 13; NJW 1987, 1481; siehe aber auch: BGH, NJW 2005, 1718, 1719).
c) Die Beklagten haften jedoch nicht, weil die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Senat einen Entscheidungskonflikt nicht hinreichend plausibel gemacht hat. Der von den Beklagten erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung der Klägerin greift durch.
aa) Da es sich insoweit um den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bzw. hypothetischer Kausalität handelt, trägt auch insoweit der Arzt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Patient sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu dem Eingriff gerade bei ihm, dem behandelnden Arzt, entschlossen hätte. An den Nachweis dieser Behauptung sind strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Wege das Aufklärungsrecht des Patienten unterlaufen wird. Allerdings trifft den Arzt diese Beweislast erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts plausibel macht, dass er - wären ihm die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Die Substantiierungspflicht des Patienten beschränkt sich dabei auf die Darlegung des Entscheidungskonflikts, in den er bei erfolgter Aufklärung geraten wäre. Er braucht nicht etwa darzulegen, wie er sich tatsächlich entschieden hätte (BGH, NJW 2010, 3230 ff., Tz. 17; NJW 2005, 1718 ff., [...] Tz. 18; NJW 1984, 1397 ff., [...] Tz. 31). Es kommt nicht darauf an, wie sich ein "vernünftiger" Patient, dem die erforderliche Aufklärung zuteil geworden ist, voraussichtlich verhalten hätte; allein entscheidend ist die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht (BGH, NJW 1994, 799 ff., [...] Tz. 28).
bb) Die Beklagten haben den Einwand der hypothetischen Einwilligung in der Klageerwiderung vom 04.04.2007, S. 5/6 (I 26/27) hinreichend substantiert erhoben. Anders, als das Landgericht im angefochtenen Urteil meint, hat die Klägerin - wie die Berufung zutreffend rügt - zu einem Entscheidungskonflikt bereits in der Klageschrift vom 28.12.2006, S. 6 (I 6) substantiert vorgetragen. Sie hat dort dargelegt, dass sie der kombinierten Spinal- Peridualanästhesie nicht zugestimmt hätte, wenn vor dem Eingriff darüber gesprochen worden wäre, dass Lähmungen in der jetzt vorhandenen Art nach dem Eingriff bleiben können. Dies wäre ihr viel zu riskant gewesen. Die Klägerin hätte sich nach ihrem Vortrag noch anderweitig informiert und einem risikoärmeren Narkoseverfahren den Vorzug gegeben. Das Landgericht hat diesen Vortrag verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen.
cc) Der Senat hat die danach gebotene persönliche Anhörung der Klägerin zum Entscheidungskonflikt selbst vorgenommen. Ihr ist es nach den oben dargelegten Grundsätzen jedoch entgegen ihrer Auffassung nicht gelungen, einen derartigen Entscheidungskonflikt hinreichend plausibel zu machen. Dabei verkennt der Senat insbesondere nicht, dass es nach dem oben Gesagten der Klägerin nicht oblag, darzulegen, wie sie sich entschieden hätte. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... bei seiner Anhörung vor dem Senat (II 145/147) sind bei der Allgemeinanästhesie die Risiken quantitativ dieselben, allerdings qualitativ anders. Es können Zahnschäden eintreten, eine Lungenpathologie, Herz-Kreislaufprobleme oder allergische Ereignisse. Dabei besteht im Extremfall auch ein Todesfallrisiko. Das Risiko von Nervenläsionen besteht nicht. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung in Kenntnis dieser Ausführungen des Sachverständigen vorgetragen (II 147), sie wisse nicht, was sie gemacht hätte, wenn sie darüber aufgeklärt worden wäre, dass es bei der Lokalanästhesie zu Nervenschädigungen mit Lähmungserscheinungen kommen könne und andererseits bei der Vollnarkose zu Herz-Kreislaufproblemen bis hin zum Todesfallrisiko. Sie könne nicht sagen, dass sie sich dann zu einer Vollnarkose entschieden hätte. Neben ihr habe eine Patientin gelegen. Diese habe, nachdem sie gesehen hätte, was bei ihr schief gelaufen sei, erklärt, sie würde sich nur eine Vollnarkose geben lassen. Danach lässt sich die Klägerin ersichtlich von der nicht maßgeblichen postoperativen Sicht leiten, nachdem sich das Risiko bei ihr verwirklich hat. Maßgeblich ist jedoch nach dem o. G. die damalige Situation und damalige Sicht der Klägerin vor diesem Zeitpunkt. Die maßgebliche Situation im Zeitpunkt der Aufklärung ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass man lediglich die Risiken der Operation kennt, nicht aber um deren spätere Verwirklichung weiß (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2011, 747 ff., [...] Tz. 43). Die Haltung der Klägerin ist danach heute von der Erkenntnis geprägt, dass sich bei ihr das Risiko verwirklicht hat. Aufgrund dieser negativen Erfahrung bereut sie es nunmehr im Nachhinein, dass die Operation mit dem zum Einsatz gekommenen Narkoseverfahren durchgeführt wurde. Dass sie von der Durchführung der Operation Abstand genommen bzw. sich insoweit in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, trägt sie erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2012, S. 2/3 (II 165/167) vor. Dieser Vortrag ist indes grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Der Schriftsatz bietet auch insoweit aus den oben dargelegten Gründen keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 156, 296a ZPO. Im Übrigen spricht auch sein Inhalt für die o. G. Haltung der Klägerin. Dies gilt insbesondere, soweit sie dort vorträgt, dass die Knieoperation habe durchgeführt werden sollen, um anschließend wieder richtig und schmerzfrei gehen zu können, nun zwar das Knie funktioniere, aber die Klägerin gleichwohl nicht gehen könne, und sie weiter ausführt, dass sie und jeder Patient, dem dies zutreffend erklärt werde, sogar insgesamt auf den Eingriff verzichten würde, zumindest jedoch in einen jedermann plausiblen Entscheidungskonflikt geriete und sich alles noch einmal genau überlegen würde. Die Risiken einer isolierten Anwendung der Spinalanästhesie oder der Peridualanästhesie unterscheiden sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... gegenüber der hier gewählten, sinnvollen Kombination beider Verfahren kaum (II 147), weshalb insoweit für einen im Übrigen auch nicht näher dargelegten plausiblen Entscheidungskonflikt kein Raum ist.
dd) Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat weiter ausgeführt (II 145), durch die Lokalanästhesie sei eine bessere postoperative Schmerzblockade erreichbar, weil man einen besseren Zugang zum Operationsfeld habe. Eine Allgemeinanästhesie würde er nur in Betracht ziehen, wenn ein Patient die Lokalanästhesie grundsätzlich ablehnt oder als Umsteigeverfahren, wenn sich bei der Peridualanästhesie Probleme oder Kontraindikationen ergeben. Bei der Allgemeinanästhesie besteht nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... im Extremfall auch ein Todesfallrisiko (II 147). Die Klägerin wollte durch die Operation, deren Indikation auch sie nicht in Abrede stellt, die bei ihr eingetretene akute Knieproblematik (vgl. Gutachten PD Dr. ... vom 24.10.2008, S. 3, I 48) beheben bzw. verbessern und damit ihre Lebensqualität verbessern. Unter diesen Umständen hat der Senat, wohlwissend, dass daran strenge Anforderungen zu stellen sind, dennoch die Überzeugung gewonnen, dass sich die Klägerin für die Lokalanästhesie entschieden hätte. Auf den Senat hat sie bei ihrer persönlichen Anhörung den Eindruck gemacht, dass sie vernünftigen Argumenten zugänglich und bei ordnungsgemäßer Aufklärung in der Lage ist, auf ärztliches Anraten die nach den Ausführungen des Sachverständigen medizinisch sinnvollere Methode zu akzeptieren.
III.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 16.05.2012 bot auch im Übrigen keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 156, 296a ZPO. Dies gilt auch für den Schriftsatz der Beklagten vom 24.05.2012.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.