· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Die Rechte des Praxisinhabers bei häufigen oder dauerhaften Krankmeldungen eines Mitarbeiters
von RAin Susanne Schuster, LL.M., Dr. Hahne, Fritz, Bechtler & Partner, Gießen, www.hfbp.de
| Fehlzeiten von Mitarbeitern wegen häufiger Kurzerkrankungen oder bei einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit wirken sich oft störend auf die Abläufe in einer Zahnarztpraxis aus. An dieser Stelle ist der Praxisinhaber gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die den Krankenstand verringern. Wie solche Maßnahmen aussehen können und welche arbeitsrechtlichen Pflichten der Mitarbeiter hat, zeigt der nachfolgende Beitrag. |
Pflichten des Mitarbeiters
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. Fehlzeiten infolge von Krankheiten sind zwar unvermeidbar; jedoch gibt es manchmal Mitarbeiter, die Krankheitsgründe nur vorschieben. Jeder Praxisinhaber hat zum Beispiel schon erlebt, dass bestimmte Mitarbeiter besonders häufig freitags oder montags erkranken. Praxisinhaber sollten für solche Fälle Vorkehrungen treffen, um den Praxisbetrieb nicht zu gefährden und gesunde Mitarbeiter nicht zu überlasten.
Anzeige der Arbeitsunfähigkeit
Der erkrankte Mitarbeiter hat zunächst dem Zahnarzt die Arbeitsunfähigkeit (AU) und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen - eine telefonische Mitteilung zu Beginn der betrieblichen Arbeitszeit genügt. Kommt der Mitarbeiter dem nicht nach, kann er abgemahnt werden. Dauert die AU länger als drei Tage, hat der Mitarbeiter zudem eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der AU sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen - spätestens am darauffolgenden Arbeitstag.
Vorlage der AU-Bescheinigung auch am ersten Tag
In einem Urteil vom 14. September 2011 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln klargestellt, dass der Arbeitgeber ohne besonderen Anlass schon am ersten Tag der Erkrankung die Vorlage einer ärztlichen AU-Bescheinigung verlangen darf (Az. 3 Sa 597/11, Abruf-Nr. 114276). Sollte der Mitarbeiter kein ordnungsgemäßes Attest vorlegen, kann der Zahnarzt die Lohnfortzahlung bis zum Nachweis der AU verweigern. Daneben kann er den Mitarbeiter abmahnen. Verstößt dieser trotz Abmahnung erneut schuldhaft gegen diese Verpflichtung, kann eine ordentliche, bei beharrlicher Nichtbeachtung sogar eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen.
PRAXISHINWEIS | Das „Krankfeiern“ und eine dadurch bewirkte ungerechtfertigte Entgeltfortzahlung bilden einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung. Der Verdacht einer simulierten Krankheit liegt nahe, wenn der Mitarbeiter zum Beispiel aus Verärgerung den alsbaldigen Eintritt der AU ankündigt. |
Maßnahmen für die Gesundheit der Mitarbeiter
Bevor der Praxisinhaber eine übereilte Entscheidung trifft, sollte er jedoch andere Maßnahmen in Erwägung ziehen, um den Krankenstand in seiner Zahnarztpraxis niedrig zu halten. Neben kaum beeinflussbaren Faktoren wie etwa Grippewellen können vor allem auch Arbeitsstress und - nicht zu unterschätzen - ungelöste Konflikte im Team Krankheit und Fehltage hervorrufen. Besteht ein gutes Betriebs- und Arbeitsklima, sind die Fehlzeiten nachweisbar geringer. Aus diesem Grund sollten Sie als Praxischef Konflikte stets gezielt ansprechen. Beziehen Sie hierbei ihr Team mit ein, um das Bewusstsein für die Probleme zu schärfen, die ein hoher Krankenstand hervorruft - etwa Zusatzbelastungen für die verbliebenen Teammitglieder oder organisatorische Engpässe.
Rückkehrgespräche nach häufiger Krankheit anbieten
Bei Mitarbeitern, die auffällig häufig fehlen, bieten sich persönliche „Rückkehrgespräche“ an, in denen die Fehlzahlen konkret angesprochen werden. Zu beachten ist dabei, dass der Mitarbeiter Auskünfte über den Gesundheitszustand verweigern kann. In diesem Fall ist die Hinzuziehung des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) zu erwägen, um die Krankschreibungen einer Prüfung zu unterziehen. Bei dem Gespräch mit dem Mitarbeiter sollte auf die mit den Fehlzeiten verbundenen Schwierigkeiten in der Zahnarztpraxis hingewiesen und mögliche betriebliche Ursachen der häufigen Erkrankungen geklärt werden.
Maßnahmen mit dem Mitarbeiter erörtern
Unter Umständen sollten Gegenmaßnahmen wie etwa eine Reduzierung der Wochenarbeitszeiten bei Überbelastung oder eine Umstrukturierung des Aufgabenbereichs angeboten werden. Der Praxischef sollte klarstellen, dass auch künftige Fehlzeiten beobachtet werden und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Die wesentlichen Punkte des Gesprächs sollten zur späteren Nachweisbarkeit schriftlich protokolliert und das Protokoll von beiden Seiten unterzeichnet werden. Haben diese Maßnahmen keinen Erfolg, sollte als letzte Konsequenz über eine Beendigung des betreffenden Arbeitsverhältnisses nachgedacht werden.
Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes
Bevor die Kündigung erklärt wird, muss geprüft werden, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist. Dies ist der Fall, sofern mehr als insgesamt zehn Vollzeitkräfte beschäftigt werden. Findet das KSchG keine Anwendung, ist eine Kündigung in der Regel ohne Angaben von Gründen innerhalb der gesetzlichen bzw. arbeitsvertraglichen Kündigungsfristen möglich.
PRAXISHINWEIS | Der häufig verwendete Begriff der „krankheitsbedingten Kündigung“ erfasst Fallgestaltungen, in denen eine arbeitgeberseitige Kündigung durch eine Erkrankung des Mitarbeiters motiviert wurde. Die Erkrankung allein kann eine Kündigung jedoch niemals begründen - es müssen weitere Umstände hinzutreten, die eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen. |
Selbst wenn das KSchG nicht anwendbar ist, müssen jedoch immer die besonderen Kündigungsschutzbestimmungen beachtet werden: So darf beispielsweise Schwangeren oder Schwerbehinderten nur gekündigt werden, wenn zuvor die zuständige Behörde zustimmt. Findet hingegen das KSchG Anwendung, muss jede Kündigung begründet werden.
Wann ist eine Kündigung gerechtfertigt?
Grund für eine Kündigung ist die Nicht- oder Schlechterfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit sowie eine dadurch verursachte, erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen und wirtschaftlichen Belange des Zahnarztes. Folglich spielt die Erkrankung des Mitarbeiters nur eine Rolle, wenn dieser hierdurch fehlt und daraufhin der Praxisbetrieb gestört wird.
Für eine sozial gerechtfertigte Kündigung hat die Rechtsprechung folgende Voraussetzungen aufgestellt, die eingehalten werden müssen:
- Eine Gesundheitsprognose des Mitarbeiters muss ergeben, dass ihm die Fähigkeit und Eignung für die Tätigkeit fehlt.
- Die Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Zahnarztes führen.
- Die Praxisstörungen sind so erheblich, dass sie eine nicht mehr hinnehmbare betriebliche und wirtschaftliche Belastung bedeuten.
Krankheitsbedingte Kündigungsgründe
Anlass für eine Kündigung, die neben anderen auch krankheitsbedingte Gründe hat, können sein: häufige Kurzerkrankungen, eine Langzeiterkrankung, eine krankheitsbedingte Leistungsminderung sowie eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit.
Häufige Kurzerkrankung
Häufige Kurzerkrankungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeweils von kürzerer Dauer sind und sich häufig wiederholen, ohne dass die Ausfallzeitpunkte im Voraus einzukalkulieren wären. Ob solche Kurzerkrankungen eine Kündigung sozial rechtfertigen können, lässt sich nicht pauschal beantworten und muss in jedem Einzelfall beurteilt werden. Die aufgelaufenen und zu erwartenden Fehlzeiten müssen zu erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen im Praxisalltag führen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn wiederholt vorübergehend tätige Aushilfskräfte eingestellt werden müssen oder der Betriebsfrieden wegen der wiederholten Notwendigkeit, eine Vertretung zu organisieren, gestört wird.
Da es sich bei den meisten Zahnarztpraxen um kleinere Betriebe handelt, die keine bzw. eine nur sehr begrenzte Personalreserve vorhalten, sind die Belastungen solcher wiederholter Kurzerkrankungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten häufig nicht tragbar. Dennoch hat der Zahnarzt als Arbeitgeber zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Mitarbeiters auf einem anderen Arbeitsplatz oder sonstige Maßnahmen erwogen werden können, um eine Kündigung möglichst zu vermeiden.
Dauernde Arbeitsunfähigkeit
Eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit berechtigt den Zahnarzt zur ordentlichen Kündigung. Hintergrund ist, dass der Zahnarzt Personal einstellt, um hierdurch einen bestimmten Arbeitsbedarf abzudecken. Kann ein Mitarbeiter nicht mehr eingesetzt werden, steht fest, dass das unternehmerische Ziel des Zahnarztes mithilfe dieses Mitarbeiters nicht mehr erreicht werden kann und die wirtschaftliche Erwartung an ihn endgültig gescheitert ist. Eine Vertretung durch einen anderen Mitarbeiter kann hieran nichts ändern. Ist eine Genesung des Mitarbeiters ungewiss, steht dies einer feststehenden dauernden Arbeitsunfähigkeit gleich, wenn nicht innerhalb der nächsten 24 Monate mit einer anderen Prognose zu rechnen ist.
Krankheitsbedingte Leistungsminderung
Auch der Umstand, dass der Mitarbeiter wegen einer Erkrankung nicht mehr die volle Arbeitsleistung erbringen kann, kann unter Umständen eine Kündigung sozial rechtfertigen. Die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters muss sich dauerhaft verringert haben. Zudem darf keine andere Beschäftigungsmöglichkeit, etwa in Teilzeit, bestehen. Dies ist in jedem Einzelfall zu überdenken.
Langzeiterkrankung
Kann ein Mitarbeiter länger als sechs Wochen „am Stück“ nicht mehr tätig werden, ist jedoch eine Genesung durchaus möglich, kommt eine Kündigung des Arbeitsvertrages eher selten infrage. Eine ordentliche Kündigung kann nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit innerhalb der nächsten zwei Jahre nach Zugang der Kündigung nicht anzunehmen ist.
War ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ohne Unterbrechung oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Zahnarzt gemäß der gesetzlichen Bestimmungen zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann. Dabei hat er auch zu prüfen, mit welchen Leistungen oder Hilfen eine erneute Arbeitsunfähigkeit vermieden und der Arbeitsplatz in der Zahnarztpraxis erhalten werden kann - hier hat sich der Begriff des „Betrieblichen Eingliederungsmanagements“ etabliert.
Unterlässt der Praxisinhaber diese Klärung vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung, kann dies zu einer Unwirksamkeit der Kündigung bzw. zu einem Unterliegen des Zahnarztes in einem Kündigungsschutzprozess führen. Eine solche notwendige Prüfung ist nicht erfolgt, wenn vor der Kündigung lediglich ein bis zwei Rückkehrgespräche geführt worden sind, wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2009 entschied (Az. 2 AZR 400/08, Abruf-Nr. 101193).
FAZIT | Beim Umgang mit krankheitsbedingten Fehlzeiten sollte der Zahnarzt je nach Art und Grund der Erkrankung unterschiedlich reagieren - insoweit gibt es keine schematischen Regeln, deren Befolgung Rechtssicherheit bieten. Die vorliegenden Ausführungen mögen jedoch dazu dienen, dem Zahnarzt einen ersten Überblick über die Palette an Reaktionsmöglichkeiten vorzustellen, um ihn vor unüberlegten, intuitiven Schnellschüssen zu bewahren. |