· Arbeitsschutz
Impfprämien vom Praxisinhaber: empfehlenswerte Motivation der Mitarbeiter zur COVID-19-Impfung?
von RAin Jasmin Johanna Kasper LL. M., Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden
| Die Zahl der COVID-19-Impfungen in Deutschland steigt rasant. Der lang ersehnte Wendepunkt in der Pandemie scheint greifbar zu sein. Doch es gibt nach wie vor Mitarbeiter, die sich nicht zu einer Impfung entschließen können. Impfprämien könnten hier einen entsprechenden Anreiz setzen. Aber lassen sich diese rechtlich wirksam umsetzen und was gilt es zu beachten? |
Darf der Arbeitgeber die Belegschaft zur Impfung verpflichten?
Zurzeit besteht in Deutschland keine rechtliche Verpflichtung zur COVID-19-Impfung, auch wenn die Einführung einer solchen immer wieder diskutiert wird. Anderslautende arbeitsvertragliche Verpflichtungen dürften ‒ auch bei der Neueinstellung von Arbeitnehmern ‒ nach aktueller Rechtslage unwirksam sein. Ebenso verhält es sich mit einseitigen Direktiven des Arbeitgebers zur Impfung. Und selbst wenn man bei Betrieben in besonders gesundheitssensiblem Umfeld ‒ z. B. Kliniken, Arzt-, Zahnarzt- und Heilmittelpraxen ‒ auf Grundlage der besonderen Gefährdungssituation für die Kunden, Patienten und die Belegschaft eine gesteigerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers annimmt, bleibt eine Impfverpflichtung in Abwägung mit dem besonderen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der in einer Impfung gesehen werden muss, fraglich. Regelmäßige COVID-19-Tests müssten jedenfalls als milderes Mittel einer Impfverpflichtung vorgeschaltet werden. Es bleibt offen, wie die Rechtsprechung diese Fragen in Zukunft behandeln wird.
Auch mittelbare Impfverpflichtungen, z. B. durch betriebliche Zugangssperren für nicht geimpftes Personal, sind nach aktueller Rechtslage mit negativen Folgen behaftet. Sollte der Praxisinhaber den Zutritt zur Praxis für Nichtgeimpfte versagen, so hätte dies arbeitsrechtlich u. a. den Anspruch auf Annahmeverzugslohn seitens des ausgesperrten Arbeitnehmers zur Folge: Der Arbeitgeber wäre weiterhin zur Entgeltzahlung verpflichtet, ohne dass eine Arbeitsleistung abgerufen würde (vgl. § 615 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]).
Belohnung von Mitarbeitern für eine erfolgte COVID-19-Impfung
Ein Mittel zur Impfmotivation, um bei steigender Impfquote auch einen wachsenden Schutz der Praxis und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter herzustellen, könnten Prämien sein. Diskutiert werden Impfprämien als einmalige Sonderzahlungen, Gutscheinlösungen oder bezahlte Freistellungstage.
Impfprämien und arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Brisant könnte die Zahlung von Impfprämien unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sein. Eine Prämienauslobung entspricht diesem nur dann, wenn es eine sachliche Rechtfertigung für eine etwaige Ungleichbehandlung innerhalb der Belegschaft gibt. In Zahnarztpraxen bedarf es also immer einer Begründung, wenn eine Prämie etwa nur für die Assistenz ausgelobt würde oder Teilzeitkräfte anders als vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter behandelt werden.
Klar dürfte sein: Personalpolitisch und arbeitsrechtlich lässt sich die Privilegierung der Mitarbeiter aufgrund einer Impfung nur vertreten, sofern tatsächlich auch jeder Mitarbeiter die Möglichkeit zur Impfung hat. Hat der Arbeitnehmer trotz Impfwilligkeit selbst keinen Einfluss auf die erfolgreiche Durchführung der Impfung(en), wird er ungerecht benachteiligt und könnte auch ohne Impfung den Prämienanspruch geltend machen.
Maßregelungsverbot
Teilweise wird vertreten, dass Impfprämien einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB darstellen. Dieses verbietet dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme zu benachteiligen, sofern der Arbeitnehmer seine Rechte in zulässiger Weise ausübt. Unter einer Benachteiligung werden hierbei auch vorenthaltene Vorteile ‒ wie etwa zusätzlich zum Entgelt geleistete Sonderzahlungen ‒ gefasst.
Es wäre also zu prüfen, ob der unterschiedlichen Behandlung von geimpften und nicht geimpften Arbeitnehmern eine sachliche Rechtfertigung zugrunde liegt. Bei Abwägung der Rechte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber dürfte besonders schwer ins Gewicht fallen, dass die Impfprämie neben der Aufrechterhaltung des Betriebs auch der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht zur Erhaltung der Gesundheit der gesamten Belegschaft zugutekommt. In jedem Fall sollte die Prämienausschüttung in ihrer Zahlungshöhe verhältnismäßig sein, um „impfunwillige“ Arbeitnehmer nicht übermäßig zu einer aktuell nicht bestehenden Impfverpflichtung zu drängen.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Auch unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kann die Auszahlung von Impfprämien kritisch betrachtet werden. Das AGG schützt Arbeitnehmer vor Benachteiligungen aus besonderen „Gründen der Rasse, [...] der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§ 1). Risiken ergeben sich bei der Zahlung von Impfprämien vor allem mit Blick auf schwangere Mitarbeiterinnen. Zum aktuellen Zeitpunkt lautet die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), die COVID-19-Impfung bei Schwangeren nur im Ausnahmefall nach individueller Betrachtung vorzunehmen. I. d. R. werden Schwangere nicht geimpft. Sollte beispielsweise eine „impfwillige“ schwangere Mitarbeiterin sich deshalb nicht impfen lassen können, könnte sie eine (un-)mittelbare Geschlechterdiskriminierung geltend machen, da nur Frauen schwanger werden können und dies in der Folge der Grund ist, weshalb sie keine Impfprämie erlangen kann. Ein ähnlicher AGG-Verstoß könnte bei Arbeitnehmern gesehen werden, die aufgrund einer Behinderung keine Impfung erhalten, obwohl sie diese wünschen.
FAZIT | Impfprämien bedeuten gesteigerte arbeitsrechtliche und personalpolitische Risiken für den Arbeitgeber. Ob sie Arbeitnehmer zu einer Impfung motivieren, bleibt fraglich. In jedem Fall sollte vorab abgewogen werden, ob sich der Arbeitgeber angreifbar machen und etwaigen Zahlungsklagen aussetzen will. |