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  • · Fachbeitrag · EM 2024 Spezial

    Fußball, Arbeitsrecht und Datenschutz: Was gilt für Arbeitgeber und Beschäftigte am Arbeitsplatz?

    von RAin Heike Mareck, externe Datenschutzbeauftragte, Dortmund, kanzlei-mareck.de

    | Der Ball rollt: Seit dem 14.06. läuft die Fußball-Europameisterschaft. Bis zum 14.07.2024 dreht sich alles um das runde Leder und den Titel. Einige der Spiele (Anstoßzeiten 15.00, 18.00 und 21.00 Uhr) fallen für Arbeitnehmer in die reguläre Arbeitszeit ‒ dürfen sie früher gehen oder gar am Arbeitsplatz die Spiele verfolegn? Welche Rechte haben Arbeitgeber? |

    Es besteht kein Anspruch, Spiele am Arbeitsplatz im TV oder am Radio zu verfolgen

    Zumindest bei den Fernsehübertragungen sollte der Arbeitgeber klarstellen, dass diese Zeit nicht Arbeitszeit ist und sich die Arbeitnehmer vorher „ausstempeln“ und die fehlende Arbeitszeit vor- oder nacharbeiten müssen. In der Regel gehört zur ordnungsgemäßen Arbeitsleistung auch eine gewisse Konzentration, die bei gleichzeitigem Verfolgen eines Fußballspiels im Fernsehen nicht mehr gewährleistet ist. Solche Regelungen sind aber freiwillig und nicht erzwingbar.

     

    Wollen Arbeitnehmer Spiele im Radio verfolgen, kommt es ebenfalls darauf an, ob daneben eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung möglich ist. Besteht z. B. Kundenverkehr, werden Kollegen gestört oder leidet die eigene Konzentration, ist das Radiohören während der Arbeitszeit nicht gestattet. Können Tätigkeiten auch während des Radiohörens konzentriert, zügig und fehlerfrei erledigt werden, wird es in der Regel zulässig sein, das Radio laufen zu lassen. In einer Zahnarztpraxis dürfte es kaum möglich sein, während einer Behandlung eine Live-Fußballspiel zu folgen.

    Beschäftigte müssen ggf. Umwege einplanen

    Es ist Sache des Arbeitnehmers, wenn er wegen einer gesperrten Fanroute einen Umweg fahren muss und zu spät kommt. Der Arbeitnehmer hat keinen Vergütungsanspruch für diese Zeit, weil er das sogenannte Wegerisiko trägt.

    Live-Stream am Arbeitsplatz? Unerlaubte private Internetnutzung kann eine Kündigung rechtfertigen

    Der Arbeitnehmer kann sich auch über Live-Streams oder -Ticker informieren. Dieses ist generell zulässig, wenn die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit erlaubt ist. Aber eine ausschweifende Nutzung ist davon in der Regel nicht erfasst. Wenn ein ganzes Fußballspiel per Live-Stream verfolgt wird, ist von einem solchen exzessiven Gebrauch auszugehen. Verstößt der Arbeitnehmer gegen ein privates Nutzungsverbot des Internets, kann dies einen Grund für eine Abmahnung oder eine Kündigung darstellen.

     

    Bei der Nutzung des privaten Smartphones hängt die Zulässigkeit zunächst davon ab, ob ein generelles Nutzungsverbot während der Arbeitszeit besteht. Ist dies nicht der Fall, gilt auch hier, dass die eigentliche Arbeit und/oder der Kontakt zu Kunden nicht darunter leiden dürfen. Wird der Spielverlauf im Internet verfolgt, z. B. per Live-Ticker, dürfen die Arbeitspflichten nicht verletzt werden. Wird ein ganzes Fußballspiel im Internet verfolgt, dürfte regelmäßig eine exzessive Internetnutzung vorliegen, die von der Erlaubnis nicht mehr gedeckt ist und durch Sanktionen bis hin zur Kündigung geahndet werden kann.

    Kiffen und Alkohol am Arbeitsplatz fast nie möglich

    Ist ein absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz vorgeschrieben (z. B. bei Busfahrern, Piloten, Maschinenführern), darf der Arbeitnehmer keinen Alkohol konsumieren. Auch in Zahnarztpraxen dürfte dies regelmäßig der Fall sein. Der Arbeitgeber kann per Direktionsrecht, durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz aussprechen (ZP 01/2022, Seite 15).

     

    Auch beim Konsum von Cannabis ist entscheidend, welche Tätigkeiten der Arbeitnehmer ausübt und ob seine Arbeitsleistung durch einen Joint tatsächlich beeinträchtigt wird. Auch hinsichtlich Cannabis empfehlen sich klare betriebliche Regelungen.

    Das Tragen von Fußball-Kleidung am Arbeitsplatz hängt vom Arbeitgeber ab

    Ob Arbeitnehmer mit einem Trikot einer Nationalmannschaft am Arbeitsplatz erscheinen dürfen, hängt davon ab, ob dies mit den Gepflogenheiten im Betrieb oder mit ggf. bestehenden Kleidervorschriften zu vereinbaren ist. Die dienstlichen und betrieblichen Belange dürfen hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Gibt es Gründe, die gegen eine Kostümierung sprechen, darf der Mitarbeiter bei einem Verstoß gegen eine Kleiderordnung abgemahnt werden. So beispielsweise wenn in der Zahnarztpraxis Arbeitskleidung vorgegeben ist (z. B. einheitliche T-Shirts). Auch die Dekoration des Arbeitsplatzes für nicht behandelndes Personal (z. B. Rezeptionskräfte) oder Praxis-Pkws ist erlaubt, soweit nicht interne Vorschriften/Vereinbarungen oder Weisungen des Arbeitgebers etwas anderes vorgeben. Im Zweifel hat eine Dekoration von Behandlungsräumen und an Fahrzeugen, mit denen Patienten aufgesucht werden, zu unterbleiben.

    In gewissen Situationen darf der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz früher verlassen, um ein Spiel sehen zu können

    Wer die zugesagte Leistung nicht ‒ wie vereinbart ‒ erbringt, verletzt seine vertraglichen Pflichten. Das muss also mit dem Arbeitgeber vorher abgesprochen werden. Andernfalls kann bei Fernbleiben von der Arbeit innerhalb der Arbeitszeit abgemahnt und im Wiederholungsfall auch gekündigt werden. Anders verhält es sich, wenn flexible Arbeitszeiten vereinbart wurden und der Mitarbeiter außerhalb der Kernarbeitszeit frei über seine Arbeitszeiten disponieren darf. Auch hier kann es Ausnahmen geben. In der Regel verlangen flexible Arbeitszeitmodelle, dass gewährleistet sein muss, dass nicht eine ganze Abteilung bereits ab 15 Uhr unbesetzt ist.

    Später anfangen, früher gehen? Entscheidet der Arbeitgeber!

    Grundsätzlich sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer stets versuchen, einvernehmliche Lösungen zu finden. So kann vereinbart werden, dass Fußballfans an Spieltagen der EM später zur Arbeit kommen dürfen und an einem anderen Tag nacharbeiten oder Überstunden abbauen. Auch ein Tausch von Schichten ist möglich.

    Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf einzelne Urlaubstage

    Für den gesetzlichen Urlaubsanspruch gilt der Grundsatz des Vorrangs des ungeteilten Urlaubs. Das bedeutet, der Arbeitnehmer hat das Recht, den Urlaub an aufeinanderfolgenden Tagen gewährt zu bekommen, der Arbeitgeber kann vereinzelte Urlaubstage ablehnen.

    Kein Anspruch auf Zuweisung einer anderen Schicht

    Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihm für ein spezielles Fußballspiel eine andere Schicht zuweist. Die Einteilung der Mitarbeiter in Schichten unterliegt dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht. Der Arbeitgeber hat dabei nach „billigem Ermessen“ zu entscheiden. Fußballerische Vorlieben muss er nicht berücksichtigen.

    Verletzt sich der Arbeitnehmer beim Besuch eines EM-Spiels, greift die Entgeltfortzahlung

    Der Arbeitgeber muss nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) die Vergütung im Krankheitsfall fortzahlen, solange die Krankheit unverschuldet ist. Ein Verschulden liegt z. B. vor, wenn der Arbeitnehmer eine Schlägerei provoziert, bei der er verletzt und infolgedessen arbeitsunfähig wird.

     

    MERKE | Kann der Arbeitnehmer wegen zu hohen Alkoholkonsums am Vorabend nicht zur Arbeit erscheinen, ist dies ebenfalls verschuldet, es gibt keine Entgeltfortzahlung, sofern der Alkoholmissbrauch nicht pathologischer Natur ist.

     

    Der Arbeitgeber kann bei angekündigter Krankheit kündigen

    Will der Mitarbeiter nach einer Fußballnacht ausschlafen oder sich nicht genehmigten Urlaub über Krankheitstage „reinholen“ und kündigt er dies vorher am Arbeitsplatz an, kann dies ein Kündigungsgrund sein (Details im Online-Beitrag unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 47482909). Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entfällt, sofern nicht der tatsächliche Nachweis der Krankheit gelingt.

    Ticketkauf über das betriebsinterne E‑Mail-System

    Wenn die private Nutzung des betrieblichen Internets verboten ist, scheidet der Erwerb von Tickets für EM-Spiele oder für das Public Viewing über das betriebsinterne E‑Mail-System aus. Wie der Gebrauch des Live-Streams/-Tickers stellt der An-/Verkauf von Tickets eine private Nutzung des Systems dar. Auch hier kommt es darauf an, wie die private Nutzung des firmeneigenen Internets im Unternehmen geregelt ist.

    Tippgemeinschaften zur Fußball-EM im Büro, wenn es der Arbeitgeber gestattet

    Finden die Wetten in der Mittagspause und/oder außerhalb der Arbeitszeit statt und werden die Mitarbeiter nicht von der Arbeit abgehalten, spricht in der Regel nichts gegen Tippgemeinschaften. Nicht selten gestatten Arbeitgeber derartige Aktivitäten sogar ausdrücklich.

     

    PRAXISTIPP | Informationen für Arbeitgeber und Datenschutzbeauftragte zum datenschutzkonformen Einsatz von Online-Tipp-Spielen finden Sie online unter Abruf-Nr. 50003012).

     
    Quelle: ID 50071540