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  • · Fachbeitrag · Praxisverkauf

    Praxisabgabe, Praxisübernahme, BAG: Die wichtigsten Regelungen im Überblick (Teil 1)

    von Dr. Stefan Stelzl, Stuttgart, www.stelzl-medizinrecht.de 

    | Die Abgabe wie die Übernahme einer Zahnarztpraxis will gut geplant sein. Daher sollte sie mit dem nötigen zeitlichen Vorlauf angegangen werden. So kann genügend Zeit für die Ermittlung des Praxiswertes und zur Klärung von Steuer- und Rechtsfragen eingeplant werden. Da es für Zahnärzte keine Bedarfsplanung mehr gibt, stellt die Praxisübergabe zulassungsrechtlich nur noch eine Formalie dar; doch auch diese kostet noch einmal Zeit. Nachfolgend werden die wichtigsten Regelungen erörtert, über die sich der Praxisverkäufer mit dem Praxiskäufer einigen muss. |

    Woraus besteht der Kaufpreis und wie wird er bestimmt?

    Der Kaufpreis setzt sich zusammen aus dem Preis für den materiellen Praxiswert - also dem Inventar und den Vorräten - und dem immateriellen Praxiswert, dem sogenannten „goodwill“. Diese beiden Kaufpreise sollten im Praxiskaufvertrag gesondert ausgewiesen werden, da für beide unterschiedliche steuerliche Abschreibefristen bestehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Vertragszahnarztsitz, der mit der Praxis übernommen wird, hat dagegen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen eigenen übertragbaren Wert und ist daher nicht gesondert auszuweisen.

     

    Ermittlung des „richtigen“ Kaufpreises

    Führend bei der Bestimmung des Praxiskaufpreises ist derzeit die „modifizierte Ertragswertmethode“. Wird ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen beauftragt, wird er vermutlich nach einer selbst entwickelten, die Ertragswertmethode modifizierenden Methode den immateriellen Praxiswert ermitteln. Derartige Gutachten sind allerdings relativ teuer und fallen zumeist sehr unterschiedlich aus: fünf Gutachter - fünf Praxiswerte.

     

    PRAXISHINWEIS | Wer beauftragt, ist im Vorteil! Bittet der Praxisverkäufer um ein solches Gutachten, wird der ermittelte Kaufpreis zumeist höher sein als wenn der potenzielle Käufer den Sachverständigen beauftragt.

     

    Eine (kostenlose) Alternative für die Ermittlung des immateriellen Wertes, die allenfalls einer groben Schätzung gleichkommt, erfolgt nach folgender Faustformel: (Jahresumsatz x 0,3) / 3. Der „Jahresumsatz“ beschreibt hierbei den addierten Jahresbruttoumsatz der Praxis in den letzten drei Jahren - einschließlich der Kosten für Material sowie Eigen- und Fremdlabor. Der Faktor 0,3 ist variabel; er hängt zum Beispiel von der Marktstärke der Praxis, ihrer Lage und ihrer Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab.

     

    Tückische Variable

    Mit der Veränderung der Variablen kann der immaterielle Praxiswert erhöht oder verringert werden. Da auch in einem teuren Sachverständigengutachten Variablen enthalten sind, aus denen im Endeffekt der Praxiswert errechnet wird, ist dies allerdings kein Nachteil. Letztlich entspricht der Praxiswert dem Betrag, den der Interessent zu zahlen bereit ist.

    Materieller Wert vs. Buchwert

    Der materielle Praxiswert gleicht nicht dem Buchwert, da auch voll abgeschriebenes Inventar noch einen Verkehrs- bzw. Fortführungswert besitzt, solange die Geräte funktionieren. Die Buchwerte sind deshalb in der Regel für die Ermittlung des materiellen Wertes unbrauchbar.

     

    Auch der materielle Wert kann durch das Gutachten eines Sachverständigen ermittelt werden. Speziell im zahnärztlichen Bereich besteht auch die Möglichkeit, das Inventar und die Vorräte vom Dentaldepot schätzen zu lassen. Da die Depots mit gebrauchten Geräten handeln, kennen sie den Markt meist besser als öffentlich bestellte Sachverständige. Bei einer guten Kundenbeziehung sind derartige Schätzungen oft kostenlos bzw. günstig zu erhalten.

     

    PRAXISHINWEIS | Für einen ersten Anhaltspunkt können Sie den materiellen Wert der Praxis durch ein Dentaldepot ermitteln lassen und den immateriellen Wert anhand der beschriebenen Faustformel bestimmen. Im Übrigen wird der Praxiswert durch den Betrag bestimmt, den der Interessent zu zahlen bereit ist.

     

    Es empfiehlt sich, die mitverkauften Einrichtungsgegenstände wie zum Beispiel Geräte, Materialien, Vorräte - insbesondere Implantate - im einzelnen oder zumindest chargenweise in einem schriftlichen Verzeichnis dem Praxiskaufvertrag beizufügen; so entstehen im Nachhinein keine Unstimmigkeiten. Gegebenenfalls können in einem zweiten Verzeichnis die nicht mitverkauften Gegenstände aufgeführt werden - also dasjenige, was der Verkäufer aus der Praxis mitnehmen möchte.

    Eigentumsverhältnisse des Inventars prüfen

    Als Erwerber einer Zahnarztpraxis sollte man immer prüfen, ob sich die veräußerten Geräte im freien und uneingeschränkten Eigentum des Veräußerers befinden. Geleastes oder an die Bank sicherungsübereignetes Inventar kann selbstverständlich nicht bezahlt werden, da der Erwerber in der Regel die Leasingverträge vertraglich übernehmen muss.

     

    PRAXISHINWEIS | Als Erwerber einer Zahnarztpraxis sollte man sich im Kaufvertrag versichern lassen, dass das in der Liste der mitverkauften Gegenstände auftauchende Inventar im freien und uneingeschränkten Eigentum des Veräußerers steht - und bei welchen Geräten dies nicht der Fall ist. Dann hat man zumindest einen Rückgriffsanspruch gegen den Praxisverkäufer, sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass dessen Versicherung nicht richtig war.

     

     

    Sicherung des Kaufpreises sinnvoll

    Als nächstes stellt sich die Frage, ob der Kaufpreis zwischen dem Vertragsschluss und dem Tag der Praxisübergabe gesichert werden soll. Selbstverständlich kann der Praxisabgeber auf die Solvenz und Zahlungsbereitschaft des Erwerbers vertrauen und auf Sicherheiten verzichten. Üblich ist es aber, dass der Käufer eine Bankbürgschaft beibringt, damit die Zahlung auf jeden Fall erfolgt - auch wenn in der Zwischenzeit in seiner Sphäre Hinderungsgründe wie Tod, Berufsunfähigkeit oder Vermögensverfall aufgetreten sind.

     

    Eine Bürgschaft ist zwar mit Kosten verbunden, die je nach Kaufpreis bzw. Darlehenshöhe und Bonität des Erwerbers schwanken. Als Praxisabgeber sollte man aber dennoch nicht freiwillig auf eine Sicherung verzichten.

     

    Es sind auch andere Sicherungsarten möglich wie zum Beispiel Grundschulden auf Immobilien, die Verpfändung von beweglichen Gütern oder Sicherungsübereignungen. In der Praxis sind diese Möglichkeiten aber selten.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Gebühren der Banken für Bürgschaften sind nicht fix. Es lohnt sich als Erwerber - insbesondere bei hohen Darlehenssummen - mit der Bank über die Höhe zu verhandeln. Unter Umständen wird die Bank im Hinblick auf den neuen (solventen) Kunden auf die Gebühr ganz verzichten.

     

    Zeitpunkt der Übergabe und Rechnungsabgrenzung

    Im Vertrag über den Praxiserwerb wird der Tag des Praxisübergangs festgelegt. In aller Regel empfiehlt es sich für den Praxisabgeber, den Tag auf den ersten Werktag des neuen Jahres zu bestimmen. Dies hat steuerliche Vorteile, da dann nicht zu den Einnahmen aus der freiberuflichen Tätigkeit im alten Jahr noch der Kaufpreis kommt, der dann in der vollen Steuerprogression versteuert werden muss. Wenn im neuen Jahr die Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit fehlen, wirkt sich dies steuerlich deutlich positiver aus.

     

    Allerdings ist aus der Beratungspraxis bekannt, dass bei einer solchen Vertragsgestaltung einige wenige Finanzämter nicht „mitspielen“. Informieren Sie sich daher am besten vorher über die Gepflogenheiten vor Ort!

     

    PRAXISHINWEIS | Auch weitere steuerliche Aspekte wie Freibeträge oder der halbe Steuersatz ab dem 55. Lebensjahr sollten Sie rechtzeitig vor Unterzeichnung des Praxiskaufvertrages mit Ihrem Steuerberater besprechen.

     

    Nutzen und Lasten gehen auf Erwerber über

    Mit dem Tag des Übergangs gehen auch Nutzen und Lasten der Praxis auf den Erwerber über, d.h. ihm stehen ab diesem Zeitpunkt entstehende Forderungen zu, zudem haftet der Käufer für die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Verbindlichkeiten. Die vorher entstandenen Forderungen und Verbindlichkeiten stehen dem Abgeber zu. Dies gilt bei einer Gewinnermittlung per Einnahmenüberschussrechnung unabhängig von der Valutierung oder Bezahlung. Das bedeutet, dass beispielsweise nachlaufende Zahlungen der KZV oder der Privatpatienten noch dem Praxisabgeber zustehen. Bei einer Gewinnermittlung per Bilanz werden dagegen die noch ausstehenden Honorare und die bestehenden Verbindlichkeiten mitberücksichtigt. Diese Faktoren beeinflussen selbstverständlich den Kaufpreis entsprechend.

     

    Übernahme laufender Verträge

    Zudem sollte im Praxiskaufvertrag geregelt werden, welche Verträge - etwa zu den Bereichen Versicherung, Energielieferung, Leasing/Miete oder Telekommunikation - vom Praxiserwerber übernommen werden und welche vom Veräußerer (fristgerecht) gekündigt werden müssen.

    Haftung für Sach- und Rechtsmängel

    Wichtig ist es für den Verkäufer, im Vertrag eine Haftung für Sachmängel auszuschließen. Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass der Erwerber die Geräte vor Vertragsabschluss auf ihre Funktionsfähigkeit hin prüft und sich der Veräußerer verpflichtet, die Geräte bis zum Tag der Praxisübergabe entsprechend den Wartungsvorschriften in Schuss zu halten.

     

    Zusätzlich kann eine Regelung getroffen werden die bestimmt, wer haftet, wenn zwischen Vertragsschluss und Praxisübergabe ein Gerät schadhaft wird oder ausfällt. Alternativ kann der Praxisabgeber hierfür im Kaufvertrag eine Verpflichtungserklärung abgeben.

     

    PRAXISHINWEIS | Normalerweise wird vertraglich geregelt, dass der Praxisabgeber für Sach- und Rechtsmängel nicht haftet, soweit im Vertrag nicht ausdrücklich Zusicherungen enthalten sind. Ein Rechtsmangel liegt beispielsweise vor, wenn die Praxis in Räumen betrieben wird, die - nach neuestem Stand - aus hygienischen oder sonstigen rechtlichen Gründen nicht für den Betrieb einer Zahnarztpraxis geeignet sind.

     

    Übergabe der Patientenkartei

    Wichtig ist auch eine Regelung zur Übergabe der Patientenunterlagen. Aus Gründen des Datenschutzes bzw. der zahnärztlichen Schweigepflicht dürfen Patientenunterlagen nicht ohne Zustimmung des Patienten auf einen Praxisnachfolger übertragen werden. Wird die Schweigepflicht nicht beachtet, ist eine entsprechende Übergabeklausel nichtig.

     

    Verwahrung der Karteikarten

    Mit Blick auf die als Kartei geführten Patientendaten hat sich eine Verwahrungslösung etabliert: Dabei wird im Praxiskaufvertrag geregelt, dass der Praxisabgeber die Patientenkartei für den Erwerber verwahrt.

     

    Aushändigung der Karteikarten

    Dem Erwerber dürfen Karteikarten erst ausgehändigt werden, wenn der Patient ausdrücklich - etwa durch Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung am Empfang - oder stillschweigend - indem er zur Behandlung beim Praxiserwerber in der Praxis erscheint - sein Einverständnis mit der Übergabe seiner Karteikarte an den Käufer erklärt. Gleichzeitig muss dem Praxisabgeber der Zugang zur Altkartei aus nachvollziehbaren Gründen ermöglicht werden - etwa dann, wenn er von einem Patienten wegen Behandlungsfehlern in Anspruch genommen wird.

    Umgang mit elektronischer Patientendokumentation

    Der Umstand, dass heutzutage die Patientendokumentation meist elektronisch geführt wird, macht die Sache nicht einfacher. Einigkeit besteht darüber, dass die Altdaten mit einem Passwort gegenüber Zugriffen des Erwerbers geschützt werden müssen. Wie dies in der praktischen Umsetzung funktionieren soll, ist allerdings unklar.

     

    Angestellte mit Passwort?

    Vom Praxisverkäufer können zwar Angestellte bestimmt werden, die die Daten im jeweiligen Einzelfall ausdrucken oder dem Erwerber elektronisch in seine neuen elektronischen Patientendaten kopieren. Da der Erwerber aber Arbeitgeber dieser Angestellten und damit weisungsbefugt ist, dürfte es einer vom Praxisabgeber beauftragten Helferin - im Interesse des Erhalts ihres Arbeitsplatzes - schwerfallen, einen vollständigen Datenzugriff des Praxiskäufers zu verhindern, wenn dieser es wünscht.

     

    Schriftliche Einwilligung erforderlich

    Nach § 4a des Bundesdatenschutzgesetzes bedarf der Zugriff auf eine elektronisch archivierte Patientenkartei einer schriftlichen Einwilligung des betroffenen Patienten. Ein bloßes Erscheinen in der Zahnarztpraxis reicht also als stillschweigende Zustimmung nicht aus. Dies gilt grundsätzlich auch bei Anfragen anderer (Zahn-)Ärzte bzw. Patienten, deren Daten der Praxiserwerber noch nicht an sich nehmen durfte. Nur in besonderen Notfällen dürfte hier ohne schriftliche Einwilligung des Patienten ein Einblick in die Patientendaten zulässig sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Der neue Praxisinhaber sollte sich von übernommenen Patienten, die sich erstmals in die Behandlung beim Erwerber begeben, somit auch im Falle einer elektronischen Datenverwaltung immer am Empfang eine Einwilligungserklärung unterzeichnen lassen. Der Mehraufwand hält sich gegenüber anderen unterschriftsbedürftigen Dokumenten - zu denken ist etwa an Honorarvereinbarungen, die Abtretung der Honorarforderungen an eine Abrechnungsgesellschaft oder die Einwilligung in eine Operation - in Grenzen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Im zweiten Teil der Beitragsserie geht es u.a. um die Übernahme von Personal, die Haftung für Altbehandlungen und um Fragen der Kostentragung.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 20 | ID 42838807