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  • · Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht

    Bewertungsportale: So wehren Sie sich gegen falsche Bewertungen!

    von Rechtsanwalt Dr. Tim Oehler, Wallenhorst, www.rechtsanwalt-oehler.de

    | Manche Zahnärzte ignorieren Erfahrungsberichte von Patienten auf Arzt-Bewertungsportalen. Aber kann man sich das wirklich leisten? Gefährlich ist, dass Leser und potenzielle Patienten den Wahrheitsgehalt einer schlechten Bewertung nicht überprüfen. Ungeprüft geht ein Leser von einem „Pfuscher“ aus. Wer will nach der Lektüre eines solchen Erfahrungsberichts noch zu diesem Zahnarzt? Das hat auch wirtschaftliche Konsequenzen für ihn. Es gibt also viele Gründe, sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und dem Vorgehen gegen Bewertungsportale zu befassen. |

    Bewertungsportale beraten potenzielle Patienten

    Mediziner und Zahnmediziner schließen gerne von ihrem Fachwissen auf den Umgang von Patienten mit Bewertungsportalen, getreu dem Motto: „Patienten haben kein Interesse an Laien-Bewertungen“. Dies ist ein Trugschluss: So hat z. B. das Landgericht Erfurt das Interesse von Patienten an kritischen, unabhängigen Informationen in Bewertungsportalen im Internet als sehr hoch eingestuft (Urteil vom 29.01.2016, Az. 10 O 1005/15, Abruf-Nr. 195648). Die zunehmende Beliebtheit solcher Portale würde dies belegen.

     

    Bewertungsportale haben danach die Aufgabe, potenzielle Patienten bei der Arztsuche im Vorfeld durch Erfahrungsberichte anderer Patienten zu beraten. Diese Beratung kann nicht nur eine Empfehlung eines Arztes, sondern auch ein Abraten sein. Eine solche Warnung vor einem Behandler - und nichts Anderes ist eine negative Bewertung - kann Patienten dazu bewegen, sich gegen diesen Behandler zu entscheiden.

     

    Vor diesem Hintergrund wird allzu verständlich, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) feststellt: „Denn die Bewertungen können nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes haben. Sie können vielmehr auch die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Falle von negativen Bewertungen sogar seine berufliche Existenz gefährden“ (BGH, Urteil vom 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13, Abruf-Nr. 143156).

    Online-Reputationsmanagement - so geht´s

    Um diese Effekte auf die Existenz erst gar nicht aufkommen zu lassen, kommen Praxen nicht ohne ein Online-Reputationsmanagement aus. Dazu gehört die regelmäßige Sichtung der Erfahrungsberichte von Patienten, Konkurrenten oder Dritten. Ob ein Behandler die aufgefundene Arzt-Bewertung angreifen kann, richtet sich nach den von der ständigen Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen für Internetbewertungen.

     

    Für ein erfolgreiches rechtliches Vorgehen gegen schlechte Bewertungen reicht es nicht, seinem Ärger einfach Luft zu machen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Inhalte von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Dafür muss der Arzt oder Zahnarzt zunächst checken, ob die Bewertung der Meinungsäußerung oder der Tatsachenbehauptung zuzuordnen ist.

    Wann sind Meinungsäußerungen nicht mehr zulässig?

    Meinungsäußerungen stehen grundsätzlich unter dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es kommt weder auf ihre Qualität noch ihre Richtigkeit an. Ausnahmsweise können jedoch Meinungsäußerungen untersagt werden, und zwar in folgenden Fällen: unzulässige Schmähkritik, strafrechtlicher Beleidigungstatbestand (§§ 185 ff. StGB), Formalbeleidigung und Verletzung der Menschenwürde.

     

    Schmähkritik liegt vor, wenn die Kritik überzogen oder gar ausfällig ist und mit dieser Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht. Allerdings ist die Abgrenzung zwischen unzulässiger Schmähkritik und drastischer Kritik häufig schwierig.

     

    Die folgenden beiden Beispiele zeigen, dass Gericht vieles als „noch zulässige Meinungsäußerung“ beurteilen.

     

    • Beispiel 1: Fehlende Ernstnahme

    Im Fall des Landgerichts Erfurt (s. o.) hatte eine Patientin auf einem Portal geschrieben, dass der Arzt sie nicht ernst genommen habe. Er habe sie nicht einmal untersucht, sondern mit den Worten „Von mir bekommen Sie nichts“ aus der Sprechstunde weggeschickt. Das Landgericht sah in der Bewertung noch eine zulässige Meinungsäußerung.

     

     

    • Beispiel 2: Verallgemeinernde Schlussfolgerung

    Die Äußerung „Eine solche Behandlung schadet und gefährdet nicht nur den einzelnen, das Vertrauen in den Berufsstand der gesamten Ärzteschaft wird untergraben“ ist eine zulässige Meinungsäußerung (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.06.2015, Az. 16 W 29/15).

     

    Tatsachenbehauptungen - wahr oder nicht wahr?

    Eine „Tatsachenbehauptung“ bezieht sich auf innere oder äußere Vorgänge bzw. Zustände, die der Klärung und Nachprüfung zugänglich sind. Der juristische Sprachgebrauch unterscheidet zwischen wahren und unwahren Tatsachenbehauptungen: Unwahre Aussagen mit ehrverletzendem Charakter sind grundsätzlich verboten und können sanktioniert werden; „erweislich“ wahre Tatsachen dürfen grundsätzlich verbreitet werden.

     

    Nachfolgend zwei Beispiele zu „unwahren Tatsachenbehauptungen“, bei denen Portalbetreiber zur Entfernung der Behauptungen verurteilt wurden:

     

    • Beispiel 1: Übersehener Behandlungsbedarf

    Auf einem Portal war behauptet worden, dass es im Rahmen einer Hautkrebsvorsorgeuntersuchung zu einem nicht erkannten Behandlungsbedarf an der Stirn eines Patienten gekommen sei (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.12.2015, Az. 16 U 71/15). Der Portalbetreiber wurde verurteilt, es zu unterlassen, diese Bewertung zu verbreiten - einschließlich der dazugehörigen Noten!

     

     

    • Beispiel 2: Krankenunterlagen und Behandlungsmethode

    Die behauptete „Lagerung von Patientenakten in Wäschekörben“ und „kontraindizierte Behandlung einer Schilddrüsenüberfunktion“ durfte ein Internetportal nicht mehr verbreiten (BGH, Urteil vom 01.07.2014, Az. VI ZR 345/13).

     

    Umgang mit Portalbetreibern: So sollten Sie vorgehen

    Die Portalbetreiber von Arzt-Bewertungsportalen wie jameda.de, sanego.de oder arztauskunft.de sind grundsätzlich nicht verpflichtet, von Patienten auf das Bewertungsportal gestellte Bewertungen vor ihrer Veröffentlichung daraufhin zu prüfen, ob sie gegen Persönlichkeitsrechte der Ärzte und Zahnärzte verstoßen. Sie sind jedoch gehalten, einer qualifiziert gerügten Arztbewertung nachzugehen. Viele Ärzte oder Zahnärzte beschränken sich dennoch darauf, die Portalbetreiber mit einer pauschalen Beanstandung zu konfrontieren.

     

    • Beispiel: Unzureichende Rüge

    „Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte ein Problem mit einer Bewertung auf ihrem Portal melden. In der veröffentlichten Bewertung finden sich keine Sachargumente für die Bewertung, sondern nur Unterstellungen. Ich verfolge mit meiner Beanstandung dieser Bewertung ein juristisch berechtigtes Anliegen. Ich werde in meinem Persönlichkeitsrecht verletzt und behalte mir daher juristische Schritte ausdrücklich vor. Veranlassen Sie also die erforderlichen Schritte.“

     

    Beachten Sie | Mit so allgemein gefassten Rügen kommt man nicht weit. Wer meint, dass eine Bewertung gegen ihn rechtlich unzulässig ist, muss sein Schreiben oder die E-Mail an das Bewertungsportal klar fassen, sodass es für den Portalbetreiber nachvollziehbar ist. Keinesfalls dürfen sich betroffene Zahnärzte darauf beschränken, die beanstandete Bewertung zu benennen und zu behaupten, sie würden dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt (OLG Köln, Urteil vom 13.10.2016, Az. I-15 U 173/15).

     

    Wenn ein Beitragsverfasser konkrete Behandlungsumstände benennt, z. B. dass er über die höheren Kosten einer bestimmten Behandlung mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad nicht informiert wurde, dann reicht es nicht aus, diese Äußerung als bloß „unzutreffend“ hinzustellen. Vielmehr muss der Arzt bzw. Zahnarzt seinerseits substanziiert die tatsächlichen Umstände darlegen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 30.06.2016, Az. 5 U 58/13).

    Die Regeln für die Prüfungspflicht der Portalbetreiber

    Hat ein Zahnarzt einmal eine Prüfungspflicht eines Bewertungsportals ausgelöst, dann wird bei diesem ein „Pflichtenheft“ ausgelöst. In dem zuletzt entschiedenen „jameda.de-II-Entscheid“ stellte der Bundesgerichtshof strenge Anforderungen (Urteil vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15, Abruf-Nr. 185148):

     

    • Die durch den Arzt oder Zahnarzt ausgelöste Überprüfung durch den Portalbetreiber muss so ausgestaltet sein, dass sie erkennbar zum Ziel hat, zu klären, ob die Beanstandung des betroffenen Arztes oder Zahnarztes zu Recht erfolgte. Der Portalbetreiber muss ernsthaft versuchen, sich die notwendigen Informationen zu verschaffen.

     

    • Der Portalbetreiber soll die Beanstandung des Arztes oder Zahnarztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu bringen, eine Stellungnahme abzugeben.

     

    • Der Portalbetreiber kann gehalten sein, vom Bewertenden z. B. eine möglichst exakte Beschreibung des Behandlungskontakts einzufordern. Wenn der Portalbetreiber lediglich den Bewerter mit den Worten anschreibt und ihn bittet, „die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen“, hat dies mit der Anforderung einer exakten Beschreibung nichts zu tun.

     

    • Das Bewertungsportal muss sich ggf. auch die Behandlung belegende Unterlagen vom Bewerter zukommen lassen (z. B. Honorarrechnungen, Terminkarten und Terminzettel, Rezepte etc.).

     

    Diese Stellungnahme des Bewertenden und die vorliegenden Unterlagen darf das Bewertungsportal nicht für sich behalten, sondern muss sie an den Arzt bzw. Zahnarzt übersenden. Keineswegs sollten sich Betroffene mit pauschalen Schreiben wie diesem abspeisen lassen:

     

    • Beispiel: pauschale Absage durch Portalbetreiber

    „Sehr geehrter Herr Dr. ... , wie angekündigt möchten wir Sie über das Ergebnis unserer Prüfung ihrer Bewertung informieren. Der Behandlungskontakt hat sich gemäß unseren Recherchen - wie vom Bewerter dargestellt - so zugetragen. Die von Ihnen beanstandete Bewertung auf Ihrem Profil wird daher wieder veröffentlicht. Die Bewertung wurde auf Basis Ihrer Problemmeldung und der jeweiligen vorhandenen Stellungnahmen durch unser Qualitätssicherungsteam überprüft. Die Prüfung erfolgte nach aktuellen rechtlichen Vorgaben.“

     

    Kommt das Bewertungsportal der Prüfungs- oder Löschungspflicht nicht nach, kann der Zahnarzt gerichtlich geltend machen, dass der Portalbetreiber die Veröffentlichung der Bewertung unterlässt. Regelmäßig ist hier angesichts der Streitwerte das Landgericht zuständig, vor dem Anwaltszwang besteht. In der Praxis streichen die Betreiber teilweise nur den aus ihrer Sicht gefährlichen Inhalt heraus - obwohl die ganze Bewertung infiziert ist! Das müssen Sie nicht dulden!

    Quelle: Ausgabe 08 / 2017 | Seite 3 | ID 44704835